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1. Zur öffentlichen Zugänglichmachung von Lichtbildwerken auf Pinterest.
2. Zur Berechnung lizenzanalogen Schadensersatzes im Wege des § 287 ZPO für die Nutzung von künstlerischer Aktfotografie auf Pinterest. Die sog. MFM-Tarife können als Anhaltspunkt für die Schätzung dienen.
3. Zur Verwirkung und Angemessenheit der Höhe von Vertragsstrafen nach nicht ordnungsgemäßen Hinweis an Google zur Löschung von Lichtbildern aus dem Cache mit der Folge der fortwährenden Abrufbarkeit der Lichtbilder über die Google Bildersuche.
1. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, die mit den Anlagen BSE1 bis BSE6 wiedergegebenen Lichtbildaufnahmen ohne Zustimmung des Klägers im Internet öffentlich zugänglich zu machen bzw. öffentlich zugänglich machen zu lassen, wenn dies geschieht, wie in den Anlagen BSE 13, BSE 18 und BSE 19 wiedergegeben.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadenersatz in Höhe von 17.245,31 € und Vertragsstrafen von insgesamt 7.000,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.05.2021 zu zahlen.
3. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von dessen außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.905,18 €, 787,76 € und 1.054,10 € freizustellen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
6. Das Urteil ist hinsichtlich Tenorziffer zu 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,- €, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Der Kläger ist Fotokünstler, u.a. für Aktfotografie. Seine Arbeit wurde mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet (siehe etwa Anlage BSE 23, Bl. 91 ff. & Anlage BSE 36, Bl. 240 ff.).
3Der Beklagte betrieb jedenfalls in der Vergangenheit im Nebenerwerb eine Tätigkeit als Fotograf, er ist aktuell als Coach und Berater im Bereich Social Media tätig. Er hat Accounts bei verschiedenen sozialen Netzwerken, u.a. Instagram und Pinterest, auf denen er eine Vielzahl von Fotografien bereit hält, zum Teil selbst erstellte. Der Pinterest Account enthielt einen Link auf die URL: entfernt.com, deren Inhaber der Beklagte ist. Dieser Link wiederum führte zum Instagram Account des Beklagten mit der Bezeichnung „U“, auf dem Aktfotografien abrufbar gehalten werden. Bei einer Google Suche nach dem Namen des Beklagten erscheinen Ergebnisse, die auf die Webseite entfernt.com und im Beschreibungstext auf „bezahlbare Fotokunst“ und „spannende Auftragsfotografie“ hinweisen. Werke des Beklagten wurden in der Vergangenheit von der Galerie „L“ in Düsseldorf unter der Webseite entfernt.de/entfernt sowie als weiteren Kanal über die Webseite entfernt.com vermarktet. Es ist ein Bildband mit Aktfotografien des Beklagten unter dem Titel „T style.“ u.a. über die Webseite entfernt.de zum Preis von 39,70 € bzw. 52,25 € erhältlich und dieser ist bei Amazon jedenfalls als Produkt gelistet.
4Über den öffentlichen Pinterest Account des Beklagten unter dem Namen „H“ waren in der Zeit von November 2018 bis November 2020 mehrere Lichtbilder des Klägers abrufbar (siehe Anlagen BSE 7 und BSE 8, Bl. 34 f. GA).
5Der Kläger ließ den Beklagten deshalb am 27.11.2020 abmahnen. Der Beklagte unterwarf sich mit Schreiben vom 12.12.2020, das der Kläger am 14.12.2020 als Unterlassungserklärung annahm. Der Kläger machte dabei bereits Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche geltend.
6Am 22.12.2020 waren Lichtbilder des Klägers weiterhin im Internet über den Google Cache abrufbar (siehe Anlage BSE 13, Bl. 59 GA). Deshalb ließ der Kläger den Beklagten am 22.12.2020 nochmals abmahnen und forderte eine neue Unterlassungserklärung sowie eine Vertragsstrafe iHv 2.500 € und Aufwendungsersatz. Der Beklagte reagierte hierauf mit anwaltlichem Schreiben vom 20.01.2021, aber er unterwarf sich insoweit nicht.
7Am 22.12.2020 um 14:38 Uhr schickte der Beklagte eine E-Mail an seinen Prozessbevollmächtigten, in welchem er mitteilte, er habe Google mit der Bitte um Löschung kontaktiert (Bl. 267 f. GA). Dies teilte der Beklagte sinngemäß durch seinen Prozessbevollmächtigten erstmals in der mündlichen Verhandlung am 03.03.2022 mit und legte die E-Mail mit Schriftsatz nach der mündlichen Verhandlung vom 07.03.2022 vor, was der Kläger jeweils als verspätet rügt. Ein Löschantrag gegenüber Pinterest ist nicht erfolgt.
8Am 10.03.2020 waren Lichtbilder des Klägers weiterhin auf dem Server von Pinterest gespeichert und abrufbar, außerdem war ein Lichtbild des Klägers weiterhin über eine Google Bildersuche auffindbar (Anlagen BSE 18 und BSE 19, Bl. 79 f. GA). Deshalb ließ der Kläger den Beklagten ein drittes Mal abmahnen und forderte eine weitere Vertragsstrafe iHv 4.500 € und weiteren Aufwendungsersatz. Der Beklagte reagierte hierauf mit anwaltlichem Schreiben vom 06.04.2021, aber er unterwarf sich auch insoweit nicht. Er leistete auch keine Zahlungen.
9Der Kläger behauptet, der Beklagte habe in seiner Eigenschaft als Fotograf, jedenfalls aber in gewerblicher Tätigkeit gehandelt.
10Der Kläger ist der Ansicht, die Abrufbarkeit bei Pinterest stelle eine Vervielfältigung und eine öffentliche Zugänglichmachung seiner Lichtbilder dar. Der Beklagte sei nach Unterwerfung verpflichtet gewesen, zur Einstellung der Verletzung auch auf Google einzuwirken, um so eine Löschung aus der Suchmaschine sowie dem Cache zu erwirken. Die E-Mail an Google vom 22.12.2020 sei zu spät erfolgt, weil diese erst nach Zugang der (zweiten) Abmahnung vom gleichen Tage versandt worden sei. Der Löschantrag sei auch unvollständig gewesen, weil im März 2021 noch eine weitere Verletzung vorgelegen habe, die zur (dritten) Abmahnung am 10.03.2021 geführt habe. Er könne seinen Lizenzschadensersatz auf Grundlage der MFM-Tabellen berechnen.
11Der Kläger beantragt,
12den Beklagten zu verurteilen,
131. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, die mit den Anlagen BSE1 bis BSE6 wiedergegebenen Lichtbildaufnahmen ohne Zustimmung des Klägers im Internet öffentlich zugänglich zu machen bzw. öffentlich zugänglich machen zu lassen, wenn dies geschieht, wie in den Anlagen BSE7, BSE8, BSE 13, BSE 18 und BSE 19 wiedergegeben,
142. an den Kläger
15a. einen Schadenersatz in Höhe von 17.245,31 € sowie
16b. Vertragsstrafenzahlungen von insgesamt 7.000,00 €
17jeweils nebst Zinsen in Höhe von 9 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
183. den Kläger von dessen außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.194,72 €, 905,38 € sowie weiteren 1.101,94 € freizustellen.
19Der Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Der Beklagte behauptet, der Beklagte verfolge mit dem Pinterest Account lediglich private Interessen; er sei seit mehreren Jahren nicht mehr als Fotograf gewerblich tätig, er habe diese Tätigkeit vielmehr aufgegeben. Er bestreitet die Urheberschaft des Klägers. Aus der Anlage BSE 13 ergebe sich kein Hinweis darauf, dass die bei Google dargestellten Lichtbilder mit dem Pinterest Account des Beklagten verknüpft seien.
22Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Nutzung bei Pinterest kein öffentliches Zugänglichmachen darstelle, sondern eine zulässige Form des Embedding sei. Mangels Gewerblichkeit auf Seiten des Beklagten sei für die Abmahnkosten § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG zu beachten; die geltend gemachten Gegenstandswerte seien nicht anwendbar. Die mit Anlagen BSE 18 und BSE 19 vorgetragene Abrufbarkeit von Lichtbildern des Klägers sei vom Beklagten nicht zu vertreten, er sei nur zur Löschung bei Pinterest von seinem Account verpflichtet gewesen. Der Schaden sei zu hoch bemessen, insbesondere könne der Kläger sich nicht auf die MFM-Tabellen stützen. Die Vertragsstrafenforderungen seien zu hoch bemessen.
23Die Klage ist dem Beklagten am 17.05.2021 zugestellt worden.
24Entscheidungsgründe:
25Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
26I. Die Klage ist zulässig. Das LG Köln ist angesichts der Abrufbarkeit der streitgegenständlichen Lichtbilder über den Instagram Account des Beklagten auch im hiesigen Gerichtsbezirk nach § 32 ZPO für die (gesetzlichen) urheberrechtlichen Ansprüche örtlich zuständig. Für die (vertraglichen) Ansprüche auf Unterlassung und Vertragsstrafenzahlung beruht die örtliche Zuständigkeit auf § 39 S. 1 ZPO, nachdem der Beklagte insoweit rügelos verhandelt hat.
27Im Übrigen bestehen keine Zulässigkeitsbedenken, insbesondere ist der Unterlassungsantrag hinreichend bestimmt gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
28II. Die Klage ist überwiegend begründet.
291. Unterlassung, Antrag zu 1.)
30Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung der streitgegenständlichen Lichtbilder aus dem gemeinsamen Unterlassungsvertrag und aus §§ 97 Abs. 1, 19a, 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 UrhG. Jedoch ist der Tenor abweichend vom Klageantrag in der konkreten Verletzungsform anzupassen, weil er andernfalls angesichts der vorgerichtlich abgegebenen Unterlassungserklärung zu weitgehend wäre.
31Der Anspruch folgt primär aus dem Unterlassungsvertrag (Anlagen BSE 10 & BSE 11, Bl. 42 ff. GA), wonach sich der Beklagte verpflichtet hat, u.a. die öffentliche Zugänglichmachung der eingeblendeten Lichtbilder zu unterlassen.
32Das für die Durchsetzung eines vertraglichen Unterlassungsanspruchs notwendige Rechtsschutzbedürfnis (vgl. dazu OLG Köln, Urteil vom 10.09.2021, 6 U 34/21 – unveröffentlicht; BGH, Urteil vom 21.01.1999, I ZR 135/96, GRUR 1999, 522 – Datenbankabgleich) liegt angesichts der Zuwiderhandlungen nach Abgabe der Unterlassungserklärung durch den Beklagten vor.
33Auf das Bestreiten der Urheberschaft des Klägers kommt es angesichts der unbedingten Unterwerfung betreffend konkret eingeblendete Lichtbilder nicht weiter an, weil der Beklagte die Unterlassungspflicht nicht von der Rechtsinhaberschaft des Klägers abhängig gemacht hat. Der Kläger kann sich im Übrigen mit Blick auf die in der Replik (S. 2 oben, Bl. 143 GA) genannten URLs auch auf § 10 Abs. 1 UrhG stützen, weil die entsprechenden Webseiten ausdrücklich Urhebervermerke zugunsten des Klägers aufweisen.
34Nach gebotener Auslegung der Unterlassungsverpflichtung ist mit dem dort genutzten Begriff der öffentlichen Zugänglichmachung jedenfalls der gleichlautende Begriff des § 19a UrhG gemeint. Vertretbar ist auch eine weitergehende Auslegung dahingehend, dass eine gesamte Löschung „aus dem Internet“ geschuldet ist (vgl. OLG Köln, Urteil vom 10.09.2021, 6 U 34/21 – unveröffentlicht). Hierauf kommt es jedoch nicht weiter an, weil der Beklagten Lichtbildwerke des Klägers wiederholt im Wortsinne des § 19a UrhG öffentlich zugänglich gemacht hat.
35Der Kläger trägt unter Vorlage der Anlagen BSE 13 (Bl. 59 GA) und BSE 18/BSE 19 (Bl. 79f. GA) weitere Nutzungen nach der Unterwerfung qualifiziert vor. Dabei ist dem Beklagtenvortrag zunächst beizupflichten, dass sich aus Anlage BSE 13 nicht unmittelbar die Verknüpfung mit dem Pinterest Account des Beklagten entnehmen lässt. Jedoch weisen die Google Bilderkacheln jeweils den Text „P“ auf. Dies entspricht ausweislich des vom Beklagten selbst vorgelegten Screenshot (Klageerwiderung vom 05.07.2021, Bl. 107 GA) dem Namen einer „Pinnwand“ auf dem Pinterest Account des Beklagten. Dieser Titel wurde auch nicht vom Kläger vergeben. Dass die Lichtbilder des Klägers im Übrigen von einem anderen Nutzer auf Pinterest eingebracht worden sind und dies zudem mit dem Titel „P“ ist nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Demnach steht es zur ausreichenden Überzeugung der Kammer nach § 286 ZPO fest, dass die Ergebnisse der Bildersuche gem. Anlage BSE 13, sei es auch nur noch gespeichert im Rahmen des Google Cache, dem Account des Beklagten zuzuordnen sind. Auf die Frage, ob hier ein sog. Embedding vorliegt, kommt es nicht an, weil mit dem Unterlassungsantrag maßgeblich die öffentliche Zugänglichmachung bei Google betroffen ist, nicht aber eine solche bei Pinterest (siehe dazu im Übrigen die nachfolgenden Ausführungen).
36Insoweit ist davon auszugehen, dass der Beklagte auch bei Anwendung von § 19a UrhG zur Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands, erforderlichenfalls auch zur Einwirkung auf Dritte verpflichtet ist, wenn und soweit er auf diese Einfluss nehmen kann (BGH GRUR 2015, 258 – CT Paradies). Dies gilt insbesondere, wenn das Handeln Dritter ihm wirtschaftlich zugutekommt und wenn er mit (weiteren) Verstößen ernstlich rechnen muss (BGH GRUR 2018, 1183 – Wirbel um Bauschutt).
37Nach diesen Grundsätzen war der Beklagte verpflichtet, auf Google einzuwirken, um die streitgegenständlichen Lichtbilder aus dem Cache löschen zu lassen. Dies ist offenbar nicht rechtzeitig und nicht vollständig erfolgt. Soweit der Beklagte auf eine E-Mail vom 22.12.2020 an seinen Prozessbevollmächtigen verweist, so ist diese nach dem eindeutigen Hinweis des Klägers im nachgelassenen Schriftsatz vom 16.03.2022 erst nach Zugang der zweiten Abmahnung per E-Mail erfolgt. Weder aus der E-Mail selbst noch aus dem beiliegenden nur teilweise abgelichteten Screenshot (Bl. 268 GA) ergibt sich, zu welchem konkreten Zeitpunkt der Beklagte sich an Google gewendet hat. Jedenfalls für die vorgeworfene öffentliche Zugänglichmachung bis einschließlich zum 22.12.2020 ist deshalb im Zweifel davon auszugehen, dass der Beklagte nicht rechtzeitig auf Google eingewirkt. Ob der Beklagte dabei gewerblich gehandelt hat, kann an dieser Stelle offenbleiben. Die Pflicht zur Einwirkung auf Dritte treffen nach Ansicht der Kammer nicht nur gewerbliche Unterlassungsschuldner, weil hiermit der umfassende Schutz des Unterlassungsgläubigers bezweckt ist und dessen Interessen auch im Kontakt zu Privaten deutlich überwiegen. Zwar mag ein anderer Grad der Zumutbarkeit bestehen. Die Einwirkung auf Google erscheint jedoch vorliegend unbedingt erforderlich und zumutbar, um die Folgen der Urheberrechtsverletzung einzudämmen.
38Ähnliches gilt für die Nutzung gem. Anlage BSE 18 und 19. Soweit hiermit ein Lichtbild immer noch am 10.03.2021 über die Google Bildersuche auffindbar war, gelten die obigen Ausführungen zur Zuordnung zum Pinterest Account des Beklagten entsprechend, weil auch hier der Albumtitel „P“ erkennbar ist. Auch hier ist die E-Mail des Beklagten vom 22.12.2020 an seinen Prozessbevollmächtigten nicht geeignet, die Erfüllung der zumutbaren Einwirkung auf Google zur Löschung aus dem Cache nachzuweisen. So ergeben sich aus dem Screenshot (Bl. 268 GA) nur fünf Einträge, was numerisch bereits zu wenig ist, um die sechs Lichtbilder zu erfassen. Hinzu kommt, dass drei dieser Links identisch erscheinen, wobei hier unklar bleibt, ob die gelisteten URLs nur ausschnittsweise dargestellt werden. Hieraus ergibt sich folglich ohne Zweifel, dass der Löschauftrag an Google nicht vollständig war. Dies steht auch im Einklang damit, dass nur noch ein einziges Lichtbild des Klägers in Anlagen BSE 18 und 19 ersichtlich ist. Ergänzend versteht die Kammer den Klägervortrag so, dass für die Zeit bis März 2021 der weitere Vorwurf erfolgt, dass alle sechs Lichtbilder weiterhin auf dem Server von Pinterest gespeichert waren. Insoweit legt der Kläger Ausdrucke von Anfragen des http-Requests über die Webseite entfernt.net vor (Anlage BSE 26 Bl. 163ff. GA), jedoch keine Screenshots einer konkreten Bildwiedergabe. Auf dieser Grundlage konnte die Kammer keine ausreichende Überzeugung nach § 286 ZPO bilden, dass hier eine fortlaufende öffentliche Zugänglichmachung vorliegt. Damit mag mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Vervielfältigung auf den Servern von Pinterest gem. § 16 UrhG einhergehen, die zwar auch Gegenstand des Unterlassungsvertrags ist, aber nicht im Unterlassungsantrag aufgeführt und begehrt ist. Da der Antrag aber auch nach den obigen Ausführungen Erfolg hat, kommt es hierauf nicht entscheidend an.
39Auf ein Verschulden des Beklagten kommt es beim davon grundsätzlich unabhängigen Unterlassungsanspruch ebenfalls nicht an. Selbst wenn man ein Verschulden im vertraglichen Bereich fordern würde, wäre das Verschulden wegen der Pflichtverletzung zu vermuten gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Eine Exkulpation gelingt dem Beklagten nicht, da er grundsätzlich einräumt, fremde Werke ohne Zustimmung des Urhebers bei Pinterest genutzt zu haben.
40Der Beklagte hat sich auf die zwei weiteren Abmahnungen hin nicht nochmals unterworfen. Die im Bereich des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs nach § 97 Abs. 1 UrhG wieder neu entstandene Wiederholungsgefahr wurde nicht ausgeräumt.
41Angesichts der obigen Ausführungen waren als konkrete Verletzungsform jedoch nur die Anlagen BSE 13, 18 und 19 in Bezug zu nehmen, da die Anlagen BSE 7 und 8 (Sceenshots erstellt am 26.11.2020) den Vorwurf vor der Abgabe der Unterlassungserklärung betrafen.
422. Schadensersatz, Antrag zu 2.) lit. a)
43Ergänzend zu den obigen Ausführungen hat der Kläger gegen den Beklagten auch einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 97 Abs. 2 UrhG.
44In diesem Zusammenhang stützt sich der Kläger maßgeblich auf die Verletzung, zu der sich der Beklagte unterworfen hat (siehe Anlagen BSE 7 und 8).
45In diesem Zusammenhang ist die Urheberschaft des Klägers an den Lichtbildwerken gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 UrhG nach § 10 UrhG zu vermuten (siehe die Links auf S. 2 der Replik).
46Die Abrufbarkeit bei Pinterest stellt auch eine öffentliche Zugänglichmachung nach § 19a UrhG dar. Die öffentliche Zugänglichmachung stellt einen besonderen Fall der öffentlichen Wiedergabe nach § 15 Abs. 3 UrhG dar, der richtlinienkonform auszulegen ist. Nach diesen Grundsätzen sind erforderlich eine Handlung der Wiedergabe und die Öffentlichkeit dieser Wiedergabe. Ferner erfordert dieser Begriff eine individuelle Beurteilung. (siehe ausführlich BGH, GRUR 2021, 1286, Rn. 12 ff. – Lautsprecherfoto). Im Streitfall ist die Zurverfügungstellung bei Pinterest eine Wiedergabe, die zudem offensichtlich öffentlich war, weil sie eine unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten erreicht. Auch bei individueller Betrachtung ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, hier nicht von einer öffentlichen Wiedergabe auszugehen.
47Entgegen der Argumentation des Beklagten stellt diese Abrufbarkeit bei Pinterest nicht nur eine zulässige Form des Verlinkens oder des Embeddings dar. Es steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Beklagte die Lichtbilder des Klägers aktiv in die Plattform Pinterest eingebracht und mit seinem Account verbunden hat. Es handelt sich nach dem überzeugenden und detaillierten Klägervortrag nicht um einen sog. „Re-Pin“ eines bereits von einem anderen Account in die Plattform eingebrachten Lichtbildes, das dann über eine plattformspezifische Funktion verlinkt und/oder embedded wird. Dies folgt zum einen daraus, dass die Lichtbilder bei den Pinterest Fundstellen einen Dateinamen bestehend aus Ziffern und Buchstaben erhalten, der an einen hashcode erinnert. Der Kläger trägt insoweit unbestritten vor, dass er die Lichtbilder nicht unter solchen Dateinamen speichert und öffentlich zugänglich macht oder machen lässt, sondern dass dies eine Funktion der Plattform Pinterest ist. Die Vervielfältigung auf den Servern von Pinterest legt er außerdem qualifiziert mit den oben bereits genannten X Protokollen dar. Angesichts des qualifizierten Vortrags des Klägers genügt auch die pauschale Verteidigung des Beklagten damit, dass es sich um ein Embedding handele, nicht, um Zweifel der Kammer an der öffentlichen Zugänglichmachung zu begründen.
48Der Kläger hat hierzu nicht zugestimmt, die Nutzung war also rechtswidrig.
49Das Verschulden des Beklagten ist vermutet. Eine Exkulpation erfolgt nicht. Angesichts der strengen Sorgfaltsanforderungen ist mindestens von fahrlässigem Verhalten auszugehen.
50Der Kläger kann nach § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG lizenzanalogen Schadensersatz fordern. Ausweislich der Rechtsprechung des BGH in Sachen "Foto eines Sportwagens" (Urt. v. 13.9.2018 – I ZR 187/17, GRUR 2019, 292) gilt bei der Berechnung von lizenzanalogen Schadensersatz bei der Rechtsverletzung von Lichtbildern grds. was folgt:
51"Bei der Berechnung der Höhe des zu leistenden Schadensersatzes im Wege der Lizenzanalogie ist zu fragen, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommenen Benutzungshandlungen vereinbart hätten. Zu ermitteln ist der objektive Wert der Benutzungsberechtigung. Dabei ist unerheblich, ob und inwieweit der Verletzer selbst bereit gewesen wäre, für seine Nutzungshandlungen eine Vergütung zu zahlen (vgl. BGH, GRUR 2006, 136 Rn. 23 = WRP 2006, 274 – Pressefotos; GRUR-RS 2013, 03085 Rn. 30 = ZUM 2013, 406 = GRUR-RR 2013, 312 Ls. – Einzelbild). Im Rahmen der Ermittlung des objektiven Werts der Benutzungsberechtigung, der für die Bemessung der Lizenzgebühr maßgebend ist, müssen die gesamten relevanten Umstände des Einzelfalls in Betracht gezogen und umfassend gewürdigt werden (vgl. BGH, GRUR 2009, 407 Rn. 25 = WRP 2009, 319 – Whistling for a train; BGH, GRUR-RS 2013, 03085 Rn. 30 = ZUM 2013, 406 = GRUR-RR 2013, 312 Ls. – Einzelbild). Im Zusammenhang mit der unberechtigten Nutzung einer Fotografie im Internet wird es dabei unter anderem auf die Intensität der Nutzung, insbesondere ihre Dauer, und die Qualität des Lichtbilds ankommen (vgl. BGH, GRUR 2010, 623 Rn. 39 f. = WRP 2010, 927 – Restwertbörse I). Soweit damit objektiv eine Erhöhung des wirtschaftlichen Werts der Bildernutzung verbunden ist, wird ferner der für die Erstellung des Lichtbilds erforderliche Aufwand zu berücksichtigen sein (vgl. Forch, GRUR-Prax 2016, 142 [144]).
52Maßgebliche Bedeutung kommt einer zur Zeit der Verletzungshandlung am Markt durchgesetzten eigenen Lizenzierungspraxis des Rechtsinhabers zu (LG Kassel, GRUR-Prax 2010, 560; Forch, GRUR-Prax 2016, 142 [143]). Fehlt es daran, liegt es für die Festsetzung einer angemessenen Lizenzgebühr nahe, branchenübliche Vergütungssätze und Tarife als Maßstab heranzuziehen, wenn sich in dem maßgeblichen Zeitraum eine solche Übung herausgebildet hat (vgl. BGH, GRUR 2006, 136 Rn. 27 – Pressefotos; GRUR-RS 2013, 03085 Rn. 30 = ZUM 2013, 406 = GRUR-RR 2013, 312 Ls. – Einzelbild, stRspr).
53[...]
54Gibt es keine branchenüblichen Vergütungssätze und Tarife, ist die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr vom Tatrichter gem. § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen. Dabei sind an Art und Umfang der vom Geschädigten beizubringenden Schätzgrundlagen nur geringe Anforderungen zu stellen; dem Tatrichter kommt zudem in den Grenzen eines freien Ermessens ein großer Spielraum zu. Die tatrichterliche Schadensschätzung unterliegt nur einer beschränkten Nachprüfung durch das RevGer. Überprüfbar ist lediglich, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. BGH, GRUR 2016, 184 Rn. 44 = WRP 2016, 66 – Tauschbörse II, mwN)."
55Nach diesen Grundsätzen ist zunächst nach einer eigenen Lizenzierungspraxis abzurechnen. Eine solche Praxis konnte der Kläger jedoch nicht hinreichend darlegen. Hier hat der Kläger zwar grundsätzlich zu seiner Lizenzierungspraxis als (Aktkunst-) Fotograf vorgetragen, konkret für die hier gegenständlichen Lichtbilder jedoch keine einschlägigen Rechnungen vorgelegt. Er verweist deshalb auf die sog. MFM-Tabellen. Diese sind vorliegend nach Ansicht der Kammer nicht unmittelbar als branchenüblicher Vergütungssatz oder Tarif heranzuziehen, weil insoweit nicht ersichtlich ist, dass beide Parteien Mitglieder der MFM sind oder sonst in irgendeiner Art und Weise an diese Tarife gebunden wären.
56Jedoch kann die Kammer in diesem Einzelfall die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr gem. § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach ihrer freien Überzeugung bemessen. Dabei ist zu fragen, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommenen Benutzungshandlungen in Kenntnis der tatsächlichen Entwicklung während des Verletzungszeitraums vereinbart hätten. Zu ermitteln ist der objektive Wert der Benutzungsberechtigung. Es ist dabei unerheblich, ob der Verletzer selbst bereit gewesen wäre, für seine Nutzungshandlungen eine Vergütung in dieser Höhe zu zahlen. Dabei sind der Umfang der Nutzung sowie der Wert des verletzten Ausschließlichkeitsrechts zu berücksichtigen. Zu den Umständen, die den objektiven Wert der angemaßten Benutzungshandlungen beeinflussen, gehören ein etwa festzustellender verkehrsmäßig üblicher Wert der Benutzungsberechtigung in Anlehnung an tatsächlich vereinbarte Lizenzen, die wirtschaftliche Bedeutung des geschützten Rechts, die sich in Gewinnaussichten ausdrückt und durch die am Markt zu erzielende Vergütung bestimmt wird, eine etwaige Monopolstellung des Schutzrechtsinhabers, sowie, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang gegenüber der Verwendung des geschützten Rechts gangbare und aus der Sicht eines Lizenznehmers wirtschaftlich vernünftige Alternativen vorhanden sind. Grundsätzlich ist der objektive Wert der Benutzungsberechtigung maßgeblich, so dass beispielsweise wirtschaftliche Schwierigkeiten des Verletzers keine niedrigere Festsetzung der Lizenzgebühr rechtfertigen. Bei der Bewertung, welche Vereinbarung vernünftige Vertragsparteien getroffen hätten, kann aber auch die in der Branche übliche Umsatzrendite berücksichtigt werden, da ein Lizenznehmer im Zweifel keine Lizenzgebühr vereinbaren würde, die seinen Gewinn übersteigen würde (so ausführlich OLG Köln, Urteil vom 26.02.2021 – 6 U 189/19).
57Im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO hält die Kammer es mangels konkreter Anhaltspunkte für angemessen, die MFM-Tabellen zumindest als Anhaltspunkt für die Schätzung heranziehen (siehe auch das Kammerurteil vom 18.02.2021, Az. 14 O 44/19 – unveröffentlicht, auf welche Rechtsprechung sich die Kammer hiermit ausdrücklich bezieht und diese weiterführt; hier wie dort klagte der hiesige Kläger). Auch hier kommt es nach Ansicht der Kammer nicht entscheidend darauf an, ob der Beklagte gewerblich gehandelt hat. Zwar ist richtig, dass die MFM-Tabellen grundsätzlich den gewerblichen Lizenznehmer adressieren. Dies entwertet diese Tarife jedoch nicht grundlegend als Anhaltspunkt für die Schätzung nach § 287 ZPO auch im Verhältnis zu Privaten, wenn die Intensität der Nutzung einer gewerblichen Nutzung jedenfalls gleichsteht, wovon die Kammer hier ausgeht. Die ausgiebige Nutzung von Lichtbildwerken bei Pinterest, verbunden mit der guten Auffindbarkeit durch die Google Bildersuche betrifft hier den Kläger mindestens in gleicher Intensität wie eine Nutzung durch einen Unternehmer auf dessen Internetauftritten.
58Deshalb ist die Berechnung der Höhe des Lizenzschadensersatzes durch den Kläger in der Klageschrift auf Bl. 19 GA im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Kammer stimmt jedoch nicht den einzelnen Zuschlägen und Abschlägen des Klägers zu, was sich jedoch wegen § 308 Abs. 1 ZPO nicht auswirkt. Der Kläger geht zutreffend von einer Nutzungsdauer von 2 Jahren aus. Aus dem als Anlage BSE 22 (Bl. 90 GA) vorgelegten MFM-Tarif für Social Media Nutzungen für das hier maßgebliche Jahr des Beginns der Nutzung in 2018, ergibt sich eine „einfache Lizenz“ pro Bild in Höhe von 826,- € (bis drei Jahre; der Unterschied zur Berechnung durch den Kläger mit 829,50 € ist marginal). Die Kammer hält dabei – angelehnt jedoch zugleich unabhängig von dem MFM-Tarifen – im Rahmen von § 287 ZPO jedenfalls einen Aufschlag von 30% für die Mitwirkung eines Modells für angemessen, dies entspricht 247,80 € pro Bild. Einen weiteren Zuschlag von 30% (d.h. 247,80 € pro Bild) hält die Kammer für die Besonderheit der Fotos, deren Motiv jeweils ein Aktmodell in der Öffentlichkeit in Berlin ist. Einen weiteren Aufschlag von 50% (d.h. 413,- € pro Bild) hält die Kammer angesichts der Bekanntheit des Klägers für angemessen (so auch im Kammerurteil vom 18.02.2021, Az. 14 O 44/19). Es errechnet sich dadurch eine Lizenz pro Bild in Höhe von 1.734,60 €. Dieser Betrag wäre nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer wegen fehlender Urheberbenennung zu verdoppeln (auch wenn der Kläger hier nur einen Aufschlag von 75% vornimmt). Demnach beliefe sich der Lizenzbetrag pro Bild auf 3.469,20 €. Dieser ist mit der Anzahl der betroffenen Lichtbilder, also sechs, zu multiplizieren. Dies ergibt nach Ansicht der Kammer einen Betrag in Höhe von 20.815,20 €. Der Kläger macht „nur“ 17.245,31 € geltend. Selbst wenn man den vom Kläger gewährten Mengenrabatt von 10% von dem Betrag der gerichtlichen Schätzung abziehen wollte, so würde der ermittelte Betrag noch den geforderten Zahlungsbetrag übersteigen.
593. Vertragsstrafen
60Der Kläger hat gegen den Beklagten auch einen Anspruch auf Zahlung von zwei Vertragsstrafen wegen der zwei mit dem Unterlassungsanspruch geltend gemachten Verletzungen nach Unterwerfung aus § 339 S. 2 BGB. Das Verschulden wird vermutet, eine Exkulpation gelingt – wie oben bei den Unterlassungsansprüchen bereits ausgeführt – nicht.
61Die angesetzten Vertragsstrafen von 2.500,- € für die erste und 4.500,- € für die zweite Verletzung erscheinen der Kammer auch angemessen. Dies gilt selbst dann, wenn der Beklagte nicht gewerblich tätig wäre. Denn im gewerblichen Bereich der Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke, insbesondere Lichtbilder und Lichtbildwerke, hält die Kammer grundsätzlich und nach ständiger Rechtsprechung Vertragsstrafen bei Erstverstößen ab 5.100,- € für angemessen. Hier erfolgte für den Erstverstoß im Verhältnis dazu bereits ein moderater Ansatz von weniger als der Hälfte. Auch die Vertragsstrafe für den Zweitverstoß bleibt hinter diesem Wert zurück. Da auch im Verhältnis zu einem „privaten Urheberrechtsverletzer“ eine Vertragsstrafe angemessen sein muss, um ihren Zweck der Unterbindung weiterer Verstöße sowie zur Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen zu erfüllen, sind die vom Kläger angesetzten Vertragsstrafen auch bei hypothetischer Annahme der fehlenden gewerblichen Handlung des Beklagten angemessen und nicht überhöht.
624. Zinsanspruch
63Der Anspruch des Klägers auf Zinszahlung ab Rechtshängigkeit folgt aus § 291 BGB. Er besteht jedoch nur in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, weil es sich um Schadensersatz- und Vertragsstrafenforderungen handelt, nicht aber um Entgeltforderungen im Sinne von § 288 Abs. 2 BGB (vgl. OLG Köln, Urteil vom 10.09.2021, 6 U 34/21 – unveröffentlicht). Eine Entgeltforderung im Sinne von § 288 Abs. 2 BGB (sowie nach § 286 Abs. 3 BGB) liegt vor, wenn es sich um eine Forderung handelt, die auf Zahlung einer Gegenleistung für eine Leistung gerichtet ist (vgl. Grüneberg, 81. Aufl., 2022, § 286 Rn. 27). Der Begriff beruht auf der Zahlungsverzugs-RL 2011/7/EU und ist eng auszulegen (Grüneberg, § 288 Rn. 8).
645. Kostenerstattungsanspruch
65Der Kläger hat gegen den Beklagten auch Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten aus § 97a Abs. 3 S. 1 UrhG. Bei der Höhe ist hier entscheidungserheblich, ob der Beklagte privat oder gewerblich gehandelt hat wegen § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG – dies jedoch nur für die erste Abmahnung vom 27.11.2020. Für die weiteren Abmahnungen greift die Rückausnahme von § 97a Abs. 3 S. 2 Nr. 2 UrhG. Die Kammer ist aber angesichts der Vielzahl der vorgetragenen Indizien davon überzeugt, dass der Beklagte noch immer gewerblich gehandelt hat. Gewerbliche Tätigkeit ist jede auf Dauer angelegte und auf den Erwerb gerichtete wirtschaftliche Tätigkeit; eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht notwendig. Im Übrigen ist für die Unterscheidung zwischen privaten Verbrauchern und gewerblichen Unternehmern auch auf §§ 13, 14 BGB abzustellen (so schon die Kammer im Beschluss vom 06.05.2015, Az. 14 O 123/14, ZUM-RD 2015, 749, 750 f.; siehe auch Fromm/Nordemann, UrhG, 12. Aufl., § 97a, Rn. 46). Die vom Kläger vorgetragenen und unbestrittenen Indizien reichen der Kammer aus, nicht von einer rein privaten Nutzung von Pinterest auszugehen. Denn bei einer Person wie dem Beklagten, der in der Vergangenheit Kunstausstellungen veranstaltete und von dem Kunstbildbände erhältlich sind und der fortlaufend im engen Sinnzusammenhang Aktfotografie in sozialen Medien unter Angabe von Kontaktmöglichkeiten, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass diese fortwährend eine gewerbliche Tätigkeit ausübt. Diesen Indizien ist der Beklagte auch nicht hinreichend entgegen getreten. So bleibt die Behauptung der Aufgabe der Tätigkeit pauschal und wird durch keine objektiven Anzeichen gestützt. Eine eindeutige Aufgabe der Fotografen- oder Künstlertätigkeit ist insbesondere angesichts der fortwährenden Fundstellen auf eine solche Tätigkeit des Beklagten bei einer Google Suche nicht zu erkennen, vielmehr ist ausweislich des Klägervortrags das Gegenteil der Fall. Es erfolgt auch kein gegenbeweisliches Beweisangebot, dem die Kammer hätte nachgehen können. Der Verweis auf Steuererklärungen oder -bescheide, die keine Nebeneinkünfte auswiesen, genügt schon deshalb nicht, weil es auf eine konkrete Gewinnerzielung nicht ankommt. Die angekündigte Vorlage im Termin ist im Übrigen nicht erfolgt.
66Alle drei Abmahnungen sind materiell berechtigt (siehe dazu die Ausführungen oben zu Ziffern 1. und 2.) und formell wirksam nach § 97a Abs. 2 UrhG. Die vom Kläger angegebenen Gegenstandswerte (für die erste Abmahnung vom 27.11.2020 inkl. Schadensersatz- und Auskunftsansprüchen 57.240,43 €; für die zweite Abmahnung vom 22.12.2020 8.500,- € und für die dritte Abmahnung 10.500,- €) sind nicht zu beanstanden, insbesondere bei den Folgeabmahnungen mit weiterhin 6.000,- € pro Lichtbild und Verstoß maßvoll angesetzt.
67Die auf Grundlage der genannten Gegenstandswerte errechneten Gebühren sind jedoch insoweit anzupassen, dass vorliegend nur eine 1,3 – nicht eine 1,5 – Geschäftsgebühr anzusetzen ist. Eine 1,5 Geschäftsgebühr kann gefordert werden, wenn die Angelegenheit umfangreich und schwierig war, was im Bereich des Lichtbildschutzes regelmäßig nicht der Fall ist, insbesondere nicht wenn bereits ein vertraglicher Unterlassungsanspruch besteht (vgl. OLG Köln, Urteil vom 10.09.2021, 6 U 34/21 – unveröffentlicht). Es handelt sich nach diesen Grundsätzen vorliegend auch nicht wegen der konkreten Besonderheiten des Einzelfalles um eine besonders komplexe urheberrechtliche Streitigkeit, was die Kammer als in der Spezialzuständigkeit mit Urheberrechtsstreitsachen regelmäßig befasste Stelle aus eigener Anschauung beurteilen kann. Die Komplexität, die aus der Vielzahl der Lichtbilder folgt, ist mit der Höhe des Gegenstandswerts abgegolten. Die hinreichende Dokumentation und Anfertigung von Screenshots begründet keine Erhöhung, weil diese beim Lichtbildschutz typisch ist und auch hier keine besonderen Anstrengungen bedurfte, die den Aufwand in anderen Fällen des Lichtbildschutzes übersteigen.
68Es ergibt sich demnach folgende Berechnung:
69 Erste Abmahnung, 27.11.2020
70Gegenstandswert: 57.240,43 €
711,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300, 1008 VV RVG: 1.622,40 €
72Auslagen Nr. 7001 u. 7002 VV RVG: 20,00 €
73USt. 16 %: 262,78 €
74Summe: 1.905,18 €
75 Zweite Abmahnung, 22.12.2020
76Gegenstandswert: 8.500,- €
771,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300, 1008 VV RVG: 659,10 €
78Auslagen Nr. 7001 u. 7002 VV RVG: 20,00 €
79USt. 16 %: 108,66 €
80Summe: 787,76 €
81 Dritte Abmahnung, 10.03.2021
82Gegenstandswert: 10.500,- €
831,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300, 1008 VV RVG: 865,80 €
84Auslagen Nr. 7001 u. 7002 VV RVG: 20,00 €
85USt. 19 %: 168,30 €
86Summe: 1.054,10 €
87III. Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Beklagten vom 05.04.2022 lag der Kammer bei der Abfassung der Urteilsgründe vor. Er enthält keinen Gründe, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
88IV. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 S. 1 und 2 ZPO. Der Kläger ist nur im geringen Umfang unterlegen. Soweit im Unterlassungstenor die konkrete Verletzungsform nur auf drei statt fünf Anlagen beschränkt worden ist, so hat dies keine wirtschaftliche Bedeutung. Im Übrigen betrifft das Unterliegen nur Nebenforderungen, sodass keine Streitwertrelevanz besteht und auch insoweit das Unterliegen marginal ist.
89V. Der Streitwert wird auf 63.345,41 EUR festgesetzt.