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Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 3.732,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.08.2020 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 633,94 € zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Die Kläger buchten für ihre Tochter bei dem Beklagten ein Austauschprogramm zu einem Preis von 6.130,00 € für einen fünfmonatigen Gastschulaufenthalt in Spanien ab Sommer 2020 bis Januar 2021 im Schuljahr 2020/2021. Dem liegt der Vertrag der Parteien vom 03.12.2019 zugrunde (Bl. 34 ff. d.A.). Der Aufenthalt sollte in der Region N in J stattfinden und die Tochter der Kläger in einer Gastfamilie wohnen.
3Mit E-Mail vom 05.08.2020 an den Beklagten traten die Kläger von dem Reisevertrag zurück und begründeten ihren Rücktritt mit dem aktuellen Coronageschehen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Rücktrittserklärung wird auf die in Kopie zur Akte gereichte E-Mail vom 05.08.2020 (Bl. 12 d.A.) verwiesen. Der Reisepreis war zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig gezahlt. Der Beklagte erstattete den Klägern lediglich einen Betrag in Höhe von 2398,00 €.
4Mit anwaltlichem Schreiben vom 31.08.2020 (Bl. 8 d.A.) forderte der Prozessbevollmächtigte der Kläger den Beklagten zur Rückerstattung des gesamten Reisepreises auf. Ein Zahlung erfolgte nicht.
5Die Kläger behaupten, zum Zeitpunkt des Rücktritts habe sich die 2. Corona- Welle mit einer erheblichen Verschlechterung des Infektionsgeschehens in Spanien bereits abgezeichnet und es seien harte Lockdown-Maßnahmen zu befürchten gewesen, welche den Schulbesuch, das Erlernen der Sprache, die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben des Gastlandes und den Kontakt zu Gleichaltrigen zumindest erheblich erschwert bzw. sogar verhindert hätten.
6Sie sind der Ansicht, dass zum Zeitpunkt des Rücktritts durch die Corona-Pandemie erhebliche Beeinträchtigungen des Gastschulaufenthalts im Sinne des § 651h Abs. 3 BGB vorlagen.
7Die Kläger beantragen,
8die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 3.732,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.08.2020 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 633,94 € zu zahlen.
9Der Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Er behauptet, die Gegend um J sei ein von der Coronapandemie nur sehr wenig betroffenes Gebiet mit nur geringen Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Die Austauschprogramme in Spanien könnten ohne wesentliche Beeinträchtigung durchgeführt werden. Er ist deshalb der Ansicht, außergewöhnliche, unvermeidbare Umstände und eine erhebliche Beeinträchtigung die zum Rücktritt berechtigt hätten, hätten zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung nicht vorgelegen und seien auch nicht zu befürchten gewesen.
12Er ist außerdem der Ansicht, dass das Reiserecht nicht anwendbar sei.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
14Durch Beschluss vom 18.03.2021 (Bl. 113 d.A.) wurde mit Zustimmung der Parteien eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet.
15Entscheidungsgründe:
16Die zulässige Klage ist begründet.
17Die Kläger haben gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 3.732,00 €
18gemäß § 651h Abs. 1, Abs. 3, Abs. 5 BGB.
19Die Kläger haben den Rücktritt vom Reisevertrag erklärt. Dies ist gemäß § 651 h Abs. 1 BGB jederzeit möglich. Es liegen außerdem außergewöhnliche Umstände im Sinne des § 651 h Abs. 3 BGB vor, die die Durchführung des Gastschulaufenthalts erheblich beeinträchtigen, weshalb eine Entschädigung der Beklagten entfällt.
20§ 651h BGB ist anwendbar. Dies ist in § 651u BGB für Gastschulaufenthalte ausdrücklich geregelt.
21In der von § 651u BGB normierten entsprechenden Anwendung des § 651h Abs. 3 BGB kommt es daher darauf an, ob Umstände der dort näher bezeichneten Art auftreten, die die Durchführung des Gastschulaufenthalts erheblich beeinträchtigen.
22Maßgeblich ist eine Gesamtwürdigung der vorliegenden Umstände und der Zielrichtung und des Charakters der Reise bzw. des Gastschulaufenthaltes. Umstände im Sinne des § 651h Abs. 3 BGB erfordern weder eine Empfehlung zum Unterlassen genau dieser Reise noch eine ausdrückliche Reisewarnung für das Zielland.
23Es kommt für die Beurteilung, ob ein außergewöhnliches Ereignis vorliegt, vielmehr darauf an, wann der Reisende zurückgetreten ist und ob die Gegebenheiten zu dieser Zeit bereits als außergewöhnliche Umstände zu qualifizieren waren. Hier verbietet sich jede schematische Betrachtung, maßgeblich bleiben vielmehr die Geschehnisse des konkreten Einzelfalles. In diesem Zusammenhang ist für die Bewertung der Zeitpunkt der Ausübung des Gestaltungsrechts maßgeblich. Es handelt sich um eine Prognoseentscheidung, für die es auf eine ex ante Betrachtung ankommt (Vgl. Führich, NJW 2020, 2137 ff.).
24Bei der weltweiten Covid-19-Pandemie liegen solche unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände vor.
25Durch die Covid-19-Pandemie bestanden und bestehen weltweit erhebliche Risiken für die Gesundheit. Dies galt und gilt insbesondere auch für Spanien,
26und zwar unabhängig von dem genauen Aufenthaltsort. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass aufgrund der Dynamik des Infektionsgeschehens nicht davon ausgegangen werden kann, dass einzelne Gebiete eines Landes verschont bleiben, nur weil aktuell niedrige Infektionszahlen für das etwaige Gebiet vorliegen. Gleichzeitig macht die Pandemielage bis heute kurzfristige Entscheidungen über erhebliche Einschränkungen des öffentlichen, privaten und schulischen Lebens erforderlich, die zum maßgeblichen Zeitpunkt bei der Ausübung des Rücktrittsrechts für den projektierten Zeitraum des Aufenthalts nicht vorhersehbar waren. Die Befürchtung, dass aufgrund der unübersichtlichen Lage - gerade in einem Zielland mit hohen Infektions- und Todeszahlen - Einschränkungen des Gastaufenthalts zu erwarten sind/waren, liegt auf der Hand. Dies betrifft nicht nur den schulischen Unterricht als solchen, sondern auch außerschulische Aktivitäten, das Zusammenleben in Gastfamilien, Unternehmungen und Treffen aller Art, die alle zum Zweck des Gastschulaufenthalts gehören. Zum Zeitpunkt des Rücktritts zeichnete sich die zweite Welle in Spanien bereits ab und es war darüber hinaus bereits erkennbar, dass während des streitgegenständlichen Gastschulaufenthalts ab Sommer 2020 das weltweite Problem nicht in einer Weise gelöst werden kann, die auch nur ansatzweise ein "normales" Gastschulleben zulässt. Außerdem war aufgrund der Maßnahmen der spanischen Regierung während der ersten Welle mit harten Maßnahmen zur Eingrenzung des Corona-Virus zu rechnen. Aufgrund der vorgenannten Umstände war daher auch die Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung mit deutlich über 25% zu bemessen.
27Da der Reisepreis in Höhe von insgesamt 6.130,00 € durch die Kläger bereits vollständig an die Beklagte gezahlt wurde, ist die Beklagte gemäß § 651h Abs. 5 BGB zur Rückerstattung innerhalb von 14 Tagen nach dem Rücktritt verpflichtet. Somit besteht noch ein Zahlungsanspruch der Kläger in Höhe von 3.732,00 €, nachdem ein Betrag in Höhe von 2398,00 € bereits an die Kläger ausgezahlt wurde. Der Beklagte befindet sich außerdem mit dem restlichen Betrag in Höhe von 3.732,00 € seit dem 20.08.2020 in Verzug, § 286 Abs. 2 BGB.
28Die Kläger haben außerdem einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 633,94 € aufgrund Verzugs, §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB.
29Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 2 ZPO.
30Der Streitwert wird auf 3.732,00 EUR festgesetzt.
31Rechtsbehelfsbelehrung:
32Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
331. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
342. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
35Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Bonn, Wilhelmstr. 21, 53111 Bonn, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
36Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bonn zu begründen.
37Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bonn durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
38Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
39BeglaubigtUrkundsbeamter/in der GeschäftsstelleAmtsgericht Siegburg