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Die Beklagte wird verurteilt,
1.es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 € (für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft) oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (zu vollstrecken an ihren Vorständen) zu unterlassen,
im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern im Internet unter www.x.de, die den Abschluss von entgeltlichen Strom- und Gaslieferverträgen in Form von Dauerschuldverhältnissen auf elektronischen Wege ermöglicht, keine unmittelbar und leicht zugängliche, nicht erst durch Eingabe von Benutzername und Passwort oder Eingabe von Vertragskontonummer und Postleitzahl der Verbrauchsstelle erreichbare Bestätigungsseite sowie Schaltfläche für die Bestätigung einer Kündigung vorzuhalten, wenn dies geschieht wie folgt:
2.
an den Kläger 260,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Dezember 2023 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und zwar hinsichtlich der Verurteilung zu 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 €, hinsichtlich der Kostenentscheidung in Höhe von 110 % des beitreibbaren Betrages.
T a t b e s t a n d :
2Die Beklagte bietet über ihre Homepage www.x.de Verbrauchern den Abschluss von Strom- und Gasverträgen an. Am unteren Ende der Rubrik „Kontakt“ findet sich eine Schaltfläche „Verträge kündigen“. Wählen Verbraucherinnen und Verbraucher diese aus, gelangen sie zu einer Anmeldemaske, mithilfe derer sie sich zunächst identifizieren sollen, bevor sie in den Kündigungsbereich gelangen. Hierfür können sich registrierte Kundinnen und Kunden mit ihrem Benutzernamen und dem zugehörigen Passwort anmelden. Nicht registrierte Kundinnen und Kunden müssen zunächst die Vertragskontonummer und die Postleitzahl der Verbrauchsstelle angeben, um sich zu legitimieren. Die Identifizierung, ob per Benutzername oder Vertragskontonummer, wird erst mit Bestätigung des Buttons „Anmelden“ abgeschlossen. Eine Möglichkeit, den Vertrag direkt über eine Kündigungsschaltfläche zu kündigen, ohne sich auf eine der zwei vorgenannten Alternativen anmelden zu müssen, existiert nicht. Eine Abbildung hierzu findet sich im Tenor des Urteils.
3Der Kläger, ein gemäß § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverband, ist der Ansicht, die Ausgestaltung des Kündigungsbuttons bzw. des Kündigungsprozesses verstoße gegen verbraucherschützende Normen. Unternehmen seien verpflichtet, sowohl eine Kündigungsschaltfläche als auch eine Bestätigungsseite mit einer Bestätigungsschaltfläche ständig verfügbar sowie unmittelbar und leicht zugänglich vorzuhalten. Dieser Verpflichtung komme die Beklagte so nicht nach. Die zwischen der Schaltfläche „Verträge kündigen“ und der Bestätigungsseite geschaltete Anmeldemaske zur Identifizierung hindere die Verbraucherinnen und Verbraucher an einer direkten Abgabe ihrer Kündigung. Dieser Zwischenschritt baue eine Hürde für die Kündigung auf, die geeignet sei, Kundinnen und Kunden von der Kündigung abzuhalten. Dies sei unzulässig. Bereits die Möglichkeit, ohne Eingabe einer Benutzernummer zu kündigen, sei für den Verbraucher nicht leicht auffindbar.
4Der Kläger beantragt daher nach vergeblicher Abmahnung,
5I.
6die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 205.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an dem Vorstand, es künftig zu unterlassen,
7im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbraucher:innen im Internet unter www.x.de, die den Abschluss von entgeltlichen Strom- und Gaslieferverträgen in Form von Dauerschuldverhältnissen auf elektronischen Wege ermöglicht, keine unmittelbar und leicht zugängliche, nicht erst durch Eingabe von Benutzername und Passwort oder Eingabe von Vertragskontonummer und Postleitzahl der Verbrauchsstelle erreichbare Bestätigungsseite sowie Schaltfläche für die Bestätigung einer Kündigung vorzuhalten, wenn dies geschieht wie in Anlage K 1 abgebildet.
8II.
9die Beklagte zu verurteilen, an ihn die notwendigen Aufwendungen in Höhe von netto 242,99 € zzgl. 7 % Mehrwertsteuer in Höhe von 17,.01 €, mithin 260,00 € brutto, nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Die Beklagte sieht hingegen keinen Verstoß gegen Unmittelbarkeit und leichter Zugänglichkeit ihrer Schaltflächen und der Bestätigungsseite auf ihrer Webseite. Die von ihr in der zwischengeschalteten Anmeldemaske abgefragten Informationen seien ohnehin solche, die anderenfalls auf der Bestätigungsseite abgefragt werden müssten. Auf diese Weise würde das Risiko vermindert, dass Kundinnen und Kunden bereits alle weiteren Daten eingegeben hätten, um am Ende festzustellen, dass ihnen die Vertragskontonummer fehle und der Kündigungsvorgang nicht abschließbar sei. Zudem sei die Abfrage der Vertragskontonummer und der Postleitzahl an sich kein Verstoß gegen Verbraucherschutzrecht.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
15Die Klage des unstreitig klagebefugten Verbraucherschutzverbandes hat Erfolg. Die Beklagte verstößt durch die Gestaltung des Kündigungsprozesses auf ihrer Webseite gegen die verbraucherschützende (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 c) UKlaG) Vorschrift des § 312k BGB.
161.
17Die Vorschrift des § 312k BGB ist durchsetzbar. Sie verstößt nicht gegen Unionsrecht. Zwar beruht sie – anders als zukünftig der Widerrufsbutton gemäß Art. 11a Richtlinie 2011/83/EU i.d.F. von Art. 1 Nr. 3 der Richtlinie (EU) 2023/2673 (dazu Izzo-Wagner/ Schultess BKR 2024, 81, 85; Becker/Rätze, WRP 2024, 280, 285) – nicht auf einer Unions-Richtlinie. Sie ist aber nicht richtlinienwidrig. Zwar hat die Richtlinie 2011/83/EU (Verbraucherrechterichtlinie), die gemäß Art. 2 Nr. 3 auch für die Gas- und Stromlieferung gilt, gemäß Art. 4 zu einer weitgehenden Harmonisierung des Vertragsrechts geführt. Diese Harmonisierung gilt aber nur für den Regelungsbereich der Richtlinie. Die RL 2011/83/EU befasst sich nur mit den vorvertraglichen Informationsverpflichten und dem Vertragsschluss einschließlich der dabei bereitzustellenden Informationen und des Widerrufsrechts und der Widerrufsfolgen. Soweit sie die Vertragsbeendigung. anspricht, betrifft dies lediglich die Vertragsbeendigung aus Gewährleistungsrechten. Die Vertragslaufzeit und die Kündigungsmöglichkeiten werden durch die Richtlinien jedoch nicht geregelt. Die Vorschrift des § 312k BGB gilt nicht für Widerrufsrechte oder für gewährleistungsrechtlich begründete Kündigungen (BT-Drs. 17/30840 S. 17; Wendehorst, in Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl., § 312k Rn. 8).
182.
19Unstreitig ist § 312k BGB anwendbar, denn die Beklagte bietet den Vertragsabschluss für Gas- und Stromlieferungsverträge über ihre Webseite an.
203.
21Die von der Beklagten praktizierte Gestaltung des Kündigungsprozesses über ihre Webseite verstößt gegen § 312k Abs. 2 S. 3 BGB.
22Nach dem Gesetz ist der Kündigungsprozess – ebenso wie zukünftig der Widerrufsprozess – zweistufig aufgebaut (zum Ganzen Wendehorst in Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl., § 312k Rn. 13 ff.; Stiegler VuR 2021, 443; Buchmann/Panfili K&R 2023, 24):
23Der Prozess beginnt mit einer „Kündigungsschaltfläche“, nach deren Betätigung unmittelbar auf eine „Bestätigungsseite“ geführt wird, die eine „Bestätigungsschaltfläche“ enthält.
24a) Die „Kündigungsschaltfläche“ ist nicht Gegenstand des Antrages. Sie wäre auch nicht zu beanstanden; zwar enthält sie nicht die Worte „Verträge hier kündigen“, die von der Beklagten gewählten Worte „Verträge kündigen“ sind aber gleich eindeutig und klar.
25b) Die „Bestätigungsseite“ ist jedoch nicht gemäß den gesetzlichen Anforderungen aufgebaut. Der Kunde wird nach Betätigung der „Kündigungsschaltfläche“ nicht auf eine einzige Webseite geführt, auf der die in § 312k Abs. 2 S. 3 BGB vorgeschriebenen Angaben einschließlich der „Bestätigungsschaltfläche“ enthalten sind. Vielmehr ist die „Bestätigungsseite“ aufgespalten; zunächst wird der Kunde auf eine Webseite geleitet, auf der er lediglich bestimmte Angaben machen kann, nämlich entweder zum Kundenkonto (identifiziert durch den Benutzernamen und das Passwort) oder durch eine anderweitige Identifizierung durch Vertragskontonummer und Postleitzahl der Verbrauchsstelle. Zwar ist der zweite Weg durch die Überschrift „Nicht registriert? Ohne Konto anmelden“ entgegen der Auffassung des Klägers gut sichtbar. Auch ist unstreitig, dass das Verlangen nach Vertragskontonummer und Postleitzahl der Verbrauchsstelle als solches nicht zu beanstanden ist; (vgl. § 312k Abs. 2 S. 3 Nr. 1 lit. b), c) BGB; vgl. Wendehorst, a.a.O., Rn. 19; BT-Drs. 19/30840 S. 17). Sie enthält jedoch nicht die weiteren Angaben und insbesondere nicht die „Bestätigungsschaltfläche“. Auf eine diese Merkmale enthaltende gesonderte Webseite wird der Kunde vielmehr erst dann weitergeleitet, wenn er sich erfolgreich die oben beschriebenen Felder ausgefüllt und eine weitere Schaltfläche betätigt hat. Dies ist nicht zulässig. Nach § 312k Abs. 2 S. 3 BGB muss die Betätigung der „Kündigungsschaltfläche“ vielmehr unmittelbar zu der Bestätigungsseite mit sämtlichen vorgeschriebenen Merkmalen (insbesondere der „Bestätigungsschaltfläche“) führen. Dies setzt voraus, dass die „Bestätigungsseite“ aus einer einheitlichen Webseite besteht. Dies schließt zwar die Notwendigkeit eines Scrollens nicht von vornherein aus, jedoch ist das Erfordernis der Betätigung einer weiteren Schaltfläche damit nicht vereinbar. Auch wenn man das Erfordernis, dass die Bestätigungsseite „unmittelbar und leicht zugänglich“ sein muss (§ 312k Abs. 2 S. 4 BGB), im Lichte des S. 3 auslegt (vgl. Buchmann/Panfili, a.a.O.), führt dies dazu, dass eine Kündigung durch Betätigung der „Kündigungsschaltfläche“ dadurch erschwert wird, dass eine weitere – im Gesetz nicht vorgesehene – Schaltfläche eingebaut wird. Diese Aufspaltung der „Bestätigungsseite“ in (zumindest) zwei unabhängige Webseiten führt zu einem (zumindest) dreistufigen Kündigungsprozess und läuft dem Bestreben des Gesetzgebers zugegen, eine möglichst einfache Kündigung zu ermöglichen.
264.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Nebenentscheidung auf § 709 ZPO. Die Vorschrift des § 708 Nr. 10 ZPO ist nicht einschlägig, weil der Senat nicht als Berufungsgericht entscheidet (s. § 6 Abs. 1 S. 2 UKlaG).
28Die Revision ist zuzulassen, weil höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 312k BGB fehlt.
29Der Streitwert wird auf 10.000 € festgesetzt. Der Senat ist der Auffassung, dass die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Streitwertbemessung in UKlaG-Verfahren (vgl. Köhler/Alexander, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl., § 1 UKlaG Rn. 21) einer vorsichtigen Anpassung bedarf. Dabei muss zum einen die allgemeine Preisentwicklung berücksichtigt werden, aber auch die Tatsache, dass der Verbraucherschutzverband in UKlaG-Verfahren neuen Rechts eine Instanz und die damit verbundenen Kosten spart, so dass das vom Bundesgerichtshof zur Streitwertbemessung herangezogene Argument, die Verbraucherverbände vor unangemessenen Kostenbelastungen zu schützen, von geringerem Gewicht ist.