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Auf die Berufung des Klägers wird das am 17.08.2022 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Bochum abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für eine Haartransplantation nach der „C-Methode Update V“ mit der Angabe zu werben:
„Die C-Methode ist die neueste technische Innovation…“,
„…behandeln wir in unserer Klinik ab sofort mit der neuen Generation des Haar-Roboters C“,
„Die neu überarbeitete Version des C-Systems punktet mit mehr Schnelligkeit und Flexibilität“,
„NEU: verbessertes C® Update V“,
„The new Generation: C“,
jeweils sofern dies geschieht wie in Anlage K4 wiedergegeben.
Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
2A.
3Der in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände nach § 8b des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) eingetragene Kläger ist ein eingetragener Verein mit Sitz in D.. Zu seinen satzungsgemäßen Aufgaben gehört die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Überwachung der Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs. Zu seinen Mitgliedern (Mitgliederliste: Anlage K2 = Blatt 16-88 der erstinstanzlichen elektronischen Gerichtsakte) gehören u.a. die I., der M. e.V., der „L. e.V.“, die Ärztekammer W., die Ärztekammer P. sowie der Arzneimittelhersteller „B. GmbH“.
4Der Beklagte ist Facharzt für Dermatologie und Venerologie und betreibt in Z unter der Bezeichnung „R.“ eine Arztpraxis, zu deren Leistungsspektrum u.a. Haartransplantationen gehören. Zum Zwecke der Bewerbung seines Leistungsangebotes unterhält der Beklagte den Internetauftritt „www.I01.de“ (Internetausdruck [auszugsweise]: Anlage K4 = Blatt 90-122 der erstinstanzlichen elektronischen Gerichtsakte).
5Jedenfalls im April 2022 setzte der Beklagte in seiner Praxis für Haartransplantationen das computergesteuerte Verfahren „C-Methode“ in der „Update V“-Version ein. Zu diesem Zeitpunkt existierte auf dem Markt bereits eine weiterentwickelte, jüngere Version der „C-Methode“ mit der Versionsbezeichnung „U.“. Der Beklagte bewarb das von ihm eingesetzte Haartransplantationsverfahren jedenfalls am 11.04.2022 in seinem Internetauftritt mit den in der Urteilsformel wiedergegebenen Werbeaussagen.
6Der Kläger mahnte den Beklagten daraufhin mit Schreiben vom 20.04.2022 (Anlage K7 = Blatt 133-139 der erstinstanzlichen elektronischen Gerichtsakte) ab. Er, der Kläger, sei im Bereich „Heilwesen“ befugt, lauterkeitsrechtliche Ansprüche geltend zu machen. Die streitgegenständlichen Werbeaussagen seien irreführend, weil sie dahin zu verstehen seien, das von dem Beklagten eingesetzte Haartransplantationsverfahren sei die neueste Version der „C-Methode“. Tatsächlich existiere auf dem Markt aber bereits eine weiterentwickelte, jüngere Version der „C-Methode“ mit der Versionsbezeichnung „U.“.
7Der Beklagte wies die mit der Abmahnung erhobenen Forderungen mit anwaltlichem Schriftsatz vom 28.04.2022 (Anlage K8 = Blatt 140 der erstinstanzlichen elektronischen Gerichtsakte) zurück. Ein „konkretes räumliches und sachliches Wettbewerbsverhältnis“ zwischen den Mitgliedern des Klägers und ihm, dem Beklagten, sei nicht ersichtlich.
8Der Kläger hat gegenüber dem Landgericht die Argumentation aus seiner Abmahnung wiederholt und vertieft und namentlich ergänzende Ausführungen zu seiner Klagebefugnis gemacht. Das Bestehen einer Klagebefugnis in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation setze nicht voraus, dass er, der Kläger, auch Haartransplanteure zu seinen unmittelbaren oder mittelbaren Mitgliedern zählen könne. Es genüge, dass seine Mitglieder Waren oder Dienstleistungen, die mit der hier in Rede stehenden Dienstleistung des Beklagten lediglich verwandt seien, vertrieben. Dies sei hier der Fall: Denn ein unter Haarausfall oder Glatzenbildung leidender Verbraucher habe insbesondere die Wahl, ob er eine Haartransplantation durchführen lasse oder ob er auf pharmakologischem Wege eine Verbesserung seines Haarwuchses zu erzielen versuche. Für das Anwendungsgebiet „Haarausfall/Glatzenbildung“ existierten auf dem Markt für Pharmazeutika z.B. das von seinem, des Klägers, Mitglied „B. GmbH“ hergestellte verschreibungspflichtige Arzneimittel „S.“ oder das Arzneimittel „K.“ eines anderen Herstellers. Der Vertrieb dieser Produkte erfolge u.a. über die ihm, dem Kläger, als mittelbare Mitglieder zuzurechnenden Mitglieder der I., des M. e.V. und des „L. e.V.“.
9Der Kläger hat beantragt,
10den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für eine Haartransplantation nach der „C-Methode Update V“ mit der Angabe zu werben:
11„Die C-Methode ist die neueste technische Innovation…“,
„…behandeln wir in unserer Klinik ab sofort mit der neuen Generation des Haar-Roboters C“,
„Die neu überarbeitete Version des C-Systems punktet mit mehr Schnelligkeit und Flexibilität“,
„NEU: verbessertes C® Update V“,
„The new Generation: C“,
jeweils sofern dies geschieht wie in Anlage K4 wiedergegeben.
18Der Beklagte hat beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei nicht klagebefugt. In einem Wettbewerbsverhältnis zu ihm, dem Beklagten, stünden nur andere Haartransplanteure. Es gehe im vorliegenden Rechtsstreit nicht um Medizinprodukte oder Arzneimittel, sondern um die Verfahrenstechnik der Haartransplantation als Dienstleistung.
21Mit dem angefochtenen, am 17.08.2022 verkündeten Urteil hat die 13. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Bochum die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen des Urteils hat das Landgericht ausgeführt, der Kläger könne in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation nur dann Unterlassungsansprüche geltend machen, wenn er über direkte oder mittelbare ärztliche Mitglieder verfüge, die tatsächlich Haartransplantationen anböten.
22Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.
23Der Kläger beantragt,
24das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für eine Haartransplantation nach der „C-Methode Update V“ mit der Angabe zu werben:
25„Die C-Methode ist die neueste technische Innovation…“,
„…behandeln wir in unserer Klinik ab sofort mit der neuen Generation des Haar-Roboters C“,
„Die neu überarbeitete Version des C-Systems punktet mit mehr Schnelligkeit und Flexibilität“,
„NEU: verbessertes C® Update V“,
„The new Generation: C“,
jeweils sofern dies geschieht wie in Anlage K4 wiedergegeben.
32Der Beklagte beantragt,
33die Berufung zurückzuweisen.
34Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Die Wirkungen einer Haartransplantation durch einen Arzt einerseits und die Wirkungen von Arzneimitteln gegen Haarausfall oder Glatzenbildung andererseits seien nicht miteinander vergleichbar. Mittels einer Haartransplantation könnten Haarwurzeln an Hautstellen verpflanzt werden, an denen zuvor keine Haarwurzeln mehr vorhanden gewesen seien. Arzneimittel und andere Präparate könnten hingegen allenfalls (noch) vorhandene Haarwurzeln zu erneutem Haarwachstum anregen. Zudem könnten Arzneimittel und andere Präparate allenfalls temporäre Erfolge erzielen, während eine Haartransplantation beim Patienten zu einem dauerhaften Erfolg führe.
35Soweit in den Gründen dieses Urteils Fundstellen in der Gerichtsakte angegeben sind, wird wegen der Einzelheiten auf die jeweils dort befindlichen Dokumente verwiesen.
36B.
37Die – zulässige – Berufung des Klägers ist begründet. Die Klage ist zulässig und begründet.
38I. Die Klage ist zulässig. Der Kläger ist insbesondere nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt. Dem in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG eingetragenen Kläger gehört eine erhebliche Zahl von Unternehmern an, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt wie der Beklagte vertreiben. Dies ergibt sich – entgegen der Auffassung des Beklagten und des Landgerichts – jedenfalls bereits daraus, dass dem Kläger über die ihm als unmittelbares Mitglied angehörende I. sämtliche Apotheker aus dem G. Landesteil des Landes E. als mittelbare Mitglieder zuzurechnen sind und dass zum Warenangebot von Apotheken nach den – insoweit vom Beklagten nicht bestrittenen – Angaben des Klägers auch Arzneimittel für das Anwendungsgebiet „Haarausfall/Glatzenbildung“ gehören.
391. Der nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG maßgebliche Markt ist in sachlicher Hinsicht anhand des Begriffs „Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art“ abzugrenzen. Dieser Begriff ist weit auszulegen. Die vertriebenen Waren oder Dienstleistungen müssen sich derart gleichen oder nahestehen, dass der Vertrieb der einen durch den Vertrieb der anderen beeinträchtigt werden kann. Für das danach erforderliche (abstrakte) Wettbewerbsverhältnis genügt es, dass eine nicht gänzlich unbedeutende (potentielle) Beeinträchtigung mit einer gewissen – sei es auch nur geringen – Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 24.11.1999 – I ZR 189/97 – [Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge], juris, Rdnr. 40 m.w.N.). Ein solches abstraktes Wettbewerbsverhältnis besteht grundsätzlich auch im Arzneimittel- und Heilbehandlungsbereich bei dem Vertrieb von Arzneimitteln einerseits und dem Vertrieb von Dienstleistungen zur Durchführung von Heilbehandlungen andererseits (vgl. hierzu BGH, a.a.O., Rdnr. 41). Dies ergibt sich nicht nur aus der gemeinsamen Zweckbestimmung, der Gesundheit der Patienten zu dienen. In einer nicht zu vernachlässigenden Zahl von Fällen wird nach der Lebenserfahrung vielmehr auch zwischen der Behandlung mit Hilfe von Arzneimitteln und einer (ärztlichen) Heilbehandlung gewählt mit der Folge, dass der Absatz von Arzneimitteln den Umsatz mit Heilbehandlungen beeinträchtigen kann und umgekehrt (vgl. hierzu BGH, a.a.O., Rdnr. 41). So liegt der Fall auch hier: Ein von Haarausfall bzw. Glatzenbildung betroffener Patient hat die Wahl, ob er (zunächst) eine Linderung dieses Problems auf pharmakologischem Wege herbeizuführen versucht oder sogleich den – invasiveren – Weg einer Haartransplantation beschreitet. Da es für das erforderliche (abstrakte) Wettbewerbsverhältnis ausreicht, dass eine nicht gänzlich unbedeutende (potentielle) Beeinträchtigung mit einer gewissen – und sei es auch nur geringen – Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden kann, kann im vorliegenden Fall auch dahinstehen, ob die Behauptungen des Beklagten zur Überlegenheit einer Haartransplantation gegenüber einer pharmakologischen Anregung des Haarwuchses zutreffen. Selbst wenn diese Behauptungen zutreffen sollten und dem angesprochenen Verkehr die Gründe für die vom Beklagten behauptete Überlegenheit auch bekannt sein sollten, ist es dennoch nach der allgemeinen Lebenserfahrung als wahrscheinlich anzusehen, dass ein nicht unbedeutender Teil des angesprochenen Verkehrs gleichwohl zunächst versucht, einer Glatzenbildung durch die Einnahme oder Anwendung von Arzneimitteln oder sonstigen Präparaten entgegenzuwirken, bevor er sich einer – von ihm als unangenehmer empfundenen – Haartransplantation unterzieht.
402. Die hier in Rede stehenden (mittelbaren) Mitglieder des Klägers und der Beklagte begegnen sich als Wettbewerber auf demselben räumlichen Markt, weil der Beklagte für seine Dienstleistungen über das Internet bundesweit – und damit auch im G. Landesteil des Landes E. – wirbt. Es ist überdies davon auszugehen, dass die Werbung des Beklagten für die von ihm angebotenen Haartransplantationen auch tatsächlich bundesweit auf Interesse stößt, weil es für Patienten, die an einer Inanspruchnahme dieser Dienstleistung interessiert sind, (anders als etwa bei den Dienstleistungen eines Hausarztes) weniger auf eine besondere geographische Nähe zwischen ihrem Wohnsitz und dem Standort der Transplantationspraxis als vielmehr auf andere Kriterien wie z.B. den Ruf des Transplanteurs oder die von ihm angewandte Technik ankommen dürfte.
41Selbst wenn der Senat zu Gunsten des Beklagten unterstellt, dass dessen Praxis lediglich einen regionalen Einzugsbereich hat, gehören angesichts der Nähe des Praxisstandortes Z zum G. Landesteil des Landes E. zumindest wesentliche Teile dieses Landesteils auch zu dem räumlichen Markt, auf dem der Beklagte tätig ist.
42II. Die Unterlassungsklage ist auch begründet. Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche finden ihre Grundlage in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 a.F., § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 n.F. UWG.
43Die streitgegenständlichen Werbeaussagen versteht der angesprochene Verkehr dahin, dass es sich bei dem vom Beklagten eingesetzten Haartransplantationsverfahren um die neueste Version der „C-Methode“ handelt. Tatsächlich existierte zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Werbung bereits eine weiterentwickelte, jüngere Version dieser Methode. Dieser lauterkeitsrechtlichen Beurteilung ist der Beklagte auch – zu Recht – im Verlaufe des vorliegenden Rechtsstreits mit keinem Wort entgegengetreten.
44Diese Irreführung ist auch geschäftlich relevant. Sie ist geeignet, Verbraucher, die sich in dem – irrigen – Glauben befinden, der Beklagte setze die neueste Version der „C-Methode“ ein, gerade aufgrund dieser Fehlvorstellung zu einer Kontaktaufnahme mit der Praxis des Beklagten und damit zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen.
45Gesichtspunkte, die geeignet wären, die aufgrund des begangenen Wettbewerbsverstoßes tatsächlich zu vermutende Wiederholungsgefahr auszuräumen, sind nicht ersichtlich. Der Beklagte hat keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Dass der Beklagte die streitgegenständlichen Werbeaussagen nach seinen Angaben zwischenzeitlich aus seinem Internetauftritt gelöscht hat, lässt die Wiederholungsgefahr nicht entfallen.
46C.
47Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
48Ein Anlass für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) besteht nicht.