Seite drucken Entscheidung als PDF runterladen
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Der Verfahrenswert wird auf 15.000 EUR festgesetzt.
Gründe
2I.
3Die Antragstellerin macht gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Abschaltung einer Website geltend.
4Die Antragstellerin betreibt seit vielen Jahren einen Saunaklub an der Adresse Am Rohrbusch 49 in Münster, der jedenfalls bis vor Kurzem von der Antragstellerin unter dem Namen Saunaclub## geführt wurde. Das genannte Objekt hatte die Antragstellerin zunächst als Untermieterin von der E GmbH & Co. KG (nachfolgend die „Mieterin“) gemietet. Nachdem das Hauptmietverhältnis zwischen der Eigentümerin des Objekts und der Mieterin zum 30.04.2019 beendet worden war, wurde ein unmittelbarer Mietvertrag zwischen der Antragstellerin und der Eigentümerin betreffend das Objekt geschlossen. Verbunden mit dem Etablissement der Antragstellerin war die Website www.Saunaclub##.de. Diesbezüglich war zwischen der Antragstellerin und der Mieterin vereinbart, dass die Antragstellerin die Website nutzen konnte und Änderungen von der Mieterin vorgenommen werden würden.
5Die Antragsgegnerin ist ein Registrar im B2B-Bereich, Internetserviceprovider der vorgenannten Domain ist die V GmbH, welche die Domain ausschließlich technisch hostet und über die Systeme der Antragsgegnerin verwaltet, Domaininhaber ist eine dritte Person.
6Nach Beendigung des Mietverhältnisses zwischen der Eigentümerin und der Mieterin folgte eine zivilrechtliche Auseinandersetzung zwischen der Mieterin, die Zahlungsansprüche im Hinblick auf überlassenes Inventar geltend macht, und der Antragstellerin. Die Antragstellerin kam den Zahlungsaufforderungen der Mieterin jedoch nicht nach. Mit anwaltlichem Schreiben vom 21.08.2019 teilte die Mieterin dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin mit, sie gehe davon aus, dass dieser, nachdem weder eine Rückmeldung noch ein Zahlungseingang festgestellt werden konnte, davon ausgehe, dass er die Antragstellerin von den damit verbundenen Weiterungen in Kenntnis gesetzt habe.
7Am 26.08.2019 erfolgte auf der Website der Eintrag „SORRY WE’RE CLOSED Dauerhaft geschlossen! Liebe Gäste, leider war ein wirtschaftlicher Betrieb nicht mehr länger möglich. Aus diesem Grund waren wir leider dazu gezwungen das Angebot einzustellen. Wir bedanken uns bei allen Gästen und Freunden!“.
8Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.08.2019 forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin unter Vorlage unter anderem einer eidesstattlichen Versicherung der Geschäftsführerin der Antragstellerin auf, die Website stillzulegen, was die Antragsgegnerin nach Einholung einer Stellungnahme des Domaininhabers vermittels des Internetserviceproviders mit Schreiben vom 03.09.2019 ablehnte.
9Die Antragstellerin behauptet, die Antragsgegnerin hoste die Domain www.Saunaclub##.de. Sie ist der Ansicht, bei der geänderten Website handele es sich um eine Störung ihres Geschäftsbetriebs, weshalb sie analog §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB einen Unterlassungsanspruch habe.
10Die Antragstellerin beantragt,
111) die Antragsgegnerin zu verurteilen, die Website www.Saunaclub##.de abzuschalten,
122) der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR anzudrohen, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monate.
13Die Antragsgegnerin beantragt,
14den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
15Sie ist der Ansicht, als Registrar im Hinblick auf einen etwaigen Unterlassungsanspruch schon nicht passivlegitimiert zu sein; in dem vorgerichtlichen Anspruchsschreiben sei ein Namens- oder Markenrecht der Antragstellerin nicht schlüssig dargelegt worden; mit der Stellungnahme des Domaininhabers sei dem Anspruch der Antragstellerin schlüssig entgegen getreten worden; ein unschwer zu erkennender, offensichtlicher Rechtsverstoß sei nicht ersichtlich; da die Antragstellerin den Saunaclub nunmehr unter einem neuen Namen („Saunaclub B“) mit entsprechender Website betreibe, könne nicht von einem Verfügungsgrund ausgegangen werden.
16Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze samt Anlagen verwiesen.
17II.
18Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist unbegründet.
191. Die Antragstellerin hat schon keinen Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht der Antragstellerin jedoch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Insbesondere folgt er nicht aus § 1004 BGB i.V.m. §§ 823 Abs. 1, 824 BGB.
20a) Dabei ist der Entscheidung zunächst zugrunde zu legen, dass die Antragsgegnerin lediglich Registrar der in Rede stehenden Domain ist, diese aber nicht etwa hostet. Ihren gegenteiligen pauschalen Vortrag hat die Antragstellerin schon nicht glaubhaft gemacht.
21b) Domain-Registrare sind technische Registrierungsstellen, deren Aufgabe es ist, die Second-Level-Domains unterhalb generischer Top-Level-Domains zu vergeben und zu verwalten. Der Registrar konnektiert die von dem Kunden gewünschte SubLevel-Domain und trägt sie in den primären Name-Server der Registry für das sog. Domain-Name-System (DNS) ein. Durch die Registrierung und Zuweisung der Domain www.Saunaclub##.de hat die Antragsgegnerin in adäquat kausaler Weise dazu beigetragen, dass der Domaininhaber mithilfe dieser Domain Rechtsverletzungen begehen kann und durch Internetnutzer der dort veröffentlichte Inhalt unter Angabe des Domainnamens erheblich einfacher und leichter abrufbar sind als durch Eingabe der IP-Adresse. Der Verursachungsbeitrag der Antragsgegnerin beschränkt sich darin, den Eintrag im DNS gesetzt zu haben, der es dem Domainbetreiber ermöglicht, auf dieser Website Inhalte über das Internet verfügbar zu machen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 16. September 2015 – 16 W 47/15 –, Rn. 4 ff., juris). Der Einwand der Antragsgegnerin, sie sei als Registrar nicht der richtige Anspruchsgegner, geht fehl, insbesondere war die Antragstellerin nicht gehalten, vor der Antragsgegnerin erst andere Dritte – den nun namentlich bekannten Domaininhaber oder den schon vorgerichtlich bekannten Internetserviceprovider (die an die Antragstellerin weitergeleitete Email des Internetserviceproviders war insoweit nur unzureichend anonymisiert worden) – in Anspruch zu nehmen. Für eine etwaige Reihenfolge der Inanspruchnahme sind Art und Umfang des Tatbeitrags ohne Bedeutung. Jeder Handelnde kann jederzeit allein oder neben anderen auf Unterlassung in Anspruch genommen werden (OLG Köln, GRUR-RR 2019, 1, 4; anders wohl Spindler/Schuster Elektron. Medien/Volkmann, 4. Aufl. 2019, BGB § 1004 Rn. 47, wobei die dort zitierte Entscheidung des OLG Frankfurt die Auffassung von Spindler/Schuster nicht stützt).
22c) Die Antragsgegnerin als Domain-Registrar treffen allerdings nur eingeschränkte Prüfpflichten, die eine Handlungspflicht nur dann auslösen, wenn die Verletzung der Rechte Dritter offenkundig und für ihn unschwer, also ohne tiefgreifende tatsächliche und rechtliche Prüfung, feststellbar ist. Denn als rein technische Registrierungsstelle ist der Registrar nicht ohne Weiteres in der Lage, zu beurteilen, ob die behaupteten Rechtsverletzungen vorliegen. Das gilt insbesondere dann, wenn schwierige tatsächliche Vorgänge festzustellen oder rechtliche Wertungen vorzunehmen sind. Es ist nicht angemessen, das Haftungs- und Prozessrisiko, das bei Auseinandersetzungen um Rechtsverletzungen den Inhaber der Domain trifft, auf den Registrar zu verlagern (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 16. September 2015 – 16 W 47/15 –, Rn. 11 f., juris; OLG Saarbrücken, Urteil vom 22. Oktober 2014 – 1 U 25/14 –, Rn. 44, juris; LG Köln, MMR 2015, 523, 524).
23d) Zwar sind bei der Beurteilung der Reichweite der Prüfungspflichten auch die durch eine Sperrung des Domain-Registrars verursachten Folgen für die dann nicht mehr abrufbaren legitimen Inhalte der Domain zu berücksichtigen. Aus diesem Grund wird gefordert, dass, wer die Sperrung einer Domain begehrt, nicht nur zu den rechtswidrigen unter der Domain bereitgehaltenen Inhalten, sondern auch zu den übrigen unter der streitgegenständlichen Domain abgelegten Inhalten vorzutragen hat (vgl. Spindler/Schuster Elektron. Medien/Volkmann, 4. Aufl. 2019, BGB § 1004 Rn. 47). Diese Prüfung erübrigt sich vorliegend allerdings, da unter der in Rede stehenden Domain keine weiteren, über den beanstanden Text hinausgehenden Inhalte abgelegt sind.
24e) Unter Anlegung dieser Maßstäbe ist nicht festzustellen, dass der Antragsgegnerin ein Pflichtenverstoß vorzuwerfen ist. Zunächst hat sie, ihrer eingeschränkten Prüfpflicht entsprechend, das Anspruchsschreiben der Antragstellerin zum Anlass genommen, eine Stellungnahme des Internetserviceproviders einzuholen, der wiederum eine Stellungnahme des Domaininhabers einholte und ihr zugänglich machte. Nach dem dann vorliegenden Informationsstand war jedoch eine etwaige Rechtsverletzung der Klägerin nicht offenkundig und unschwer für die Antragsgegnerin festzustellen.
25aa) Zu berücksichtigen ist zunächst, dass der von der Antragstellerin beanstandete Text auf der in Rede stehenden Website für sich genommen keinen Hinweis auf eine Rechtsverletzung gibt. Dies unterscheidet den vorliegenden Sachverhalt von den Fällen, in denen der Registrar wegen eines persönlichkeitsverletzenden Texts auf einer Website in Anspruch genommen wird und daher die Möglichkeit hat, sich schon anhand des für ihn feststellbaren Inhalts der Website ein Urteil von deren Rechtswidrigkeit zu bilden (so etwa die Konstellation, die der Entscheidung des OLG Frankfurt, a.a.O., zugrunde lag). Der vorliegende Fall ist ebenso wenig mit den Fällen vergleichbar, in denen eine Urheberrechtsverletzung geltend gemacht wurde und der Registrar nicht nur überprüfen konnte, ob ein Werk auf der Website zum Download zur Verfügung gestellt wurde, sondern der Anspruchsteller auch belegen konnte, der Rechtsinhaber zu sein (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 22. Oktober 2014 – 1 U 25/14 –, Rn. 49, juris).
26bb) Vorliegend konnte die Antragsgegnerin den von der Antragstellerin geltend gemachten Sachverhalt nur insoweit – und damit zu einem geringen Teil – überprüfen, als sie den für sich genommen neutralen Text auf der Website nachvollziehen konnte. Auch trat dann der Domaininhaber den Vorwürfen der Antragstellerin in seiner Stellungnahme entgegen.
27Freilich ist festzustellen, dass die Stellungnahme des Domaininhabers für sich genommen wenig geeignet war, den von der Antragstellerin mitgeteilten Sachverhalt umfassend in Frage zu stellen. Dass diesem der Name der Geschäftsführerin der Antragstellerin nicht bekannt war, ist offenkundig ohne Bedeutung. Seine weitere Einlassung, die Domain sei weder von der Mieterin noch von einer anderen Firma geführt worden, sondern er habe die Domain einem Bekannten zur Nutzung zur Verfügung gestellt, scheint recht substanzlos zu sein. Weder wird angegeben, wem er die Domain zur Nutzung zur Verfügung gestellt haben will, noch lässt sich erkennen, ob er infolge der Zurverfügungstellung überhaupt Kenntnis von dem tatsächlichen Nutzer der Domain hatte. Seine weiteren Ausführungen sind sämtlich unerheblich und legen nach derzeitigem Sachstand den Verdacht nahe, dass hier der Versuch unternommen wurde, den Sachverhalt zu verschleiern anstatt aufzuklären. Insbesondere zu dem geltend gemachten Umstand, dass die Domain das Etablissement der Antragstellerin bewarb, bezieht der Domaininhaber in seiner Stellungnahme keine Position, obwohl gerade dies naheliegend gewesen wäre.
28Ungeachtet dessen konnte die Antragsgegnerin in der Stellungnahme des Domaininhabers jedenfalls keine Bestätigung für die Sachverhaltsdarstellung der Antragstellerin finden. Die Nutzungsrechte hinsichtlich der Domain und die Absprachen, die die Antragstellerin mit der Mieterin getroffen haben will, blieben daher – wie auch jetzt noch im einstweiligen Verfügungsverfahren, in denen die Antragstellerin im Hinblick auf ihre Rechtsbeziehungen zur Mieterin die Domain betreffend lediglich eine Zahlungserinnerung ohne Bezugnahme auf einen Rechtsgrund vorlegen konnte – weitgehend im Dunkeln, zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung war die Antragsgegnerin nicht verpflichtet. Im Übrigen hätte dann, wenn der Sachverhalt geklärt gewesen wäre, der Tatbestand eines rechtswidrigen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb oder der Tatbestand einer rechtswidrigen Kreditgefährdung von der Antragsgegnerin nicht ohne tiefergehende rechtliche Prüfung bejaht oder verneint werden können.
292. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.