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Für Ansprüche auf Zahlung einer Vertragsstrafe im urheberrechtlichen Kontext gilt kein "fliegender Gerichtsstand", weil die örtliche Zuständigkeit mangels eines Anspruchs aus unerlaubter Handlung nicht auf § 32 ZPO gestützt werden kann. Auch ist der Erfüllungsort einer Unterlassungspflicht im Zusammenhang mit der Nutzung von Lichtbildern im Internet nicht an jedem beliebigen Ort, sodass auch aus § 29 ZPO keine "fliegende" örtliche Zuständigkeit gefolgert werden kann.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Vertragsstrafe.
3Die Klägerin ist Teil einer auf dem Sektor der Herstellung und des Vertriebs von Bekleidungsstücken tätigen Unternehmensgruppe. Innerhalb dieser Unternehmensgruppe ist die Klägerin maßgeblich für die Erbringung von e-Commerce-Dienstleistungen sowie insbesondere das Content Management zuständig.
4Bis Juli 2022 wurde das Erstellen der Fotografien durch die H. F. GmbH vorgenommen, ein weiteres Unternehmen der Unternehmensgruppe. Die Gesellschaft wurde jedoch mit allen Rechten und Pflichten auf die Klägerin verschmolzen.
5Die Beklagte betreibt ein Modegeschäft, über welches sie Bekleidungsstücke bewirbt und vertreibt. Ebenfalls veräußert sie ihre Waren über das Internet.
6Die Beklagte kaufte bereits seit längerer Zeit vor 2020 regelmäßig bei der Unternehmensgruppe der Klägerin Bekleidungswaren der Marke „D.“ ein. Im Zuge der Corona-Pandmie und der damit einhergehenden Schließungen des stationären Handels, entschloss sich die Beklagte Produkte über einen Onlineshop zu vertreiben, welchen sie mit www.entfernt benannte.
7Die URL „entfernt“ gehört der Initiative „entfernt“, die gemeinsam von mehreren Handels- und Gewerbevereinen aus Nordfriesland gegründet wurde. Bei Aufruf der Domain www.entfernt erfolgte eine Weiterleitung auf die Unteradresse „entfernt“.
8Die Parteien schlossen am 29.10.2020 einen Vertrag betreffend „Nutzungsrechte an den vertragsgegenständlichen Produktfotografien“ (Anlage K2), wonach der Klägerin die Benutzung von (nicht näher konkretisierten) Fotografien auf der Internetseite www. entfernt gestattet wird. Die Vereinbarung sieht zudem folgende Regelung vor:
9„Die Benutzung der Fotografien auf anderen Internetseiten als die Vorgenannte durch den Kunden bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung der H. F. GmbH. Die Benutzung der Fotografien auf Plattformen wie E. oder S. ist bei Meidung einer Vertragsstrafe von € 1.500,00 für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt.“
10Die Beklagte unterhielt Online-Angebote mit Produkten aus der Gruppe der Klägerin auf der über entfernt.de verlinkten Verkaufsplattform www.entfernt. Über diesen Shop nutzte die Beklagte geschützte Lichtbilder der Klägerin, konkret bei 19 einzelnen Angeboten von Jacken der Marke „D.“, bei denen jeweils fünf Produktfotografien verwendet wurden (siehe Anlage K4 und Anlage B3). Ein weiteres Angebot war bereits in einem anderen Verfahren vor dem LG Flensburg (Az. 8 O 38/21) rechtshängig, wobei die Klage auf Zahlung einer Vertragsstrafe abgewiesen worden ist. Die Berufung hiergegen hat die (hiesige wie dortige) Klägerin nach Hinweis zurückgenommen, wobei auch die Beklagte auf ihre dortige in erster Instanz zugesprochene Widerklage verzichtet hatte.
11Mit Schreiben vom 28. Januar 2021 mahnte die Klägerin die Beklagte wegen Verletzung ihrer Nutzungsrechte ab und forderte sie unter anderem zur Abgabe einer Unterlassungserklärung, zur Auskunftserteilung sowie zur Zahlung von Rechtsverfolgungskosten auf. Die Beklagte gab daraufhin mit anwaltlichem Schreiben vom 5. Februar 2021 eine Unterlassungserklärung ab, verweigerte jedoch die Zahlung einer Vertragsstrafe.
12Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe hinsichtlich der durch die Beklagte genutzten Produktbilder auf www.entfernt zu, welche sich aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag ergibt. Dieser berechne sich auf Grundlage von 19 einzelnen Angeboten, weil es sich jeweils um einen Einzelfall handele.
13Sie ist außerdem der Ansicht, das Landgericht Köln sei nach § 32 ZPO örtlich zuständig. Bei dem geltend gemachten Antrag handele es sich um Ansprüche, welche ihre Grundlage in einem Urheberrechtsverstoß, mithin dem Urhebergesetz haben. Nach § 104 UrhG sei somit eine Streitigkeit aus einem „in diesem Gesetz“ geregelten Rechtsverhältnis gegenständlich, womit nach §§ 105 UrhG, 32 ZPO das hiesige Gericht zuständig sei.
14Die Klägerin beantragt,
15Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 28.500,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Die Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit. Da die Klägerin einen vertraglichen Anspruch geltend macht, könne sie sich nicht auf § 32 ZPO berufen.
19Sie behauptet, die Nutzung von „entfernt“ erschöpfe sich nicht in einer Weiterleitung auf die Plattform „W.“. Unter dieser Bezeichnung sei vielmehr ein abgegrenzter, eigenständiger Raum auf dem Portal „W.“ im Internet vorhanden.
20Sie ist der Ansicht, die Klägerin habe auf die Geltendmachung weiterer Ansprüche gegen die Beklagte wegen der Nutzung von Fotografien auf www.entfernt nach Berufungsrücknahme vor dem OLG Schleswig Holstein vergleichsweise verzichtet. Dem Klagebegehren stehe auch die materielle Rechtskraft des o.g. Urteils des LG Flensburg entgegen.
21Im Übrigen sei die Verwendung der Lichtbilder unter der URL www.entfernt von der vertraglich eingeräumten Nutzungsbefugnis umfasst gewesen. Die Beklagte treffe auch kein Verschulden. Die Strafe könne auch nur lediglich einmal 1.500,- €, nicht für jedes Angebot jeweils 1.500,- € betragen.
22Entscheidungsgründe:
23Die Klage ist unzulässig. Das Landgericht Köln ist nicht örtlich zuständig. Weiterer Ausführungen zur Begründetheit bedarf es folglich nicht.
24I. Das Landgericht Köln ist aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt örtlich zuständig. Die Zuständigkeit folgt insbesondere weder aus § 32 ZPO noch aus § 29 ZPO.
251. Nach § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Dies ist hier offensichtlich nicht der Fall. Die Klägerin macht ausdrücklich und ausschließlich einen Anspruch auf Zahlung von Vertragsstrafen nach § 339 S. 2 BGB und auf Grundlage der Vereinbarung vom 29.10.2020 (Anlage K2) geltend. Damit ist keine unerlaubte Handlung im Sinne des § 32 ZPO verbunden. Die Klägerin hat auch keine Ansprüche nach § 97 Abs. 2 UrhG hilfsweise geltend gemacht oder in sonstiger Art und Weise in den Streit eingeführt. Dies folgt schon daraus, dass die Klägerin keine Wahl hinsichtlich der dreifachen Schadensberechnung getroffen hat, insbesondere keinen lizenzanalogen Schadensersatz gefordert hat.
26Stattdessen argumentiert die Klägerin, dass auch Ansprüche auf Vertragsstrafen wie andere gesetzliche Ansprüche nach Urheberrechtsverletzungen zu behandeln sei. Dies folge aus § 104 UrhG. Es soll sich auch hierbei um eine Urheberrechtsstreitsache handeln, weil der vorgerichtlich bereits erledigte Unterlassungsanspruch auf die hiesige Streitigkeit ausstrahle. Demnach sei § 32 ZPO anwendbar. Dieser Ansicht schließt sich die Kammer nicht an.
27Nach § 104 UrhG ist für alle Rechtsstreitigkeiten, durch die ein Anspruch aus einem der in diesem Gesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird (Urheberrechtsstreitsachen), der ordentliche Rechtsweg gegeben. Im Übrigen enthält § 104a UrhG nur eine besondere Gerichtsstandsregelung für den Fall, dass eine nicht gewerblich handelnde natürliche Person in Anspruch genommen wird – was hier unstreitig nicht einschlägig ist. § 105 UrhG enthält eine Konzentrationsermächtigung, wovon jedenfalls in NRW Gebrauch gemacht worden ist, jedoch nur mit Wirkung für das Land NRW.
28Aus den §§ 104 ff. UrhG kann die Klägerin also – auch unter Beachtung, dass es sich um eine Urheberrechtsstreitsache im Sinne von § 104 UrhG handeln dürfte (so etwa LG Oldenburg, ZUM-RD 2011, 315; Fromm/Nordemann, 12. Aufl. 2018, UrhG § 104 Rn. 1 m.w.N.) – keine von den §§ 12 ff. ZPO abweichende Regelung der örtlichen Zuständigkeit folgern. Jedenfalls folgt hieraus kein allgemeiner fliegender Gerichtsstand, wie er bei urheberrechtlich-deliktischen Ansprüchen ebenfalls nur aus der allgemeinen Regelung des § 32 ZPO folgt.
29Nichts anderes kann die Klägerin aus dem Hinweisbeschluss des BGH vom 19.10.2016 (Az. I ZR 93/15, WRP 2017, 179) folgern. Dort ging es um die ausschließliche (sachliche) Zuständigkeit der Landgerichte nach § 13 Abs. 1 Satz 1 UWG aF, die auch auf Ansprüche auf Grund von Vertragsstrafeversprechen und Unterlassungsverträgen, die ihren Ursprung in einer wettbewerbsrechtlichen Streitigkeit haben, erstreckt worden ist. Insoweit besteht aber schon ein erheblicher Unterschied der Vorschriften im UWG zu den §§ 104 ff. UrhG, weil im Urheberrecht keine ausschließliche sachliche Zuständigkeit der Landgerichte existiert, sondern der Gesetzgeber bewusst die (streitwertabhängige) Zuständigkeit sowohl der Amtsgerichte, als auch der Landgerichte zugelassen hat. Die Ausführungen des BGH haben demnach keine Auswirkung auf die örtliche Zuständigkeit in Urheberrechtsstreitsachen.
30Auch führt ein etwaig vorangegangener Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 UrhG nicht dazu, dass die Vertragsstrafe zu einer unerlaubten Handlung nach § 32 ZPO würde. Dabei ist ganz allgemein zu beachten, dass ein Vertragsstrafenanspruch eine andere rechtliche Qualität hat als ein gesetzlicher Schadensersatzanspruch aus deliktischen Vorschriften. Denn während beim Letzteren ein gesetzliches Schuldverhältnis besteht, beruht der Vertragsstrafenanspruch auf einem Vertragsschluss und mithin einem gewillkürten Schuldverhältnis der Parteien. Es ist angesichts des eindeutigen und unmissverständlichen Wortlauts von § 32 ZPO ausgeschlossen, dass diese Norm auf den vertraglichen Bereich Anwendung findet. Dies würde eine Auslegung contra legem darstellen. Vielmehr hätten es die Parteien in der Hand gehabt, individualvertraglich einen Gerichtsstand zu bestimmen. Dies ist hier nicht geschehen.
31Im konkreten Fall ist noch zu beachten, dass hier nicht der sonst häufige Fall anzutreffen ist, dass nach einer urheberrechtlichen Abmahnung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben wurde. Vielmehr ist die Vertragsstrafe bereits im Lizenzvertrag enthalten. Es hätte also noch vielmehr nahe gelegen, einen Gerichtsstand zu vereinbaren. Gleichzeitig fehlt es hier noch mehr an der Verknüpfung der ggf. vorausgehenden oder parallel bestehenden urheberrechtlich-deliktischen Ansprüche mit dem Vertragsstrafeversprechen.
322. Im Übrigen folgt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln auch nicht aus § 29 ZPO. Nach § 29 Abs. 1 ZPO ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Unabhängig davon, ob § 29 Abs. 2 ZPO anwendbar wäre, mangelt es im hier gegenständlichen Lizenzvertrag mit Vertragsstrafeversprechen auch an einer Vereinbarung des Erfüllungsortes. Der Erfüllungsort der hier streitigen Verpflichtung der Unterlassung der Nutzung von Lichtbildern auf anderen als der von der Beklagten angegebenen Internetseiten ist nach § 269 BGB zu bestimmen. Dies führt zum Sitz der Schuldnerin.
33Nach § 269 Abs. 1 BGB ist primär festzustellen, ob die Vertragsparteien einen Leistungsort bestimmt haben oder ob sich ein solcher aus den Umständen – insbesondere der Natur des Schuldverhältnisses – ergibt. Hilfsweise hat die Leistung am Wohnsitz des Schuldners zu erfolgen.
34Eine ausdrückliche Vereinbarung eines Leistungsortes für die Unterlassungspflicht findet sich in der Vereinbarung – wie schon festgestellt – nicht. Auch aus den Umständen ergibt sich nicht, dass sich die Unterlassungspflicht auf einen bestimmten Ort konkretisiert hätte. Mit der streitgegenständlichen Erklärung hat sich die Beklagte verpflichtet, es zu unterlassen, die lizenzierten Produktfotos der Klägerin auf anderen als der im Vertrag bezeichneten Webseite zu nutzen. Räumlich besteht die sich insbesondere auf das Internet beziehende Unterlassungspflicht jedenfalls für den deutschsprachigen Raum. Angesichts dieser Verpflichtung sind verschiedenste Handlungen unterschiedlicher Personen an verschiedensten Orten denkbar. Nach der Art der Unterlassungspflicht steht also nicht von vornherein fest, dass die Zuwiderhandlung nur an einem ganz bestimmten Ort stattfinden kann. Hat der Schuldner aber – wie hier – die Handlung überall zu unterlassen, führt dies nicht dazu, dass er überall auf Unterlassung gerichtlich in Anspruch genommen werden kann; vielmehr kann er nur an seinem Wohnsitz verklagt werden (vgl. schon LG Köln, Urt. vom 26.06.2013, 28 O 80/12, ZUM-RD 2014, 114 m.w.N.).
35Es kann offenbleiben, ob der Erfüllungsort des Anspruchs auf Zahlung der Vertragsstrafe eigenständig – also unabhängig vom Erfüllungsort der Unterlassungspflicht – nach § 269 BGB zu bestimmen ist oder ob es sich beim Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe um eine Nebenpflicht handelt, sodass der Erfüllungsort der Hauptverpflichtung (Unterlassung) maßgebend ist. Denn bei eigenständiger Bestimmung des Erfüllungsortes der Zahlungspflicht aus einer verwirkten Vertragsstrafe ergibt sich nach §§ 269 Abs. 1, 270 Abs. 4 BGB ebenfalls ohne Weiteres der (Wohn-)Sitz des Schuldners als Leistungsort (LG Köln, Urt. vom 26.06.2013, 28 O 80/12, ZUM-RD 2014, 114 m.w.N.).
36II. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 2 ZPO.
37III. Der Streitwert wird auf 28.500,00 EUR festgesetzt.