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Der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil des Landgerichts Münster vom 27.04.2022 (Aktenzeichen: 011 O 1456/21) wird als unzulässig verworfen.
Die Beklagte trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
2Der Einspruch war zu verwerfen, weil er nicht fristgerecht eingelegt worden ist.
3Die Frist beträgt nach § 339 Abs. 2 ZPO einen Monat ab Zustellung der angefochtenen Entscheidung.
4Sie ist hier nicht gewahrt, weil die angefochtene Entscheidung bereits am 20.05.2022 zugestellt worden ist, der Einspruch jedoch erst am 29.06.2022 bei Gericht eingegangen ist.
5Dass dem Versäumnisurteil eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung beigefügt war, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Denn eine fehlende oder fehlerhafte Belehrung berührt den Lauf einer sich aus dem Gesetz ergebenden Einspruchsfrist grundsätzlich nicht (vgl. BeckOK ZPO/Toussaint, 45. Ed. 1.7.2022, ZPO § 339 Rn. 6 m.w.N.).
6Soweit die Beklagte unter Berufung auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. aus den Jahren 2011 bzw. 2016 die Auffassung vertritt, dass dies für die im Falle der Auslandszustellung geltende Einspruchsfrist nach § 339 Abs. 2 ZPO anders zu beurteilen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung ist mittlerweile durch die Neufassung des § 339 Abs. 2 ZPO mit Wirkung zum 17.06.2017 überholt. Der § 339 Abs. 2 ZPO a.F. bestimmte für den Fall, dass die Zustellung im Ausland erfolgen sollte, dass die Einspruchsfrist im Versäumnisurteil oder nachträglich durch Beschluss zu bestimmen ist. Eine gesetzliche Frist sah der § 339 Abs. 2 ZPO a.F. hingegen nicht vor, sodass die Einspruchsfrist ohne ausdrückliche Fristbestimmung nicht zu laufen begann. Die Neufassung des § 339 Abs. 2 ZPO sieht jedoch nunmehr wie § 339 Abs. 1 ZPO eine gesetzliche Frist vor. Diese läuft daher auch dann, wenn – wie hier – über die Fristlänge fehlerhaft belehrt worden ist (vgl. BeckOK ZPO/Toussaint, 45. Ed. 1.7.2022, ZPO § 339 Rn. 12d.1.1). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von Beklagtenseite angeführten Kommentierung im Münchener Kommentar. Zwar heißt es dort, dass im Falle des Fehlens einer Fristbestimmung durch das Gericht die Einspruchsfrist nicht läuft (MüKoZPO/Prütting, 6. Aufl. 2020, ZPO § 339 Rn. 8). Diese Kommentierung bezieht sich jedoch erkennbar noch auf die alte Rechtslage. Denn eine Fristbestimmung ist nach § 339 Abs. 2 ZPO n.F. nicht mehr erforderlich (vgl. auch die hinsichtlich des Fristlaufs wortgleiche Kommentierung in der Vorauflage zur alten Rechtslage: MüKoZPO/Prütting, 5. Aufl. 2016, ZPO § 339 Rn. 7, beck-online).
7Der Beklagten war auch keine Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist nach § 233 ZPO zu gewähren.
8Für eine Wiedereinsetzung fehlt es bereits an dem nach §§ 233 Satz 1, 236 Abs. 1, Abs. 2 Satz. 1 ZPO grundsätzlich erforderlichen Antrag.
9Auch eine Wiedereinsetzung von Amtswegen war nicht zu gewähren. Eine solche kommt nach § 236 Abs. 2 Satz 2 HS. 2 ZPO in Betracht, wenn die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Antragsfrist für die Wiedereinsetzung nachgeholt wird (vgl. BeckOK ZPO/Wendtland, 45. Ed. 1.7.2022, ZPO § 236 Rn. 14). Dass dies der Fall gewesen ist, lässt sich nicht feststellen.
10Ein Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden (§ 234 Abs. 1 ZPO). Die Einhaltung der Antragsfrist muss sich, sofern sie nicht offenkundig ist, aus einer geschlossenen Darstellung der tatsächlichen Abläufe seitens des Betroffenen ersehen lassen. Erforderlich sind Angaben zu dem Hindernis, das der Fristwahrung entgegenstand, und zu dem Zeitpunkt des Wegfalls dieses Hindernisses (vgl. BGH zur vergleichbaren Regelung des § 18 FamFG: NJW 2012, 2445 Rn. 9, beck-online).
11Im Regelfall ist das Hindernis für die Fristwahrung entfallen, sobald die Partei oder ihr Verfahrensbevollmächtigter die Fristversäumung erkannt hat oder dies bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen müssen (vgl. BGH, NJW-RR 2005, 76 [77]). Darauf kann es allerdings nicht ankommen, wenn die Fristversäumung – wie hier – auf eine Rechtsmittelbelehrung zurückzuführen ist, welche eine kürzere als die im Gesetz vorgesehene Einspruchsfrist ausweist. Denn der Betroffene, der innerhalb der in der Belehrung genannten Frist kein Rechtsmittel eingelegt hat, geht davon aus, die Frist versäumt zu haben. In einem solchen Fall beginnt die Antragsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO, sobald der Betroffene die Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung erkennt oder diese hätte erkennen müssen. Dann ist ihm nicht länger ohne sein Verschulden unbekannt, dass er infolge des durch die Rechtsmittelbelehrung hervorgerufenen Irrtums gehindert war, die (eigentliche) Rechtsmittelfrist auszunutzen und diese deshalb versäumt hat (vgl. BGH a.a.O).
12Ob die Beklagte die versäumte Prozesshandlung innerhalb von zwei Wochen nachgeholt hat, nachdem sie von den Fehlerhaftigkeit der Rechtsmittelbelehrung erfahren bzw. ihr Prozessbevollmächtigter diese erkennen musste (vgl. 85 Abs. ZPO), lässt sich im Streitfall nicht feststellen. Die Beklagte hat nämlich gar keinen Sachvortrag dazu gehalten, warum sie die Einspruchsfrist versäumt hat. Auch hat sie nicht vorgetragen, wann sie erstmals ihre Prozessbevollmächtigten mit der Wahrnehmung ihrer Interessen betraut hat. Ohne solche Darlegungen kann jedoch nicht überprüft werden, wann ein möglicherweise durch die fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung verursachtes Hindernis für die Fristwahrung wegefallen ist.
13Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO analog, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 3 ZPO.
14Der Streitwert wird auf 82.248,67 EUR festgesetzt.