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Der Antrag der Klägerin vom 04.06.2020 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens.
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 19.03.2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des Landgerichts Münster als unzulässig zu verwerfen.
Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu binnen 3 Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe:
2I.
3Die Klägerin nimmt den Beklagten im Zusammenhang mit zwei Fahrzeugleasinggeschäften aus einer Bürgschaft auf Zahlung von 62.802,56 € nebst Zinsen und Kosten in Anspruch. Mit dem am 19.03.2020 verkündeten Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
4Dieses Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 19.03.2020 mittels Telefax zugestellt worden (Bl. 168 d.A.). Mit Anwaltsschriftsatz vom 17.04.2020, eingegangen mittels Telefax am selben Tage, hat die Beklagte Berufung eingelegt.
5Ausweislich des Vermerks vom 25.05.2020 (Bl. 206 d.A.) hat ihr Prozessbevollmächtigter an diesem Tage auf der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts telefonisch nachgefragt, ob über eine von ihm beantragte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist entschieden worden sei. Auf die Mitteilung, dass ein solcher Antrag nicht zu den Gerichtsakten gelangt sei, hat die Klägerin mit Anwaltsschriftsatz vom 25.05.2020 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Gewährung einer Frist zur Begründung der Berufung bis zum 19.06.2020 beantragt. Der Senat hat mit Verfügung vom 27.05.2020 (Bl. 215 d.A.) darauf hingewiesen, dass gegen die Versäumung eines rechtzeitigen Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht komme. Hierauf hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 04.06.2020, eingegangen mittels Telefax am selben Tage, die Begründung der Berufung nachgeholt und zugleich für die Klägerin die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beantragt.
6Hierzu ist ausgeführt und anwaltlich versichert, dass der nunmehr in Kopie vorgelegte Schriftsatz vom 15.05.2020, mit dem die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt worden sei (Bl. 238 f. d.A.), am 15.05.2020 eigenhändig vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin „erstellt, ausgedruckt, eingetütet und auf dem Heimweg noch am selben Tage zur Post aufgegeben worden sei“. Es habe darauf vertraut werden dürfen, dass der Schriftsatz rechtzeitig bei Gericht eingehen und die Fristverlängerung auch gewährt werden würde.
7Der Beklagte ist dem Wiedereinsetzungsantrag mit Schriftsatz vom 14.07.2020, auf dessen Inhalt verwiesen wird (Bl. 249 ff. d.A.), entgegen getreten.
8II.
9Der gemäß § 233 S. 1 ZPO statthafte sowie nach §§ 234, 236 ZPO frist- und formgerechte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zulässig.
10Der Wiedereinsetzungsantrag ist jedoch nicht begründet.
11Gemäß § 233 S. 1 ZPO ist einer Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der versäumten Frist verhindert war. Die Klägerin hat die Frist zur Begründung der Berufung versäumt. Die Berufungsbegründung ist nicht binnen der mit Ablauf des 19.05.2020 endenden Frist beim Oberlandesgericht eingegangen.
12Die Klägerin hat nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war.
13Wird – wie im vorliegenden Fall – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Behauptung begehrt, ein fristgebundener Schriftsatz sei auf dem Postweg abhandengekommen, muss die Partei auf der Grundlage einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe bis zur rechtzeitigen Aufgabe des in Verlust geratenen Schriftsatzes zur Post darlegen und glaubhaft machen, dass der Verlust mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht im Verantwortungsbereich ihres Prozessbevollmächtigten eingetreten ist (BGH, Beschl. v. 28.04.2020 – VIII ZB 12/19 –, juris Rn. 15; Beschl. v. 23.01.2019 – VII ZB 43/18 –, NJW-RR 2019, 500 Rn. 12; Beschl. v. 13.12.2017 – XII ZB 356/17 –, NJW-RR 2018, 445 Rn. 14).
14Gemessen an diesen Maßstäben genügt der zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags vorgetragene und anwaltlich versicherte Sachverhalt inhaltlich nicht, um ein fehlendes Verschulden der Klägerin darzulegen.
151. Der Klägerin gereicht es zwar nicht zum Verschulden, dass ihr Prozessbevollmächtigter sich nicht innerhalb der noch laufenden Berufungsbegründungsfrist durch Nachfrage über eine Verlängerung dieser Frist erkundigt hat. Wenn ein Prozessbevollmächtigter – wie hier – mit der erstmaligen Verlängerung der Begründungsfrist mit großer Wahrscheinlichkeit rechnen durfte, ist er nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht gehalten, sich vor Fristablauf zu vergewissern, ob dem Fristverlängerungsgesuch stattgegeben wurde (vgl. etwa Beschl. v. 09.05.2017 – VIII ZB 69/16 –, NJW 2017, 2041 Rn. 19).
16Da die Klägerin dargelegt und glaubhaft gemacht hat, dass der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 15.05.2020 auf den Postweg gebracht worden sei, bedurfte es keines Sachvortrags zur Organisation der Ausgangskontrolle in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten. Denn insoweit bestehende etwaige Mängel wären jedenfalls nicht kausal geworden (BGH, Beschl. v. 10.09.2015 – III ZB 56/14 –, NJW 2015, 3517 Rn. 17).
17Auch sind Verzögerungen der Briefbeförderung oder Briefzustellung durch die Post regelmäßig nicht als Verschulden der Partei anzurechnen. Vielmehr darf allgemein vertraut werden, dass die üblichen Postlaufzeiten eingehalten werden (BGH, Beschl. v. 18.07.2007 – XII ZB 32/07 –, NJW 2007, 2778 Rn. 13). Vorliegend konnte im Zeitpunkt der Aufgabe des Fristverlängerungsantrags zur Post am 15.05.2020 deshalb grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der Eingang des Schriftstücks bei Gericht rechtzeitig bis zum Ablauf des 29.05.2020 erfolgen würde.
182. Auf die Zuverlässigkeit der Postdienste darf sich allerdings nur derjenige Absender verlassen, der alles Erforderliche zum erfolgreichen Transport auf dem Postweg unternommen hat. In seinem Verantwortungsbereich liegt es, das Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß aufzugeben, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Post den Empfänger fristgerecht erreichen kann (BGH, Beschl. v. 18.07.2007, a.a.O.; OLG Koblenz, Beschl. v. 21.01.2016 – 5 U 1125/16 –, NJW-RR 2016, 1526 Rn. 12).
19Dies lässt sich dem Sachvortrag der Klägerin nicht entnehmen.
20Das Vorbringen beschränkt sich darauf abzugeben, dass der Schriftsatz vom 15.05.2020, mit dem die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt worden sei, vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin „nach Kanzleischluss erstellt, ausgedruckt, eingetütet und auf dem Heimweg noch am 15.05.2020 zur Post aufgebeben worden sei“. Zwar lässt sich dem Schreiben, das mit dem Wiedereinsetzungsgesuch in nicht unterschriebener Form vorgelegt wurde, die zutreffende Adressierung entnehmen. Es fehlt eine Erklärung zur Frankierung. Ohne entsprechendes Vorbringen kann indes nicht beurteilt werden, ob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin alles Erforderliche für eine erfolgreiche Versendung des Schriftstücks durch die Post unternommen hat (vgl. dazu: BAG, Beschl. v. 20.12.1995 – 7 AZR 272/95 –, juris Rn. 15; OLG Koblenz, a.a.O., Rn. 13).
213. Nach alledem lässt sich nicht ausschließen, dass die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin beruht, das sich diese nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
22Der Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin war deshalb mit der Kostenfolge nach § 238 Abs. 4 ZPO abzulehnen.
23III.
24Die Berufung der Klägerin ist mithin nicht rechtzeitig begründet worden. Sie ist deshalb gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
25Gelegenheit zur Stellungnahme besteht insoweit binnen einer Frist von drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.