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Gegen die Annahme eines unionsrechtlich vereinheitlichten Werkbegriffs bestehen - jedenfalls für den Bereich der angewandten Kunst, wie hier bei der graphisch stilisierten Abbildung eines Pizzastücks, - grundsätzliche Bedenken. Vielmehr sind - unter Berücksichtigung von Art. 17 der RL 98/71/EG sowie der Prinzipien der begrenzten Einzelermächtigung und der Subsidiarität gemäß Art. 5 EU-Vertrag - die nationalen Gerichte zur Beurteilung der für die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Werken der angewandten Kunst maßgeblichen Gestaltungshöhe und der Werkqualität kompetent.
Den nationalen Gerichten steht - auch wenn man einen einheitlichen, unionsweiten Werkbegriff grundsätzlich anerkennt - bei der Anwendung des Werkbegriffs bei den einzelnen Werkarten jedenfalls ein umfassender Beurteilungsspielraum zu.
Zu einem schöpferischen Werk wird ein Produkt erst dann, wenn der Schöpfer von vorhandenen und praktizierten Gestaltungsgepflogenheiten abweichende Regeln einführt und danach handelt, indem er ein materielles Erzeugnis produziert, das als Beispiel oder Muster für seine selbstgesetzten Regeln dienen kann. Abzustellen ist nicht in erster Linie auf einzelne Gestaltungselemente, sondern auf den Gesamteindruck, den das Werk dem Betrachter vermittelt.
Lässt sich ausschließen, dass ein Gestalter vollständig nach vorgegebenen Regeln gearbeitet hat, ist zu folgern, dass er jedenfalls in gewissem Umfang eigene schöpferische Entscheidungen getroffen hat. Dann spricht eine Vermutung dafür, dass er den gegebenen Gestaltungsspielraum tatsächlich genutzt hat, um sein geistiges Produkt hervorzubringen.
Weicht die angegriffene Gestaltung nicht derart prägnant von einer als Werk der angewandten Kunst geschützten Graphik ab, daß die Abweichung den Gesamtcharakter der Graphik und deren Wahrnehmung prägend beeinflußt, wird sie regelmäßig als bloße Variante der geschützten klägerischen Gestaltung wahrgenommen und fällt in den Schutzbereich.
Eine unerlaubte Benutzung eines durch das Urheberrecht geschützten Werkes kann auch darin liegen, dass wesentliche Elemente eines Musters in ein eingetragenes Design oder eine eingetragene Marke übernommen werden.
I.
1. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle der Beklagten zu 1) zu vollstrecken an deren Geschäftsführer, zu unterlassen, innerhalb des geschäftlichen Verkehrs das nachfolgend wiedergegebene Bild
zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten und/oder vervielfältigen zu lassen und/oder verbreiten zu lassen, insbesondere durch die Weitergabe auf Verpackungen für den Außerhausverkauf von Speisen durch Gastronomiebetriebe und/oder durch die Wiedergabe auf Papiertragetaschen und/oder durch den Vertrieb solcher Produkte, wenn dies geschieht, wie aus den Anlagen K 15:
K 16:
und K 17:
ersichtlich.
2. Die Beklagten werden verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über sämtlichen Umsatz sowie sämtlichen Gewinn, den die Beklagte zu 1) mit dem Vertrieb von Produkten erzielt hat, auf denen das Bild gemäß Antrag zu Ziffer 1.) wiedergegeben ist.
3. Die Beklagten werden verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen über den Vertriebsweg von Produkten gemäß Ziffer 1.), nämlich über den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift aller Vorbesitzer und gewerblichen Abnehmer von Produkten gemäß Ziffer 1.) aufgeschlüsselt nach Produktart sowie bzgl. der Vorbesitzer nach Datum des Erhalts sowie bzgl. gewerblicher Abnehmer nach Datum des Versands sowie Auskunft zu erteilen über den Vorbesitzer der Datei, welche eine digitale Vervielfältigung des Bildes gemäß Ziffer 1.) enthält, und die zum Zwecke der Produktion von Produkten gemäß Ziffer 1.) verwendet werden.
4. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, sämtliche in ihrem Besitz befindlichen Produkte zu vernichten, auf denen das Bild gemäß Ziffer 1.) wiedergegeben ist.
5. Die Beklagte zu 1) wird zum Rückruf von Produkten gemäß Ziffer 1.) sowie deren endgültiger Entfernung aus dem Vertriebsweg verurteilt.
6. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen Schaden zu ersetzen, sowie sämtliche erzielte ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben, der/die aufgrund der im Antrag zu 1.) dargestellten Handlungen bereits entstanden sind und zukünftig noch entstehen werden.
7. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, die Löschung der vor dem Deutschen Patent- und Markenamt zur Registernummer 00000 eingetragenen Marke sowie des vor dem Deutschen Patent- und Markenamt zu der Registernummer 00000 eingetragenen Designs zu beantragen.
8. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger 2.161,54 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.07.2020 zu zahlen.
II.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.
IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich des Tenors zu I.) 1.) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 16.500,00 EUR; hinsichtlich des Tenors zu I.) 2.) und zu I.) 3.) in Höhe von jeweils 1.650,00 EUR; hinsichtlich des Tenors zu I.) 4.), zu I.) 5.) und zu I.) 6.) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 5.500,00 EUR; hinsichtlich des Tenors zu I.) 7.) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 55.000,00 EUR; im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Q GmbH, die nach streitigem Vortrag unter der Marke „Q1“ ein Franchiseunternehmen für den Betrieb von Restaurants und Lieferservice für Speisen betreibt.
3Die Beklagte zu 1) ist Großhändler u.a. von Verpackungs- und weiterem Material aus dem Bedarf für Restaurants und Lieferservice. Der Beklagte zu 2) ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1).
4Die Beklagte zu 1) ist Inhaber der Wort-Bild-Marke:
5 6Registernummer 00000, angemeldet am 13.02.2017 und eingetragen am 12.06.2017 sowie eines gleichförmigen Designs für dieselbe Abbildung eines Pizzakartons mit der Registernummer 00000, angemeldet am 13.02.2017 und eingetragen am 19.02.2018 (vgl. Bl. 57 ff. d.A.).
7Der Kläger meldete verschiedene Marken für die Abbildung des Pizzastücks an (vgl. Bl. 46 ff. d.A.) und ist Inhaber u.a. der Wort-Bild-Marke
8Die Beklagte zu 1) hat aus ihrer Markeneintragung für die Abbildung des auseinandergefalteten Pizzakartons Widerspruch gegen die Bildmarkenanmeldungen des Klägers erhoben. Das DPMA hat eine Aussetzung des Widerspruchsverfahrens im Hinblick auf das hiesige Verfahren abgelehnt, da mangels Zeichenähnlichkeit nicht von Verwechslungsgefahr zwischen den Kollisionszeichen auszugehen sei (vgl. Bl. 147 ff. d.A.). Mit Beschlüssen vom 16.12.2021 und vom 05.04.2022 hat das DPMA den Widerspruch der Beklagten zu 1.) jeweils zurückgewiesen.
9Der Kläger ließ die Beklagten mit Schreiben vom 07.02.2020 anwaltlich abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung auffordern (vgl. Bl. 64 ff., 69 ff. d.A.).
10Der Kläger behauptet, die im Klageantrag zu 1) abgebildete graphische Gestaltung eines Pizzastücks zähle zu den Kernelementen der Außenkommunikation von Q1 und werde seit 2006 verwendet. Er sei Inhaber sowohl der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an diesem Bild als auch der Markenrechte und habe solche in einfacher Form an die Q1 lizenziert, welche ihrerseits Lizenzen an Franchisenehmer vergebe. Die Beklagte zu 1) lasse auch solche Produkte produzieren, und in ihr Angebot aufnehmen, welche die streitgegenständliche grafische Gestaltung eines Pizzastücks zeigten und dadurch auf das Franchisesystem von Q1 verwiesen. Die Beklagten verletzten durch solche Handlungen Urheber- und Markenrechte des Klägers und schädigten und behinderten die Struktur seines Franchisesystems.
11Der Kläger beantragt:
12I.
131. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle der Beklagten zu 1) zu vollstrecken an deren Geschäftsführer, zu unterlassen, innerhalb des geschäftlichen Verkehrs das nachfolgend wiedergegebene Bild
14 15zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten und/oder vervielfältigen zu lassen und/oder verbreiten zu lassen, insbesondere durch die Weitergabe auf Verpackungen für den Außerhausverkauf von Speisen durch Gastronomiebetriebe und/oder durch die Wiedergabe auf Papiertragetaschen und/oder durch den Vertrieb solcher Produkte, wenn dies geschieht, wie aus den Anlagen K 15:
16 17 18K 16:
19 20und K 17:
21 22ersichtlich.
232. Die Beklagten werden verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über sämtlichen Umsatz sowie sämtlichen Gewinn, den die Beklagte zu 1) mit dem Vertrieb von Produkten erzielt hat, auf denen das Bild gemäß Antrag zu Ziffer 1.) wiedergegeben ist.
243. Die Beklagten werden verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen über den Vertriebsweg von Produkten gemäß Ziffer 1.), nämlich über den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift aller Vorbesitzer und gewerblichen Abnehmer von Produkten gemäß Ziffer 1.) aufgeschlüsselt nach Produktart sowie bzgl. der Vorbesitzer nach Datum des Erhalts sowie bzgl. gewerblicher Abnehmer nach Datum des Versands sowie Auskunft zu erteilen über den Vorbesitzer der Datei, welche eine digitale Vervielfältigung des Bildes gemäß Ziffer 1.) enthält, und die zum Zwecke der Produktion von Produkten gemäß Ziffer 1.) verwendet werden.
254. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, sämtliche in ihrem Besitz befindlichen Produkte zu vernichten, auf denen das Bild gemäß Ziffer 1.) wiedergegeben ist.
265. Die Beklagte zu 1) wird zum Rückruf von Produkten gemäß Ziffer 1.) sowie deren endgültiger Entfernung aus dem Vertriebsweg verurteilt.
276. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen Schaden zu ersetzen, sowie sämtliche erzielte ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben, der/die aufgrund der im Antrag zu 1.) dargestellten Handlungen bereits entstanden sind und zukünftig noch entstehen werden.
287. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, die Löschung der vor dem Deutschen Patent- und Markenamt zur Registernummer 00000 eingetragenen Marke sowie des vor dem Deutschen Patent- und Markenamt zu der Registernummer 00000 eingetragenen Designs zu beantragen.
298. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger 2.802,44 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.07.2020 zu zahlen.
30Die Beklagten beantragen,
31die Klage abzuweisen.
32Die Beklagten bestreiten, dass das im Klageantrag zu 1) wiedergegebene graphisch gestaltete Bild eines Pizzastücks das „Kernelement der gesamten Außenkommunikation“ der Q GmbH sei. Der Außenauftritt bestehe aus deutlich mehr Elementen. Eine Behinderung des klägerischen Franchisekonzeptes wird bestritten. Die Beklagten bestreiten mit Nichtwissen, dass der Zeuge X Urheber der streitgegenständlichen Grafik sei und dem Kläger sämtliche Nutzungsrechte übertragen habe.
33Es handele sich bei dem streitgegenständlichen Bild um die Abbildung eines Pizzastücks, bei der einem wenig anderes übrig bleibe, als den Teig gelb und die Tomaten rot darzustellen. Auch die Form sei genau die Form, die ein abgeschnittenes Pizzastück immer habe. Irgendeine besondere grafische künstlerische Gestaltung lasse sich in dem Pizzastück nicht erkennen. Die Gestaltung der Beklagten unterscheide sich von derjenigen der Firma Q1. Das Pizzastück der Beklagten habe einen komplett gelb umlaufenden Rand und hebe sich vom Bild der Klägerseite deutlich ab. Das beklagtenseits verwandte Bild habe der Beklagte zu 2), der Architekt sei, selbst für die Beklagte zu 1) entwickelt, ohne hierbei die Gestaltungselemente der klägerseits verwendeten Bildes vor Augen gehabt zu haben. Die Abtretung etwaiger wettbewerbsrechtlicher Ansprüche bestreiten die Beklagten. Die Beklagten erheben die Einrede der Verjährung.
34Die Beklagten hätten keinerlei Schädigungsabsicht gegenüber dem Kläger und der Q GmbH. Die Handlungen der Firma D in Italien hätten die Beklagten nicht in der Hand. Es sei lediglich die zu Gunsten der Beklagten erfolgte Markeneintragung mitgeteilt worden. Eine Erklärung über ein Verbot, Verpackungen für die Q GmbH zu produzieren, habe es nicht gegeben.
35Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen X gemäß Beweisbeschluss vom 13.01.2022 (Bl. 183 d.A.) in der mündlichen Verhandlung vom 28.04.2022.
36Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
37E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
38Die Klage ist zulässig und begründet.
39I. Der Kläger ist zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche aktivlegitimiert.
40Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die streitgegenständliche graphisch stilisierte Abbildung eines Pizzastücks (wie auf Bl.2, 12 d.A. wiedergegeben) vom Zeugen X geschaffen wurde und dieser die ausschließlichen Nutzungsrechte an dieser graphischen Abbildung auf den Kläger übertragen hat.
41Der Zeuge X hat anschaulich, nachvollziehbar und stringent erläutert, dass er die streitgegenständliche Grafik persönlich im Jahr 2005 geschaffen hat. Er hat die Umstände der Beauftragung und des seinerzeit im Rahmen eines Wettbewerbs (sog. „pitch“) abgegebenen Angebots zur Gestaltung einer neuen Speisekarte mit Logo und Slogan detailliert geschildert, so dass aus Sicht der Kammer keinerlei Zweifel an dieser Darstellung bestehen und von der Beklagtenseite auch nicht aufgezeigt wurden.
42Der Zeuge X hat weiterhin bestätigt, dass er die ausschließlichen Nutzungsrechte an der streitgegenständlichen Graphik bereits unmittelbar nach deren Erstellung mit der von ihm gestellten Rechnung an den Kläger übertragen habe. Insoweit konnte der Zeuge nachvollziehbar erläutern, dass der als Anlage K 28 vorgelegte Vertrag vom 18.06.2020 lediglich dazu diente, die bereits mit der Rechnung vollzogene Rechteübertragung zu konkretisieren, nämlich, dass die urheberrechtlichen Nutzungsrechte zeitlich und räumlich uneingeschränkt übertragen werden sollten, sowie ausschließlich in dem Sinne, dass weder der Zeuge X selbst, noch ein Dritter außer dem Kläger das Logo habe benutzen dürfen. Eine weitergehende Übertragung von Rechten sollte mit dem als Anlage K 28 vorgelegten Vertrag hingegen nicht erfolgen.
43Über die Rechnung aus dem Jahr 2005 verfügt der Zeuge X nach eigenem Bekunden zwar nicht mehr, das vorangegangene Angebot liegt ihm indes noch vor. Er konnte insoweit detailliert erläutern, dass die Formulierung auf der Rechnung gelautet habe, dass die Logoentwicklung inklusive Alternativen, einer Claim-Slogan-Entwicklung sowie einer Dateierstellung in den benötigten Ausführungen und Formaten inklusive der Urheber- und Nutzungsrechte erfolgen sollte.
44Zudem steht nach der Aussage des Zeugen X fest, dass die Rechteübertragung an den Kläger unmittelbar erfolgte und nicht an die Q GmbH, deren Gesellschafter und Geschäftsführer der Kläger heute ist.
45II. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagten auf Unterlassung der streitgegenständlichen Bildnutzung aus §§ 97 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2; 2 Abs. 1, Abs. 2, 16, 17 UrhG.
461. Die streitgegenständliche stilisierte Abbildung eines Pizzastücks in roter Farbe mit gelbem Rand dessen obere rechte Ecke „angebissen“ anmutet (wie im Klageantrag zu 1) abgebildet)
47 48genießt Schutz als Werk angewandter Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG.
49a) Die streitbefangene Abbildung ist dem Bereich der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG zuzuordnen, denn es handelt sich um ein Graphikdesign, das zur Kennzeichnung und Bewerbung der klägerischen Produkte eingesetzt wird.
50aa) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG gehören Werke der bildenden Kunst einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke zu den urheberrechtlich geschützten Werken, sofern sie nach § 2 Abs. 2 UrhG persönliche geistige Schöpfungen sind. Eine persönliche geistige Schöpfung ist eine Schöpfung individueller Prägung, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer »künstlerischen« Leistung gesprochen werden kann (BGH, Urteil vom 07.04.2022 – I ZR 222/20, GRUR-RS 2022, 9030, Rz. 27 ff. – Porsche 911; BGH, Urteil vom 29.4.2021 – I ZR 193/20, ZUM 2021, 1040, 1047 – Zugangsrecht des Architekten; st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 1983, 377, 378, juris Rn. 14 – Brombeer-Muster; GRUR 1987, 903, 904, juris Rn. 28 – Le-Corbusier-Möbel; ZUM-RD 2011, 457, Rn. 31 – Lernspiele; ZUM 2012, 36 Rn. 17 – Seilzirkus; BGHZ 199, 52 = ZUM 2014, 225 Rn. 15 – Geburtstagszug). Dabei kann die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen Urheberrechtsschutz nur begründen, soweit sie auf einer künstlerischen Leistung beruht und diese zum Ausdruck bringt (BGH ZUM 2012, 36 Rn. 36 – Seilzirkus; BGHZ 199, 52 = ZUM 2014, 225 Rn. 41 – Geburtstagszug). Mit Blick auf die Neugestaltung des Geschmacksmusterrechts durch das Geschmacksmusterreformgesetz vom 12.03.2004 und auf die europäische Urheberrechtsentwicklung hat der BGH seine zuvor bestehende Rechtsprechung aufgegeben, wonach bei Werken der angewandten Kunst höhere Anforderungen an die Gestaltungshöhe eines Werks zu stellen sind als bei Werken der zweckfreien Kunst (BGHZ 199, 52 = ZUM 2014, 225 Rn. 17 bis 41 – Geburtstagszug). Für einen urheberrechtlichen Schutz von Werken der angewandten Kunst und der bildenden Kunst ebenso wie für alle anderen Werkarten ist allerdings gleichwohl eine nicht zu geringe Gestaltungshöhe zu fordern (vgl. BGHZ 199, 52 = ZUM 2014, 225 Rn. 40 – Geburtstagszug; BGH ZUM 2015, 996 Rn. 44 – Goldrapper).
51bb) In der Sache sollen diese Maßstäbe dem unionsrechtlichen Begriff des urheberrechtlich geschützten Werkes im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft entsprechen (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2022 – I ZR 222/20, GRUR-RS 2022, 9030, Rz. 29 – Porsche 911; Koch GRUR 2021, 273 [274 f.]).
52Dabei handelt es sich nach der Rechtsprechung des EuGH um einen autonomen Begriff des Unionsrechts, der in der gesamten Union einheitlich auszulegen und anzuwenden sein soll (EuGH, ZUM 2019, 56 Rn. 33 – Levola Hengelo; ZUM 2019, 834 Rn. 29 – Cofemel). Für eine Einstufung eines Objekts als Werk müssen danach zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss es sich bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt (EuGH, ZUM 2019, 56 Rn. 36 – Levola Hengelo; ZUM 2019, 834 Rn. 29 – Cofemel; ZUM 2020, 609 Rn. 22 – Brompton). Ein Gegenstand kann erst dann, aber auch bereits dann als ein Original in diesem Sinne angesehen werden, wenn er die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidung zum Ausdruck bringt. Wurde dagegen die Schaffung eines Gegenstands durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt, die der Ausübung künstlerischer Freiheit keinen Raum gelassen haben, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Gegenstand die für die Einstufung als Werk erforderliche Originalität aufweist (EuGH ZUM 2019, 834 Rn. 30 f. – Cofemel; ZUM 2020, 609 Rn. 23 f. – Brompton). Zum anderen ist die Einstufung als Werk Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung zum Ausdruck bringen (EuGH ZUM 2019, 56 Rn. 37 – Levola Hengelo; ZUM 2019, 834 Rn. 29 – Cofemel; ZUM 2020, 609 Rn. 22 – Brompton). Dafür ist ein mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbarer Gegenstand Voraussetzung (EuGH, ZUM 2019, 834 Rn. 32 – Cofemel; ZUM 2020, 609 Rn. 25 – Brompton), auch wenn diese Ausdrucksform nicht notwendig dauerhaft sein sollte (EuGH ZUM 2019, 56 Rn. 40 – Levola Hengelo).
53cc) Gegen die Annahme eines unionsrechtlich vereinheitlichten Werkbegriffs bestehen jedoch – jedenfalls für den Bereich der angewandten Kunst – grundsätzliche Bedenken (vgl. LG Köln, GRUR-RS 2022, 4196 -- Sandalen als Werke der angewandten Kunst). Die Richtlinie 2001/29/EG regelt in ihren Art. 2 bis 4, dass die Mitgliedstaaten ausschließliche Rechte für die Urheber in Bezug auf ihre „Werke“ vorsehen. Art. 5 der Richtlinie 2001/29/EG nennt eine Reihe von Ausnahmen und Beschränkungen dieser Rechte. Soweit der EuGH davon ausgeht, aus dem Umstand, dass die Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.05.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft für die Ermittlung des Sinnes und der Tragweite des Begriffs „Werk“ nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweise, müsse im Hinblick auf die Erfordernisse sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitssatzes gefolgert werden, dass dieser Begriff in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müsse, überschreitet er seine Kompetenzen (Schack, GRUR 2019, 75). Denn die Mitgliedsstaaten wollten den Werkbegriff in der Richtlinie 2001/29/EG gerade nicht vereinheitlichen. Generell einen ausdrücklichen Vorbehalt zugunsten der Mitgliedstaaten zu fordern, ist mit den in Art. 5 EU-Vertrag niedergelegten Prinzipien der begrenzten Einzelermächtigung und der Subsidiarität nicht vereinbar (vgl. Röthel, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 11 Rn. 7). Andernfalls ließe sich aus jeder Teilregelung in einer Richtlinie oder Verordnung praktisch stets eine vollständige Rechtsvereinheitlichung folgern, was offensichtlich nicht gewollt sein kann. Die Erwägungsgründe 21 ff. Richtlinie 2001/29/EG führen nur einzelne Verwertungsrechte auf und erwähnen mit keinem Wort eine Vereinheitlichung des Werkbegriffs über die in Erwägungsgrund 20 genannten Richtlinien hinaus.
54Für den vorliegend relevanten Schutz von Werken der angewandten Kunst ist zudem Art. 17 Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen zu berücksichtigen, der das Verhältnis zum Urheberrecht regelt:
55„Das nach Maßgabe dieser Richtlinie durch ein in einem oder mit Wirkung für einen Mitgliedstaat eingetragenes Recht an einem Muster geschützte Muster ist auch nach dem Urheberrecht dieses Staates von dem Zeitpunkt an schutzfähig, an dem das Muster geschaffen oder in irgendeiner Form festgelegt wurde. In welchem Umfang und unter welchen Bedingungen ein solcher Schutz gewährt wird, wird einschließlich der erforderlichen Gestaltungshöhe von dem einzelnen Mitgliedstaat festgelegt.“
56Folglich sind die nationalen Gerichte zur Beurteilung der für die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Werken der angewandten Kunst maßgeblichen Gestaltungshöhe und der Werkqualität kompetent. Jedenfalls steht den nationalen Gerichten – auch wenn man einen einheitlichen, unionsweiten Werkbegriff grundsätzlich anerkennt – bei der Anwendung des Werkbegriffs bei den einzelnen Werkarten ein umfassender Beurteilungsspielraum zu (enger: Leistner, in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Auflage 2020, § 2, Rn. 11, der davon ausgeht, dass nur innerhalb der durch den EuGH festgelegten Interpretationsleitlinien ein [dennoch naturgemäß nicht unerheblicher] Spielraum für das Rechtsanwendungsermessen der mitgliedstaatlichen Gerichte bei der Anwendung der europäischen Schutzvoraussetzung auf die ihnen vorliegenden Sachverhalte verbleibe). Denn mit der autonomen Auslegung des unionsrechtlichen Werkbegriffs steht es im Einklang, wenn ein Beurteilungsspielraum der nationalen Gerichte bei der Anwendung des Werkbegriffs bei den einzelnen Werkarten anerkannt wird (vgl. v. Ungern-Sternberg, GRUR 2010, 273). Wann Spielräume im Einzelfall in individueller Weise genutzt werden, überlässt der EuGH den nationalen Gerichten (EuGH, GRUR 2020, 736, Rn. 38 – Brompton; LG Köln, GRUR-RS 2022, 4196 – Sandalen als Werke der angewandten Kunst).
57dd) Das Vorhandensein einer Schöpfung, von Individualität und Originalität lässt sich nicht allein aus den objektiven Eigenschaften des jeweiligen Werkes herleiten. Vielmehr sind diese Merkmale anhand ihrer Relation zum konkreten Schaffensprozess zu betrachten. Die Werk-Schöpfer-Beziehung kann weder aus einer einseitigen Betrachtung der Person des Urhebers heraus noch durch Analyse seines Werkes allein adäquat erfasst werden (grundlegend Haberstumpf, GRUR 2021, 1249, 1251; Barudi, Autor und Werk – eine prägende Beziehung?, 2013, 32 f.). Maßgeblich ist vielmehr, nach welchen Regeln der Urheber eines bestimmten Werkes gearbeitet hat, wohingegen keine Rolle spielt, ob er sich dessen bewusst war. Erst dann, wenn keine bestehenden Regeln vorgeben, wie der Erschaffer eines Produkts auf einem bestimmten Gebiet dieses zu fertigen hat – etwa anhand von erlernten Verarbeitungstechniken und Formgestaltungsregeln – bestehen keine Gestaltungsspielräume mehr, mit der Folge, dass die Entfaltung von Individualität dann nicht mehr möglich ist, selbst wenn ein handwerklich in Perfektion gefertigtes Produkt neu und eigenartig ist, also durchaus Designschutz beanspruchen könnte. Die rein handwerkliche oder routinemäßige Leistung trägt nicht den Stempel der Individualität, mag sie auch noch so solide und fachmännisch erbracht sein (Leistner, in: Schricker/Loewenheim, UrhG, 6. Aufl. 2020, § 2, Rn. 53). Der Hersteller muss den bestehenden Gestaltungsspielraum indes auch durch eigene kreative Entscheidungen ausfüllen, um zum Urheber zu werden (BGH, GRUR 2014, 175, Rn. 41 – Geburtstagszug). Dies bedeutet, dass das schöpferische Individuum kein Produkt aus Regeln ist, sondern selbst eine Regel für das Urteil über andere Produkte, also exemplarisch sein muss.
58Die technische Bedingtheit eines Produkts durch die Anwendung technischer Regeln und Gesetzmäßigkeiten kann den Spielraum des Gestalters beschränken, wenn eine technische Idee mit einer bestimmten Ausdrucksform zusammenfällt, diese Ausdrucksform technisch notwendig ist und damit schöpferisches Gestalten unmöglich macht (vgl. Zech, ZUM 2020, 801, 803). Technische Lehren können Spielräume des Gestalters aber auch erweitern, etwa, wenn dieser sich die kausalen Eigenschaften bestimmter Materialien oder vorhandener Gegenstände gerade zunutze macht, um mit diesen zu experimentieren, sie zu kombinieren und auszuloten, welche Gestaltungsmöglichkeiten sie bieten (Haberstumpf, GRUR 2021, 1249, 1253). So kann beispielsweise die Licht- und Farbwirkung von geschliffenem Kristallglas dazu beitragen, Tierfiguren als schutzfähig anzusehen (BGH, GRUR, 1988, 690, 692 f.).
59Technische Regeln und Gesetzmäßigkeiten stehen einer schöpferischen Gestaltung also nur dann entgegen, wenn sie zwingende Wirkung entfalten, indem der Gestalter sich an bestehende Konventionen hält und diese befolgt, ohne von ihnen abzuweichen, sie zu modifizieren oder sich über sie hinwegzusetzen (LG Köln, GRUR-RS 2022, 4196 – Sandalen als Werke der angewandten Kunst). Der Gestalter eines Produkts nutzt die ihm eröffneten Gestaltungsspielräume nicht, wenn er sich an vorgegebenen Techniken und Regeln orientiert. Zu einem schöpferischen Werk wird sein Produkt erst dann, wenn er von vorhandenen und praktizierten Gestaltungsgepflogenheiten abweichende Regeln in das jeweils in Anspruch genommene Kommunikationssystem explizit oder implizit einführt und danach handelt, indem er ein materielles Erzeugnis produziert, das als Beispiel oder Muster für seine selbstgesetzten Regeln dienen kann (Haberstumpf, GRUR 2021, 1249, 1256). Abzustellen ist nicht in erster Linie auf einzelne Gestaltungselemente, sondern auf den Gesamteindruck, den das Werk dem Betrachter vermittelt (OLG Hamburg, GRUR 2002, 419, 420).
60Der Schöpfungsprozess ist daraufhin zu analysieren, ob der Urheber sich ausschließlich an Vorgegebenem orientiert und die Spielräume nicht durch eigene Entscheidungen ausgefüllt hat. Lässt sich ausschließen, dass ein Gestalter vollständig nach vorgegebenen Regeln gearbeitet hat, ist zu folgern, dass er jedenfalls in gewissem Umfang eigene schöpferische Entscheidungen getroffen hat. Dann spricht eine Vermutung dafür, dass er den gegebenen Gestaltungsspielraum tatsächlich genutzt hat, um sein geistiges Produkt hervorzubringen. Der anspruchstellende Urheber genügt danach seiner Obliegenheit, die Schutzfähigkeit seines Werkes darzulegen, und glaubhaft zu machen, regelmäßig dadurch, dass er ein Werkexemplar vorlegt und seine Besonderheiten präsentiert (vgl. BGH, GRUR 1981, 820, 822 – Stahlrohrstuhl III). Verteidigt sich der wegen Urheberrechtsverletzung in Anspruch Genommene mit dem Einwand, das streitgegenständliche Werk sei nicht schutzfähig oder der Schutzumfang sei eingeschränkt, weil der Urheber auf vorbekannte Gestaltungen zurückgegriffen habe, muss dieser die Existenz und das Aussehen solcher Gestaltungen darlegen und beweisen (LG Köln, GRUR-RS 2022, 4196 -- Sandalen als Werke der angewandten Kunst).
61ee) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die streitgegenständliche graphisch stilisierte Abbildung eines Pizzastücks urheberrechtlich geschützt.
62Es handelt sich nicht um eine rein naturalistische Darstellung eines Pizzastücks, sondern dieses wird durch Form- und Farbgebung auf das wesentliche reduziert und bleibt gleichwohl erkennbar. Dem Gestalter steht bei der Wiedergabe eines stilisierten Pizzastücks eine sehr breite Auswahl verschiedener ästhetischer Möglichkeiten zur Verfügung. Ein ähnlich der geometrisch reduzierten Form der hier streitgegenständlichen Abbildung gestaltetes Logo findet sich im Wettbewerbsumfeld – wie auch die Beklagtenseite zugesteht – nicht. Daher kommt auch dieser Gestaltung jedenfalls noch ein Mindestmaß schöpferischer Individualität nach der „kleinen Münze“ zu.
63Der Zeuge X hat zur Entstehung des Logos in nachvollziehbarer Weise ausgeführt, dass er bewusst von der regelmäßigen Gestaltung von Speisen abweichen wollte, die Gerichte lediglich „aufführen“. Anknüpfend an den Slogan „Text entfernt“ sollte vielmehr an “Text entfernt“ angeknüpft werden. Die streitgegenständliche Graphik sei so zu interpretieren, dass an der äußeren Ecke bereits abgebissen worden sei, was zeige, dass eine Person „schon dagewesen“ sei, die schneller als die anderen sei. Der Gestaltung liege die Idee zugrunde, dass diese Person schon schneller in die Pizza gebissen habe, da man ein Pizzastück für gewöhnlich ja am abgerundeten Ende in die Hand nehme und unten an der Spitze abbeiße. Danach steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass sich in der streitgegenständlichen Graphik eines stilisierten Pizzastücks ein schöpferisches Konzept manifestiert, dass deutlich über die bloß naturalistisch-vereinfachte Darstellung eines herkömmlichen Pizzastücks hinausgeht.
64Der Zeuge x hat damit ein Zeichen geschaffen, das seiner Zielrichtung entsprechend, unterscheidungskräftig im Sinne von § 3 Abs. 1 MarkenG ist, aber gleichzeitig einen den Gebrauchszweck überschießenden künstlerischen Anspruch aufweist. Nach Kenntnis des Zeugen existierte ein Logo mit einem solchen Bißabdruck am Markt sonst nicht, und dies sei auch nach wie vor nicht der Fall. Der Zeuge X hat sich demnach bei der Gestaltung der grafischen Abbildung des Pizzastücks nicht an vorgegebenen, hergebrachten Regeln bei der Gestaltung von Speisekarten und Logos aus dem kulinarischen Bereich orientiert, sondern eine eigene Bildsprache entwickelt und bestehende Gestaltungsspielräume insbesondere dadurch genutzt, dass der Biß am Pizzastück kontraintuitiv nicht an der Spitze, sondern am Randstück erfolgt. Der Vortrag der Beklagtenseite, dass gar keine andere Möglichkeit bestehe respektive es jedenfalls naheliegend sei, ein stilisiertes Pizzastück als „Tortenstück“ in den symbolischen Farbgebungen Gelb für den Teig/Rand und Rot für den Tomatenbelag darzustellen, ist damit nach Auffassung der Kammer widerlegt. Vielmehr hebt sich die hier streitgegenständliche Graphik in origineller Weise von am Markt vorhandenen anderen stilisierten Darstellungen des Produkts „Pizza“ ab.
652.
66Die Beklagte zu 1.) hat mit den in den Anlagen K 15, K 16 und K 17 abgebildeten Kartons in das Vervielfältigungsrecht des Klägers aus § 16 UrhG und das Verbreitungsrecht aus § 17 UrhG eingegriffen.
67a) Im Hinblick auf die Anlagen K 16
68 69und K 17:
70 71wurde die klägerische Gestaltung des stilisierten Pizzastücks identisch auf die Kartons übernommen. Der Umstand, dass der gelbe Rand des Pizzastücks möglicherweise eine abweichende Breite aufweist fällt hier nicht maßgeblich ins Gewicht, da im Übrigen sämtliche schöpferischen Gestaltungselemente, insbesondere die Gestaltung der Bißkante am oberen rechten Rand, identisch übernommen worden sind. Auch Werkwidergaben, die nahezu identisch sind, stellen eine Vervielfältigung dar (LG Berlin ZUM-RD 2017, 190 (192) – Anspruch auf Vernichtung eines gefälschten Gemäldes).
72b) Die Abbildungen aus Anlage K 15 (Bl. 53 f. d.A.):
73 74zeigen zwar eine leicht abweichende Gestaltung: Der Rand um das Pizzastück ist umlaufend – auch an der rechten Abbißecke – und breiter. Dies führt indes noch nicht aus dem Schutzbereich einer stilisiert reduzierten graphischen Gestaltung heraus. Dies gilt selbst dann, wenn man anerkennt, daß mit der Absenkung der Anforderungen an die Schöpfungshöhe bei Werken der angewandten Kunst grundsätzlich auch ein enger Schutzbereich einhergeht (vgl. Schulze, in: Dreier/Schulze, 6. Aufl. 2018, § 2, Rn. 34, 116, 160). Die Abweichung der angegriffenen Gestaltung aufgrund der dort ebenfalls gelb umrandeten Bißkante ist nicht derart prägnant, daß sie den Gesamtcharakter der Graphik und dessen Wahrnehmung prägend beeinflussen würde. Vielmehr wird diese Abweichung als bloße Variante der geschützten klägerischen Gestaltung wahrgenommen.
75Der Eingriff in die klägerischen Nutzungsrechte erfolgte mangels Zustimmung des Klägers oder sonstiger Berechtigung auch rechtswidrig.
763. Die für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch die vorangegangene Rechtsverletzung indiziert. Diese kann grundsätzlich nur durch Abgabe einer geeignet strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung beseitigt werden. Eine solche haben die Beklagten auf die Abmahnung vom 17.07.2020 (Anlage K 21) nicht abgegeben.
774. Der Beklagte zu 2) haftet als Geschäftsführer der Beklagten zu 1).
78Der Geschäftsführer haftet bei der Verletzung absoluter Rechte durch die von ihm vertretene Gesellschaft als Täter oder Teilnehmer, wenn er daran durch positives Tun beteiligt war oder wenn er die Rechtsverletzung aufgrund einer Garantenstellung hätte verhindern müssen (BGH, GRUR 2017, 397 Rn. 110 – World of Warcraft II; BGHZ 201, 344 Rn. 17 = GRUR 2014, 883 – Geschäftsführerhaftung; BGH, GRUR 2015 672 Rn. 80 – Videospiel-Konsolen II; BGH, GRUR 2015, 909 Rn. 45 – Exzenterzähne; BGH, GRUR 2016, 803 Rn. 61 – Armbanduhr). Eine Beteiligung durch positives Tun liegt vor, wenn der Geschäftsführer ein auf Rechtsverletzungen angelegtes Geschäftsmodell selbst ins Werk gesetzt hat. Bei Maßnahmen der Gesellschaft, über die typischerweise auf Geschäftsführungsebene entschieden wird, kann nach dem äußeren Erscheinungsbild davon ausgegangen werden, dass sie von den Geschäftsführern veranlasst worden sind.
79Der Beklagte zu 2.) hat – nach insoweit unstreitigem Vortrag der Klägerseite – die Produktion der streitgegenständlichen Produkte in Auftrag gegeben und ist für den Vertrieb verantwortlich. Anhaltspunkte dafür, daß es dem Beklagten zu 2.) tatsächlich unmöglich gewesen wäre, auf eine urheberrechtskonforme Ausgestaltung des Geschäftsbetriebs hinzuwirken, sind nicht vorgetragen.
80II. Der Auskunftsanspruch nach dem Klageantrag zu 2) steht dem Kläger gegen die Beklagten aus § 242 BGB zu.
81Der Verletzte kann vom Verletzer zur Vorbereitung eines bezifferten Schadensersatzanspruchs (BGH, GRUR 1980, 227 [232] – Monumenta Germaniae Historica) oder eines auf die Herausgabe des Erlangten gerichteten Bereicherungsanspruchs (BGHZ 129, 66 [75] = GRUR 1995, 673 = NJW 1995, 1556 – Mauerbilder) nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) Auskunftserteilung verlangen. Dieser Anspruch auf Auskunftserteilung setzt voraus, dass der Verletzte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Anspruchs auf Schadensersatz oder Bereicherungsausgleich im Ungewissen ist und sich die zur Durchsetzung dieser Ansprüche notwendigen Auskünfte nicht auf zumutbare Weise selbst beschaffen kann, während der Verletzer sie unschwer, d.h. ohne unbillig belastet zu sein, erteilen kann (st. Rspr.; vgl. nur BGHZ 95, 274 [278f.] = GRUR 1986, 62 = NJW 1986, 1244 – GEMA-Vermutung I).
82Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Beklagten haben nicht in erheblicher Weise geltend gemacht, daß die begehrte Auskunftserteilung für sie unzumutbar sei.
83III. Ein darüberhinausgehender selbständiger, nicht-akzessorischer Anspruch auf Drittauskunft (Klageantrag zu 3.) steht dem Kläger gegen die Beklagten aus § 101 Abs. 1, Abs. 3 UrhG zu.
84III. Bzgl. der Kartons auf den Anlagen K 15, K 16 und K 17 stehen dem Kläger gegen die Beklagte zu 1) Rückruf- und Vernichtungsansprüche (Klageanträge zu 4. und 5.) nach § 98 Abs. 1, Abs. 2 UrhG zu.
851. Nach § 98 Abs. 1 UrhG besteht ein Anspruch auf Vernichtung der Vervielfältigungsstücke, die rechtswidrig hergestellt, verbreitet oder zur rechtswidrigen Verbreitung bestimmt sind, sofern das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt wurde. Der Anspruch setzt jedoch – wie vorliegend bereits im Antrag berücksichtigt – voraus, dass sich die Vervielfältigungsstücke im Besitz oder Eigentum des Verletzers befinden. Mangels anderweitiger Angaben ist davon auszugehen, daß dies hier noch der Fall ist.
862. Zugleich kann der verletzte Rechteinhaber gemäß § 98 Abs. 2 UrhG einen Rückruf der rechtsverletzenden Vervielfältigungsstücke – hier der Pizzakartons -- oder die endgültige Entfernung aus den Vertriebswegen geltend machen. Für einen Ausschluß dieses Anspruchs, etwa, wenn der Verletzer keine tatsächliche oder rechtliche Verfügungsgewalt mehr über die Vervielfältigungsstücke hat (vgl. BT-Drs. 16/5048, 54), bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte.
87IV. Dem Kläger steht gegen die Beklagten dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 97 Abs. 2 UrhG i.V.m. § 31 UrhG zu. Insoweit besteht auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.
88Der Beklagte zu 2) hat schuldhaft, nämlich jedenfalls fahrlässig im Sinne von § 276 Abs. 2 BGB, verkannt, daß die Beklagten zur Nutzung der streitgegenständlichen stilisierten graphischen Abbildung eines angebissenen Pizzastücks nicht berechtigt waren. Er hätten bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, daß die Graphik nicht auf eigenen Pizzakartons und Werbematerialien der Beklagten zu 1) genutzt werden durfte. Das Verschulden des Beklagten zu 2) ist der Beklagten zu 1) nach § 31 BGB zurechenbar.
89V. Dem Kläger stehen gegen die Beklagten Ansprüche auf Löschung der Wort-Bildmarke (Anlage K 19) und des Designs (Anlage K 18) der Beklagten zu 1) zu, die den aufgefalteten Pizzakarton zeigen.
901. Löschungsansprüche bestehen gemäß § 13, Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, § 51, § 55 MarkenG und § 33 Abs. 2 Nr. 1, § 36 Abs. 1 Nr. 3 DesignG aus dem prioritätsälteren Urheberrecht an der stilisierten graphischen Darstellung des Pizzastücks, an welchem dem Kläger ausschließliche Nutzungsrechte zustehen. Übernimmt eine Marke oder ein Design ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder Teile desselben, die ihrerseits die erforderliche Werkqualität aufweisen, so besteht gegenüber der Benutzung der Marke oder des Designs ein bundesweit durchsetzbarer Unterlassungsanspruch nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechts, der über § 13 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG und § 33 Abs. 2 Nr. 1 DesignG um einen Löschungsanspruch ergänzt wird.
91Das Urheberrecht entstand vorliegend mit der Schöpfung des geschützten Werks in der Person des Urhebers – hier des Zeugen X – im Jahr 2005. Dieser Zeitpunkt ist auch für den Zeitrang maßgeblich (vgl. OLG Hamburg, BeckRS 2016, 13894 Rn. 73 – La Sepia). Das Urheberrecht muss vor dem Anmelde- bzw. Prioritätstag der eingetragenen Marke respektive des eingetragenen Designs entstanden sein, die hier zugunsten der Beklagten zu 1.) erst im Jahr 2017 erfolgten. Die Benutzung eines urheberrechtlich für einen anderen geschützten Werks als Marke ist eine Verletzung des Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechts des Urhebers (§§ 16, 17 UrhG), sofern dem Markeninhaber vom Urheber kein Nutzungsrecht eingeräumt wurde und keine der Schranken des Urheberrechts (§§ 44a ff. UrhG) eingreifen. Die Verletzung begründet nach § 97 Abs. 1 UrhG einen bundesweiten Unterlassungsanspruch.
92Eine unerlaubte Benutzung eines durch das Urheberrecht geschützten Werkes kann auch darin liegen, dass wesentliche Elemente eines Musters in ein eingetragenes Design übernommen werden (vgl. EUIPO, ICD 7085, 7099). Wie bei Marken kann eine Kollision sowohl bei einer Überschneidung im Schutzumfang als auch ohne eine derartige Überschneidung eintreten. Eine Kollision besteht daher auch, wenn ein geschütztes Werk benutzt wird, das dem Designschutz nicht zugänglich ist (Eichmann/Jestaedt, in: Eichmann/Jestaedt/Fink/Meiser, Designgesetz, GGV, 6. Aufl. 2019, § 33, Rn. 16).
932. Eine Verletzung der Nutzungsrechte an der graphischen Darstellung des stilisierten Pizzastücks ist vorliegend durch die Registerrechte der Beklagten zu 1) gegeben.
94Das urheberrechtlich geschützte stilisierte Pizzastück, an welchem dem Kläger ausschließliche Nutzungsrechte zustehen, wurde von der Beklagten im Wesentlichen identisch für den aufgefalteten Pizzakarton als Gegenstand der marken- und designrechtlichen Registerrechte übernommen. Die Abweichungen in der Gestaltung durch den umlaufenden gelben Rand des auf dem Karton abgebildeten Pizzastücks führen – auch bei Annahme eines engen Schutzbereichs, wie oben aufgezeigt – nicht aus diesem heraus. Die zusätzlichen Elemente der Registrierungen neben der graphischen Gestaltung des Pizzastücks sind nicht hinreichend prägnant um der Gesamtgestaltung angesichts der Übernahme des bildlichen Elements einen abweichenden Gesamteindruck zu verleihen. Die zusätzlichen Elemente erschöpfen sich in der Darstellung des aufgefalteten Kartons und dem Slogan: „Text entfernt“. Diese Elemente vermögen ihrerseits keinen selbständigen Werkschutz im Sinne von § 3 UrhG in Anspruch zu nehmen, da es ihnen an einer persönlichen geistigen Schöpfung gebricht.
95Nach dem Rechtsgedanken der Schrankenregelung des § 57 UhrG der auch im Rahmen der bildlichen Kollision zwischen dem Urheberrecht und gewerblichen Schutzrechten wie Marke und Design fruchtbar gemacht werden kann, stellt sich das graphisch stilisierte Pizzastück auch nicht lediglich als unwesentliches Beiwerk der Marken- respektive der Designregistrierung dar. Von einer Unwesentlichkeit in diesem Sinn ist auszugehen, wenn das Werk weggelassen oder ausgetauscht werden könnte, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter auffiele oder ohne dass die Gesamtwirkung des Hauptgegenstands in irgendeiner Weise beeinflusst wird. Dies ist vorliegend ersichtlich nicht der Fall. Würde man die graphische Darstellung des Pizzastücks weglassen, so daß lediglich eine schwarze Deckelfläche und der Slogan an den Seiten des Kartons zurückbliebe, veränderte sich die Gesamtwirkung des Pizzakartons vielmehr ganz wesentlich. Folglich kann sich die Beklagte zu 1.) auch nicht auf die Schrankenregelung nach § 57 UrhG berufen.
96Mithin steht dem Kläger ein bundesweiter Unterlassungsanspruch nach § 97 Abs. 1 UrhG zu, der sich in einem Löschungsanspruch gemäß § 13, Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, § 51, § 55 MarkenG respektive § 33 Abs. 2 Nr. 1, § 36 Abs. 1 Nr. 3 DesignG manifestiert.
97VI. Ob weitergehende Ansprüche zugunsten des Klägers aus abgetretenem Recht gestützt auf Wettbewerbsrecht oder aus dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß §§ 823, 1004 BGB ebenfalls gegeben sind, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da die Klage bereits auf Grundlage urheberrechtlicher und markenrechtlicher sowie gewohnheitsrechtlich anerkannter Anspruchsgrundlagen vollumfänglich zuzusprechen war.
98VII. Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten aus § 97a Abs. 3 UrhG im tenorierten Umfang zu, da die mit der Abmahnung geltend gemachten Ansprüche berechtigt waren. Beide Beklagte sind mit Schreiben vom 17.07.2020 abgemahnt worden (vgl. Anlage K 21, Bl. 69 ff. sowie die der Abmahnung beigefügte vorformulierte Unterlassungsverpflichtungserklärung, Bl. 73 d.A.).
99Ausgehend von den vorangegangenen Feststellungen waren die klägerischen Ansprüche aus einem Gegenstandswert in Höhe von 83.000,00 EUR berechtigt. Daraus folgt ein Betrag von insgesamt 2.161,54 EUR (1,3 Geschäftsgebühr gemäß §§ 13, 14 RVG, Nr. 2300, 1008 VV RVG aus einem Gegenstandswert von 83.000,00 EUR in Höhe von 1.843,40 EUR sowie Mehrwertsteuer in der vom Kläger geltend gemachten Höhe von 16 %, was 298,14 EUR entspricht, und Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 EUR gemäß Nr. 7008 u. 7002 VV RVG).
100Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286, § 288 BGB.
101VII.
102Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
103Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.
104Der Streitwert wird auf 83.000,00 EUR festgesetzt.