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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt im Wege der Stufenklage Auskunft und Leistung bzw. Feststellungen bezüglich Beitragsanpassungen in der privaten Krankenversicherung in den Jahren 2017 – 2019.
3Die Klägerin ist seit dem 27.03.2003 bei der Beklagten privat krankenversichert. Das Vertragsverhältnis umfasst u.a. die Tarife KB30, EKHT, EBE63 und PVN.
4Die monatlich zu zahlende Versicherungsprämie wurde in den vergangenen Jahren einseitig durch die Beklagte angepasst. Die Beitragsanpassungen wurden der Klägerin dabei durch Übersendung eines Nachtragsversicherungsscheins sowie eines standardisierten Informationsschreibens zur jeweiligen Beitragsanpassung mitgeteilt.
5Die Klägerin ist der Ansicht, die Beiträge seien in der Vergangenheit mehrfach aufgrund unzureichender Begründungen zu Unrecht erhöht worden. Darüber hinaus seien die Anpassungen auch materiell unwirksam gewesen. Ihr müsse von der Beklagten zunächst Auskunft über diejenigen Tatsachen gewährt werden, die es ihr erlauben würden, Höhe und Umfang der Ansprüche genau zu benennen. Die Stufenklage sei auch zulässig. Sie behauptet, die begehrten Unterlagen lägen ihr nicht mehr vor, was die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet.
6Nachdem sich die Anträge der Klägerin mit der Klageschrift zunächst auf Beitragsanpassungen in den Jahren 2017 – 2020 gerichtet hat, hat sie mit Schriftsatz vom 06.04.2023 ihre Klageanträge auf die Jahre 2017 – 2019 beschränkt. In der mündlichen Verhandlung vom 19.08.2023 hat sie darüber hinaus klargestellt, dass die in ihrem Vertrag enthaltenen Pflegepflichtversicherungstarife nicht angegriffen werden sollen und damit nicht Gegenstand der Klage sind.
7Die Klägerin beantragt,
81)
9Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite Auskunft über alle Beitragsanpassungen zu erteilen, die die Beklagte in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag in den Jahren 2017, 2018, 2019 zur Versicherungsnummer N01 vorgenommen hat und hierzu geeignete Unterlagen zur Verfügung zu stellen, in denen mindestens die folgenden Angaben enthalten sind:
10• die Höhe der Beitragsanpassungen für die Jahre 2017, 2018, 2019 unter Benennung der jeweiligen Tarife im Versicherungsverhältnis der Klägerseite, • die der Klägerseite zu diesem Zwecke übermittelten Informationen in Form von Versicherungsscheinen und Nachträgen zum Versicherungsschein der Jahre 2017, 2018, 2019 sowie
11• die jeweilige Höhe der auslösenden Faktoren für die Neukalkulation der Prämien in sämtlichen ehemaligen und derzeitigen Tarifen des Versicherungsvertrages mit der Versicherungsnummer N01 seit dem 01.01.2017.
122.
13Es wird festgestellt, dass die nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 1) noch genauer zu bezeichnenden Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer N01 unwirksam sind und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Differenzbetrages verpflichtet, sowie, dass der monatlich fällige Gesamtbetrag für die Zukunft auf einen nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 1) noch zu beziffernden Betrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen zu reduzieren ist.
143.
15Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 1) noch zu beziffernden Betrag nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
164.
17Die Beklagte wird verurteilt,
18a)
19der Klägerseite die Nutzungen in der nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 1) noch zu beziffernden Höhe herauszugeben, die die Beklagte bis zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 2) noch aufzuführenden Beitragsanpassungen gezahlt hat,
20b)
21die Zinsen aus den herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit an die Klägerseite zu zahlen.
225.
23Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerseite hinsichtlich der außergerichtlichen anwaltlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 713,76 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit freizustellen.
24Die Beklagte beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Sie ist der Ansicht, die Stufenklage sei bereits unzulässig, darüber hinaus auch unbegründet. Sie erhebt bezüglich etwaiger Ansprüche für die Vergangenheit die Einrede der Verjährung.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
28Entscheidungsgründe:
29Die Klage ist – soweit über sie nach der teilweisen Klagerücknahme noch zu entscheiden ist - teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
301.
31Die von der Klägerin im Wege der Stufenklage nach § 254 ZPO vorgenommene Verknüpfung von Auskunftsbegehren und unbeziffertem Leistungsantrag bzw. Feststellungsbegehren ist unzulässig.
32Grundsätzlich setzt die Zulässigkeit einer Klage gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO einen bestimmten Klageantrag voraus, an dem es vorliegend fehlt.
33Etwas anderes folgt vorliegend auch nicht aus § 254 ZPO. Die gestellten Anträge sind nicht im Wege der Stufenklage zulässig.
34Die Verbindung zwischen Auskunfts- und Leistungsansprüchen in der in § 254 ZPO vorgesehenen Weise ist nur dann zulässig - entsprechend dem Zweck der Vorschrift -, wenn die begehrte Auskunft dazu dient, den Leistungsanspruch zu beziffern oder in sonstiger Weise zu konkretisieren (vgl. BeckOK ZPO/Bacher, 46. Ed. 01.07.2023, ZPO § 254 Rn. 4). Die der Stufenklage eigentümliche Verknüpfung von unbestimmtem Leistungsanspruch und vorbereitendem Auskunftsanspruch steht aber nicht zur Verfügung, wenn die Auskunft überhaupt nicht dem Zweck der Bestimmung des Leistungsanspruchs dient, sondern dem Kläger sonstige mit der Bestimmbarkeit als solcher nicht in Zusammenhang stehende Informationen über seine Rechtsverfolgung verschaffen soll (vgl. BGH NJW 2000, 1645; OLG Hamm, r+s 2022, 93; OLG München r+s 2022, 94; LG Wuppertal r+s 2021, 696). Der erforderliche Zusammenhang zwischen Auskunfts- und Leistungsbegehren fehlt insbesondere, wenn die Auskunft dem Kläger die Beurteilung ermöglichen soll, ob ihm dem Grunde nach ein Anspruch zusteht, ob also z.B. ein zum Schadensersatz verpflichtendes Verhalten des Beklagten vorliegt und ob dieses für einen dem Kläger entstandenen Schaden kausal ist (vgl. BGH NJW 2000, 1645).
35Gemessen daran ist die vorliegende Stufenklage unzulässig. Denn der Klägerin geht es mit dem von ihr begehrten Auskunftsbündel nicht um die Bezifferung eines sich aus einer Rechnungslegung ohne weiteres ergebenden Anspruchs. Vielmehr zielen die Anträge ersichtlich auf eine erstmalige Prüfung ab, ob überhaupt ein Anspruch besteht.
36Denn die begehrte Auskunft über „alle Beitragsanpassungen“ der Jahre 2017 bis 2019 beschränkt sich nicht auf die Nennung der bloßen Erhöhungsbeiträge. Vielmehr verlangt die Klägerin zudem Auskunft über weitere Elemente des Versicherungsvertrages. Dies ist auch insoweit folgerichtig, als erst die Kenntnis dieser Teilelemente überhaupt die Prüfung des Anspruchs und die Erhebung einer schlüssigen Leistungsklage möglich machen. Wie aus der Klageschrift ersichtlich, fehlt für ein wirksames Leistungsbegehren nicht nur die Bezifferung des geltend gemachten Anspruchs, was von der Stufenklage erfasst wäre, sondern auch der den Anspruch tragende Lebenssachverhalt (also etwa Tarifbausteine, Jahre, Boni usw.). Dies alles teilt die Klägerseite nicht mit, weil sie es nicht weiß (vergleichbar mit OLG Hamm, r+s 2022, 93). Soweit die Klägerin schriftsätzlich behauptet, sie wolle nur die Höhe erfragen, steht dieses Vorbringen in einem eklatanten Widerspruch zu dem darüber hinausgehenden Klageantrag zu 1) und der damit einhergehenden Unschlüssigkeit auf den unteren Stufen, da Tarife pp. nicht mitgeteilt werden. Denn die Klägerin trägt in diesem Zusammenhang auch vor „Ohne die mit dem Klageantrag zu 1. geltend gemachte Auskunft kann die Klägerseite nicht beurteilen, ob Beitragsanpassungen in Jahren, in denen die Beklagte ordnungsgemäße Begründungen im Sinne von § 203 Abs. 5 VVG erstellt hat, bereits einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage ermangeln“. Damit gibt sie zu erkennen, dass die Stufenklage gerade nicht nur der Bezifferung ihrer Ansprüche dient. Über diesen Umstand kann auch nicht hinwegtäuschen, dass die Klägerin umfangreich aus Mitteilungsschreiben anderer Versicherungsnehmer zitiert (vgl. Bl. 20 ff. d.A.). Dies soll ein Wissen über Umstände suggerieren, die mit dem Klageantrag zu 1) von der Beklagten gerade erst erfragt werden.
372.
38Die danach unzulässige Stufenklage ist in eine von der Stufung unabhängige objektive Klagehäufung nach § 260 ZPO umzudeuten, sofern anzunehmen ist, dass das Auskunftsbegehren auch unabhängig von der Stufung verfolgt werden soll (vgl. BGH NJW 2002, 2592). Dies hat zur Folge, dass die Klägerin ihren Zahlungsantrag unabhängig von der Erteilung der Auskunft beziffern muss, ansonsten ist er als unzulässig abzuweisen (vgl. BeckOK ZPO/Bacher, 46. Ed. 01.07.2023, ZPO § 254 Rn. 6).
39Die sich an den Kriterien des §§ 133, 157 BGB orientierende Auslegung ergibt hier, dass die Klägerin ihr Auskunftsbegehren neben der Leistungsklage und der (Zwischen-)Feststellungsklage verfolgen will. Es kann nicht unterstellt werden, dass sie auf ihr Auskunftsbegehren verzichten will, wenn sie es nicht prozessual gestuft geltend machen kann.
403.
41Allerdings ist der mit dem Klageantrag zu 2. gestellte Feststellungsantrag unzulässig.
42Dem Feststellungsantrag fehlt es an der hinreichend konkreten Bezeichnung eines Rechtsverhältnisses i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO und in seiner negativen Komponente (fehlende Verpflichtung zur Zahlung des Erhöhungsbetrages) an der erforderlichen Bezifferung. Letzteres gilt auch für die unter Ziffer 3) und 4) gestellten unbezifferten Zahlungsanträge (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
434.
44Auch, soweit die Klägerin mit ihrem Klageantrag zu 1), 3. Spiegelstrich, Auskunft über die jeweilige Höhe der auslösenden Faktoren für die Neukalkulation der Prämien in sämtlichen ehemaligen und derzeitigen Tarifen des Versicherungsvertrages mit der Versicherungsnummer 059/050920488 seit dem 01.01.2013 begehrt, ist die Klage unzulässig.
45Der Antrag entspricht bei isolierter Betrachtung dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht, da nicht ersichtlich ist, auf welche konkreten Zeitpunkte und Tarife sich das Auskunftsbegehren bezieht. Angesichts dieser Unbestimmtheit ließe sich im Rahmen der Zwangsvollstreckung nicht feststellen, ob die Beklagte den Auskunftsanspruch – soweit er rechtlich bestünde - erfüllt hätte. Die somit erforderliche Konkretisierung würde unstatthaft in das Zwangsvollstreckungsverfahren verschoben.
46II.
47Im Übrigen ist die Klage zwar zulässig, aber unbegründet.
48Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Auskunft über alle Beitragsanpassungen, die die Beklagte zum streitgegenständlichen Vertrag in den Jahren 2017 bis 2019 vorgenommen hat, sowie auf die Übermittlung der diesbezüglich begehrten Unterlagen.
491.
50Der als selbstständiges Leistungsbegehren auszulegende Auskunftsanspruch ergibt sich nicht aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO.
51Nach dieser Vorschrift hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten.
52Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob es sich bei den von der Klägerin begehrten Informationen überhaupt um personenbezogene Daten i.S.d. Art. 4 Nr. 1 DSGVO handelt (verneinend: OLG München r+s 2022, 94).
53Denn Sinn und Zweck des Art. 15 Abs. 3 DSGVO ist nicht die büromäßig strukturierte Aufarbeitung von Unterlagen des Versicherungsnehmers für diesen durch den Versicherer mit dem Ziel, dem Versicherungsnehmer anschließend die Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche zu ermöglichen, wenn er seine Unterlagen nicht aufbewahrt hat (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 10.05.2022, 1 U 411/21). Die DSGVO bezweckt vielmehr eine effektive Kontrolle des jeweiligen Betroffenen darüber, welche Daten der Verantwortliche besitzt und was weiter damit geschieht. Art. 15 Art. 3 DSGVO hat zwar auch die Durchsetzung von Rechten der betroffenen Person im Auge, jedoch betrifft das nicht vermögensrechtliche Ansprüche, sondern durch das Auskunftsrecht sollen persönliche Rechts aus dem 3. Abschnitt unterstützt werden, bspw. Löschungsansprüche (vgl. OLG München r+s 2022, 94).
54Aufgrund dieser Ausführungen steht der Beklagten jedenfalls ein Weigerungsrecht aus Art. 12 Abs. 5 Satz 2 Buchstabe b) DSGVO zu, weil die Inanspruchnahme des Rechts auf Auskunft im Streitfall missbräuchlich ist.
55Nach dieser Vorschrift kann der Verantwortliche bei offenkundig unbegründeten oder — insbesondere im Fall von häufiger Wiederholung — exzessiven Anträgen einer betroffenen Person entweder ein angemessenes Entgelt verlangen, bei dem die Verwaltungskosten für die Unterrichtung oder die Mitteilung oder die Durchführung der beantragten Maßnahme berücksichtigt werden (lit. a) oder sich weigern, aufgrund des Auftrags tätig zu werden (lit. b).
56Die Vorschrift führt zwar lediglich die häufige Wiederholung als Beispiel für einen „exzessiven“ Antrag auf. Die Verwendung des Wortes „insbesondere“ macht aber deutlich, dass die Vorschrift auch andere rechtsmissbräuchliche Anträge erfassen will (vgl. OLG Hamm, r+s 2022, 93; OLG Bamberg Beschl. v. 10.05.2022, 1 U 411/21; OLG Koblenz, Beschl. v. 11.05.2022, 10 U 1096/21; OLG Nürnberg VersR 2022, 622). Bei der Auslegung, was in diesem Sinne rechtsmissbräuchlich ist, ist auch der Schutzzweck der DSGVO zu berücksichtigen. Wie sich aus dem Erwägungsgrund 63 der Verordnung ergibt, ist Sinn und Zweck des in Art. 15 DS-GVO normierten Auskunftsrechts, es der betroffenen Person problemlos und in angemessenen Abständen zu ermöglichen, sich der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten bewusst zu werden und die Rechtmäßigkeit dieser Verarbeitung überprüfen zu können (vgl. auch BGH VersR 2021, 1019 ). Um ein solches Bewusstwerden zum Zweck einer Überprüfung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten geht es der Klägerin aber ersichtlich nicht. Sinn und Zweck der von ihr begehrten Auskunftserteilung ist vielmehr - wie sich aus der Koppelung mit den unzulässigen Klageanträgen auf Feststellung und Zahlung zweifelsfrei ergibt - ausschließlich die Überprüfung etwaiger von der Beklagten vorgenommener Prämienanpassungen wegen möglicher formeller und materieller Mängel. Eine solche Vorgehensweise ist vom Schutzzweck der DSGVO aber nicht umfasst (vgl. OLG Hamm, r+s 2022, 93; OLG Nürnberg VersR 2022, 622; LG Wuppertal, r+s 2021, 696).
57Rechtsmissbräuchlich ist der Antrag aber auch deshalb, weil die Voraussetzungen des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs allenfalls formal erfüllt sind. Die Klägerin will von der Beklagten Informationen beschaffen, die ihr bereits in verständlicher Form vollständig vorliegen. Es ist auch kein Ausnahmefall ersichtlich, in dem die erneute Informationsbeschaffung erforderlich ist, um die gänzliche Verständlichkeit der personenbezogenen Daten zu gewährleisten und die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung insgesamt zu überprüfen. An der Erteilung einer solchen Auskunft ist ein vernünftiges Interesse nicht erkennbar. Vielmehr konnte die Klägerin ihre behauptete Unkenntnis über die klageweise geltend gemachten Informationen nicht plausibel erklären (s.u.).
58Damit bleibt als naheliegender und einzig erkennbarer Grund für die Geltendmachung des Anspruchs, die Klägerin von jeglicher Mühe, die Unterlagen selbst herauszusuchen, zu entlasten und sich so aus Bequemlichkeit und unter Umgehung zivilprozessualer Grundsätze seiner Beibringungspflicht zu entledigen. Dadurch wird der Anspruch jedoch völlig zweckentfremdet und damit exzessiv genutzt, um der Klägerin einen weder im Europarecht noch im nationalen Prozessrecht vorgesehen Vorteil bei der Durchführung ihrer zivilrechtlichen Klagen gegen Prämienerhöhungen zu verschaffen (vgl. OLG Düsseldorf, Hinweisbeschluss vom 13.07.2023 – 14 U 44/23).
59Weiterhin führt das OLG Düsseldorf in seinem Hinweisbeschluss vom 13.07.2023 – 14 U 44/23 - Folgendes aus:
60„In diesem Zusammenhang darf schließlich auch nicht übersehen werden, dass die Nutzung des Auskunftsanspruchs völlig losgelöst von datenschutzrechtlichen Zielen und unabhängig vom (noch) tatsächlichen Vorhandensein der Unterlagen nicht unerhebliche Auswirkungen auf zivilprozessuale Wertungen hätte. So wäre gerade bei Massenverfahren Geschäftsmodellen Tür und Tor geöffnet, die den Auskunftsanspruch als eine Art „Serviceleistung zu Lasten des Beklagten“ (hier zu Lasten der Versicherer) gleichsam pauschal geltend machen, um so den zivilprozessual im Rahmen des Beibringungsgrundsatz der Klägerseite zugewiesenen Aufwand, die anspruchsbegründenden Unterlagen zusammenzustellen, auf die Beklagte zu verlagern. Entsprechend wird in der Literatur bereits länger darauf hingewiesen, dass eine (zu) großzügige Auslegung des Auskunftsanspruch - jedenfalls faktisch - Widersprüche mit den Grundprinzipien des nationalen Prozessrechts schaffen und dadurch eine im angelsächsischen Rechtskreis beheimatete und der ZPO fremde „Pre-Trail-Discovery“ entstehen kann (vgl. nur Schwartmann/Klein /Burkhardt, in Heidelberger Kommentar Anhang Art. 15 / § 34 BDSG mw.N). Jedenfalls dürften so weitreichende Vorgaben weder vom Zweck des Art 15 DS-GVO gedeckt noch europarechtlich oder vom nationalen Gesetzgeber gewollt sein (vergl. hierzu auch OLG Koblenz, Beschluss vom 19.10.2022, 10 U 603/22 Rn. 31). Diesen Bedenken lediglich (formal korrekt) entgegenzuhalten, vorliegend gehe es nicht um die Frage der Substantiierung und Darlegungslast im Zivilprozess, sondern um das Bestehen eines materiell-rechtlichen Auskunftsanspruchs (so OLG Köln 13.05.2022, I-20 U 295/21, Rn. 66) wird der Problematik nach Ansicht des Senats nicht vollständig gerecht. Denn hierdurch ist gerade noch nichts darüber gesagt, ob der materielle Anspruch es auch vor dem Hintergrund des Art 12 Abs.5 DS-GVO zulässt, den im Rahmen des Beibringungsgrundsatzes der Klägerseite zugewiesenen Aufwand, die anspruchsbegründenden Tatsachen herauszusuchen, systematisch auf die Beklagte zu verlagern.“
61Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an.
622.
63Ein Auskunftsanspruch folgt auch nicht aus § 242 BGB i.V.m. dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag.
64Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich aus § 242 BGB eine Auskunftspflicht, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über den Umfang eines Rechtes im Ungewissen ist und der Pflichtige die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann (vgl. BGH NJW 2007, 1806; BGH NJW 2014,155).
65Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
66Es kann schon nicht festgestellt werden, dass der Klägerin die begehrten Unterlagen nicht mehr vorliegen. Die Beklagte hat diesen Vortrag bereits in der Klageerwiderung zulässigerweise nach § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen bestritten. Die schriftsätzlich von der Klägerin vorgelegte Verlusterklärung vom 06.04.2023 (Bl. 113 d.A.) erbringt den erforderlichen Nachweis für ihre Behauptung, die streitbefangenen Unterlagen seien nicht mehr auffindbar, nicht. Es handelt sich vielmehr um eine (bloße) schriftliche Parteierklärung. Beweis für ihre Behauptung hat die Klägerin nicht angeboten.
67Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, dass ihr die Versicherungsunterlagen nicht mehr vorliegen, kann jedenfalls nicht festgestellt werden, dass die Klägerin „in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang eines Rechts im Ungewissen“ ist.
68Unstreitig hat die Klägerin seinerzeit von der Beklagten die Unterlagen in Form der Nachtragsversicherungsscheine und standardisierter Informationsschreiben erhalten, die ihr Aufschluss darüber gegeben haben, welche Tarife in welcher Höhe angepasst werden und in welchen Fällen sich der Tarif aus anderen Gründen als einer Anpassung geändert hat. Dass sie ihr nicht mehr vorliegen, macht ihre Ungewissheit nicht entschuldbar. Sachliche Gründe hierfür sind nicht ausreichend dargelegt worden.
69Die Klägerin macht lediglich geltend, die Unterlagen seien nicht mehr auffindbar, trotz sorgfältiger Nachforschungen haben nicht ermittelt werden können, wo sich diese befinden. Eine unverschuldete Unkenntnis ist damit nicht feststellbar (vgl. auch LG Wuppertal r+s 2021, 696). Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang (vgl. Bl. 13/14 d.A.) vorträgt, der Versicherungsnehmer gehe „aufgrund der ihm gestellten Versicherungsbedingungen zu Recht davon aus, dass älteren Versicherungsscheinen nach Übersendung der aktuellen Version kein Eigenwert mehr“ zukomme; eine Aufbewahrungsobliegenheit treffe den Versicherungsnehmer nicht, verhilft ihr auch dieser Einwand nicht zum Erfolg. Damit möchte die Klägerin möglicherweise andeuten, dass sie die ihr seinerzeit übersandten Unterlagen entsorgt hat, statt sie aufzubewahren. Eine Entsorgung ist aber weder üblich noch lag sie nahe. Vielmehr ist eine Aufbewahrung üblich (vgl. OLG München r+s 2022, 94; OLG Bamberg Beschl. v. 10.05.2022, 1 U 411/21), wie der Kammer aus einer Vielzahl vergleichbarer Verfahren bekannt ist, wo mit einer gewissen Selbstverständlichkeit die Unterlagen seitens der Versicherungsnehmer vorgelegt werden. Sie ist auch höchst sinnvoll, schon um den eigenen Versicherungsschutz übersichtlich selbst zu dokumentieren und später im Bedarfsfall nachvollziehen zu können.
70Ein Anspruch aus § 242 BGB besteht auch nicht im Hinblick auf die jeweilige Höhe der auslösenden Faktoren für die Neukalkulation der Prämien in sämtlichen ehemaligen und derzeitigen Tarifen des Versicherungsvertrages mit der Versicherungsnummer N01 seit dem 01.01.2017. Unabhängig davon, dass der Antrag bereits unzulässig ist (vgl. oben), hat die Klägerin insoweit kein schutzwürdiges Auskunftsinteresse dargelegt.
71Denn es bedarf bei der Anwendung des § 242 BGB einer Interessenabwägung. „Treue" im Sinne des § 242 BGB bedeutet eine auf u. a. Rücksichtnahme beruhende Haltung (vgl. Grüneberg, BGB, 81. Auflage, § 242 Rn. 6). Dies führt im konkreten Fall des Auskunftsbegehrens dazu, dass der Gläubiger sein Begehren – auch jenseits der Anforderungen des § 253 Abs. 1 ZPO – so konkret fassen muss, dass der Schuldner eindeutig erkennen kann, was begehrt wird und so die Auskunft mit möglichst geringem Aufwand geben kann und zudem sicher weiß, wann er sie erfüllt hat. Mit anderen Worten, diejenigen Informationen, die dem Versicherungsnehmer vorliegen (müssen), hat er zu der Erreichung seines Ziels beizusteuern. Keinesfalls darf der Informationsanspruch so ausgestaltet werden, dass das Risiko und der Aufwand mehr als erforderlich auf den Schuldner, hier die beklagte Versicherung, abgewälzt werden.
72Genau dies geschieht jedoch hier, indem die Klägerin Informationen zu „sämtlichen ehemaligen und derzeitigen Tarifen des Versicherungsvertrages mit der Versicherungsnummer N01 seit dem 01.01.2017“ fordert.
73Eine allgemeine Auskunftspflicht für die letzten zehn Jahre gibt es ohne konkrete Anhaltspunkte aus Sicht der Kammer jedoch nicht.
74In diesem Zusammenhang legt die Klägerin dar, ihre Prozessbevollmächtigten wüssten, dass es jedenfalls im Tarif KB30 Beitragsanpassungen zum 01.10.2017, zum 01.01.2018 und zum 01.01.2019, sowie im Tarif EKHT zum 01.01.2018, zum 01.05.2018 und zum 01.10.2019 gegeben habe (vgl. 98 d.A.). Warum sie ihren Antrag nicht jedenfalls insoweit konkretisiert, bleibt offen. Auf den substantiierten Einwand der Beklagten, im Tarif KB30 habe es in den Jahren 2017, 2018 und 2019 keinerlei Beitragsanpassungen gegeben und im Tarif EKHT habe es nur zum 01.05.2018 eine Beitragsanpassung gegeben, und zwar in Form einer Beitragssenkung i.H.v. 0,23 EUR (vgl. Bl. 119/120 d.A.), hat sie dagegen nicht erwidert, sodass dieser Vortrag gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen ist. Dann kann sie aber nicht gleichzeitig die Mitteilung der Höhe der auslösenden Faktoren für sämtliche Tarife ihres Versicherungsvertrages seit dem 01.01.2017 verlangen.
75Soweit die Klägerin ihr Auskunftsbedürfnis mit Zweifeln an der Wirksamkeit von Beitragsanpassungen in Abweichung von § 155 Abs. 3 S. 2 VAG auf Grundlage von § 8 b MB/KK begründet hat, besteht ein solches Bedürfnis aus Rechtsgründen jedenfalls nicht mehr, nachdem der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 22.06.2022 die Wirksamkeit von § 8b MB/KK bestätigt hat (BGH, Urt. v. 22.06.2022, IV ZR 253/20).
76Für die Zeit vor dem 01.01.2019 kommt hinzu, dass keine durchsetzbaren Ansprüche bestehen, weil hinsichtlich aller bis zum 31.12.2018 gezahlten Beiträge Verjährung eingetreten ist, die durch die im Jahr 2022 erhobene Klage nicht mehr nach § 204 BGB gehemmt werden konnte (vgl. OLG Dresden, Urt. v. 29.03.2022, 4 U 1905/21).
77Die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) begann jeweils mit dem Schluss des Jahres, in dem die Prämienanteile gezahlt wurden. Die Regelverjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Rückzahlungsansprüche entstanden hier jeweils mit der Zahlung der Erhöhungsbeträge. Der Kläger hatte mit dem Zugang der Änderungsmitteilungen zu diesen Zeitpunkten bereits im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners. Der Verjährungsbeginn setzt gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände voraus. Nicht erforderlich ist in der Regel, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn aber hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. In diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn. Vorliegend war dem eine Geltendmachung seiner Ansprüche möglich. Die Erhebung einer Klage, mit der die formelle Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen aufgrund einer unzureichenden Begründung geltend gemacht wird, war jedenfalls nicht wegen einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage unzumutbar. Für eine Unzumutbarkeit der Klageerhebung genügte es nicht, dass es zu den Anforderungen an die nach § 203 Abs. 5 VVG mitzuteilenden Gründe einer Prämienanpassung einen Meinungsstreit gab, der noch nicht geklärt war. Eine Rechtslage ist nicht schon dann im Sinne der genannten Rechtsprechung unsicher und zweifelhaft, wenn eine Rechtsfrage umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden ist (vgl. BGH VersR 2022, 308).
78Es ist für die Feststellung der Verjährung nicht entscheidungserheblich, ob der Kläger mit Zugang der Änderungsmitteilungen auch Kenntnis von den Tatsachen hatte, aus denen eine materielle Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen folgen könnte. Für den Beginn der Verjährungsfrist ist dies ohne Bedeutung. Der Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB hat Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, wenn er von der Leistung und den Tatsachen weiß, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt. Maßgeblich ist daher das Fehlen des Rechtsgrundes, das dem Kläger mit Erhalt der Änderungsmitteilungen jedenfalls aufgrund der ihrer Auffassung nach bestehenden formalen Mängel bereits bekannt war. Eine erneute Kenntnisnahme vom Fehlen desselben Rechtsgrundes aus weiteren Gründen setzt keine neue Verjährungsfrist in Gang.
793.
80Ein Auskunftsanspruch aus § 3 Abs. 3 VVG scheidet ebenfalls aus. Dieser bezieht sich nur auf abhanden gekommene oder vernichtete Versicherungsscheine. Die Klägerin hat bereits den Verlust der Unterlagen nicht unter Beweis gestellt (s.o.). Ungeachtet dessen wäre das Verlangen auch rechtsmissbräuchlich, weil die Klägerin aus dem Auskunftsbündel lediglich eine unselbstständige Teilinformation bekommen würde, die zur Substantiierung einer möglichen Klage nicht ausreicht. Die mit dem Auskunftsbegehren maßgeblich herausverlangten Anschreiben und Merkblätter erhält sie über diese Vorschrift indessen nicht. (vgl. OLG Hamm, r+s 2022, 93, LG Wuppertal r+s 2021, 696).
81Die Vorschrift des § 3 Abs. 4 VVG führt nicht zum Anspruchsziel, weil die Klägerin danach grundsätzlich nur Abschriften von eigenen Erklärungen verlangen kann, worum es hier nicht geht.
824.
83Schließlich folgt ein Anspruch auch nicht aus § 810 BGB. Diese Vorschrift gibt keinen Anspruch auf Erteilung einer Auskunft oder auf Übersendung von Unterlagen.
845.
85Weitere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.
86III.
87Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
88Der Streitwert wird auf 6.500,00 EUR festgesetzt.