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Eine Injektionsbehandlung kann grob fehlerhaft sein, wenn bei persistierenden Beschwerden keine bildgebende Diagnostik erfolgt. Für einen Facharzt drängt sich bei einem Sturzereignis, die röntgenologische Befundung als absoluter Standard gerade zu auf. Wird bei einer Cortisioninjektion ein Frakturspalt übersehen, so kann darin ein grober Behandlungsfehler liegen. Für einen 8 Monate erforderlichen Krankenhausaufenthalt mit eingetretener Sepsis, Multiorganversagen, multiplen Abszessen und einer Langzeitbeatmung kann ein Scherzensgeld von 100.000,- € angemessen sein.
Die Berufungen der Beklagten gegen das am 22. Januar 2014 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bochum werden zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten der Berufungsinstanz einschließlich der Kosten der Streithelfer.
Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
2I.
3Die Klägerin hat als private Krankenversicherung aus übergegangenem Recht von den Beklagten wegen vermeintlicher ärztlicher Behandlungsfehler in der Hauptsache den Ersatz von Aufwendungen in Höhe von 551.493,04 € und die Feststellung weitergehender Ersatzpflicht für materielle Schäden aus übergegangenem Recht begehrt.
4Die am ##.##.1944 geborene, bei der Klägerin über ihren Ehemann mitversicherte Frau B2 (im folgenden auch: Patientin) fiel im März 2006 - streitig, ob am 14. oder 21.03.2006 - bei der Einweisung von Arbeiten auf dem Gelände des von ihr geführten Hotels auf das Gesäß.
5Sie begab sich deshalb am 21.03.2006 in die ambulante Behandlung des Beklagten zu 2) Dr. P -, der nach klinischer Untersuchung, jedoch ohne Röntgenbefundung, einen Knochenhautreizzustand an der Steißbeinspitze diagnostizierte. In dem Zeitraum vom 21.03.2006 bis zum 31.03.2006 führte er insgesamt 8 Infiltrationen durch, deren genaue Lokalisation streitig ist.
6Aufgrund einer Beschwerdeverschlimmerung wurde Frau B2 am 01.04.2006 in die Universitätsklinik H verbracht. Die dortige röntgenologische Untersuchung erbrachte keinen Hinweis auf eine frische knöcherne Verletzung. Frau B2 wurde auf eigenen Wunsch hin entlassen.
7Sie begab sich sodann am 03.04.2006 zur Behandlung in das B-Institut für Mikrotherapie des Beklagten zu 1) - Prof. Dr. B -. Dort wurde am selben Tage unter anderem ein Magnetresonanztomogramm (MRT) der Lendenwirbelsäule und des Iliosakralgelenks angefertigt. In der Zeit vom 03.04.2006 bis 13.04.2006 wurden sodann 5 Injektionsbehandlungen mit CT-Unterstützung durchgeführt, teils im Institut für Mikrotherapie, teils in der B Clinik für Mikromedizin in F, deren Inhaber ebenfalls Prof. Dr. B ist. In der Clinik in F befand sich die Patientin im Zeitraum vom 09.04.2006 bis zum 11.04.2006 wegen der Diagnose einer Lumboischialgie stationär. Dort erfolgte insbesondere am 10.04.2006 eine weitere CT-gestützte Injektion.
8Wegen andauernder sich eher verstärkender Beschwerden kam es am 16./17.04.2006 zu einem Hausbesuch durch den Beklagten zu 2). Dieser nahm weitere schmerzstillende Infiltrationen vor.
9Seit dem 18.04.2006 befand sich Frau B2 zunächst in stationärer Behandlung im Ev. Krankenhaus H (Streithelfer zu 1), ab dem 21.04.2006 in der neurologischen Abteilung der Universitätsklinik H (Streithelferin zu 2), ab dem 26.05.2006 bis zum 27.01.2007 in stationärer Behandlung in der berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik N3. Daran schlossen sich Rehabilitationsmaßnahmen an.
10Im Verlauf der Behandlung stellte sich heraus, dass Frau B2 mit Staphylococcus aureus infiziert war, was zu multiplen Abszessen, multiplem Organversagen und einem zeitweilig lebensgefährlichen Verlauf mit zweimaligem animationspflichtigen Zustand und mehrfachen Revisionsoperationen führte. Ferner wurde festgestellt, dass bei der Patientin eine schon länger bestehende Fraktur des Beckens im Bereich des Os sacrum bestand.
11Im vorliegenden Verfahren verlangt die Klägerin Ersatz der Aufwendungen, die ihr für die Patientin entstanden sind. Wegen der Einzelheiten der Forderungsberechnung wird auf die von der Klägerin eingereichten Zahlungsbelege verwiesen. Im Parallelverfahren 26 U 33/14 begehrt die Patientin von den Beklagten Schmerzensgeld, den Ersatz materiellen Schadens und die Feststellung weitergehender Ersatzpflicht.
12Die Parteien haben erstinstanzlich insbesondere darüber gestritten, ob bereits im jeweiligen Behandlungszeitraum eine Beckenfraktur vorgelegen hat, ob die Beklagten diese wegen unzureichender Befunderhebung und/oder fehlerhafter Diagnosestellung übersehen haben, ob die Injektionsbehandlungen kontraindiziert und fehlerhaft - insbesondere unter Verstoß gegen Hygieneregeln - erfolgt seien, und welche Folgen der Patientin daraus kausal entstanden sind.
13Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch sachverständige Begutachtung dem Zahlungsbegehren in Höhe von 530.507,72 € nebst Zinsen stattgegeben und die Verpflichtung zu weiterem Schadensersatz festgestellt.
14Es ist dabei im Wesentlichen davon ausgegangen, dass die Fraktur schon bei der Erstbehandlung durch Dr. P vorgelegen habe. Die Fraktur sei von beiden Beklagten fehlerhaft übersehen und durch die Injektionen fehlerhaft behandelt worden. Dadurch sei es zur Infektion mit dem Keim Staphylococcus aureus gekommen, der die gravierenden Beeinträchtigungen der Patientin verursacht habe. Das Landgericht hat dabei Dr. P die Verursachungsbeiträge des Prof. Dr. B zugerechnet.
15Dagegen richtet sich die Berufung beider Beklagten, die das erstinstanzliche Begehren auf vollständige Klageabweisung weiter verfolgen.
16Sie machten nunmehr auch geltend, dass es sich um einen berufsgenossenschaftlichen Unfall gehandelt habe. Die Klägerin sei deshalb nicht berechtigt, eigene Ansprüche geltend zu machen. Sie habe nur einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegenüber der Berufsgenossenschaft.
17Dr. P macht ansonsten im wesentlichen geltend, dass sein Verhalten ex ante nicht zu beanstanden gewesen sei. Er habe vertretbar das Vorliegen einer Kokzygodynie annehmen und nach deren Leitlinie zunächst auch ohne Röntgenuntersuchung durch Infiltrationen behandeln dürfen, zumal die Patientin nach eigenen Angaben vor dem Landgericht zunächst eine Besserung verspürt habe. Eine medikamentöse Therapie sei dagegen bei einer Erfolgschance von nur 25 % gegenüber 60 % bei Infiltrationen nicht angezeigt gewesen. Es fehle auch an einer kausalen Schadensverursachung. Ausweislich der Krankendokumentation habe er die Injektionen in den Bereich der Steißbeinspitze gesetzt, wo sie insbesondere aufgrund der Entfernung zur Frakturstelle Schäden gar nicht haben hervorrufen können. Die Verursachung oder Mitverursachung der Verkeimung durch seine Injektion sei demnach nicht bewiesen. Dagegen spreche auch die wesentlich größere Wahrscheinlichkeit, dass die Verkeimung am 10.4.2006 in der Klinik des Prof. Dr. B anlässlich der Injektion in den Frakturspalt verursacht worden sei.
18Er hafte auch nicht für dessen Verhalten. Dazu vertritt er die Auffassung, dass das Landgericht fehlerhaft eine Zurechnung des Verhaltens im Rahmen des haftungsbegründenden Tatbestandes vorgenommen habe, obwohl dies nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur im Rahmen des haftungsausfüllenden Tatbestandes zulässig sei. Auch die Anwendung der Grundsätze zur Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern sei verfehlt. Sie gälten nach dem Regelungszweck nicht als Zurechnungsregelung zu seinen Lasten.
19Die Klägerin müsse sich ein Mitverschulden der Patientin bereits bei der Frage einer Beweislastumkehr zurechnen lassen, weil diese am 01.04.2006 gegen ärztlichen Rat die Obhut eines Maximalversorgers - Klinikum H - verlassen habe. In dieser Situation sei es auch ausreichend gewesen, der Patientin die weitere Abklärung der unklaren Beschwerdeursache anzuraten. Selbst wenn Frau B2 in ein Krankenhaus der Maximalversorgung eingewiesen worden wäre, hätte das am Kausalverlauf nichts verändert. Durch das Verhalten der Patientin sei auch der Kausalzusammenhang unterbrochen. Dasselbe gelte für das grob fehlerhafte Verhalten des Prof. Dr. B.
20Prof. Dr. B behauptet im wesentlichen, dass in seinem Behandlungszeitraum vom 03.04. bis 13.04.2006 Fehler nicht unterlaufen seien. Die auf der Basis der MRT-Befundung am 03.04.2006 gestellte Diagnose sei insbesondere auch vor dem Hintergrund früherer Beschwerden und Behandlungen und angesichts der unauffälligen Symptomatik am 01.04.2006 ex ante zumindest vertretbar gewesen. Die Kreuzbeinfraktur habe nicht im Mittelpunkt der Diagnostik gestanden und hätte auch nicht zwingend erkannt werden müssen. Es habe sich deshalb lediglich um einen nicht haftungsbegründenden Diagnoseirrtum gehandelt. Die nachfolgenden CT-Aufnahmen hätten nur der Lagekontrolle der Infiltrationsnadel gedient, so dass auch insoweit die Anzeichen einer Kreuzbeinfraktur nicht erkannt werden mussten. Eine weitergehende Befundung in Richtung auf eine solche Fraktur sei mangels Anhaltspunkten für ihr Vorliegen nicht geboten gewesen.
21Selbst wenn man von einem Diagnosefehler ausgehen wollte, könne nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die nachfolgend unterlassene weitere Befundung keinen Befunderhebungsfehler darstellen.
22Selbst wenn man von einem Befunderhebungsfehler in Form der Unterlassung von CT-Aufnahmen ausgehen wollte, wäre dies nicht haftungsbegründend, weil diese Aufnahmen ausweislich der Aufnahmen der Nachbehandler die Fraktur nicht mit mindestens überwiegender Wahrscheinlichkeit gezeigt hätten.
23Die objektiv ex post kontraindizierten Injektionen seien ihm nicht anzulasten, weil aufgrund des Diagnoseirrtums die Kontraindikation nicht gesehen worden sei. Es liege deshalb insgesamt kein Behandlungsfehler vor, erst recht kein grober Behandlungsfehler.
24Auch der Nachweis einer kausalen Schadensverursachung sei nicht geführt. Andernfalls wäre zumindest ein Mitverschulden der Patientin durch die eigenmächtige Entlassung aus der stationären Behandlung am 01.04.2006 gerechtfertigt, jedenfalls aber wegen der um zwei Tage verspäteten Anreise zur der - für den 16.4.2006 angeordneten - stationären Aufnahme. Von einem entsprechenden Hinweis sei auf der Basis der Krankenunterlagen auszugehen.
25Ergänzend beruft sich Prof. Dr. B auf Verjährung.
26Der Beklagte zu 1) Prof. Dr. B beantragt,
271. das Urteil des Landgerichts Bochum vom 22.1.2014 (Az: I-6 O 7/10) aufzuheben;
282. die Klage gegen den Beklagten zu 1) abzuweisen.
29Der Beklagte zu 2) Dr. P beantragt,
30das am 22.1.2014 verkündete Urteil des Landgerichts Bochum I-6 O 7/10 abzuändern und die gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Klage insgesamt abzuweisen,
31hilfsweise, den Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Landgericht Bochum zurückzuverweisen
32Die Klägerin beantragt,
33die Berufungen zurückzuweisen.
34Die Streithelferinnen der Klägerin beantragen ebenfalls,
35die Berufungen zurückzuweisen.
36Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.
37Sie sei anspruchsberechtigt, zumal die Berufsgenossenschaft entsprechend dem Schreiben vom 21.1.2010 bisher nur eine folgenlos ausgehalten Steißbeinprellung als Unfallfolge anerkannt habe und man sich noch im Widerspruchsverfahren befinde.
38Die Behandlung sei fehlerhaft gewesen. Zutreffend habe das Landgericht die Behandlungsfehler auch beiden Beklagten zugerechnet. Es stehe fest, dass der Beklagte zu 2) einen konkreten Gesundheitsschaden verursacht habe, weil sich nach der Behandlung der Gesundheitszustand dramatisch verschlechtert habe. Zutreffend habe das Landgericht auch nachfolgenden groben Behandlungsfehler des Beklagten zu1) zugerechnet, weil dieser nahtlos an die Behandlungsfehler des Beklagten zu 2) angeknüpft habe.
39Dem Beklagten zu 1) sei vorzuwerfen, dass er angesichts der deutlichen CT-Aufnahmen ab dem 04.04.2006 und angesichts des Setzens der Nadel direkt in den Frakturspalt am 10.04.2006 grob fehlerhaft die kontraindizierten Injektionen gesetzt habe. Fehlerhaft sei auch das Unterlassen zielgerichteter diagnostischer CT-Aufnahmen gewesen, weil auf dem MRT vom 03.04.2006 eine Fraktur der Knochenbälkchen zu sehen gewesen sei.
40Die Voraussetzungen für ein Mitverschulden seien nicht gegeben und nicht bewiesen.
41Verjährung sei nicht gegeben.
42Der Senat hat die Klägerin und den Beklagten zu 2) persönlich angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin T sowie durch Einholung mündlicher Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. N (Chirurg, Orthopäde und Unfallchirurg), Dr. N2 (Anästhesist, Intensivmediziner und Schmerzmediziner) und Prof. Dr. G (Radiologe, Neuroradiologe und Strahlentherapeut). Wegen des Ergebnisses wird auf die Terminsprotokolle vom 19.12.2014 und vom 22.09.2015 verwiesen.
43Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes, insbesondere des genauen Wortlautes der erstinstanzlich gestellten Anträge, wird auf die angefochtene Entscheidung und die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
44II.
45Beide Berufungen haben keinen Erfolg.
46Zu Recht hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Der Klägerin stehen gegen beide Beklagten gemäß den §§ 611, 823, 280, 249 ff., BGB i.V.m. § 67 VVG a.F./§ 86 VVG n.F. aus übergegangenem Recht der Patientin und Versicherungsnehmerin B2 die geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz zu. Überdies ist festzustellen, dass beide Beklagten zum Ersatz der weiteren materiellen Schäden verpflichtet sind.
47Der Senat stützt sich insoweit auf die umfassende Begutachtung durch die gerichtlichen Sachverständigen über zwei Instanzen. Sie haben dabei dem Senat ihre Bewertungen auch unter Berücksichtigung der dagegen erhobenen Einwendungen überzeugend vermitteln können. Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass sie Sachverständigen hinsichtlich der Frage von Behandlungsfehlern unzulässige Ex-Post-Bewertungen vorgenommen haben.
481.
49Die Berufung des Beklagten zu 2) - Dr. P - ist unbegründet.
50a.
51Die Klägerin ist aktivlegitimiert.
52Soweit sie als private Krankenversicherung Leistungen erbracht hat, weil kein BG-Unfall vorgelegen hat und sie deshalb selbst leistungspflichtig gewesen ist, sind unproblematisch Ansprüche der Patientin gegen die Schädiger gem. § 67 VVG a.F. (bis 31.12.2007) / § 86 VVG n.F. (ab 01.01.2008) auf sie übergegangen.
53Die Aktivlegitimation ist aber auch gegeben, soweit die Klägerin nur auf eine vermeintliche Schuld an die Patientin geleistet hat, während tatsächlich ganz oder teilweise eine Leistungspflicht der Berufsgenossenschaft bestanden hat. Vorliegend geht es um Ansprüche der irrtümlich leistenden Krankenversicherung gegen den beklagten Schädiger. In einem solchen Fall gehen die Ansprüche des Geschädigten gegen den Schädiger auch bei irrtümlicher Leistung über (vgl. Prölss/Martin, VVG, 29. Auflage, § 86 Rz.37, 41, 42; Bruck/Möller, VVG, 9. Auflage, § 86 Rz.104).
54Gegenüber den Beklagten kann deshalb die Klägerin für alle Leistungen Ersatz verlangen, die sie entsprechend dem Versicherungsvertrag berechtigt an die Patientin erbracht hat.
55b.
56Dem Beklagten Dr. P ist zumindest ein grober Befunderhebungsfehler anzulasten, der zur vollständigen Mithaftung für die Gesundheitsschäden der Patientin führt.
57aa.
58Ein Behandlungsfehler in Form eines Verstoßes gegen Hygienestandards ist allerdings nicht festzustellen.
59Der Sachverständige Prof. Dr. N hat den von Dr. P vorgelegten Hygieneplan in seinem schriftlichen Gutachten vom 17.8.2010 als für die Praxis ausreichend angesehen. Ein Verstoß dagegen hat sich aus den Krankenunterlagen nicht ersehen lassen. Auch ein Rückschluss von dem Vorliegen einer Infektion auf einen Behandlungsfehler ist nach den Vorstellungen des Sachverständigen wegen anderweitiger Verursachungsmöglichkeiten nicht zulässig.
60bb.
61Es kann dahingestellt bleiben, ob Dr. P auf der Basis der Feststellungen des anästhesistischen und schmerzmedizinischen Sachverständigen Dr. N2 sowie der damit übereinstimmen Auffassung des orthopädischen Sachverständigen Prof. Dr. N bei den Anhörungen vor dem Senat ein Behandlungsfehler dahingehend zur Last zu legen ist, dass vor der durchgeführten Infiltrationstherapie keine kleine Schmerztherapie durchgeführt worden ist. Ebenfalls kann dahingestellt bleiben, ob nicht eine insgesamt rechtswidrige Behandlung wegen auf unzureichender Aufklärung beruhender unwirksamer Einwilligung deshalb anzunehmen ist, weil einerseits die Patientin zumindest über die Möglichkeit der Durchführung einer kleinen Schmerztherapie hätte aufgeklärt werden müssen, oder andererseits, dass bei den vorgesehenen und auch durchgeführten wiederholten Infiltrationen ein erhöhtes Infektionsrisiko bestanden hat.
62cc.
63Denn jedenfalls haftet Dr. P deshalb, weil er ab dem 23.3.2006 die Injektionsbehandlung fortgeführt hat, ohne die notwendige Befundung in Richtung auf eine Steißbeinfraktur durch bildgebende Verfahren durchzuführen.
64(1)
65Das Unterlassen der Befunderhebung ab dem 30.3.2006 durch bildgebende Verfahren stellt einen Befunderhebungsfehler dar.
66Zwar durfte Dr. P nach den Ausführungen des orthopädischen Sachverständigen Prof. Dr. N in seinen schriftlichen Gutachten vom 18.11.2010 mangels Anhaltspunkten für ausgeprägte Schmerzen, Funktionsbeeinträchtigungen oder Behinderungen bei der Erstuntersuchung zunächst auf eine weitergehende bildgebende Diagnostik verzichten.
67Das gilt aber nicht für die weitere Behandlung ab dem 23. 3. 2006:
68Denn eine dauerhafte Verringerung der Beschwerden war bis dahin nicht eingetreten. Die Karteikarte des Beklagten weist bis zum 31.3.2006 keine Besserung aus. Allein der Hinweis am 21.3.2006, also am 1. Tag der Behandlung, dass bei Persistenz Röntgen erfolgen solle, besagt nichts dazu, dass in der Folgezeit eine Besserung eingetreten und dies der Grund gewesen ist, dass eine Röntgenbefundung nicht erfolgt ist. Dagegen sprechen die Angaben der Patientin bei ihren mündlichen Anhörungen. Bei der Anhörung vor dem Senat hat sie zwar keine konkreten Erinnerungen mehr gehabt, aber zumindest die vom Landgericht protokollierte Aussage bestätigt. Bei der Anhörung vor dem Landgericht am 22.1.2014 hatte sie dazu angegeben, dass die Spritzentherapie von Dr. P die Schmerzen nicht gelindert hätte. Das wird dadurch bestätigt, dass die Patientin überhaupt immer wieder Spritzen in den von Dr. P behaupteten Steißbeinbereich über sich hat ergehen lassen, obwohl diese nach den Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. N bei der Anhörung vom 19.12.2014 in der Regel eine sehr schmerzhafte Prozedur darstellen, so das also bei durchgreifender Beschwerdeverringerung eine Fortführung der Therapie durch die Patientin nicht zu erwarten gewesen wäre. Soweit die Patientin während der Anhörung unter anderem auch erklärt hat, dass sie nicht mehr wisse, ob die Spitzentherapie zu einer Besserung geführt habe, steht das dem nicht entgegen. Dass die Injektionen von Lokalanästhetika zu kurzfristigen Schmerzlinderung geführt haben, erscheint nachvollziehbar, steht aber der nachfolgenden Aussage der Patientin nicht entgegen, dass die Therapie efektiv nicht zu einer (andauernden) Schmerzlinderung geführt hat. Auch der Privatgutachter Prof. Dr. T2 vermerkt in seinem Gutachten vom 17.1.2012, das von einer deutlichen und anhaltenden Besserung der Schmerzsymptomatik nicht ausgegangen werden konnte.
69Bei dieser Sachlage war eine weitergehende bildgebende Befundung in Richtung auf eine mögliche Fraktur auch im Bereich des Os Sacrum zwingend geboten.
70Der orthopädische Sachverständiger Prof. Dr. N hat plausibel und in der Bewertung überzeugend bei seiner Anhörung vor dem Senat am 22.9.2015 darauf hingewiesen, dass die Patientin bei der Erstvorstellung bei Dr. P ein Sturzereignis mit dem Fall auf das Steißbein geschildert hat. Ob dieser Sturz ungebremst oder anderswie erfolgte, erscheint wegen der nicht objektivierbaren konkreten Verhältnisse nicht relevant. Denn der Beklagte Dr. P ist nach seinem Vorbringen selbst davon ausgegangen, dass er eine knöcherne Verletzung ins Auge gefasst habe. Es kam bereits aufgrund eines geschilderten Sturzgeschehen als solches das Vorliegen einer Steißbeinprellung, einer Steißbeinneuralgie oder einer Steißbeinfraktur in Betracht. Bei einer Steißbeinfraktur war jedoch nach den Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten vom 18.11.2010 und bei seiner mündlichen Anhörung durch den Senat eine Injektionstherapie kontraindiziert. Deshalb war es zwingend erforderlich, das Vorliegen einer Fraktur auszuschließen. Insoweit hat es der medizinische Standard schon nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. N bei seiner landgerichtlichen Anhörung vom 22.1.2014 erfordert, eine Röntgenbefundung der Lendenwirbelsäule und des Beckens durchzuführen. Es ist überzeugend, dass damit der gesamte Bereich möglicher Frakturstellen erfasst werden konnte und musste, um auch eine mögliche Fraktur im Bereich des Steißbeins auszuschließen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass auch der Privatgutachter Prof. Dr. T2 in seinem Gutachten vom 14.1.2012 davon ausgeht, dass die Fraktur am rechten Kreuzbein-Anteil bereits zu Behandlungsbeginn vorgelegen hat und Schmerzen im Bereich der Steißbeinspitze hervorgerufen hat. Auch danach war also eine Befundung im Bereich der von vornherein in Betracht kommenden späteren Frakturstelle erforderlich.
71Von daher verfängt es auch nicht, dass Dr. P darauf verweist, dass eine Röntgenaufnahme des Steißbeines die Frakturstelle nicht abgebildet hätte. Denn gerade eine Fokussierung auf das Steißbein war fehlerhaft und hätte nicht die erforderliche umfassende Abklärung und den Ausschluss einer Fraktur im Beckenbereich erbringen können. Von daher ist es auch unerheblich, inwieweit eine Leitlinie zur Diagnose und Behandlung von Kokzygodynien, also Steißbeinbeschwerden, eine Röntgenbefundung dieses Bereichs empfohlen hat. Denn es durfte bei dem Bereich der Befundung gerade nicht nur um den unmittelbaren Bereich des Steißbeines gehen.
72Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die am 1.4.2006 im Universitätsklinikum H gefertigte Röntgenaufnahmen des Beckens keine Fraktur gezeigt habe. Der Sachverständige hat bei seiner Anhörung vor dem Senat am 22.09.2015 darauf hingewiesen, dass diese Aufnahme deshalb keine Fraktur zeigen konnte, weil die Aufnahme technisch bedingt durch Darmgasüberlagerungen dazu nicht geeignet gewesen ist.
73Die Folge des Unterlassens ausreichende Befundung war zunächst, dass ab dem 23.3.2006 eine Infiltrationstherapie fortgeführt wurde, die tatsächlich wegen des Vorliegens einer Fraktur im Bereich des Os sacrum kontraindiziert gewesen ist. Ob allerdings die mit dem Sachverständigen zu fordernde bildgebende Befundung tatsächlich das Vorliegen einer Fraktur erbracht hätte, erscheint zweifelhaft, ist aber aus den nachfolgenden Gründen irrelevant.
74(2)
75Der Senat bewertet das Unterlassen der zwingend notwendigen Befundung als groben Befunderhebungsfehler.
76Ein solcher grober Befunderhebungsfehler liegt dann vor, wenn eindeutig gegen bewährte ärztliche Befundungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen wird und dieser Fehler aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (vgl. dazu allgemein etwa BGH NJW 2001, S.2795 [2796]).
77Das ist hier der Fall. Der orthopädische Sachverständiger Prof. Dr. N hat bei seiner Anhörung vor dem Senat am 19.12.2014 erklärt, dass er nach erneuter eingehender Bewertung eine röntgenologische Befundung als absoluten Standard ansehe. Danach liegt bei medizinischer Bewertung ein eindeutiger Verstoß gegen grundlegende Befundungsregeln vor. Das ist überzeugend, weil der behandelnde Arzt im Hinblick auf das Ziel der Behandlung, die Heilung des Patienten, nur dann eine ausreichende Chance zur Erreichung des Ziels hat, wenn er die Ursache der Beschwerden hinreichend sicher ermittelt. Wenn er dann aber grundlegende, den absoluten Standard bildende und sich deshalb für den Facharzt geradezu aufdrängende Befundungsmöglichkeiten nicht ausschöpft, weil er sich frühzeitig auf eine vermeintliche Ursache festlegt, erscheint diese Vorgehensweise nicht mehr verständlich. Sie darf dem Behandler schlechterdings nicht unterlaufen. Bei juristischer Bewertung sieht der Senat deshalb das Unterlassen der bildgebenden Befundung als groben Befunderhebungsfehler an.
78(3)
79Dr. P haftet deshalb in vollem Umfang für die eingetretenen Gesundheitsschäden und Beeinträchtigungen.
80Denn der grobe Befunderhebungsfehler führt zu einer Umkehr der Beweislast.
81Diese Beweislastumkehr erfasst den Primärschaden und alle Folgeschäden, die die konkrete Ausprägung des Fehlers darstellen: Rechtsgutsverletzung (Primärschaden), auf die sich die haftungsbegründende Kausalität ausrichtet, ist dabei nicht die nicht rechtzeitige Erkennung einer bereits vorhandenen behandlungsbedürftigen Gesundheitsbeeinträchtigung, also der Fraktur. Die geltend gemachte Körperverletzung (Primärschaden) ist vielmehr in der durch den Behandlungsfehler herbeigeführten gesundheitlichen Befindlichkeit in ihrer konkreten Ausprägung zu sehen . Das heißt, im Streitfall ist Primärschaden die gesundheitliche Befindlichkeit der Patientin, die dadurch entstanden ist, dass ab dem 23.3.2006 keine weitergehende Befundung erfolgt ist und eine nicht indizierte Infiltrationstherapie durchgeführt worden ist. Zu dieser gesundheitlichen Befindlichkeit in ihrer konkreten Ausprägung gehörte dann aber auch ein dadurch geschaffenes Risiko der Infektion mit gefährlichen Keimen (vgl. allgemein zum Umfang der Beweislastumkehr etwa BGH-Urteil vom 02.07.2013 - VI ZR 554/12 -, Juris unter Rz.16). Eine Verlagerung der Beweislast auf die Behandlungsseite wäre nur dann ausnahmsweise ausgeschlossen, wenn ein haftungsbegründender Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist (vgl. allgemein zum Umfang der Beweislastumkehr etwa BGH-Urteil vom 16.11.2004 - VI ZR 328/03 -, Juris unter Rz.12).
82Der Beklagte Dr. P hat demgegenüber jedoch nicht bewiesen, dass die bei der Patientin eingetretene Infektion keine Folge der durch ihn durchgeführten Injektionen gewesen ist. Zwar geht auch der Senat auf der Basis der Feststellungen des orthopädischen Sachverständigen davon aus, dass die nachfolgend zu erörternden Behandlungsfehler in den Kliniken des Beklagten Prof. Dr. B als verursachende Faktoren wesentlich näher liegen als die Injektionen durch Dr. P. Diese anderweitige nur näher liegende Möglichkeit schließt jedoch nicht aus, dass die Behandlung durch Dr. P der Auslöser gewesen ist. Entsprechend hat der orthopädische Sachverständiger Prof. Dr. N bei seiner Anhörung durch den Senat am 19.12.2014 in Übereinstimmung mit dem anästhesiologischen Sachverständigen Dr. N2 mögliche Ursachenzusammenhänge als spekulativ bezeichnet, sie aber gerade bei mehrfachen Injektionen aus medizinischer Sicht nicht ausschließen können. Zutreffend ist zwar, dass der Sachverständige zuvor bei seiner landgerichtlichen Anhörung vom 22.1.2014 einen Ursachenzusammenhang für den Fall der Injektion ausschließlich in der Region der Steißbeinspitze ausgeschlossen hatte. Dabei ist allerdings angesichts der Angaben der Patientin und der ungenauen Dokumentation der Injektionsstellen schon zweifelhaft, wo genau die Spritzen gesetzt worden sind. Diese Frage muss jedoch nicht geklärt werden. Denn entscheidend ist, dass der Sachverständige seine abweichende Meinung sowohl im Senatstermin vom 19.12.2014 als auch bei seiner Anhörung durch den Senat am 22.9.2015 überzeugend damit begründet hat, dass die Keimübertragung über die hier fraglichen Strecken auch über Lymphwege und Lymphbahnen erfolgen kann. Vor diesem Hintergrund hat er einen Kausalzusammenhang zwischen den Injektionen durch den Beklagten Dr. P und die Infektion für möglich gehalten und nicht als medizinisches Wunder angesehen. Dem Senat erscheint diese Argumentation zutreffend. Die Bewertung des Privatgutachters Prof. Dr. T2, wonach ein Keimtransport von der Steißbeinspitze bis zum späteren Infektionsbereich grundsätzlich und innerhalb der maßgeblichen Zeitspanne nicht möglich sei, stellt eine Auffassung dar, die abweicht, aber die Argumentation des gerichtlichen Sachverständigen nicht widerlegt, insbesondere den Senat nicht dahingehend überzeugt, dass der vom Sachverständigen Prof. Dr. N benannte Infektionsweg gänzlich unwahrscheinlich erscheint.
83Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass bei der Untersuchung im Klinikum H am 1.4.2006 keine Entzündungszeichen gefunden worden sind. Das hat nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. N im Senatstermin vom 22.09.2015 zwar die Chance des Vorliegens einer Infektion verringert, diese aber nicht hinreichend ausgeschlossen. Denn der Sachverständige ist bei seiner Annahme einer Infektionsmöglichkeit verblieben, auch wenn er diese für die Behandlung des Beklagten Dr. P mit unter 5 % angenommen hat. Das reicht nicht aus, um die Kausalität gänzlich unwahrscheinlich zu machen, zumal der Sachverständige selbst die Angabe einer Prozentzahl als außerordentlich schwierig angesehen hat.
84Der Senat hält deshalb in Übereinstimmung mit Prof. Dr. N eine Verursachung der Infektion durch die Spritzenbehandlung des Beklagten Dr. P für möglich und keineswegs für gänzlich unwahrscheinlich.
85Der Beklagte haftet deshalb aufgrund der Injektionen im 1. Behandlungszeitraum ab dem 23.3.2006 für die eingetretenen Folgen, ohne dass es einer Zurechnung von Behandlungsfehlern in den Kliniken des Beklagten Prof. Dr. B bedarf. Ebenso wenig bedarf es einer Entscheidung darüber, ob ihm Behandlungsfehler am 16./17.4.2006 unterlaufen sind.
86c.
87Die Forderung war auch in der vom Landgericht zuerkannten Höhe zu bestätigen. Die Klägerin hat erstinstanzlich auf der Basis eingereichte Belege materielle Schäden in Form ihrer geleisteten Aufwendungen in Höhe von insgesamt 551.493,04 € nebst Zinsen geltend gemacht. Hiervon hat das Landgericht nach sachverständiger Begutachtung einen Betrag von 530.507,72 € nebst Zinsen zuerkannt, ohne dass insoweit in der Berufungsinstanz Angriffe erfolgt sind. Anhaltspunkte für eine Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der landgerichtlichen Feststellungen sind nicht ersichtlich.
88d.
89Die Klägerin muss sich auch nicht gem. § 254 BGB ein Mitverschulden der Patientin bei der Entstehung des Schadens zurechnen lassen.
90Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. N in seinem Ergänzungsgutachten vom 14.8.2013 hat sich am 01.04.2006 noch kein klinisches Entzündungsgeschehen gezeigt, so dass sich das Verlassen des Krankenhauses nicht auf den Verlauf ausgewirkt hat. Auch haben die dortigen Ärzte keine Diagnose gestellt, die eine weitere stationäre Behandlung erforderlich gemacht hätte. Überdies hat der intensivmedizinische Sachverständige Dr. N2 in seinem Gutachten vom 13.9.2013 auf der Basis der Krankenunterlagen auch nicht feststellen können, dass die Patientin gegen hinreichenden ärztlichen Rat und unter Verstoß gegen eigene Interessen das Krankenhaus verlassen hat .
91Auch dass die Patientin sich nicht unmittelbar am 16.4.2006 hat stationär einweisen lassen, führt nicht zu einer Anspruchsminderung. Der Sachverständige Prof. Dr. N hat in seinem Gutachten vom 14.8.2013 nicht die sichere Feststellung treffen können, dass in diesem Fall mit zur Überzeugungsbildung ausreichender Sicherheit ein günstigerer Verlauf stattgefunden hätte.
92Ein relevantes Mitverschulden der Patientin ist demnach insoweit nicht bewiesen.
93e.
94Die Ansprüche der Klägerin sind auch nicht verjährt.
95Die Klage ist am 30.12.2009 anhängig gemacht worden, als die dreijährige Verjährungsfrist des § 199 Abs.1 BGB für die Geschehnisse aus 2006 noch nicht abgelaufen war. Auf die Vorschussrechnung vom 07.01.2010 ist sodann am 20.1.2010 gezahlt und die Klage am 1.2.2010 zugestellt worden. Das ist als demnächst im Sinne des § 167 ZPO anzusehen sein.
96f.
97Der Beklagte Dr. P ist darüber hinaus zum Ersatz weitergehender materieller Schäden verpflichtet. Aufgrund des bisherigen Verlaufs besteht wegen des Vorliegens von Dauerschäden eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass weitere erstattungsfähige Kosten in Zukunft entstehen werden.
982.
99Auch die Berufung des Beklagten zu 1) - Prof. Dr. B - ist unbegründet.
100a.
101Hinsichtlich der Aktivlegitimation der Klägerin gilt das unter 1. a. Erörterte.
102b.
103In den Krankenhäusern des Prof. Dr. B sind den Behandlern Fehler unterlaufen, für die der Beklagte zu 1) als Inhaber und Vertragspartner aufgrund des Behandlungsvertrages haftet.
104aa.
105Es kann dahingestellt bleiben ob es Prof. Dr. B als Behandlungsfehler anzulasten ist, dass im B Institut für Mikrotherapie die Infiltrationstherapie ohne vorherige Durchführung einer kleinen Schmerztherapie erfolgt ist. Ebenfalls musste Senat nicht entscheiden, ob Prof. Dr. B Aufklärungsfehler zumindest in Form des Unterlassens eines Hinweises auf die Möglichkeit einer kleinen Schmerztherapie oder in Form des Unterlassens eines Hinweises auf das erhöhte Infektionsrisiko bei mehrfachen Injektionen hingewiesen hat.
106bb.
107Prof. Dr. B haftet jedenfalls deshalb, weil seinen Mitarbeitern haftungsbegründende Diagnosefehler bei der Auswertung des MRT vom 3.4.2006 und den nachfolgenden CT-Aufnahmen unterlaufen sind, sowie deshalb, weil bei der Patientin am 10.4.2006 fehlerhaft eine Injektion in den Frakturspalt hineingesetzt worden ist.
108(1)
109Die bei der Auswertung des MRT vom 3.4.2006 gestellte Diagnose als nicht frakturverdächtig stellt einen Diagnosefehler dar.
110Der Radiologe Prof. Dr. G weist in seinem Gutachten vom 15.9.2011 darauf hin, dass im MRT vom 03.04.2006 dringend fraktursuspekte Befunde insbesondere in Form einer signalreichen Flüssigkeitskollektion im Frakturspalt zu erkennen gewesen sind. In den rechtsseitigen Anteilen ist nach seiner Bewertung eine Fraktur abgrenzbar gewesen. Darüber hinaus hat er bei seinen landgerichtlichen Anhörungen vom 14.11.2012 und vom 22.1.2014 und bei seiner Anhörung durch den Senat am 19.12.2014 darauf verwiesen, dass auf dem Bild auch eine Fraktur im Bereich des Kreuzbeines mit Einblutung in die Knochenbälkchen zu sehen gewesen ist. Er ist deshalb in seinem schriftlichen Gutachten im Ergebnis davon ausgegangen, dass wegen der Schilderung eines Sturzes die genannten Veränderungen zumindest als dringend frakturverdächtig hätten beschrieben werden müssen. Zu dem Ausschluss einer Fraktur hätte ein Radiologe dagegen nicht kommen können.
111Auf dieser Basis geht der Senat mit dem radiologischen Sachverständigen davon aus, dass eine unvertretbare Wertung des MRT erfolgt ist, die als Diagnosefehler anzusehen ist.
112(2)
113Auch die zur Kontrolle der Lage der Injektionsnadeln in der Folgezeit jeweils gefertigten CT-Aufnahmen sind behandlungsfehlerhaft bewertet worden.
114Nach der Bewertung in dem schriftlichen Gutachten des Prof. Dr. N v. 18.11.2010 belegen die bei dem Beklagten zu 1) angefertigten CT-Aufnahmen im Zeitraum 4.4.bis 11.4.2006 eine Corticalisunterbrechung mit erfolgter leichter Stufenbildung, was der Beweis für die stattgefundene Kreuzbeinfraktur ist. Die Aufnahmen belegen auch, dass es sich um eine frische Fraktur handelte, die mit dem Unfalldatum 14. oder 21.03.2006 in Einklang zu bringen war. Es handelte sich auch um eine typische traumatisch verursachte Fraktur .
115Nach den Feststellungen des radiologischen Sachverständigen Prof. Dr. G in seinem Gutachten vom 15.9.2011 war der Frakturspalt auf den Aufnahmen, die in dem Bereich erfolgten, erkennbar und hätte erkannt werden müssen. Die Fraktur ist nach seinen Feststellungen auf den Aufnahmen vom 04.04., 11.04. und 12.04.2006 sichtbar gewesen.
116Auch insoweit ist der Senat deshalb davon überzeugt, dass nicht nur ein Diagnoseirrtum, sondern eine unvertretbare Diagnose in Form eines Diagnosefehlers getroffen worden ist.
117Prof. Dr. B kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Aufnahmen lediglich zur Kontrolle der Lage der Nadeln angefertigt worden sind. Selbst Zufallsbefunde, die sich im Rahmen der Befundung erkennbar aufdrängen, müssen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung berücksichtigt werden, denn das Wohl des Patienten ist oberstes Gebot und Richtschnur jeden ärztlichen Handelns und verpflichtet den Arzt zur Einhaltung der berufsspezifischen Sorgfalt, auch wenn die Untersuchung primär anderweitigen Zwecken dient oder nicht einmal verpflichtend gewesen ist. Auf diese Weise gewonnene Erkenntnisse dürfen vom Arzt nicht ignoriert werden (vgl. BGH-Urteil v. 21.12.2010 - VI ZR 284/09 -, Juris-Veröffentlichung unter Rz.11). Dementsprechend hat auch der radiologische Sachverständige Prof. Dr. G bei seiner landgerichtlichen Anhörung von 21.12.2014 erläutert, dass aus medizinischer Sicht die Fraktur hätte erkannt werden müssen, obwohl es bei den Aufnahmen um die Lagekorrektur der Injektionsnadeln gegangen ist.
118Dem schließt sich der Senat an. Insoweit liegen Diagnosefehler vor.
119(3)
120Ein Diagnosefehler liegt insbesondere hinsichtlich der Bewertung der Aufnahme vom 10.04.2006 vor.
121Denn nach den Feststellungen des radiologischen Sachverständigen Prof. Dr. G in seinem schriftlichen Gutachten vom 15.9.2011 hat die Injektionsnadel deutlich erkennbar direkt im Frakturspalt gelegen. Überdies ist eine Kontrastmittelansammlung zu sehen, die nur durch den Frakturspalt dorthin gelangt sein konnte.
122Gleichwohl ist eine Injektion vorgenommen worden, die auf dieser Basis nicht erfolgen durfte. Der Sachverständige Prof. Dr. N hat bei seiner Anhörung vor dem Senat am 19.12.2014 erklärt, dass Infiltrationen in einen möglichen Hämatombereich kontraindiziert waren. Insbesondere war aber nach den Ausführungen des Sachverständigen eine Cortisoninjektion absolut kontraindiziert, weil sie nach seinen Ausführungen im Senatstermin vom 22.09.2015 die Immunabwehr herabsetzte und damit die Gefahr für eine Infektion vergrößerte. Eine solche Cortisoninjektion ist jedoch dem Sachverständigen Prof. Dr. G - ausweislich seiner Anhörung vom 19.12.2014 - von der Klinik mitgeteilt worden und ausweislich eines Protokolls vom 4.4.2006 in Form von 1 ml Volon A tatsächlich erfolgt.
123Der Senat geht davon aus, dass der Frakturspalt übersehen worden ist. Dann liegt der Fehler in diesem Verkennen, wobei die kontraindizierte Injektion nur die Folge des Diagnosefehlers ist. Andernfalls würde sich die Injektion aus den genannten Gründen als solche als Behandlungsfehler darstellen. Dem Beklagten Prof. Dr. B ist demnach in jedem Fall ein Fehler anzulasten.
124(4)
125Die Behandlung in den Krankenhäusern des Prof. Dr. B wird durch den Senat als grob fehlerhaft bewertet.
126(a)
127Der Senat bewertet bereits die Injektion in den Frakturspalt als groben Behandlungsfehler.
128Er folgt dabei bei juristischer Prüfung der von dem radiologischen Sachverständigen Prof. Dr. G bereits im schriftlichen Gutachten vom 15.9.2011 getroffenen Bewertung, dass sowohl die Verkennung des MRT-Befundes vom 3.4.2006 als auch das Verkennen des Kontroll-CT´s vom 10.4.2006 als grob fehlerhaftes Vorgehen einzustufen ist, das gegen grundlegende medizinische Erkenntnis verstößt und schlechterdings nicht vorkommen durfte. Auch aus Sicht des Senates haben diese beiden Bildgebungen so eindeutige Ergebnisse erbracht, dass ihr Verkennen nicht mehr verständlich erscheint. Die in dem radiologischen Gutachten vom 15.9.2011 beigefügten Ausdrucke der Aufnahmen lassen die Fraktur - wenn auch auf der Basis der sachverständigen Erläuterung - auch für Laien eindeutig erkennen. Das macht das Verkennen durch die radiologischen Behandler umso unverständlicher.
129(b)
130Die Bewertung als grob fehlerhaft ergibt sich jedenfalls aus einer Gesamtschau der unter (1) bis (3) erörterten Fehler.
131Selbst wenn die Bewertung der sonstigen CT-Aufnahmen für sich gesehen nur als einfacher Diagnosefehler anzusehen sein sollte, ergibt sich im Zusammenwirken mit der Fehlbewertung des MRT vom 3.4.2006 und der CT-Aufnahme vom 10.4.2006, dass die Befundung der Bildgebung in ihrer Gesamtheit als grob fehlerhaft anzusehen ist.
132Das gleiche gilt dann, wenn man die Injektion vom 10.4.2006 als Therapiefehler ansehen will. Dieser wäre dann als grob fehlerhaft zu bewerten und würde sowohl alleine als im Zusammenwirken mit den sonstigen Fehlern die Behandlung als insgesamt grob fehlerhaft erscheinen lassen.
133(5)
134Der Beklagte Prof. Dr. B haftet deshalb in vollem Umfang für die geltend gemachten Schäden.
135Insoweit wird Bezug genommen auf die Erörterungen im Rahmen der Haftung des Beklagten Dr. P. Insbesondere für die Injektionsbehandlung in den Krankenhäusern des Prof. Dr. B gilt, dass es wegen des sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Auftreten der Infektion nicht gänzlich unwahrscheinlich ist, dass die Infektion auf die dort durchgeführten Injektionen zurückzuführen ist.
136(6)
137Hinsichtlich der Ausführungen zur Schadenshöhe wird auf die oben ausgeführten Erörterungen verwiesen.
138Soweit der Beklagte Prof. Dr. B erstmals geltend macht, dass die an die Patientin gezahlte Verletztenrente im Wege des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigen sei, ist nicht ersichtlich, inwieweit derartige, nicht der Entlastung der Schädigers dienende Rentenzahlungen an die Patientin Einfluss auf die getätigten Aufwendungen und auf den Anspruch der klagenden Krankenversicherung auf deren Ersatz haben könnten.
139(7)
140Auch hinsichtlich der Frage eines eventuellen Mitverschuldens der Patientin, der Frage der Feststellung weiterer Haftung und der Frage der Verjährung der Ansprüche ist die Sach-und Rechtslage die gleiche wie im Rahmen der Berufung des Beklagten Dr. P. Auf die dortigen Ausführungen mit Bezug genommen.
141Eine Haftung der Beklagten ist damit im erkannten Umfang gegeben. Die der Klage insoweit stattgebende Entscheidung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Die dagegen gerichtete Berufung hat keinen Erfolg.
142Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97 Abs.1, 101 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.10, 711, 543 ZPO.
143Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch keine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.