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Die landesrechtliche Konzentrations-Verordnung über Ansprüche aus Veröffentlichungen vom 1. Oktober 2021 (GV. NRW. 2021, S. 1147) greift nicht ein, wenn der in der Hauptsache verfolgte Anspruch nicht aus einer Veröffentlichung hergeleitet wird, sondern darauf gerichtet ist, Maßnahmen des Betreibers eines sozialen Netzwerks abzuwehren, die dieser mit eigenen Äußerungen des Anspruchstellers begründet.
Der Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der dem Betreiber eines sozialen Netzwerks aufgegeben werden soll, den gesperrten Zugang zu einem Account wieder zu eröffnen, erfordert die Glaubhaftmachung auf den konkreten Fall bezogener Dringlichkeitsgründe, die über die allgemeine Bedeutung sozialer Netzwerke für die Teilhabe an gesellschaftlicher Kommunikation hinausgehen.
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 25.02.2022 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens in beiden Instanzen.
I.
2Die Verfügungsklägerin unterhielt in dem von der Verfügungsbeklagten betriebenen sozialen Netzwerk „A“ unter dem Pseudonym „Pseudo01“ einen Account. Über diesen veröffentlichte sie am 00.00.2021 den folgenden Beitrag:
3„@Pseudo02 Ich bin 2x geimpft. Sollen die doch ihren Beatmungsschlauch kriegen. Bitte ohne Betäubung.“
4Daraufhin sperrte die Verfügungsbeklagte den Account und teilte der Verfügungsklägerin per E-Mail mit, die Sperrung sei wegen „eines Verstoßes“ gegen die A-Regeln erfolgt. „Insbesondere“ liege ein Verstoß gegen die Regeln zu missbräuchlichem Verhalten und Belästigungen vor. Sie dürfe sich nicht an der zielgerichteten Belästigung von Nutzern beteiligen oder andere dazu ermutigen. Jemand anderem körperlichen Schaden zu wünschen oder Hoffnungen in dieser Richtung zu äußern, zählten zu einem solchen Verhalten dazu. Darauf folgte die Wiedergabe des oben zitierten Beitrags der Verfügungsklägerin vom 00.00.2021.
5Bereits zuvor hatte die Verfügungsklägerin über den in Rede stehenden Account u. a. folgende Beträge veröffentlicht: „@Pseudo03 Nazischlampen bleiben Nazischlampen.“ (im Folgenden: Tweet 1) sowie „@Pseudo04.“ (im Folgenden: Tweet 2).
6Bei der Einrichtung des Accounts hatte die Verfügungsklägerin die Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Verfügungsbeklagten akzeptiert.
7Die Verfügungsklägerin hat vorgetragen: Die Verfügungsbeklagte habe den Sinn ihres Beitrags vom 00.00.2021 nicht verstanden. Dieser sei im Zusammenhang mit einer Diskussion um Covid-Impfungen gepostet worden. Sie habe damit nicht anderen Nutzern körperlichen Schaden gewünscht. Selbst wenn der Beitrag gegen Verhaltensregeln der Verfügungsbeklagten verstoße, rechtfertige dieser keine dauerhafte Kontosperrung. Die Voraussetzungen einer Kündigung des Nutzungsverhältnisses aus wichtigem Grund lägen nicht vor.
8Soweit sich die Verfügungsbeklagte zur Begründung der Sperrung des Nutzerkontos in ihrer Antragserwiderung auf weitere, von ihr früher veröffentlichte Beiträge (Tweet 1 und Tweet 2) beziehe, habe die Verfügungsbeklagte die Entscheidung, das Nutzerkonto am 00.00.2021 endgültig zu sperren, hierauf nicht gestützt. Die zuerst genannte Äußerung (Tweet 1) sei nie Gegenstand von Sperrmaßnahmen gewesen. Der zweite Beitrag (Tweet 2), der wohl aus dem Jahr 2018 stamme, habe nach ihrer Erinnerung zu einer Account-Sperrung für 24 Stunden geführt. Ein zeitlicher Zusammenhang der Beiträge, für die die Verfügungsbeklagte weder das Veröffentlichungsdatum mittteile noch zum Kontext vortrage, mit der hier streitigen Kontosperrung bestehe jedenfalls nicht.
9Der Dienst A sei ein wesentliches Medium der Information und Kommunikation, das sie, die Verfügungsklägerin, täglich nutze. Vor diesem Hintergrund sei ihr das Zuwarten auf eine Hauptsacheentscheidung nicht zumutbar.
10Die Verfügungsklägerin hat beantragt:
11im Wege der einstweiligen Verfügung anzuordnen, dass die Verfügungsbeklagte es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 € ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten es zu unterlassen habe, ihren Account (@Pseudo01) auf A.com wegen der nachfolgenden Äußerung zu sperren: „@Pseudo02 Ich bin 2x geimpft. Sollen die doch ihren Beatmungsschlauch kriegen. Bitte ohne Betäubung.“.
12Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,
13den Antrag zurückzuweisen.
14Die Verfügungsbeklagte hat vorgetragen, entgegen der Darstellung der Verfügungsklägerin sei deren Account keinesfalls ausschließlich wegen des in der Antragsschrift wiedergegebenen Beitrags gesperrt worden. Vielmehr beruhe die Sperrung „auch (wesentlich)“ auf den beiden weiteren in der Vergangenheit veröffentlichten Beiträgen - Tweet 1 und Tweet 2 -, mit welchen die Verfügungsklägerin sowohl gegen die A-Regeln als auch gegen deutsches Strafrecht (insbesondere § 185 StGB) verstoßen habe. Die Verfügungsbeklagte hat mit näheren Ausführungen die Auffassung vertreten, diese beiden Beiträge stellten strafbare Beleidigungen dar. Vor diesem Hintergrund sei auch eine Anhörung der Verfügungsklägerin vor der Sperrung ihres Accounts nicht erforderlich gewesen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der solche Maßnahmen eine vorherige Anhörung erforderten, finde keine Anwendung wenn strafbare Äußerungen des Nutzers in Rede stünden.
15Die Verfügungsbeklagte hat weiter eingewandt, die Verfügungsklägerin habe einen Verfügungsgrund nicht dargetan und glaubhaft gemacht. Im Hinblick darauf, dass es sich um ein Leistungsbegehren handle, seien hieran strenge Anforderungen zu stellen. Der bloße Hinweis, der A-Dienst stelle für die Verfügungsklägerin ein wesentliches Informations- und Kommunikationsmedium dar, könne nicht genügen.
16Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung mit dem angefochtenen Urteil antragsgemäß erlassen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
17Die Verfügungsklägerin habe einen Anspruch auf Aufhebung der Kontosperre. Die Verfügungsbeklagte habe mit der Sperrung gegen die zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarungen schon deshalb verstoßen, weil sie sich nicht an die vom Bundesgerichtshof entwickelten formalen Vorgaben gehalten habe. Danach sei vor einer Sperrung die Anhörung des betroffenen Nutzers erforderlich. Das gelte auch, wenn der Beitrag, wie die Verfügungsbeklagte meine, strafrechtliche Relevanz habe. An der vorherigen Anhörung fehle es hier ebenso wie an der gebotenen Neubescheidung. Die Verfügungsbeklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Verfügungsklägerin in der Vergangenheit andere Verstöße begangen habe. Denn sie habe die Sperrung ausweislich ihrer Mitteilung vom 00.00.2021 nur wegen eines Verstoßes ausgesprochen.
18Ein Verfügungsgrund liege vor. Mit Blick auf die mit der Sperrung einhergehenden Einschränkungen der Meinungsfreiheit sei ein Zuwarten bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens nicht mit dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes vereinbar. Das gelte im Streitfall jedenfalls deshalb, weil allein durch die Notwendigkeit mehrerer Zustellversuche bei der Verfügungsbeklagten mehr als vier Monate verstrichen seien.
19Mit der Berufung verfolgt die Verfügungsbeklagte ihren erstinstanzlichen Zurückweisungsantrag weiter. Sie wiederholt und vertieft im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie meint, das Landgericht habe verkannt, dass die vom Bundesgerichtshof für das Sperren von Benutzerkonten in sozialen Netzwerken entwickelten Verfahrensanforderungen keine Anwendung fänden, wenn strafrechtlich relevante Beiträge in Rede stünden. Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe es bei der Kündigung des Nutzungsvertrages auch keiner Angabe von Gründen bedurft.
20Die Verfügungsbeklagte beantragt,
21das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 25. Februar 2022, Az. 17 O 7/21, aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
22Die Verfügungsklägerin beantragt,
23die Berufung zurückzuweisen.
24Die Verfügungsklägerin rügt die nach ihrer Auffassung fehlende Zuständigkeit des erkennenden Gerichts. Sie ist der Auffassung, das Berufungsverfahren sei durch landesrechtliche Konzentrations-Verordnung dem Oberlandesgericht Köln zugewiesen.
25In der Sache verteidigt die Verfügungsklägerin das angefochtene Urteil. Sie wiederholt und vertieft insbesondere ihre Auffassung, dass effektiver Rechtsschutz es mit Blick ihre Meinungs- und Informationsfreiheit erfordere, ihr Bergehren im Wege des Eilrechtsschutzes zu verfolgen.
26II.
27Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung zu Unrecht erlassen. Der darauf gerichtete Antrag ist unbegründet, weil die Verfügungsklägerin einen den Erlass der einstweiligen Verfügung rechtfertigenden Verfügungsgrund nicht dargetan und glaubhaft gemacht hat.
281.
29Die Berufung ist zulässig. Sie insbesondere fristgerecht bei dem zur Entscheidung über das Rechtsmittel zuständigen Gericht eingelegt worden (§ 519 Abs. 1 ZPO).
30Das Oberlandesgericht Hamm ist nach § 119 Abs.1 Nr. 2 GVG als das dem erstinstanzlich erkennenden Landgericht Dortmund übergeordnete Oberlandesgericht zur Entscheidung über das Rechtsmittel berufen.
31Entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin ergibt sich aus § 1 der landesrechtlichen Konzentrations-Verordnung über Ansprüche aus Veröffentlichungen vom 1. Oktober 2021 (GV. NRW. 2021, S. 1147) keine abweichende Zuweisung des Berufungsverfahrens an das Oberlandesgericht Köln.
32Durch die vorgenannte Konzentrations-Verordnung sind die Entscheidungen der Oberlandesgerichte über Berufungen und Beschwerden in Streitigkeiten über Ansprüche aus Veröffentlichungen durch Druckerzeugnisse, Bild- und Tonträger jeder Art, insbesondere in Presse, Rundfunk, Film und Fernsehen im Sinne von § 119a Abs. 1 Nr. 5 GVG für die Bezirke aller Oberlandesgerichte des Landes Nordrhein-Westfalen dem Oberlandesgericht Köln zugewiesen.
33Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Verlautbarungen der Verfügungsklägerin über den in Rede stehenden A-Account Veröffentlichungen im Sinne der Konzentrations-Verordnung sind. Deren Voraussetzungen sind jedenfalls deshalb nicht erfüllt, weil es sich bei dem von der Verfügungsklägerin in der Hauptsache verfolgten Anspruch nicht um einen solchen handelt, den sie aus einer Veröffentlichung ableitet.
34§ 1 der Konzentrations-Verordnung erfasst nach seinem Wortlaut, der insoweit demjenigen in §§ 119a Abs. 1 Nr. 5, 72a Abs. 1 Nr. 5 GVG und § 348 Abs. 1 Nr. 2 lit. a ZPO entspricht, Streitigkeiten über „Ansprüche aus Veröffentlichungen“. Den Gesetzesmaterialien der bundegesetzlichen Bestimmungen ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber hierbei insbesondere Streitigkeiten wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder des Gewerbebetriebs erfassen wollte, wenn diese als Folge von Veröffentlichungen durch Presse, Film, Rundfunk oder andere - auch digitale - Medien geltend gemacht werden (BT-Drs.19/13828, 22 und 14/4722, 88; vgl. auch OLG Nürnberg, Beschluss vom 11. März 2021 – 1 AR 631/21 –, Rn. 11 f., juris; Zöller/Lückemann, ZPO, § 72a GVG Rn. 8). Die Bezugnahme der landesrechtlichen Konzentrations-Verordnung auf § 119a Abs. 1 Nr. 5 GVG und die Übernahme des Wortlauts der genannten bundesgesetzlichen Bestimmungen rechtfertigt die Annahme, dass auch der Verordnungsgeber solche Ansprüche im Blick hatte, die gerade durch eine Veröffentlichung begründet werden, wie dies etwa der Fall ist, wenn hierdurch das Persönlichkeitsrecht oder das Recht am Gewerbetrieb eines anderen verletzt wird.
35Derartige Ansprüche sind indes nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Soweit Äußerungen in Rede stehen, die über das von der Verfügungsbeklagten betriebene soziale Netzwerk verlautbart wurden, stammen diese von der Verfügungsklägerin selbst. Eine Verletzung ihrer Rechte durch die Äußerungen und sich hieraus ergebende Ansprüche kommen deshalb nicht in Betracht und macht die Verfügungsklägerin auch nicht geltend.
36Die Äußerungen der Verfügungsklägerin sind auch nicht in sonstiger Hinsicht anspruchsbegründend, sodass sich der verfolgte Anspruch als ein solcher „aus Veröffentlichungen“ im Sinne der Konzentrations-Verordnung darstellte.
37Die Verfügungsklägerin begehrt in der Hauptsache die Fortsetzung bzw. weitere Erfüllung des zwischen ihr und der Verfügungsbeklagten geschlossenen Nutzungsvertrages über die Nutzung des sozialen Netzwerks. Von ihr in der Vergangenheit über das Netzwerk verbreitete Äußerungen sind keine diesen Anspruch begründenden Umstände.
38Dass die Verfügungsbeklagte die Äußerungen der Verfügungsklägerin als Begründung für das Sperren des Nutzerkontos bzw. die Vertragskündigung heranzieht, führt zu keiner anderen Beurteilung. Maßgeblich für die Zuweisung an das Oberlandesgericht Köln ist nach dem Wortlaut des § 1 der Konzentrations-Verordnung allein, ob der Kläger den geltend gemachten Anspruch aus einer Veröffentlichung ableitet. Dem entspricht es, dass auch bei bundesgesetzlichen Bestimmungen, die die Zuständigkeit an die Zuordnung des Rechtsstreits zu einem bestimmten Rechtsgebiet knüpfen, regelmäßig nur der nach dem Vortrag des Klägers anspruchsbegründende Sachverhalt maßgeblich ist, nicht aber die Einwendungen des Beklagten (vgl. Zöller/Greger, ZPO, § 348, Rn. 8; Zöller/Lückemann, ZPO, § 13 GVG, Rn. 54).
392.
40Die auch im Berufungsverfahren von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist gegeben.
41Die Frage der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Entscheidung über den vorliegenden Antrag im einstweiligen Verfügungsverfahren richtet sich nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (nachfolgend: EuGVVO), weil die Antragsgegnerin ihren Geschäftssitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat (Art. 4 Abs. 1, 63 Abs. 1 EuGVVO). Für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch das nach Art. 4 ff. EuGVVO zu bestimmende Gericht der Hauptsache international zuständig (vgl. Geimer/Schütze Int. Rechtsverkehr/E. Peiffer/M. Peiffer, 63. EL Oktober 2021, VO (EG) 1215/2012 Art. 35 Rn. 39).
42Für das in der Hauptsache verfolgte Begehren der Verfügungsklägerin ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte jedenfalls aus Art. 7 Nr. 1 a) EuGVVO, weil die Verfügungsbeklagte ihre vertraglichen Pflichten am Wohnsitz der Verfügungsklägerin, also in Deutschland zu erfüllen hat (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Urteil vom 4. Dezember 2020 – 7 U 131/19 –, Rn. 26, juris).
433.
44Die Berufung ist begründet.
45Es bedarf keiner Entscheidung, ob der Verfügungsklägerin der geltend gemachte Verfügungsanspruch zusteht. Denn jedenfalls fehlt es entgegen der Annahme des Landgerichts an einem Verfügungsgrund im Sinne der §§ 935, 940 ZPO.
46a)
47Das Begehren der Verfügungsklägerin ist bei sachgerechter Auslegung darauf gerichtet, den von der Verfügungsbeklagten endgültig gesperrten Zugang zu ihrem Account wieder zu eröffnen und ihr einstweilen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache den Zugang zu gewähren. Nachdem die Verfügungsbeklagte in erster Instanz geltend gemacht hat, den Account nicht allein wegen des in der Antragsschrift in Bezug genommenen Beitrags der Verfügungsklägerin, sondern auch und maßgeblich wegen früherer Beiträge gesperrt zu haben, ist die Verfügungsklägerin dem in ihrer Replik entgegengetreten und hat damit deutlich gemacht, die Kontosperrung auch mit der weiteren Begründung nicht akzeptieren zu wollen. Hiervon ausgehend, verfolgt die Verfügungsklägerin in der Hauptsache den vertraglichen Anspruch auf Erfüllung des nach ihrer Auffassung ungekündigt fortbestehenden Vertrages über die Nutzung des Netzwerks der Verfügungsbeklagten. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist darauf gerichtet, die Verfügungsbeklagte bereits im Zeitraum bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zur Vertragserfüllung zu verpflichten.
48b)
49Eine Anordnung, die bereits zur Befriedigung des Antragstellers in der Hauptsache führt, ist dem einstweiligen Verfügungsverfahren grundsätzlich fremd und kommt nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 8. März 2012 – 4 W 101/12 –, Rn. 14, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 9. März 2000 – 6 U (H) 28/00 –, Rn. 9, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 7. September 2020 – VI-U (Kart) 4/20 –, Rn. 76 - 77, juris). Denn dem Interesse des Gläubigers an der Gewährung effektiven Rechtsschutzes steht das ebenfalls schutzwürdige Interesse des Schuldners gegenüber, nicht in einem mit nur eingeschränkten Erkenntnis- und Beweismöglichkeiten ausgestalteten summarischen Verfahren zu einer Erfüllung des vom Gläubiger verfolgten Anspruches verpflichtet zu werden. Im Rahmen der durch § 938 Abs. 1 ZPO gebotenen Ermessensentscheidung sind die berechtigten Interessen von Antragsteller und Antragsgegner gegeneinander abzuwägen. Es genügt deshalb nicht, dass ohne den Erlass der einstweiligen Verfügung die Verwirklichung eines Anspruchs des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 935 ZPO) oder der nachgesuchte einstweilige Rechtsschutz erforderlich ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden (§ 940 ZPO) (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 7. September 2020 – VI-U (Kart) 4/20 –, Rn. 77, juris; OLG Brandenburg, Beschluss vom 27. September 2018 – 17 Kart 5/18 –, Rn. 9, juris, jeweils m. w. N.).
50Eine Leistungsverfügung kommt vielmehr nur bei bestehender oder zumindest drohender Notlage des Antragstellers in Betracht. Dieser muss so dringend auf die Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs angewiesen sein oder ihm müssen so erhebliche wirtschaftliche Nachteile drohen, dass ihm ein Zuwarten bei der Durchsetzung seines Anspruchs oder eine Verweisung auf die spätere Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht zuzumuten ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 7. September 2020 – VI-U (Kart) 4/20 –, Rn. 77, juris).
51Unabhängig davon, ob die Leistungsverfügung zudem eine existenzielle Gefährdung des Antragstellers voraussetzt (so etwa OLG Jena, Beschluss vom 08. März 2012 – 4 W 101/12 –, Rn. 14, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 3. Juli 2013 – I-20 U 90/13 –, Rn. 9, juris, OLG Rostock, Urteil vom 13. April 2004 – 3 U 68/04 –, Rn. 17, juris), muss dem Antragsteller jedenfalls ein erheblicher bzw. unverhältnismäßiger Vermögens- oder sonstiger Nachteil drohen, wenn der Leistungsanspruch nicht sofort erfüllt wird (OLG Köln, Urteil vom 17. Mai 2013 – 19 U 38/13 –, Rn. 5, juris m. w. N.). Dabei genügt für sich allein grundsätzlich nicht einmal der – insbesondere aus zeitlichen Gründen – drohende Wegfall der Erfüllbarkeit des originären Leistungsanspruchs (OLG Düsseldorf, Urteil vom 8. August 2001 – U (Kart) 20/01 –, Rn. 18, juris; vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Mai 2020 – 19 W 22/20 –, Rn. 26, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 21. Juli 2022 – 10 U 65/22 –, Rn. 70, juris).
52c)
53Umstände die hiernach den Erlass der begehrten Leistungsverfügung rechtfertigen könnten, hat die Verfügungsklägerin, der die Darlegung und Glaubhaftmachung der die Annahme eines Verfügungsgrundes tragenden Tatsachen obliegt (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 7. September 2020 – VI-U (Kart) 4/20 –, Rn. 79, juris), nicht dargetan.
54Für Vermögenseinbußen, die eine wirtschaftliche Notlage begründen oder gar eine existenzielle Gefährdung befürchten lassen könnten, besteht kein Anhalt. Eine den Erlass der einstweiligen Verfügung rechtfertigende Notlage ist auch mit Blick auf etwaige immaterielle Nachteile der Verfügungsklägerin nicht dargetan. Sie lässt sich insbesondere nicht ohne Weiteres aus der Bedeutung des Zugangs zu dem von der Verfügungsbeklagten betriebenen sozialen Netzwerk für die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung ableiten. Die allgemein hohe Bedeutung sozialer Netzwerke für die Teilhabe an gesellschaftlicher Kommunikation führt nicht dazu, dass etwaigen Störungen oder Unterbrechungen des Zugangs allein aus diesem Grund stets im Wege des Eilrechtsschutzes abzuhelfen wäre. Dessen Ausnahmecharakter erfordert auch insoweit die Feststellung besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls, die den Erlass einer einstweiligen Verfügung rechtfertigen.
55Solche Umstände hat die Verfügungsklägerin weder dargetan noch glaubhaft gemacht. Allein der nicht weiter konkretisierte Vortrag, A sei für sie ein wesentliches Medium der Information und Kommunikation, das sie täglich nutze, genügt den an einen Verfügungsgrund zu stellenden Anforderungen nicht. Denn über die allgemeine Bedeutung sozialer Netzwerke für die Teilhabe an gesellschaftlicher Kommunikation hinausgehende, auf den konkreten Fall bezogene Gründe für die Dringlichkeit, ergeben sich daraus nicht.
56Soweit die Verfügungsklägerin zur Untermauerung ihrer Auffassung, der Verfügungsgrund ergebe sich ohne Weiteres aus der Bedeutung des Zugangs zu dem sozialen Netzwerk der Verfügungsbeklagten für ihre freie Meinungsäußerung, Bezug nimmt auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht das Vorliegen eines Anordnungsgrundes in der von der Verfügungsklägerin angeführten Entscheidung (Einstweilige Anordnung vom 22. Mai 2019 – 1 BvQ 42/19 –, juris) gerade nicht allein aus einer allgemein hohen Bedeutung sozialer Netzwerke für das Verbreiten privater Meinungsäußerungen abgeleitet, sondern namentlich damit begründet, dass die Antragstellerin des zugrunde liegenden Verfahrens als politische Partei mit Blick auf eine bevorstehende Wahl ein überwiegendes Interesse hatte, ihren politischen Meinungskampf über das soziale Netzwerk fortzusetzen.
57Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.