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Bei der Auswahl des Vormunds sind neben den Neigungen des Kindes auch der mutmaßliche Wille der Eltern und verwandtschaftliche Beziehungen zu berücksichtigen. Ist ein minderjähriger Flüchtling durch seine 19-jährige Schwester, die ebenfalls geflohen ist, begleitet und wird eine Urkunde vorgelegt, aus der sich eindeutig der Wunsch der Kindeseltern ergibt, dass die Schwester des Minderjährigen Vormund sein soll, so ist die Schwester trotz fehlender deutscher Sprachkenntnisse und fehlender Kenntnisse des deutschen Rechtssystems dann vorrangig als Vormund zu bestellen, wenn keine sonstigen konkreten Anhaltspunkte bestehen, dass sie zur Führung der Vormundschaft nicht geeignet ist.
Auf die Beschwerde des Kindes wird der am 10.1.2017 erlassene Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Olpe teilweise abgeändert.
Als Vormund wird statt des Kreisjugendamtes Q die Schwester des Kindes, Frau N, geboren ##.##.1998, derzeit wohnhaft Q, bestimmt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 € festgesetzt.
G r ü n d e:
2I.
3Das am ##.##.2002 geborene Kind ist ein aus Syrien stammender Flüchtling. Nachdem die gesamte Familie zunächst nach Libyen geflohen war – dort halten sich nach wie vor die Eltern sowie weitere Geschwister an einem sicheren Ort auf – gelangte das Kind nach Deutschland. Zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens am 3.11.2016 hielt es sich mit seiner Schwester N, geboren am ##.##.1998, ebenfalls aus Syrien geflohen, in einer Flüchtlingsunterkunft in C im Kreis T auf. Am 10.11.2016 wurde es in eine zentrale Unterbringungseinrichtung nach Q verlegt. Der Kreis T legte am 6.12.2016 ein in Übersetzung vorliegendes undatiertes Schreiben der Eltern des Kindes und seiner Schwester vor, aus dem sich ergibt, dass es der Wunsch der Eltern sei, dass die ältere Schwester sich um alle Angelegenheiten ihres jüngeren Bruders kümmern solle.
4Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss nach Bestellung eines Verfahrensbeistands und ohne Anhörung des Kindes im schriftlichen Verfahren das Ruhen der elterlichen Sorge gemäß § 1674 Abs. 1 BGB festgestellt, Vormundschaft angeordnet und das Jugendamt des Kreises Q zum Vormund bestellt. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Kindeseltern, da sie noch in absehbarer Zeit in Libyen leben, an der Ausübung der elterlichen Sorge gehindert seien. Die Schwester des Jungen sei als Vormund nicht geeignet, da sie nach Angaben des Verfahrensbeistands kein Deutsch und nur unzureichend Englisch spreche.
5Hiergegen haben das Jugendamt des Kreises Q und das Kind selber Beschwerde eingelegt.
6Der Kreis Q hat sich gegen seine Bestellung als Vormund gewandt, da das Kind vom Landesjugendamt dem Kreis T zugewiesen sei.
7Das Kind hat seine Beschwerde damit begründet, dass es seinem und dem Wunsch seiner Eltern entspreche, dass seine Schwester die Vormundschaft übernehme. Sie spreche gut Englisch und die Vormundschaft für die Schwester sei auch für das Asylverfahren von Bedeutung, weil sie Asylanträge gestellt hätten, über die noch nicht entschieden und andernfalls eine getrennte Unterbringung möglich sei.
8II.
91.
10Die Beschwerden sind gemäß § 58 Abs.1 FamFG statthaft und gemäß §§ 63 Abs.2, 64 Abs.1 und 2 FamFG frist- und formgerecht eingelegt worden.
112.
12Die Beschwerde des Kindes hat auch in der Sache Erfolg.
13Das Amtsgericht hat zunächst die gemäß § 159 Abs. 1 S. 1 FamFG zwingend gebotene Anhörung des 14 Jahre alten Kindes unterlassen, obwohl es zunächst einen Anhörungstermin anberaumt hatte. Dies hat der Senat nachgeholt.
14Die vom Amtsgericht erfolgte Anordnung des Ruhens der elterlichen Sorge ist von keinem der Beteiligten angegriffen worden, so dass es bei den diesbezüglichen Feststellungen des Amtsgerichts verbleibt.
15Die konkrete Auswahl des Vormunds erfolgt im Fall der Entziehung des Sorgerechts gemäß § 1779 BGB durch das Familiengericht; ein Benennungsrecht der Eltern nach §§ 1776, 1777 BGB besteht nur für den Todesfall (vergleiche OLG Oldenburg, FamRZ 2013,54; Palandt-Götz, BGB, 76. Auflage, § 1779, Rn. 1), so dass ein Benennungsrecht auch nicht für den Fall des Ruhens der elterlichen Sorge bestehen dürfte. Allerdings ist der elterliche Wille auch beim Sorgerechtsentzug und somit auch beim Ruhen der elterlichen Sorge nicht völlig unbeachtlich (vergleiche OLG Frankfurt, FamRZ 2008, 1554; Palandt-Götz, aaO).
16Gemäß § 1779 Abs. 2 BGB hat das Vormundschaftsgericht als Vormund eine Person auszuwählen, die nach ihren persönlichen Verhältnissen und nach ihrer Vermögenslage unter Berücksichtigung der gesamten Lebensumstände zur Übernahme des Amtes geeignet ist. Bei der Auswahl unter mehreren geeigneten Personen sind neben den Neigungen des Kindes der mutmaßliche Wille der Eltern und verwandtschaftliche Beziehungen zu berücksichtigen. Auch wenn seit der Neufassung des § 1779 Abs. 2 BGB im Jahr 1997 der Vorrang verwandtschaftlicher Beziehungen entfallen ist (Engler, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Neubearbeitung 2004, Rn. 88 zu § 20 zu § 1779 BGB), so kommt der Verwandtschaft als Kriterium doch ein besonderes Gewicht zu.
17Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. FamRZ 2014, 907 Tz. 29; FamRZ 2014, 1435 Tz. 16) kann im Falle des Sorgerechtsentzugs ggf. die Unterbringung bei Verwandten als weniger belastende Maßnahme in Betracht kommen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Verwandtenunterbringung zur Abwendung der Kindeswohlgefahr ebenso geeignet ist. Dann genügt die Heimunterbringung nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (BVerfG, FamRZ 2014, 907 Tz 29). Großeltern und sonstigen nahen Verwandten kommt bei der Auswahl des Vormunds oder Ergänzungspflegers der Vorrang gegenüber nicht verwandten Personen zu, sofern nicht im Einzelfall konkrete Erkenntnisse darüber bestehen, dass dem Wohl des Kindes, das für die Auswahl bestimmend ist, durch die Auswahl einer dritten Person besser gedient ist (BVerfG, FamRZ 2014, 1435 Tz. 24; BVerfG, FamRZ 2014, 1841 Tz. 21; s. auch OLG Hamm, 8. Familiensenat, JAmt 2015, 330).
18Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist der Bestellung der älteren volljährigen Schwester des Kindes als Vormund der Vorzug zu geben. Insoweit entspricht es zunächst dem eindeutigen Willen der Kindeseltern und nach dem Ergebnis der Anhörung durch den Senat auch des Kindes, dass die Schwester die Vormundschaft übernimmt. Zudem kennt die Schwester als nahe Verwandte ihren Bruder am besten und kann so seine Interessen am besten wahrnehmen; es besteht auch ein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen dem Kind und seiner Schwester.
19Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Schwester zur Führung der Vormundschaft nicht in der Lage sei, bestehen aus Sicht des Senats - auch nach dem persönlichen Eindruck, den der Senat von ihr im Rahmen des Anhörungstermins gewonnen hat – nicht. So ist die Schwester offensichtlich in der Lage, wie sie dies in der Vergangenheit gezeigt hat, auch bei bisher fehlenden Kenntnissen der deutschen Sprache und des deutschen Rechtssystems ihre Belange und diejenigen ihres jüngeren Bruders zu regeln. Zudem besteht offensichtlich nach den Angaben des Kindes und auch der Schwester Kontakt zu den derzeit in Libyen wohnenden Kindeseltern, so dass insoweit auch hinsichtlich der Regelung der Angelegenheiten des hier betroffenen Kindes Maßnahmen nach Rücksprache mit den Kindeseltern getroffen werden können. Dass die Schwester des Kindes hierzu in der Lage ist, hat sie insbesondere dadurch gezeigt, dass sie in der Lage war, die maßgebliche Urkunde, aus der der elterliche Wille hervorgeht, zu beschaffen und im vorliegenden Verfahren vorzulegen.
20Dass die Schwester zum derzeitigen Zeitpunkt noch keine ausreichenden Kenntnisse des deutschen Rechtssystems hat und auch noch nicht haben kann, steht der Führung der Vormundschaft nicht entgegen. Insofern kann diesem Defizit durch die jeweilige Beauftragung einer rechtskundigen Person, wie z.B. eines Rechtsanwaltes oder einer Rechtsanwältin, begegnet werden. Dies hat sich im konkreten Fall daran gezeigt, dass die Schwester offensichtlich in der Lage war, im vorliegenden Verfahren einen Rechtsanwalt mit der Vertretung ihrer Interessen bzw. der Interessen des hier betroffenen Kindes zu beauftragen.
213.
22Durch die Bestellung der Schwester des Kindes zum Vormund erledigt sich auch die Beschwerde des Kreises Q.
23III.
24Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG und die Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren hat ihre Rechtsgrundlage in § 42 Abs. 2 FamGKG.
25Rechtsbehelfsbelehrung:
26Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
27Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert (§ 70 Abs. 2 FamFG).