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An einer elektronischen Übermittlung fehlt es, wenn der Rechtsmittelschriftsatz entgegen den Vorgaben des § 110c OWiG i. V. m. § 32d S. 2 StPO nicht elektronisch, sondern mittels einfachen Telefaxes an das Gericht übermittelt wird. Dies genügt den Formvorgaben des § 32d S. 2 StPO nicht.
Für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist gem. § 45 Abs. 2 S. 2 StPO (u.a.) erforderlich, dass die verabsäumte Handlung in einer (auch) dem § 32d StPO genügenden Art und Weise nachgeholt wird.
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird verworfen.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird verworfen.Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene (§ 473 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG).
Gründe
2Die Generalstaatsanwaltschaft hat bzgl. Zulassungsantrages Folgendes ausgeführt:
3„I.
4Das Amtsgericht Marl hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 105,00 EUR verurteilt (Bl. 100 ff. d. A.).
5Gegen dieses in Anwesenheit des Betroffenen und seines Verteidigers verkündete (Bl. 77 ff. d. A.) und auf Anordnung der Vorsitzenden vom 25.02.2022 (Bl. 94 d. A.) dem Verteidiger des Betroffenen am 07.03.2022 zugestellte (Bl. 108 d. A.) Urteil hat der Betroffene mit ausschließlich per Telefax übermittelten und am 07.02.2022 auf dem Telefax-Wege bei dem Amtsgericht Marl eingegangenem Schreiben seines Verteidigers vom selben Tag Rechtsbeschwerde eingelegt und diese mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet (Bl. 97 f. d. A.).
6II.
7Das als Rechtsbeschwerde bezeichnete Rechtsmittel des Betroffenen ist als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zu werten (§ 300 StPO). Der so verstandene Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde erweist sich bereits als unzulässig, da er nicht den Vorgaben des § 110c OWiG i. V. m. § 32d S. 2 StPO genügt und dieser Vormangel zur Unwirksamkeit der Antragstellung und somit zur Unzulässigkeit des Antrages insgesamt führt.
81)
9Gemäß § 110c OWiG i. V. m. § 32d S. 2 StPO haben Rechtsanwälte und Verteidiger die Rechtsbeschwerde und ihre Begründung als elektronisches Dokument, das den Vorgaben des § 32a StPO genügt, zu übermitteln. Auch im Zulassungsverfahren sind dabei sämtliche Förmlichkeiten, die für die Rechtsbeschwerde gelten, einzuhalten, da es sich bei dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde um kein eigenständiges Rechtsmittel handelt, sondern lediglich die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde gemäß § 79 Abs. 1 S. 2 OWiG von der Zulassung derselben abhängt (zu vgl. KK-OWiG/Hadamitzky, 5. Aufl., § 80, Rn. 5), so dass auch für den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde die aus § 110c OWiG i. V. m. § 32d S. 2 StPO folgenden Formerfordernissen für die Übermittlung gelten.
102)
11Der zeitliche Anwendungsbereich des § 110c OWiG i. V. m. § 32d S. 2 StPO ist eröffnet. Die vorbezeichneten Vorschriften sind nach Art. 33 Abs. 3 des Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 05.07.2017 (BGBl I S. 2229) am 01.01.2020 in Kraft getreten. Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist am 07.02.2022 bei dem Amtsgericht Marl eingegangen, somit also nach Inkrafttreten der vorbezeichneten Vorschriften.
123)
13Auch der personelle Anwendungsbereich des § 110c OWiG i. V. m. § 32d S. 2 StPO ist eröffnet, weil der Antragsteller sowohl Rechtsanwalt als auch Verteidiger des Betroffenen ist.
144)
15§ 110c OWiG i. V. m. § 32d S. 2 StPO ist auch sachlich anwendbar, da es sich bei dem Schriftsatz vom 07.02.2022 sowohl um die Einlegung der Rechtsbeschwerde als auch deren Begründung handelt, der nach den vorbezeichneten Vorschriften durch einen Rechtsanwalt oder Verteidiger elektronisch einzureichen ist.
16a)
17An dieser elektronischen Übermittlung fehlt es hier, weil der vorbezeichnete Rechtsmittelschriftsatz entgegen den Vorgaben des § 110c OWiG i. V. m. § 32d S. 2 StPO nicht elektronisch, sondern mittels einfachen Telefaxes an das Amtsgericht Marl übermittelt worden ist. Dies genügt den Formvorgaben des § 32d S. 2 StPO nicht (zu vgl. AG Köln, Beschluss vom 15.03.2022 - 582 Ls 6/22 185 Js 756/21 -).
18b)
19Dieser Vormangel führt zur Unwirksamkeit und damit zur Unzulässigkeit des Antrages.
205)
21Eine schriftliche Antragstellung war auch nicht ausnahmsweise gem. § 110c OWiG i. V. m. § 32d S. 3 StPO zulässig. Nach dieser Vorschrift bleibt die Übermittlung eines Schriftstücks in Papierform zulässig, wenn eine Übermittlung in elektronischer Form aus technischen Gründen vorübergehend unmöglich ist. Diese vorübergehende Unmöglichkeit ist gem. § 110c OWiG i. V. m. § 32d S. 4 StPO glaubhaft zu machen, was hier unterblieben ist.
226)
23Auch eine Rückgabe der Sache an das Amtsgericht Marl zum Zwecke des weiteren Vorgehens nach § 110c OWiG i. V. m. § 32a Abs. 6 StPO scheidet vorliegend aus. Denn diese Vorschrift ist nur dann anwendbar, wenn das elektronisch übermittelte Dokument für die Bearbeitung durch das Gericht nicht geeignet ist. Hier fehlt es jedoch bereits an der Übermittlung eines elektronischen Dokumentes, so dass die Anwendbarkeit des § 110c OWiG i. V. m. § 32a Abs. 6 StPO von vornherein ausscheidet.
247)
25Da der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde somit unwirksam gestellt und damit insgesamt unzulässig ist, ist dem Senat die Prüfung von Zulassungsgründen verwehrt.“
26Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an.
27Ergänzend bemerkt der Senat, dass § 32a Abs. 6 StPO hier schon deswegen nicht zur Anwendung kommen kann, weil es sich bei dem per Telefax eingereichten Rechtsmittelschriftsatz nicht um ein elektronisches Dokument im Sinne der Vorschrift handelt, welches – etwa wegen eines falschen Dateiformats (vgl. § 2 ERRV; BT-Drs.18/9416 S. 48) – zur Bearbeitung durch das Gericht nicht geeignet war.
28Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war dem Betroffenen weder auf seinen Antrag vom 04.07.2022 hin, noch von Amts wegen zu gewähren. Zwar liegt hier erkennbar kein Verschulden des Betroffenen vor, sondern allenfalls ein solches seines Verteidigers, welches dem Betroffenen nicht zugerechnet wird (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 44 Rdn. 18; Graf in: KK-StPO, 8. Aufl., § 32d Rdn. 5). Der Wiedereinsetzungsantrag ist aber jedenfalls deswegen unzulässig, weil die versäumte Handlung – nämlich Anbringung eines Zulassungsantrages und einer Rechtsmittelbegründung auf dem vorgeschriebenen Übermittlungsweg (s.o.) – nicht fristgerecht erfolgt ist (§ 44 Abs. 2 S. 2 StPO). Zwar heißt es in den Gesetzesmaterialien, dass die Möglichkeit der formgerechten Nachholung der Erklärung, die elektronisch einzureichen gewesen wäre, sich nach den „allgemeinen Regeln“ richte (BT-Drs. 18/9416 S. 51). Dies bedeutet aber nicht, dass nunmehr der per Telefax eingereichte Rechtsmittelschrift auf diesem Wege wegen der allgemeinen Regel des § 345 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG als (formgerechte) Nachholung der verabsäumten Handlung angesehen werden könnte. Dies würde die gesetzliche Regelung des § 32d StPO leer laufen lassen. Vielmehr ist die verabsäumte Handlung hier in einer (auch) dem § 32d StPO genügenden Art und Weise nachzuholen (OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.02.2022 – 1 Ss 28/22 = BeckRS 2022, 3740). Dies ist hier nicht geschehen. Der Betroffene beantragt vielmehr selbst mit Schriftsatz vom 04.07.2022 allein, wegen eines Anwaltsverschuldens so gestellt zu werden, wie es bei formgerechter Einreichung der Fall gewesen wäre. Hinzu kommt (bzgl. einer Wiedereinsetzung auf Antrag), dass der Betroffene entgegen § 45 Abs. 2 S. 1 StPO nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht hat, wann er von der nicht fristgerechten Rechtsmitteleinlegung und -begründung in einer dem § 32d StPO genügenden Weise erfahren hat. Die Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 22.06.2022, die darauf hinweist, ist ausweislich der weiteren Antragsschrift vom 18.07.2022 am 24.06.2022 zur Post gegeben worden. Der Betroffene hat sie auch – das ergibt sich aus seinem Schreiben vom 04.07.2022 – erhalten. Die Angabe des Empfangsdatums erübrigt sich nicht, weil etwa die Fristwahrung evident wäre. Bei einer möglichen Postlaufzeit von einem Tag wäre ein Zugang der Antragsschrift bereits am 25.06.2022 möglich gewesen. Fristablauf (der 02.07.2022 war ein Samstag) wäre dann am 04.07.2022 gewesen. Das Schreiben des Betroffenen vom 04.07.2022 ist per Telefax aber erst am 05.07.2022, im Original erst am 06.07.2022 beim Oberlandesgericht eingegangen.
29Da der Betroffene jedenfalls spätestens seit dem 04.07.2022 (Datum seines eigenhändigen Wiedereinsetzungsgesuchs) von der nicht formgerechten Einreichung des Rechtsmittelschriftsatzes Kenntnis hatte, ist die einwöchige Frist zur Nachholung der versäumten Handlung bereits verstrichen. Der Betroffene hat auch nicht dargelegt, dass die Versäumung dieser Frist wiederum auf einem ihm nicht zurechenbaren Anwaltsverschulden beruht, dass er also etwa rechtzeitig einen Anwalt um formgerechte Nachholung der verabsäumten Handlung ersucht, diese aber von ihm nicht nachgeholt wurde o.ä. Für einen derartigen Verfahrensgang ist auch sonst nichts ersichtlich. Der Fall ist insoweit mit dem des OLG Oldenburg, welches dem dortigen Betroffenen eine erneute Möglichkeit eines Wiedereinsetzungsantrags eingeräumt hat (OLG Oldenburg a.a.O.) nicht vergleichbar.