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Bei der Prüfung der Aussetzung des Strafrestes bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe (§ 57a StGB) kommt es auf eine günstige Kriminalprognose grundsätzlich erst an, wenn 15 Jahre verbüßt sind und die besondere Schwere der Schuld die weitere Vollstreckung der Strafe nicht mehr gebietet, sofern noch keine - durch die Therapie oder andere Umstände begründete - Persönlichkeitsentwicklung des Verurteilten erkennbar ist, die unter dem Gesichtspunkt der nachträglichen Reduzierung der Schuldschwere seine Entlassung rechtfertigen könnte.
Die sofortige Beschwerde wird aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses auf Kosten des Verurteilten (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
2Der Senat gelangt nach eigener Prüfung des von der Strafvollstreckungskammer in den Gründen der angefochtenen Entscheidung zutreffend zusammengefassten Sachverhalts ebenfalls zu dem Ergebnis, dass angesichts des Ausmaßes der besonderen Schwere der Schuld des Verurteilten bei der gebotenen vollstreckungsrechtlichen Gesamtwürdigung (vgl. dazu Fischer, StGB, 65. Auflage, § 57a StGB, Rn. 16 m.w.N.) eine Mindestverbüßungsdauer von dreißig Jahren angemessen ist.
3Die Feststellungen zu den Taten - Morde an einem elfjährigen Jungen und seiner neunjährigen Schwester in Tateinheit mit weiteren Delikten - und zur besonderen Schwere der Schuld des - schon bei seiner ersten Vernehmung geständigen - Verurteilten im Urteil des Landgerichts Aachen vom 08.12.2003 wiegen außerordentlich schwer. Taten (und Täter), die einen auch nur annähernd vergleichbaren Grad an Rücksichtslosigkeit, Kaltherzigkeit und Grausamkeit aufweisen, kommen auch in der Spruchpraxis des landesweit für Entscheidungen nach § 57a StGB zuständigen Senats nicht häufig vor. Bei dieser Beurteilung des Gewichts der schulderschwerenden Umstände kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, dass das Anlassurteil nicht erkennen lässt, warum das Schwurgericht dem Verurteilten nicht auch die Missbrauchshandlungen seines Mittäters nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet hat, obwohl es nach den Feststellungen gerade ihrem Plan entsprach, sich nach Belieben an entführten Kindern sexuell zu vergehen.
4Mit Recht hat die Strafvollstreckungskammer demgegenüber den im Urteil des Schwurgerichts bereits berücksichtigten und den weiteren, im Vollzugsverlauf hinzugetretenen, Milderungsgründen insgesamt nur eine untergeordnete Bedeutung zugebilligt. Nach den - in tatsächlicher Hinsicht von dem Verurteilten nicht infrage gestellten - Berichten der JVA C vom 06.12.2016 und 09.02.2018 hat der Verurteilte zwar im Haftverlauf eine externe Psychotherapie begonnen, diese aber bald wieder abgebrochen, sich auch im Übrigen zurückgezogen und weitgehend isoliert sowie Gespräche mit dem psychologischen Dienst der JVA C abgeblockt. Erst mit Näherrücken des in § 57a Abs. 1 Nr. 1 StGB bestimmten Zeitpunkts begann der Verurteilte Anfang 2016, Interesse an einer sozialtherapeutischen Behandlung zu zeigen, die er dann auch aufnahm und in deren Verlauf er nun erste Erfolge erzielen konnte. Weitere nicht tatrelevante Umstände, die sich zugunsten des Verurteilten auswirken könnten, hat er weder in seiner persönlichen Anhörung noch mit der sofortigen Beschwerde vorgebracht, noch sind solche Umstände sonst erkennbar.
5Soweit der Verurteilte mit der sofortigen Beschwerde im Wesentlichen geltend macht, die angefochtene Festlegung der Mindestverbüßungsdauer auf dreißig Jahre führe bei einer voraussichtlichen Dauer der sozialtherapeutischen Behandlung von etwa fünf Jahren zu einer durch das Resozialisierungsinteresse der Gesellschaft nicht mehr gerechtfertigten „überschüssigen“ Haftfortdauer von etlichen Jahren, ändert dies an der Beurteilung des Senats nichts.
6Mit dieser Argumentation verlässt der Verurteilte die von § 57a Abs. 1 StGB vorgegebene Prüfungsreihenfolge. Auf eine günstige Kriminalprognose kommt es danach erst an, wenn 15 Jahre verbüßt sind und die besondere Schwere der Schuld die weitere Vollstreckung der Strafe nicht mehr gebietet. Die Vorschrift geht damit gerade - in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise, vgl. BVerfGE 86, 334 - davon aus, dass die besondere Schwere der Schuld auch eine Strafverbüßung über das Erreichen des Resozialisierungsziels hinaus gebieten kann. Jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist noch keine - durch die Therapie oder andere Umstände - begründete Persönlichkeitsentwicklung des Verurteilten erkennbar, die unter dem Gesichtspunkt der nachträglichen Reduzierung der Schuldschwere seine Entlassung rechtfertigen könnte, selbst wenn es ihm gelingen sollte, sich vor Ablauf der jetzt festgesetzten Mindestverbüßungsdauer eine günstige Kriminalprognose im Sinne der §§ 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3, 57a Abs. 1 Nr. 3 StGB zu erarbeiten, zumal noch gänzlich offen ist, ob die Therapie nachhaltigen Erfolg zeitigen wird.