Seite drucken Entscheidung als PDF runterladen
zur Erforderlichkeit der Anschaffung eines Wasserbettes als Folge einer Verletzung bei einem Verkehrsunfall nach § 249 Abs. 2 BGB (hier verneint).
zur Berechnung des Verdienstausfalls nach Brutto- und Nettolohnmethode.
zur Schmerzensgeldbemessung bei Oberschenkelfraktur, Schädigung Kreuzband mit Innenmeniskus-Hinterhornschaden und Handgelenkfraktur
Die Berufung des Klägers gegen das am 06.11.2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 11. Zivilkammer des Landgerichts Essen (11 O 70/17) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % aufgrund beider Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
G r ü n d e
2I.
3Der Kläger verfolgt Ansprüche nach einem Verkehrsunfall. Bei dem Unfall wurde er als Motorradfahrer von dem von der Beklagten zu 1) gefahrenen, von dem Beklagten zu 2) gehaltenen und bei der Beklagten zu 3) pflichtversicherte PKW erfasst und im Schwerpunkt am linken Bein verletzt, als die Beklagte zu 1. mit dem PKW den Parkplatzbereich vor dem Hause Fstraße 00 in X verließ.
4Die alleinige Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht außer Streit.
5Außergerichtlich zahlte die Beklagte zu 3) 25.000,00 EUR auf das Schmerzensgeld, weitere 7.828,22 EUR zur Regulierung des Verdienstausfallschadens und 500,00 EUR wegen der beschädigten Motorradkleidung.
6Mit vorgerichtlichen Schreiben erklärte die Beklagte zu 3), ihre Schadenersatzhaftung dem Grunde nach anzuerkennen.
7Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,
8die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 9.689,73 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe im Ermessen des Gerichts liegt, abzüglich hierauf gezahlter 25.000 EUR zu zahlen.
festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet seien, ihm sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, letztere soweit sie nach der mündlichen Verhandlung entstehen, aus dem Unfall vom 04.05.2014 auf der Fstraße in X zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihn von vorgerichtlichen Anwaltskosten i. H. v. 1.590,91 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung freizustellen.
Mit der Klageerwiderung haben die Beklagten bezgl. des Feststellungsantrags ein Anerkenntnis erklärt, im Übrigen haben sie die Abweisung der Klage beantragt.
14Das Landgericht hat Personalbeweis in Form zeugenschaftlicher Vernehmung der Eltern des Klägers sowie des Zeugen G, letzteren zu der perspektivischen Verkürzung der Ausbildung des Klägers, erhoben. Zudem hat es ein orthopädisches Sachverständigengutachten und ein neurologisch psychiatrisches Sachverständigengutachten eingeholt.
15Das Landgericht hat dem Kläger über die Zahlungen der Beklagten hinausgehende 9.001,38 EUR zugesprochen, hiervon 3.184,78 EUR weiteren Verdienstausfall, weitere 816,60 EUR wegen der beschädigten Motorradkleidung und weiteres Schmerzensgeld i. H. v. 5.000,00 EUR, womit das Landgericht einen Schmerzensgeldbetrag i. H. v. insgesamt 30.000,- EUR als angemessen angesehen hat. Eine posttraumatische Belastungsstörung hat das Landgericht gestützt auf das Gutachten zu den angeführten psychischen Folgen nicht als erwiesen angesehen. Vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren hat das Landgericht in Höhe von 887,03 EUR zur Freistellung ausgeurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und insbesondere die von dem Kläger begehrten Kosten für der Anschaffung eines Wasserbetts nicht zugesprochen.
16Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz und der Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts vom 06.11.2020 (Bl. 315-334 d. A.) Bezug genommen.
17Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren, soweit die Klage abgewiesen wurde, weiter. Er ist der Auffassung, die landgerichtliche Berechnung des Verdienstausfallschadens sei zu seinen Lasten unzutreffend. Zu Unrecht habe das Landgericht bei der Betrachtung der Erforderlichkeit der Anschaffung des Wasserbetts auf eine objektive Erforderlichkeit abgestellt. Hierauf komme es jedoch nicht an, weil dem Kläger ein Wasserbett ärztlicherseits verordnet worden sei. Bei der Betrachtung der durch das Schmerzensgeld auszugleichenden Beeinträchtigungen habe das Landgericht die Fraktur des linken Handgelenks nicht berücksichtigt. Ebenfalls habe das Landgericht unberücksichtigt gelassen, dass die bei der Operation der Femurschaftfraktur eingesetzten und bislang nicht entfernten Schrauben ihn behinderten. Bei den – an sich durch das Landgericht zutreffend gesehenen – Einschränkungen im Freizeitbereich habe allerdings sein junges Alter von 20 Jahren zur Zeit des Unfall stärker berücksichtigt werden müssen. Im Unklaren belasse das Urteil, wie die einzelnen Verletzungen bzw. schmerzensgelderhöhenden Aspekte eingeflossen und gewichtet worden seien. Auch bleibe unklar, ob sich das Landgericht, soweit Vergleichsrechtsprechung herangezogen worden sei, des Umstands der zwischenzeitlichen Geldentwertung und der mittlerweile großzügigeren Bemessung von Schmerzensgeld bewusst gewesen sei.
18Der Kläger beantragt nunmehr,
19das angefochtene Urteil abzuändern und nach den in der Schlussverhandlung der I. Instanz gestellten Anträgen zu erkennen, mit der Maßgabe, dass der Feststellungsausspruch nicht angegriffen wird.
20Die Beklagten beantragen,
21die Berufung abzuweisen.
22Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.
23II.
24Die fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Die erstinstanzliche Entscheidung ist nicht fehlerhaft i. S. d. § 513 ZPO. Sie beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zulegenden Tatsachen eine andere – für den Kläger günstigere – Entscheidung.
25Im Einzelnen:
261.
27Soweit der Kläger einen Anspruch auf materiellen Schadenersatz wegen der Anschaffungskosten eines Wasserbetts weiterverfolgt, bleibt die Berufung erfolglos, da die Anschaffung des Wasserbetts nicht erforderlich i. S. d. § 249 Abs. 2 BGB gewesen ist. Entgegen der Darstellung des Klägers liegt bereits keine ärztliche Verordnung, sondern nur eine hausärztliche Empfehlung v. 08.08.2016 (Bl. 91 d. A.) vor. Der gerichtliche Sachverständige H hat in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten v. 14.11.2018 (dort Seite 22 oben, Bl. 201 d. A.) explizit das Vorliegen einer medizinischen Indikation für ein sog. Wasserbett aus orthopädisch-unfallmedizinischer Sicht verneint.
282.
29Ein Anspruch auf Ersatz weiteren Verdienstausfalls steht dem Kläger ebenfalls nicht zu. Die Rüge der Berufung, das Landgericht habe zum Nachteil des Klägers die modifizierte Nettolohnmethode angewandt, bei Abrechnung nach der Bruttolohnmethode ergebe sich ein weiterer ersatzfähigen Verdienstausfallschaden, verhelfen der Berufung nicht zum Erfolg. Zwar ist die landgerichtliche Abrechnung unter Zugrundelegung der modifizierten Nettolohnmethode fehlerhaft; dies benachteiligt aber nicht den Kläger, sondern die Beklagten, die keine Berufung eingelegt haben.
30a)
31Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind zur Ermittlung des Verdienstausfallschadens sozialversicherter Arbeitnehmer sowohl die sogenannte Bruttolohnmethode als auch die sogenannte modifizierte Nettolohnmethode geeignet; sie führen – richtig angewandt – auch nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen. Ebenso wie die Schadensberechnung nach der sog. Bruttolohnmethode hat die modifizierte Nettolohnmethode zum Ziel, den "wahren" und "wirklichen" Schaden zu ermitteln. Im rechnerischen Ergebnis bleibt es sich gleich, ob das Nettoeinkommen um bestehen bleibende unfallbedingte Nachteile aufgestockt oder das Bruttoeinkommen um ausgleichspflichtige unfallbedingte Vorteile des Geschädigten im Wege des Vorteilsausgleichs vermindert wird; entscheidend ist, dass nach beiden Berechnungsmethoden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, soweit sie wegen des Schadensfalls nicht mehr anfallen, aus dem Schadensersatzanspruch des Geschädigten ausgegrenzt werden. Dabei setzen weder die Feststellung des Nettoeinkommens noch die Ermittlung des Vorteilsbetrags eine Art hypothetischer Einkommensteuerveranlagung des Geschädigten voraus (so BGH Urt. v. 8.6.2021 – VI ZR 924/20, juris Rn. 18).
32b)
33In Anwendung der Bruttolohnmethode sind zur Ermittlung des Entschädigungsbetrages vom Brutto-Gehalt die Sozialversicherungsbeiträge, der Steuervorteilsdifferenzbetrag aus der monatlichen Steuerlast ohne den Unfall und der monatlichen Steuerlast mit dem Unfall auf die Ersatzleistungen sowie die erhaltenen Ersatzleistungen abzuziehen.
34Das verkennt der Kläger, indem er in Anwendung der von ihm favorisierten Bruttolohnmethode seinen Verdienstausfallschaden in der Differenz aus vollem Bruttogehalt und Ersatzleistung sieht. Allein infolge der verfehlten Nichtberücksichtigung der Sozialversicherungsbeträge und eines Steuervorteils kommt er zu deutlich höheren Verdienstausfallbeträgen.
35Gleichwohl ist dem Kläger zuzugestehen, dass auch die landgerichtliche Abrechnung nach der modifizierten Nettolohnmethode nicht zutreffend ist, da ein Lohnsteuerabzug nur geschätzt wurde. Es wurde so verkannt, dass die modifizierte Nettolohnmethode von dem fiktiven Nettoverdienst nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen ausgeht. Der auszugleichende Schaden ist das fiktive Nettoeinkommen des Geschädigten zuzüglich der auf die Schadensersatzleistung geschuldeten Steuern und abzüglich der erhaltenen Ersatzleistungen.
36c)
37In zutreffender Anwendung der vom Kläger bevorzugten Bruttolohnmethode beläuft sich der monatliche Nettolohn ab Juni 2015 bis zum 21. Januar 2016 vor Abzug der erhaltenen Ersatzleistungen auf bloß 1.561,33 EUR. Hierbei hat der Senat die Steuerklasse 1, eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung und eine gesetzliche Krankenversicherung auf Seiten des Klägers angenommen.
38Bruttolohn monatlich (bezogen auf 2015) |
2.400,00 EUR |
|
Krankenversicherung |
206,40 EUR |
|
Pflegeversicherung |
34,20 EUR |
|
Rentenversicherung |
224,40 EUR |
|
Arbeitslosenversicherung |
36,00 EUR |
|
Kirchensteuer |
26,54 EUR |
|
Sozialabgaben ges. |
527,54 |
|
Solidaritätszuschlag |
16,22 EUR |
|
Lohnsteuer |
294,91 EUR |
|
Nettolohn |
1.561,33 EUR |
Für den Zeitraum Juni 2015 bis zum 21.01.2016 errechnet sich auf dieser Grundlage ein Nettoverdienst von rd. 12.100,31 EUR, von dem die erhaltene Ausbildungsvergütung i. H. v. 5.480,98 EUR (netto), zusammengesetzt aus 3 x 613,22 EUR und 4 x 766,52 EUR und 575,24 EUR anteilig für rd. 2/3 des Monats Januar abzusetzen ist. So errechnet sich ein berechtigter Betrag i. H. v. lediglich 6.619,33 EUR, knapp 3.000 EUR weniger als landgerichtlich angenommen. Die weiteren als Verdienstausfall verfolgten Beträge für die Zeit v. 04.05.2014 bis 30.08.2014 i. H. v. 545,16 EUR, für die Zeit v. 01.09.2014 bis 11.05.2015 i. H. v. 1.270,06 EUR sowie v. 21.01.2016 bis 31.01.2016 i. H. v. 600,00 EUR, gesamt 2.415,22 EUR, bleiben bereits für sich genommen und ohne Berücksichtigung des Umstands, dass das Landgericht die Klageforderungen insoweit weitgehend als berechtigt angesehen hat, hinter den knapp 3.000,- EUR zurück, so dass weiterer Verdienstausfallschaden dem Kläger nicht zuzusprechen ist.
403.
41Der Kläger hat auch keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Zahlung eines über die durch das Landgericht als angemessen angenommenen 30.000,00 EUR hinausgehenden Schmerzensgeldes aus §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG i. V. m. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG i. V. m. § 253 Abs. 2 BGB nebst Zinsen hierauf.
42Mit der gefestigten Rechtsprechung hängt die Höhe des zuzubilligenden Schmerzensgeldes entscheidend von dem Maß der Lebensbeeinträchtigung ab, soweit diese bei Schluss der mündlichen Verhandlung bereits eingetreten war oder für die Zukunft erkennbar und objektiv vorhersehbar ist (vgl. OLG Hamm Urt. v. 5.3.2021 – 9 U 221/19, juris Rn. 7; OLG Hamm Urt. v. 19.1.2016 – 7 U 52/15, juris Rn. 23; OLG Hamm Urt. v. 21.12.2012 – 9 U 38/12, juris Rn. 34). Die Schwere dieser Belastungen wird vor allem durch die Stärke, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen bestimmt, wobei etwaigen Dauerfolgen der Verletzungen besonderes Gewicht zukommt (vgl. BGH Beschl. v. 6.7.1955 – GSZ 1/55, wolterskluwer.online Rn. 16, OLG Hamm Urt. v. 21.12.2012 – 9 U 38/12, juris Rn. 34). Im Sinne einer Objektivierung der Leiden wirken sich insbesondere die Art der Verletzungen, die Zahl der Operationen, die Dauer der stationären und ambulanten Behandlung, die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und das Ausmaß eines eingetretenen Dauerschadens bei der Bemessung eines angemessenen Schmerzensgeldes aus (vgl. OLG Hamm Urt. v. 5.3.2021 – 9 U 221/19 unter Hinweis auf OLG Hamm Urt. v. 11.9.2020 – 9 U 96/20, NJW-Spezial 2020, 715 = juris Rn. 3; OLG Celle Urt. v. 4.11.2020 – 14 U 81/20, juris Rn. 12 und OLG Celle Urt. v.19.02.2020 – 14 U 69/19, juris Rn. 53 f. m. w. N.).
43Das Berufungsgericht hat die erstinstanzliche Schmerzensgeldbemessung auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen gemäß § 513 Abs. 1 ZPO in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob sie überzeugt. Hält das Berufungsgericht sie zwar für vertretbar, letztlich aber bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte nicht für sachlich überzeugend, so darf und muss es nach eigenem Ermessen einen eigenen, dem Einzelfall angemessenen Schmerzensgeldbetrag finden. Das Berufungsgericht darf es demnach nicht dabei belassen, zu prüfen, ob die Bemessung Rechtsfehler enthält, insbesondere ob das Gericht sich mit allen maßgeblichen Umständen ausreichend auseinander gesetzt und eine angemessene Beziehung der Entschädigung zu Art und Dauer der Verletzungen bemüht hat (vgl. BGH Urt. v. 28.3.2006 – VI ZR 46/05, juris Rn. 30; OLG Hamm Beschl. v. 22.1.2021 – 7 U 18/20, juris Rn. 12).
44Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die erstinstanzliche Bemessung des Schmerzensgeldes auf insgesamt 30.000,- EUR auch unter Berücksichtigung des Ergebnisses der ergänzenden persönlichen Anhörung des Klägers gem. § 141 ZPO durch den Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 18.01.2022 nicht zu beanstanden und liegt auf der Linie dessen, was die Rechtsprechung – auch des Senats - in vergleichbaren Konstellationen als angemessen zu Grunde legt. Im Einzelnen:
45a)
46Der Schmerzensgeldbemessung zu Grunde zu legen sind zunächst die erlittenen Primärverletzungen. Hierbei handelt es sich um die Femurschaftfraktur (linker Oberschenkel) und die nicht sofort entdeckte Schädigung des Knies (Ruptur des hinteren Kreuzbandes mit Innenmeniskus-Hinterhornschaden). Diese hat auch das Landgericht zutreffend gesehen und auch den Umstand, dass die Knieschädigung operativ behandelt werden musste, berücksichtigt.
47Hinzu kommt die Fraktur im Bereich des Handgelenks. Nach dem gerichtlichen Gutachten des H v. 14.11.2018 (Bl. 182 d. A.) führt der Bericht des I v. 24.09.2014 auch eine linksseitige nicht dislozierte Fraktur des Processus Styloideus ulnae am linken Handgelenk an, die entsprechend der Stellungnahme des I v. 24.09.2014 (grüner Anlagenband zur Klageschrift) bei guter Funktionalität des linken Handgelenks folgenlos ausgeheilt ist.
48b)
49Bei der Dauer der Beeinträchtigungen und Leiden ist zunächst die lange Zeit der Arbeitsunfähigkeit von (etwas) über einem Jahr zu sehen. Dazu kommt die lange Zeit der Konfrontation mit dem Unfall, die sich festmacht an der nachträglichen Entdeckung von Primärverletzungen am Knie sowie an der dauerhaften MdE von 10 %, die auch das Landgericht gestützt auf die sachverständige Begutachtung angenommen hat. Eine weitergehende Minderung der Erwerbsfähigkeit sieht auch die Berufungsbegründung nicht. Stationäre Krankenhausaufenthalte fanden unmittelbar im Anschluss an den Unfall und wegen der Operationen am linken Bein statt.
50Die Einschränkungen in der Lebensführung machen sich – wie von dem Landgericht zutreffend gesehen – daran fest, dass der Kläger sein wesentliches Hobby, die Ausübung des Geschicklichkeitsfahrens mit dem Motorrad, in dem er bereits in jungen Jahren Wettkampferfolge hat erzielen können, nicht mehr ausüben kann. Hierdurch ist neben der unmittelbaren Betätigungsmöglichkeit auch der Großteil des Freundeskreises des Klägers weggefallen. Diese Gesichtspunkte hat das Landgericht zutreffend gesehen und eingestellt.
51c)
52Ggf. unter Zugrundelegung eines auf (überwiegende) Wahrscheinlichkeit gesenkten Beweismaßstabes (§ 287 ZPO) zu bestimmende weitergehende Verletzungsfolgen (sog. Sekundärschäden vgl. etwa BGH Urt. v. 29.1.2019 – VI ZR 113/17, Rn. 12 ff.), insbesondere andauernde Beschwerden, hat der Kläger in Form psychischer Krankheit angeführt. Diese haben sich in der gerichtlichen Begutachtung nicht erhärtet. Vielmehr hat der Sachverständige J das Vorliegen sowohl einer depressiven Störung wie auch das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung deutlich verneint. Dies nimmt die Berufung hin, den Gesichtspunkt der unfallabhängigen psychischen Erkrankung greift die Berufung nicht auf.
53Ähnlich stellt es sich auch bei der Minderung der Erwerbsfähigkeit dar. Hier war der Kläger erstinstanzlich von einem höheren Wert als den sachverständig bestätigten 10 % ausgegangen. Einen Angriff auf die Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nimmt die Berufung nicht vor.
54Sowohl die Minderung der Erwerbsfähigkeit als auch den erlittenen Dauerschaden und auch das Risiko einer vorauseilenden Arthrose hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend berücksichtigt.
55Soweit die Berufung anführt, der Kläger müsse ereignisbedingt regelmäßig Schmerzmittel einnehmen, führt dies nicht zu einer höheren Schmerzensgeldbemessung. Der Senat hat dem Kläger bereits mit der Terminsverfügung aufgegeben, ein aktuelle ärztliches Attest über die Situation an dem (in erster Linie) unfallbetroffenen linken Bein vorzulegen, aus dem auch eine etwaig ärztlich verschriebene Schmerzmedikation und etwaig verordnete Krankengymnastik ersehen werden kann. Dem wird das im Termin überreichte Attest der Gemeinschaftspraxis K v. 17.01.2022 (Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung v. 18.01.2022) nicht gerecht, da aus dem Attest gerade keine Schmerzmedikation ersehen werden kann. Die mündlichen Angaben, die der Kläger im Rahmen seiner informatorischen Anhörung gem. § 141 ZPO gemacht hat, tragen die Überzeugung, dass der Kläger ereignisabhängig situativ Schmerzmittel in Form von Ibuprofen 800 einnimmt, wie es auch die ergänzende Begutachtung des H v. 18.03.2019 (Bl. 230 ff. d. A.) ausgeführt hat. Die Angaben des Klägers zu einer täglichen Einnahme und insbesondere in einer Menge von bis zu vier Tabletten Ibuprofen 800 haben den Senat indes nicht zu überzeugen vermocht. Hiermit ließen sich seine vagen und in sich nicht konsistenten Angaben zur Verschreibungshäufigkeit und Größe der Verpackungseinheiten nicht in Einklang bringen.
56d)
57Dies zu Grunde gelegt ist nach eigener kritischer Würdigung durch den Senat ein Schmerzensgeld von 30.000,00 EUR erforderlich, aber ausreichend unter Berücksichtigung der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion in Würdigung und Wägung der zuvor aufgezeigten erlittenen Verletzungen und daraus folgenden Beeinträchtigungen. Insbesondere hat der Senat auch berücksichtigt, dass der Kläger zwar seinen erlernten Beruf ausüben kann, hierbei aber regelmäßig Beschwerden erleidet und dem Risiko ausgesetzt ist, sich bei einer (derzeit nicht konkret absehbaren) Verschlechterung seines Gesundheitszustandes vielleicht beruflich anderweitig orientieren zu müssen.
58Bei der Bemessung des angemessenen Schmerzensgeldes unterliegt der Tatrichter zwar von Gesetzes wegen keinen betragsmäßigen Beschränkungen. Hierbei muss er aber im Hinblick auf den Gleichheitssatz das gewonnene Ergebnis anhand von in sog. Schmerzensgeldtabellen erfassten Vergleichsfällen überprüfen, wobei die dort ausgewiesenen Beträge schon wegen der meist nur begrenzt vergleichbaren Verletzungsbilder nicht schematisch übernommen werden dürfen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 22.01.2021 – 7 U 18/20, juris Rn. 26). Schmerzensgeldentscheidungen anderer Gerichte zu benennen genügt allein nicht. Bei der Heranziehung von Vergleichsfällen ist zudem zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung bei der Bemessung von Schmerzensgeld nach gravierenden Verletzungen deutlich großzügiger verfährt als früher und zu Gunsten eines Geschädigten die zwischenzeitliche Geldentwertung zu berücksichtigen ist (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 22.01.2021 – 7 U 18/20, juris Rn. 26; OLG München, Urt. v. 09.09.2020 – 10 U 1722/18, juris Rn. 24).
59Der dies berücksichtigende auch vom Senat als angemessen erachtete Betrag von 30.000,- EUR fügt sich zwanglos in die Vergleichsrechtsprechung anderer Gerichte ein. So hat das LG Nürnberg-Fürth (v. 9.3.2012 – 8 O 8220/10, Hacks/Wellner/Häcker, 40. Aufl., 2022, Nr. 40.327) bei einer offene Femurschaftfraktur 1. Grades links, einer verschobenen Unterarmschaftfraktur links, einer Ruptur des hinteren Kreuzbandes links, einer Weichteilwunde Kniekehle links, einer Daumengelenksluxation rechts, einer posttraumatische Anämie bei einem Studenten, der sich mehreren Operationen unterziehen musste, zwei Wochen in stationärer Behandlung verblieb, insgesamt drei Monate ambulant behandelt wurde, mehrere Wochen eine Schiene am linken Knie tragen und psychotherapeutische Behandlung über zwei Jahre absolvieren musste und der als Dauerschaden eine MdE von ebenfalls 10 % und eine Teilinstabilität im linken Kniegelenk und eine Verlängerung des linken Beins um 1,5 cm davon getragen hat, 28.000,- EUR Schmerzensgeld zugesprochen worden, was bei einer Indexanpassung auf 2022 31.460,- EUR ausmacht. Besonders berücksichtigt wurde, neben der langen Behandlungsdauer, dass der Kläger seinen Studiengang abbrechen musste und eine vorzeitig fortschreitende Arthrose bis zum Kniegelenksersatz möglich ist.
60Das Brandenburgisches Oberlandesgericht hat in seinem Urteil v. 23.9.2021 – 12 U 128/20, juris, ein Schmerzensgeld i. H. v. 25.000,- EUR als angemessen angesehen. Dem Fall zu Grunde lag ein aufgrund eines Plattenbruchs komplikationsbedingter Heilungsverlauf mit mehreren Operationen und einer langwierigen Arbeitsunfähigkeit und bleibenden Beeinträchtigungen.
61Soweit höhere Schmerzensgelder als 30.000,- EUR zugesprochen worden sind, sind Art und Umfang von Verletzungen einschließlich Dauerfolgen intensiver als im vorliegenden Fall. Dies gilt etwa für die arzthaftungsrechtliche Entscheidung des LG Amberg v. 8.12.2004 – 22 O 1414/02, Hacks/Wellner/Häcker, 40. Aufl., 2022, Nr. 40.2335, in der das Gericht unter Indexanpassung auf das Jahr 2022 50.803,00 EUR, neben immateriellem Vorbehalt als Schmerzensgeld zugesprochen hat. Auch wenn der Kläger in unserem Fall etwas jünger ist und er neben dem Knieschaden insbesondere noch die Femurschaftfraktur erlitten hat, ist der Sachverhalt der dortigen Entscheidung nicht vergleichbar. In dem Fall des LG Amberg waren ungleich längere stationäre Krankenhausaufenthalte gegeben, bei denen der Geschädigte vollständig aus seinem vertrauten Lebensumfeld herausgelöst gewesen ist.
624.
63Soweit die Berufung weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren weiterverfolgt, bleibt sie ohne Erfolg, den berechtigten Anspruch nach einem Gegenstandswert v. 9.001,38 EUR hat das Landgericht zutreffend zugesprochen. Zutreffend hat es auch gesehen, dass die Freistellung zinslos geschuldet ist.
645.
65Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 709 ZPO.
66Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil kein Zulassungsgrund i. S. v. § 543 ZPO vorliegt. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts.