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Die Gefahr von herabfallenden Vogeleiern besteht in zahlreichen Bereichen des öffentlichen Straßenverkehrs. Zu einem allgemeinen Schutz des Verkehrs vor den hiermit verbundenen Risiken z.B. durch das Anbringen von Abwehrnetzen, die ein Vogelnisten verhindern sollen, ist der Verkehrssicherungspflichtige aufgrund der damit verbundenen erheblichen personellen und wirtschaftlichen Aufwände regelmäßig nicht verpflichtet.
Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 15.09.2022 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hagen durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
Es besteht Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen oder die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.
Gründe:
2Die zulässige Berufung hat nach der einstimmigen Überzeugung des Senates offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
3Die mit der Berufung gegen das angefochtene Urteil erhobenen Einwände tragen weder im Sinne des § 513 Abs. 1 ZPO die Feststellung, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO), noch, dass nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
4Dem Kläger steht wegen der vermeintlichen Beschädigung seines Fahrzeugs durch ein herabfallendes Taubenei im E.tunnel in U. am 00.03.2021 kein Anspruch auf Schadensersatz gegen das beklagte Land aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 S. 1 GG und §§ 9, 9a, 47 StrWG NRW als der hier allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage zu. Denn nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts fehlt es bereits an einer haftungsbegründenden Verkehrssicherungspflichtverletzung des beklagten Landes.
5Diesem obliegt zwar als Straßenbaulastträger für die Landstraße gemäß §§ 9, 9a und 43 Abs. 1 Nr. 1 StrWG NRW die Verkehrssicherungspflicht für die H.-straße und den ihr zuzuordnenden E.tunnel. Nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts war das beklagte Land vorliegend aufgrund der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht aber nicht dazu verpflichtet, den Fahrzeugverkehr im Tunnel durch Anbringung von Taubenabwehrnetzen vor Schäden durch herunterfallende Taubeneier zu schützen
61.Nach gefestigter Rechtsprechung, welcher der Senat folgt, haben die für die Sicherheit der in ihren Verantwortungsbereich fallenden Verkehrsflächen zuständigen Gebietskörperschaften darauf hinzuwirken, dass die Verkehrsteilnehmer in diesen Bereichen nicht zu Schaden kommen. Dabei muss der Sicherungspflichtige allerdings nicht für alle denkbaren, auch entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorkehrungen treffen, da eine Sicherung, die jeden Unfall ausschließt, praktisch nicht erreichbar ist. Vielmehr bestimmt sich der Umfang der Verkehrssicherungspflicht danach, für welche Art von Verkehr eine Verkehrsfläche nach ihrem Befund unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und der allgemeinen Verkehrsauffassung gewidmet ist und was ein vernünftiger Benutzer an Sicherheit erwarten darf. Dabei haben die Verkehrsteilnehmer bzw. die Straßen- und Wegebenutzer die gegebenen Verhältnisse grundsätzlich so hinzunehmen und sich ihnen anzupassen, wie sie sich ihnen erkennbar darbieten, und mit typischen Gefahrenquellen zu rechnen. Ein Tätigwerden des Verkehrssicherungspflichtigen ist erst dann geboten, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit einer Rechtsgutsverletzung anderer ergibt (Senatsurteil vom 23.04.2021 – 11 U 119/20, juris Rn. 5; OLG Hamm, Urteil vom 13.01.2006 – 9 U 143/05, juris Rn. 9; OLG Hamm, Urteil vom 25.05.2004 – 9 U 43/04, juris Rn. 11). Dabei wird die Grenze zwischen abhilfebedürftigen Gefahren und von Benutzern hinzunehmende Erschwernissen ganz maßgeblich durch die sich im Rahmen des Vernünftigen haltenden Sicherheitserwartungen des Verkehrs bestimmt, die sich wesentlich nach dem äußeren Erscheinungsbild der Verkehrsfläche und deren Verkehrsbedeutung orientieren (Senatsurteil vom 23.04.2021 – 11 U 119/20, juris Rn. 5; OLG Hamm, Urteil vom 13.01.2006 – 9 U 143/05, juris Rn. 9; OLG Hamm, Urteil vom 25.05.2004 – 9 U 43/04, juris Rn. 11). In diesem Zusammenhang ist weiter zu beachten, dass die Verkehrssicherungspflicht auch unter dem Vorbehalt des Zumutbaren steht, wobei es auf die Leistungsfähigkeit des Sicherungspflichtigen ankommt (BGH, Urteil vom 23.07.2015, III ZR 86/15, juris Rn. 10). Sicherungsmaßnahmen sind umso eher zumutbar, je größer die Gefahr und die Wahrscheinlichkeit ihrer Verwirklichung sind (BGH, Urteil vom 31.10.2006 – VI ZR 223/05, juris Rn. 11). Ist eine Gefährdung zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten, müssen keine Schutzmaßnahmen getroffen werden; in diesem Fall ist ein Schaden ausnahmsweise vom Geschädigten selbst zu tragen (BGH, Urteil vom 02.10.2012 – VI ZR 311/11, juris Rn. 6 ff.). Insbesondere muss der Verkehrssicherungspflichtige regelmäßig nicht für die dem Verkehr bekannten natürlichen Eigenschaften oder für auf Naturgewalten beruhende besondere Gefahren einstehen; ein Straßenbenutzer muss vielmehr gewisse Gefahren, die nicht durch menschliches Handeln und Unterlassen entstehen, sondern auf Gegebenheiten der Natur beruhen, als unvermeidbar und daher als eigenes Risiko hinnehmen (OLG Hamm, Urteil vom 4. September 1998 – 9 U 130/98 –, juris Rn. 9; OLG Stuttgart, Urteil vom 30. Oktober 2002 – 4 U 100/02 –, juris Rn. 12).
72.Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landgericht entgegen der Ansicht des Klägers vorliegend keine zu hohen Anforderungen an die Annahme einer Verkehrssicherungspflichtverletzung des beklagten Landes gestellt. Vielmehr ließe sich – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – danach vorliegend eine schuldhafte Verkehrssicherungspflichtverletzung des beklagten Landes allenfalls dann annehmen, wenn es schon vor dem streitgegenständlichen Unfallgeschehen mehrfach durch im Tunnel herabfallende Taubeneier zu nicht unerheblichen Beschädigungen von Kraftfahrzeugen gekommen wäre und das beklagte Land davon auch Kenntnis erlangt hätte.
8Allein der Umstand, dass unstreitig in dem E.tunnel Tauben nisten und deshalb die nicht völlig fernliegende Möglichkeit besteht, dass aus den Nestern auch einmal ein Taubenei herausfällt, reicht für Annahme einer Verkehrssicherungspflicht des beklagten Landes nicht aus. Insoweit ist nämlich zunächst zu berücksichtigen, dass eine Gefahr von herabfallenden Vogeleiern in zahlreichen Bereichen des öffentlichen Straßenverkehrs besteht, wie etwa bei in den Verkehrsraum hineinragenden Bauwerken, Bäumen oder sonstigen Objekten wie Verkehrsschildern, Ampelanlagen oder Laternen, die ein Nisten von Vögeln ermöglichen. Dass der Verkehrsicherungspflichtige mit dem Verlangen, den Verkehr an all diesen Stellen vor herabfallenden Vogeleiern zu schützen, überfordert wäre, liegt auf der Hand und bedarf keiner näheren Darlegung. Auch die vom Kläger geforderte Anbringung von Taubenabwehrnetzen im E.tunnel in U. wäre für das beklagte Land mit einem erheblichen personellen und wirtschaftlichen Aufwand verbunden. Denn die Schutznetze müssten nicht nur gekauft und angebracht, sondern nach dem unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag des beklagten Landes im Schriftsatz vom 14.07.2022 bei entsprechenden Wartungsarbeiten in den Tunnel (etwa an der Beleuchtung oder der Tunneldecke) abgenommen und dafür wiederum der Tunnel gegebenenfalls ganz oder teilweise für den Verkehr gesperrt werden. Dass hiermit ein erheblicher Kostenaufwand verbunden ist, ist offenkundig und konnte damit vom Landgericht auch ohne eine diesbezügliche Beweisaufnahme seiner Entscheidung zugrunde gelegt werden. Er wäre ebenso wie der mit Anbringung von Spikes auf den Deckenlampen verbundene Kostenaufwand nach den zutreffenden und vom Senat ausdrücklich geteilten Ausführungen des Landgerichts dem beklagten Land als Straßenbaulastträger allenfalls dann zumutbar gewesen, wenn es schon vor dem streitgegenständlichen Unfallgeschehen mehrfach zu Fahrzeugschäden durch im Tunnel herabfallende Taubeneier gekommen wäre und das beklagte Land hiervon auch Kenntnis erlangt hätte. Das hat der Kläger indes nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht zu beweisen vermocht. Die Vernehmung der Zeugen M. und Z. hat hierfür keinerlei Anhaltspunkte erbracht. Ihre erstinstanzlichen Aussagen, dass ihnen in ihren jeweils 10 bzw. 40 Jahren Dienstzeit in U. keine gleichgelagerten Vorfälle bekannt geworden seien und auch ihre Rücksprachen mit Kollegen keine dahingehenden Erkenntnisse ergeben hätten, spricht im Gegenteil dafür, dass es in der Vergangenheit nicht zu ähnlichen Schadensfällen gekommen ist, weil zu erwarten ist, dass dann zumindest ein Teil von diesen auch gemeldet worden wäre. Außerdem hätten diese gemeldeten Schadensfälle, um eine Verkehrssichrungspflicht des beklagten Landes zu begründen, diesem auch vor dem streitgegenständlichen Unfall zur Kenntnis gelangen müssen, was der Kläger nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ebenfalls nicht bewiesen konnte.
9Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang auch nicht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Einer Vernehmung des vom Kläger mit Schriftsatz vom 14.06.2022 benannten Zeugen W. bedurfte es nicht. Der Zeuge W. war vom Kläger allein zum Beweis dafür benannt worden, dass nach Mitteilung der Kreispolizeibehörde den Tunnelbetreibern bekannt gewesen sei, dass Tauben im Bereich des Tunnels nisten würden. Ungeachtet des Umstandes, dass dieses Vorbringen des Klägers vom beklagten Land gar nicht bestritten wurde, reicht es aus den vorstehenden Gründen nicht für die Annahme einer Verkehrssicherungspflichtverletzung des beklagten Landes aus. Dafür, dass es bereits in der Vergangenheit zu vergleichbaren Schadensfällen gekommen und dies dem beklagten Land bekannt war, ist der Zeuge W. nicht benannt worden. Dieses geht auch nicht aus dem vom Kläger als Anlage K6 vorgelegten Schreiben Zeugen W. hervor.
10Soweit der Kläger vorgetragen hat, am 28.06.2022 von einem U.er Taxifahrer die Auskunft erhalten zu haben, dass der überdurchschnittliche Taubenbefall ein Dauerzustand sei und auch ihm Probleme mit herabfallenden Vogeleiern an der Einfahrt des U.er E.tunnels bekannt seien, ist dieser nicht vom Kläger als Zeuge benannt worden. Darüber hinaus ergibt sich auch aus diesem Vortrag nicht, dass es schon vor dem streitgegenständlichen Schadenfall durch herabfallende Taubeneier zu ähnlichen bleibenden Fahrzeugschäden wie vom Kläger erlitten gekommen und dies auch zur Kenntnis des beklagten Landes gelangt ist.
11Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senates auf Grund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).
12Die Berufung ist nach Erlass des Hinweisbeschlusses zurückgenommen worden.