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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 15.02.2023 (123 C 195/22) wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
2I.
3Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil vom 15.02.2023 wird Bezug genommen. Gegen dieses klageabweisende Urteil, das dem Kläger am 21.02.2023 und der Beklagten am 23.02.2023 zugestellt worden ist, hat der Kläger mit einem am 21.03.2023 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese – nach antragsgemäßer Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung bis zum 19.05.2023 – mit einem am 19.05.2023 eingegangenen Schriftsatz begründet. Der Kläger rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er ist der Ansicht, das Amtsgericht hätte aufgrund sachlicher Unzuständigkeit nicht entscheiden dürfen. Materiell stünden ihm die in erster Instanz verfolgten Auskunfts- und Schadensersatzansprüche zu. Er verfolgt mit seiner Berufung seine erstinstanzlichen Anträge fort und beantragt,
41. die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Köln, Az. 123 C 195/22, zu verurteilen, dem Kläger gemäß Art. 15 i. V. m. Art. 4 Nr. 1 und 6 DSGVO Auskunft darüber zu erteilen, ob und welche personenbezogenen Daten die Beklagte über den Kläger und sein Unternehmen gespeichert und/oder verarbeitet hat und gemäß Art. 15 Abs. 3 S. 1 DSGVO die entsprechenden Unterlagen in Kopie zu überlassen;
52. die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Köln, Az. 123 C 195/22, zu verurteilen, die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft zu 1. an Eides statt zu versichern;
63. die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Köln, Az. 123 C 195/22, zu verurteilen, an den Kläger einen immateriellen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
74. die Revision zuzulassen.
8Die Berufungsbeklagte beantragt,
9die Berufung zurückzuweisen.
10Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
11II.
12Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
131.
14Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft i.S.d. § 511 ZPO sowie form- und fristgemäß i.S.d. §§ 517, 519 ZPO eingelegt und fristgemäß i.S.d. § 520 Abs. 2 ZPO begründet worden. Die Berufungsbegründungsschrift enthält die nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO erforderlichen Angaben.
152.
16Die Berufung ist unbegründet. Eine Rechtsverletzung liegt nicht vor (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO).
17a)
18Die Verletzung formellen Rechts kann nicht festgestellt werden. Insbesondere kann die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts dahinstehen, da gemäß § 513 Abs. 2 ZPO die Berufung nicht darauf gestützt werden kann, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
19b)
20Das Amtsgericht hat die mit der Klage verfolgten Ansprüche im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
21(1)
22Der Antrag zu 1. ist unbegründet. Zwar kann der Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs.1 DS-GVO nicht – wie vom Amtsgericht angenommen – mit einem Weigerungsrecht der Beklagten gemäß Art. 12 Abs. 5 DS-GVO aufgrund der Verfolgung „datenschutzfremder“ Zwecke abgelehnt werden. Denn in diesem Zusammenhang hat der EuGH auf eine entsprechende Vorlagefrage des BGH in seinem Urteil vom 26.10.2023 (Rs. C-307/22) zwischenzeitlich entschieden, dass Art. 12 Abs. 5 sowie Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO dahingehend auszulegen sind, dass die Verpflichtung des Verantwortlichen, der betroffenen Person unentgeltlich eine erste Kopie ihrer personenbezogenen Daten, die Gegenstand einer Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen, auch dann gilt, wenn der betreffende Antrag mit einem anderen als den in Satz 1 des 63. Erwägungsgrundes der DSGVO genannten Zwecken begründet wird (EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2023 – C-307/22 –, Rn. 52, juris, betreffend Auskünfte zwecks Vorbereitung eines Arzthaftungsprozesses).
23Ob der begehrte Auskunftsanspruch sowie der Anspruch auf Überlassung von Kopien aus Art. 15 Abs. 1, Abs. 3 DS-GVO besteht, kann vorliegend aber sogar dahinstehen. Denn entsprechende Ansprüche sind jedenfalls erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB) und bereits deshalb unbegründet. Mit den als Anlagen G. 1, 3, 4, 5 und 6 vorgelegten Unterlagen sowie den Erläuterungen in der Klageerwiderung vom 27.09.2022 hat die Beklagte sämtliche erdenkliche Auskünfte erteilt und sogar Kopien aller Unterlagen herausgegeben. Zudem hat sie ausdrücklich die „negative“ Auskunft erteilt, dass es interne Vermerke und Korrespondenz nicht gebe. Der Kläger legt auch nicht dar, dass und inwieweit Auskünfte fehlen sollten. Soweit er in der Replik angibt, dass in Anlage G. 6 eine Unvollständigkeit bestünde, ist dies nicht entscheidungserheblich, da es sich bei dem unvollständigen Dokument um AVB und somit bereits nicht um personenbezogene Daten handelt. Es ist nicht ersichtlich und wird nicht dargelegt, welche Daten dem Kläger (noch) fehlen sollten.
24(2)
25Der begehrte Anspruch auf eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit der erteilten Ausfünfte besteht nicht. Ob und in welchem Umfang im Anwendungsbereich der materiell abschließend gefassten DSGVO etwa über Art. 79 Abs. 1 DSGVO ein Rückgriff auf die zu § 34 BDSG a.F. und die (allerdings noch nicht abschließenden) Vorgaben der früheren Datenschutz-Richtlinie allseits anerkannte Möglichkeit eines Vorgehens auch über § 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB weiterhin eröffnet ist, kann voriegend dahinstehen (so auch OLG Köln, Urteil vom 10. August 2023 – I-15 U 78/22 –, Rn. 20 m.w.N., juris). Denn die Voraussetzungen der §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB liegen im konkreten Fall jedenfalls nicht vor. Dass die tatsächlich von der Beklagten gemachten Auskünfte, auf die sich die begehrte eidesstattliche Versicherung denklogisch allein erstrecken kann, nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden sein sollen, ist weder konkret vorgetragen noch sonst ersichtlich.
26(3)
27Ein Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens aus Art. 82 DSGVO besteht nicht. Der EuGH hat zwischenzeitlich entschieden, dass Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahingehend auszulegen ist, dass der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung nicht ausreicht, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen (EuGH, Urteil vom 04.05.2023, C-300/21, Celex-Nr. 62021CJ0300). Zwar hat der EUGH gleichzeitig entschieden, dass Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahingehend auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung oder Praxis entgegensteht, die den Ersatz eines immateriellen Schadens im Sinne dieser Bestimmung davon abhängig macht, dass der der betroffenen Person entstandene Schaden einen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreicht hat (EuGH, Urteil vom 04.05.2023, C-300/21, Celex-Nr. 62021CJ0300). Allerdings bedeutet diese Auslegung nicht, dass eine Person, die von einem Verstoß gegen die DSGVO betroffen ist, der für sie negative Folgen gehabt hat, vom Nachweis befreit wäre, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 dieser Verordnung darstellen (EuGH, Urteil vom 04.05.2023, C-300/21, Celex-Nr. 62021CJ0300). Der Gerichtshof hat diese Bestimmung dahingehend ausgelegt, dass der bloße Verstoß gegen die DSGVO nicht ausreicht, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen, nachdem er u. a. hervorgehoben hat, dass das Vorliegen eines „Schadens“, der entstanden ist, eine der Voraussetzungen für den in Art. 82 Abs. 1 vorgesehenen Schadenersatzanspruch darstellt, ebenso wie das Vorliegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung und eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Schaden und dem Verstoß, wobei diese drei Voraussetzungen kumulativ sind (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2023 – C-667/21 –, Rn. 82, juris). Der Kläger legt einen irgendwie gearteten immateriellen Schaden nicht dar. Das bloße längere Zuwarten auf die Erteilung der Auskunft bzw. die „verspätete Auskunft“ (Seite 8 der Berufungsbegründung) kann einen solchen nach der o.g. Entscheidung des EuGH keinesfalls darstellen, da dies bei einem Verstoß gegen die DSGVO immanent ist und nicht über den bloßen Verstoß hinausgeht. Ein dadurch bedingter, angeblich erlittener „Kontrollverlust“ hinsichtlich der eigenen Daten kann vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht ausreichen, da nicht dargelegt und ersichtlich ist, dass dieser über die Umstände hinausgeht, die mit jedem einfachen Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO für den Betroffenen verbunden sind. Insofern bedurfte es auch keiner weiteren Vorlagefrage an den EuGH. Es handelt sich im Hinblick auf die oben zitierte bereits ergangene Rechtsprechung um einen acte claire im Sinne des Art 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Im Gegensatz dazu hat der Kläger in BGH, EuGH-Vorlage vom 26. September 2023 – VI ZR 97/22 , über den abstrakten Kontrollverlust hinaus weitere negative Gefühle aufgrund der besonderen Umstände dieses Einzelfalles (Weitergabe der Daten an Dritte) dargelegt, die den BGH zu einer weiteren Vorlagefrage in dieser Hinsicht veranlasst haben. So liegt der Fall hier nicht.
28Einer Aussetzung des Verfahrens – wie klägerseits beantragt – bedurfte es nicht, da über die genannten Vorabentscheidungsersuchen bereits durch Urteile des EuGH entschieden wurde (s.o.).
293.
30Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs.1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
314.
32Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO für eine Zulassung nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden. Die streitentscheidenden Fragen wurden zwischenzeitlich höchstgerichtlich durch den EuGH entschieden (s.o.).
335.
34Streitwert für das Berufungsverfahren: 2.800,00 €.