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Auf die Berufung des Klägers wird das am 02.11.2022 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld – unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, diese zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern,
zu unterlassen,
im Rahmen geschäftlicher Handlungen, zum Zwecke der Forderungsbeitreibung, Verbraucher per SMS zur Zahlung auf eine tatsächlich nicht bestehende Forderung aufzufordern, wenn dies geschieht wie im Folgenden abgebildet:
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
2I.
3Der Kläger, ein in die gemäß § 4 Abs. 1 UKlaG beim Bundesamt für Justiz geführte Liste eingetragener qualifizierter Verbraucherverband, nimmt die Beklagte, die ein Inkassounternehmen betreibt, auf Unterlassung sowie auf Erstattung von Abmahnkosten nebst Zinsen in Anspruch.
4Die Parteien streiten dabei im Wesentlichen darüber, ob die folgende von der Beklagten wegen einer tatsächlich nicht bestehenden Forderung am 29.01.2021 per SMS an eine Verbraucherin übersandte Zahlungsaufforderung
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als aggressive geschäftliche Handlung bzw. unzumutbare Belästigung im Sinne der §§ 4a und 7 UWG sowie – was der Kläger hilfsweise geltend macht – als Irreführung anzusehen ist.
7Der streitgegenständlichen Zahlungsaufforderung vorausgegangen waren zwei von der Beklagten an die Verbraucherin auf dem Postweg versandte Mahnungen/Zahlungsaufforderungen vom 14. und 26.01.2021, wegen deren genauen Inhalts auf die vom Kläger zu den Gerichtsakten gereichten Anlagen K1 und K2 Bezug genommen wird.
8Mit Schreiben vom 17.02.2021 und 12.03.2021 mahnte der Kläger die Beklagte wegen der streitgegenständlichen SMS ab und forderte sie unter Fristsetzung bis zum 03.03.2021 bzw. 26.03.2021 erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie – mit weiterer Frist – zur Auslagenerstattung auf.
9Der Kläger hat die Ansicht vertreten, ihm stehe ein Unterlassungsanspruch aus § 4a Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 UWG sowie aus § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG zu. Die SMS der Beklagten stelle eine aggressive geschäftliche Handlung im Sinne des § 4a UWG und eine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 UWG dar, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit der angesprochenen Verbraucherin führe und sie in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletze, weil mit ihr in unangemessener Weise in die Privatsphäre der angesprochenen Verbraucherin eingedrungen werde. Zudem sei in der streitgegenständlichen SMS eine irreführende geschäftliche Handlung zu erblicken, weil die angesprochene Verbraucherin mit ihr – dies ist unstreitig – zur Begleichung einer tatsächlich nicht bestehenden Forderung aufgefordert worden ist.
10Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
111. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern,
12zu unterlassen,
13a) im Rahmen geschäftlicher Handlungen, zum Zwecke der Forderungsbeitreibung, Verbraucher per SMS zur Zahlung aufzufordern,
14hilfsweise,
15b) im Rahmen geschäftlicher Handlungen, zum Zwecke der Forderungsbeitreibung, Verbraucher per SMS zur Zahlung auf eine tatsächlich nicht bestehende Forderung aufzufordern,
16wenn dies geschieht wie im Folgenden abgebildet:
17 182. an ihn 260,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
19Die Beklagte hat beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Sie hat unter näheren Ausführungen die Ansicht vertreten, die von ihr versandte SMS stelle weder eine aggressive geschäftliche Handlung, noch eine unzumutbare Belästigung dar. Schließlich beinhalte sie auch keine Irreführung, da sie sich nicht dazu verhalte, aus welchem Rechtsgrund die angesprochene Verbraucherin zu einer Zahlung verpflichtet sein sollte. Infolgedessen sei die SMS gänzlich ungeeignet gewesen, bei der angesprochenen Person eine Fehlvorstellung über das Bestehen einer konkreten schuldrechtlichen Verpflichtung herbeizuführen. Überdies hat sie die Verjährungseinrede erhoben.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- uns Streitstands bis zum Abschluss der ersten Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
23Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, bei der streitgegenständlichen SMS handele es sich weder um eine aggressive geschäftliche Handlung im Sinne des § 4a UWG, noch um eine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 UWG. Mit dem Erhalt der SMS sei kein gravierender Eingriff in die Privatsphäre der angesprochenen Verbraucherin und infolgedessen auch keine unzumutbare Belästigung derselben verbunden gewesen. Eine Mahnung per SMS stelle keine gravierend größere Beeinträchtigung/Beeinflussung des Schuldners dar, als eine Mahnung per E-Mail oder Post. Der Empfänger einer SMS könne – anders als etwa bei Anrufen – zeitlich selbst bestimmen, wann er ihren Inhalt zur Kenntnis nehmen möchte. Darüber hinaus könne er eine entsprechende SMS problemlos ohne großen Aufwand löschen. Zudem habe die Beklagte mit dem Versenden der SMS auch nicht gegen § 35a GmbH und/oder Art. 13 DSGVO verstoßen. Bei dem vom Kläger hilfsweise gestellten Unterlassungsantrag – dem Klageantrag zu 1 b – handele es sich im Verhältnis zu dem Klageantrag zu 1 a um einen anderen Streitgegenstand, weil er im Kern auf die Unterlassung eines anderen Verhaltens, nämlich der Mahnung einer nicht bestehenden Forderung (via SMS) abziele. In der Sache könne der Kläger auch mit diesem nicht durchdringen. Ein dahingehender Unterlassungsanspruch sei gemäß § 11 UWG jedenfalls verjährt, da der Kläger spätestens zum Zeitpunkt der von ihm ausgesprochenen Abmahnung (17.02.2021) von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person der Schuldners Kenntnis erlangt, den Hilfsantrag indes erst am 13.07.2022 anhängig gemacht habe.
24Hiergegen wendet sich der Kläger mit der von ihm eingelegten Berufung, mit der er seine erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche weiterverfolgt. Er beanstandet unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen, das Landgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, indem es entscheidungserhebliche Teile seines Vorbringens nicht in seine Erwägungen einbezogen habe. Darüber hinaus habe das Landgericht das Recht nicht richtig angewendet. Die Entscheidungsgründe genügten nicht den durch § 313 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3 ZPO gestellten Anforderungen. Das Landgericht habe die Voraussetzungen der §§ 4a und 7 UWG mit im Kern nur zwei knappen Sätzen verneint, was eine Auseinandersetzung mit dem klägerischen Vorbringen vermissen und die Erwägungen, auf denen das Ergebnis beruhe, nicht erkennen lasse. Auch habe das Landgericht seine Beweisangebote übergangen, wonach der Inhalt einer SMS dem Inhaber des Mobiltelefons ohne dessen Zutun unmittelbar auf dem Sperrbildschirm angezeigt und er über den Eingang einer SMS unmittelbar durch einen Benachrichtigungston informiert werde. Soweit sich das Landgericht zur Begründung im Wesentlichen auf von der Beklagten zitierte Entscheidungen des Kammergerichts bezogen habe, habe es versäumt, sich mit dem klägerischen Vortrag dazu auseinanderzusetzen, warum er diese Entscheidungen für unzutreffend halte. Der Umstand, dass das Landgericht einen Unterlassungsanspruch des Klägers wegen eines Verstoßes gegen § 35a GmbHG verneint habe, zeige zudem, dass es den Streitgegenstand in grob verfahrensfehlerhafter Weise unzutreffend erfasst habe. Er – der Kläger – habe zu keinem Zeitpunkt einen auf einen Verstoß § 35a GmbH gestützten Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte geltend gemacht. Weiterhin sei das Landgericht rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, der Hilfsantrag zu Ziffer 1 b stelle eine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO dar. Vielmehr handele es sich im Verhältnis zum Hauptantrag um ein Minus, wobei er – der Kläger – sogar eigens betont habe, dass es ihm maßgeblich auf per SMS erfolgende Mahnungen ankomme. Somit ziele der Hilfsantrag entgegen der Ansicht des Landgerichts auch gerade nicht auf die Unterlassung eines anderen Verhaltens ab. Weiter sei der geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch nicht verjährt, weil die Beklagte die beanstandete Verletzungshandlung mit weiteren, an eine andere Adressatin gerichteten SMS vom 19.03.2021 und 26.04.2021 fortgesetzt habe. Schließlich folge der geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch aus § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG i. V. m. §§ 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG und aus § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG. Insoweit sei eine Verjährung ausgeschlossen, weil hinsichtlich des Anspruchs aus § 2 Abs. 1 UKlaG die regelmäßige Verjährungsfrist zur Anwendung gelange.
25Der Kläger beantragt,
26das am 02.11.2022 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts des Landgerichts Bielefeld (Az. 3 O 233/21) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
271. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, insgesamt höchstens zwei Jahre, die Ordnungshaft jeweils zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen,
28a) im Rahmen geschäftlicher Handlungen, zum Zwecke der Forderungsbeitreibung, Verbraucher per SMS zur Zahlung aufzufordern,
29hilfsweise,
30b) im Rahmen geschäftlicher Handlungen, zum Zwecke der Forderungsbeitreibung, Verbraucher per SMS zur Zahlung auf eine tatsächlich nicht bestehende Forderung aufzufordern, wenn dies geschieht wie im Folgenden abgebildet:
31 322. an ihn 260,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
33Die Beklagte beantragt,
34die Berufung zurückzuweisen.
35Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung ebenfalls unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie ist der Ansicht, es fehle bereits an einem auf den Sachverhalt und das streitbefangene Urteil bezogenen konkreten Berufungsvorbringen, weshalb schon Zweifel an der Zulässigkeit der Berufung bestünden. In der Sache sei der Kläger mit der angefochtenen Entscheidung schlicht nicht einverstanden und setze daher seine Ansicht an die Stelle derjenigen des Landgerichts. Auch die Ausführungen des Landgerichts zu § 35a GmbHG gingen nicht am Streitstand vorbei. Wenn – wie vom Landgericht zutreffend festgestellt – für die Beklagte schon keine Verpflichtung bestehe, die für Geschäftsbriefe verpflichtenden Angaben des § 35a GmbHG in die SMS aufzunehmen, könne aus dem Fehlen dieser Angaben auch keine Verstärkung einer etwaigen Drucksituation folgen.
36Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das schriftsätzliche Vorbringen der Prozessparteien sowie den Inhalt des Protokolls der am 07.05.2024 durchgeführten mündlichen Verhandlung ergänzend Bezug genommen.
37II.
38Die zulässige – insbesondere gemäß §§ 517, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und begründete – Berufung des Klägers hat lediglich im zuerkannten Umfang Erfolg. Im Übrigen beruht die angefochtene Entscheidung weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
391.
40Die zur Entscheidung vorliegende Klage ist zulässig.
41a.
42Soweit der Kläger Unterlassungsansprüche nach dem UWG geltend macht, folgen seine Klagebefugnis und Aktivlegitimation aus § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG i. V. m. § 4 Abs. 1 UKlaG. Soweit er die geltend gemachten Unterlassungsansprüche (hilfsweise) auch auf das UKlaG stützt, folgen Klagebefugnis und Aktivlegitimation aus § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 UKlaG.
43Dabei ist vorweg zu schicken, dass es sich bei dem aus § 8 Abs. 1 UWG folgenden Unterlassungsanspruch und demjenigen, der sich aus der Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG ergibt, im vorliegenden Fall um denselben Streitgegenstand handelt, weil die zur Anwendung gelangenden materiell-rechtlichen Regelungen – § 8 Abs. 1 UWG einerseits und § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG andererseits – die in dem einheitlichen Klagebegehren des Klägers zusammentreffenden Ansprüche nicht durch eine Verselbstständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlich ausgestalten (vgl. BGH, Urteil vom 24.01.2013 – I ZR 60/11 – Peek & Cloppenburg III, GRUR 2013, 397 Rn. 13, beck-online). Zwar stützt sich der Kläger einerseits auf eine Verletzung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften (§ 8 Abs. 1 UWG) und andererseits auf eine Verletzung verbraucherschützender Regelungen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG). Allerdings sind die durch diese Vorschriften vermittelten Unterlassungsansprüche, die nach dem Klägervortrag in beiden Fällen jeweils auf eine vermeintliche Verletzung von § 3 Abs. 1, § 4a Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 UWG, § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG und/oder § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Fall 2 UWG zurückzuführen sein sollen, jenseits dessen inhaltlich völlig identisch, so dass sie keine unterschiedlichen Lebenssachverhalte beschreiben (vgl. BGH, Urteil vom 06.02.2020 – I ZR 93/18; Büscher, WRP 2024, 1, Rn. 68 ff.).
44b.
45Indem der Kläger den Klageantrag zu Ziffer 1 hingegen in erster Instanz mit Schriftsatz vom 13.07.2022 dahingehend erweitert hat, dass er fortan unter Ziffer 1 b hilfsweise die Verurteilung der Beklagten dazu begehrt, es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen, zum Zwecke der Forderungsbeitreibung, Verbraucher per SMS zur Zahlung auf eine tatsächlich nicht bestehende Forderung aufzufordern, hat er die von ihm erhobene Klage in zulässiger Weise um einen weiteren Streitgegenstand erweitert.
46aa.
47Bei dem hilfsweise gestellten Klageantrag zu Ziffer 1 b handelt es sich – entgegen der Sichtweise des Klägers – im Verhältnis zu dem Klageantrag zu 1 a um einen anderen Streitgegenstand.
48Der Streitgegenstand wird durch den Klageantrag bestimmt, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. BGHZ 154, 342 [347f.] = GRUR 2003, 716 - Reinigungsarbeiten, m.w.N.). Bei einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsantrag besteht die begehrte Rechtsfolge in dem Verbot gerade der bestimmten – als rechtswidrig angegriffenen – Verhaltensweise (Verletzungsform), die der Kläger in seinem Antrag sowie seiner zur Antragsauslegung heranzuziehenden Klagebegründung festgelegt hat (vgl. BGH, GRUR 1999, 272 [274] = WRP 1999, 183 - Die Luxusklasse zum Nulltarif). Die so umschriebene Verletzungsform bestimmt und begrenzt damit den Inhalt des Klagebegehrens.
49Eine Abwandlung der Verletzungsform, auf die sich der Verbotsausspruch nach dem Willen des Klägers beziehen soll, ändert dementsprechend den Streitgegenstand und setzt deshalb einen entsprechenden Antrag des Klägers voraus. Dies gilt ebenso, wenn eine im Antrag umschriebene Verletzungsform durch Einfügung zusätzlicher Merkmale in ihrem Umfang auf Verhaltensweisen eingeschränkt wird, deren Beurteilung die Prüfung weiterer Sachverhaltselemente erfordert, auf die es nach dem bisherigen Antrag nicht angekommen wäre. Ein in dieser Weise eingeschränkter Antrag ist zwar gedanklich, nicht aber prozessual ein Minus, weil seine Begründung nunmehr von tatsächlichen Voraussetzungen abhängt, die zuvor nicht zum Inhalt des Antrags erhoben worden waren (vgl. BGH, Urteil vom 29. 6. 2006 - I ZR 235/03 – Anschriftenliste, GRUR 2006, 960, beck-online, Rn. 15 f. m.w.N.; Fezer/Büscher/Obergfell/Büscher, 3. Aufl. 2016, UWG § 12 Rn. 281).
50So liegt der Fall hier. Mit dem hilfsweise erhobenen Klageantrag zu 1 b hat der Kläger das ursprüngliche Klagebegehren durch die Einfügung des zusätzlichen Merkmals „auf eine tatsächlich nicht bestehende Forderung“ in seinem Umfang auf eine Verhaltensweise eingeschränkt, dessen Beurteilung die Prüfung eben dieses weiteren Sachverhaltselements erfordert, auf das es nach dem bisherigen Klageantrag nicht ankam. Mithin hat er seine Klage entsprechend erweitert.
51bb.
52Diese Klageerweiterung ist zulässig, weil sie jedenfalls sachdienlich ist (§ 263 ZPO) und es sich in der Sache um eine zulässige Eventualklagehäufung handelt.
532.
54Die Klage ist lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
55a.
56Dem Kläger steht der mit dem Klageantrag zu 1 a geltend gemachte Unterlassungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
57aa.
58Das Versenden der streitbefangenen SMS stellt keinen Verstoß gegen § 4a Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 UWG dar.
59Gemäß § 4a Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 UWG handelt unlauter, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte, wobei eine geschäftliche Handlung dann aggressiv ist, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers durch Belästigung erheblich zu beeinträchtigen.
60(1)
61Zwar bestehen an dem Vorliegen einer geschäftlichen Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG keine Zweifel.
62Eine geschäftliche Handlung in diesem Sinne ist ein Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Ein objektiver Zusammenhang ist dann gegeben, wenn die Handlung bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet ist, eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu beeinflussen (Köhler/Bornkamm, 42. Aufl. 2024, UWG § 4a Rn. 1.23).
63Danach handelt es sich bei der von der Beklagten versandten SMS um eine geschäftliche Handlung, da sie im Zusammenhang mit der Durchführung eines Vertrages – nämlich einem vermeintlich zwischen der angeschriebenen Verbraucherin und der Handelsplattform X geschlossenen Kaufvertrag – steht und darauf gerichtet ist, eine geschäftliche Entscheidung der angesprochenen Verbraucherin – nämlich die Bezahlung der vermeintlich erhaltenen Waren – zu beeinflussen.
64(2)
65Die geschäftliche Handlung ist auch einer Verbraucherin gegenüber erfolgt.
66(3)
67Allerdings hat die Beklagte zur Beeinflussung der Verbraucherin keines der in § 4a Abs. 1 Satz 2 UWG abschließend genannten Mittel eingesetzt.
68Für die Unlauterkeit im Sinne des § 4a UWG genügt es nicht, dass im Einzelfall eine geschäftliche Handlung zwar die Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt, dies aber nicht auf Grund des Einsatzes eines der genannten Mittel erfolgt. Das widerspräche den Vorgaben des Art. 8 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmern gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt (Richtlinie 2005/29/EG). Von der geschäftlichen Handlung muss vielmehr eine Belästigung, Nötigung oder unzulässige Beeinflussung im Sinne des Art. 8 der Richtlinie 2005/29/EG ausgehen. Zu prüfen ist, welches Mittel eingesetzt worden ist und wie es sich auf die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers auswirkt. Bei der erforderlichen Beurteilung sind alle tatsächlichen Umstände des konkreten Falles zu berücksichtigen. Es ist eine sorgfältige Abwägung der Interessen der Beteiligten und eine genaue Prüfung der Auswirkungen auf die Betroffenen vorzunehmen (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rn. 1.28 m.w.N.).
69In Betracht kommt hier allein die Belästigung nach § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG. Der Begriff der Belästigung ist aus Art. 8 und 9 der Richtlinie 2005/29/EG übernommen und dementsprechend richtlinienkonform auszulegen. Maßgebend ist also die Bedeutung dieses Begriffs in Art. 8 und 9 der Richtlinie 2005/29/EG und seine Auslegung durch den EuGH (Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rn. 1.37). Ausgehend von dem Zweck, die Entscheidungs- und Verhaltensfreiheit der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer zu schützen, sind als Belästigung Handlungen anzusehen, bei denen diese Freiheit durch aufdrängende und störende Maßnahmen beeinträchtigt wird. Die Belästigung im Sinne des § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG umfasst daher den störenden Eingriff in den Privatbereich des Verbrauchers bzw. die geschäftliche Sphäre des sonstigen Marktteilnehmers (Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rn. 1.40 m.w.N.). Die Störung muss dabei so intensiv sein, dass sie geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Betroffenen erheblich zu beeinträchtigen (Scherer WRP 2017, 891 Rn. 27: „Bedrängungspotential“). Unerheblich ist, wie dieser Eingriff erfolgt. Er kann in einem tatsächlichen Verhalten oder in einer Äußerung bestehen. Unerheblich ist auch die Anzahl der Adressaten einer Maßnahme.
70Da es in der Natur der geschäftlichen Handlung liegt, auf den Verbraucher einzuwirken, um ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, ist nicht jegliche Einwirkung als Belästigung anzusehen. Von einer Belästigung lässt sich vielmehr nur dann sprechen, wenn nach dem Empfinden des verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. des verständigen durchschnittlichen Mitglieds der angesprochenen Verbrauchergruppe die Grenzen des sozialadäquaten Umgangs überschritten sind. Dabei sind soziale, kulturelle und sprachliche Faktoren zu berücksichtigen. Vor allem kommt es auf den konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände an, insbesondere der in § 4a Abs. 2 Satz 1 UWG geschilderten. Anhaltspunkte für die Beurteilung sind daher insbesondere Zeitpunkt, Ort, Art und Dauer der Handlung. Damit eine Belästigung den Tatbestand des § 4a Abs. 1 UWG erfüllen kann, muss sie jedenfalls eine gewisse Intensität besitzen. Nicht als belästigend sind daher solche minderen Formen der Einwirkung anzusehen, denen sich der Verbraucher ohne weiteres durch Wegsehen, Weghören oder Weggehen entziehen kann (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rn. 1.40).
71Grundsätzlich kommt eine Belästigung auch bei der Durchsetzung von bestehenden und erst recht von nicht bestehenden, aber behaupteten Ansprüchen eines Unternehmers gegen einen Verbraucher in Betracht. Dabei liegt eine Belästigung aber nicht schon dann vor, wenn der Unternehmer sich im Rahmen der gesetzlichen Befugnisse zur Durchsetzung von Ansprüchen hält. Die bloße Mahnung, auch wenn sie mehrfach und unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln erfolgt, stellt daher für sich gesehen noch keine Belästigung dar. Vielmehr müssen zusätzliche Umstände hinzutreten, etwa stündliche Anrufe oder solche in der Nachtzeit, um den Verbraucher an seine Schuld zu erinnern. (Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rn. 1.46).
72Ausgehend hiervon handelt es sich bei der streitgegenständlichen SMS vom 29.01.2021, die ihre Adressatin unstreitig nicht zur Nachtzeit, sondern um 11:22 Uhr erreichte, nicht um eine Belästigung im Sinne des § 4a Abs. 1 UWG.
73Dabei ist insbesondere die aktuelle gesellschaftliche Informationswirklichkeit in den Blick zu nehmen. Der Erhalt einer SMS stellt aus der Sicht ihres Empfängers in heutigen Zeiten, in denen nahezu jeder eigenverantwortlich handelnde, geschäftsfähige Verbraucher über ein Smartphone verfügt, keinen tiefgreifenden Eingriff in die Privatsphäre dar und ist letztlich nicht (mehr) anders zu beurteilen, als etwa der Erhalt einer E-Mail, mittels derer eine Mahnung/Zahlungserinnerung in rechtlich unbedenklicher Weise versandt werden kann. Denn regelmäßig sind die Smartphones der Nutzer so eingerichtet, dass nicht nur der Eingang einer SMS oder einer anderen Mitteilung (Messenger-Nachrichten, Mitteilungen über soziale Netzwerke, etc.), sondern auch der Eingang einer E-Mail mittels sog. Push-Meldung – unter Umständen auch auf dem Sperrbildschirm – automatisch angezeigt wird, ohne dass der Nutzer seinen E-Mail-Account hierfür gezielt aufrufen muss. Mit dem Erhalt einer SMS ist daher die für eine Belästigung nach § 4a Abs. 1 UWG vorauszusetzende Intensität nicht verbunden. Sie stellt keinen unzumutbaren Eingriff in die Privatsphäre der angesprochenen Person dar. Zumal der potentielle Empfänger diesen Kommunikationskanal durch die Angabe seiner Mobilrufnummer bei dem Anbieter der Waren oder Erbringer der Dienstleistung regelmäßig selbst eröffnet haben wird. Zudem obliegt es jedem Einzelnen, durch entsprechende Einstellungen des auf seinem/ihrem Smartphone installierten Betriebssystems darüber zu entscheiden, ob er/sie eingehende Nachrichten (E-Mails, SMS, Messenger-Nachrichten, etc.) als sog. Push-Meldungen automatisiert und noch dazu auf dem Sperrbildschirm angezeigt erhalten will oder nicht. Mithin ist die Sichtweise des Klägers verfehlt, wonach sich der Empfänger einer SMS – anders als bspw. bei einem Brief – der Kenntnisnahme nicht verschließen kann. Dass die Möglichkeit besteht, derartige Einstellungen vorzunehmen, ist senatsbekannt, so dass kein Bedürfnis besteht, den vom Kläger angebotenen Beweis darüber zu erheben, dass eingehende SMS stets auf dem Sperrbildschirm erscheinen.
74Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die Beklagte zunächst zweimal erfolglos auf postalischem Weg gemahnt hat, bevor sie die beanstandete SMS mit der Zahlungserinnerung versandte. Damit hat sie sich für eine abgestufte Vorgehensweise entschieden, die insbesondere auch auf die Interessen der vermeintlich säumigen Verbraucherin Rücksicht genommen hat, indem sie zunächst einen weniger direkten Kommunikationskanal zur Mahnung der vermeintlich bestehenden Forderung gewählt hat.
75bb.
76Auch ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG liegt nicht vor, da die streitgegenständliche SMS keine unzumutbare Belästigung darstellt.
77(1)
78§ 7 Abs. 1 Satz 1 UWG erfasst, anders als § 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und Abs. 3 UWG, nicht nur die Werbung, sondern alle geschäftlichen Handlungen, so dass gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG alle Handlungen vor, bei und nach Vertragsschluss erfasst sind, sofern sie in einem unmittelbaren und objektiven Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes oder Bezugs oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages – d. h. auch mit der streitgegenständlichen Durchsetzung von vermeintlichen Ansprüchen – stehen.
79(2)
80Belästigend ist eine geschäftliche Handlung, die dem Empfänger gegen seinen erkennbaren oder doch mutmaßlichen Willen aufgedrängt wird und die bereits wegen ihrer Art und Weise unabhängig von ihrem Inhalt als störend empfunden wird (BGH GRUR 2011, 747 Rn. 17 – Kreditkartenübersendung mwN; WRP 2019, 879 Rn. 12 – WiFiSpot; Köhler/Bornkamm, 42. Aufl. 2024, UWG § 7 Rn. 29).
81(3)
82Unzumutbar ist eine Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG, wenn sie eine solche Intensität erreicht, dass sie von einem großen Teil der Verbraucher als unerträglich empfunden wird, wobei der Maßstab des durchschnittlich empfindlichen Adressaten zugrunde zu legen ist. Dabei kommt es nicht einseitig auf die Perspektive des Adressaten an. Die Unzumutbarkeit ist vielmehr zu ermitteln durch eine Abwägung der auch verfassungsrechtlich geschützten Interessen des Adressaten, von der geschäftlichen Handlung verschont zu bleiben, und des Unternehmers, der seine gewerblichen Leistungen zur Geltung bringen will (vgl. BGH GRUR 2010, 939 Rn. 24 – Telefonwerbung nach Unternehmenswechsel; GRUR 2010, 1113 Rn. 15 – Grabmalwerbung; GRUR 2011, 747 Rn. 17 – Kreditkartenübersendung; WRP 2019, 879 Rn. 27 – WiFiSpot; KG, Beschluss vom 03.11.2021 – 5 W 140/21 [nicht veröffentlicht, Bl. 114 ff. eA I]; Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rn. 31).
83(4)
84Selbst wenn man unterstellt, dass das Verhalten der Beklagten im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG belästigend wäre, wäre die Belästigung nach diesen Maßstäben jedenfalls nicht unzumutbar.
85(a)
86Mit der SMS vom 29.01.2021 verfolgte die Beklagte den – grds. legitimen – Zweck, eine (vermeintlich) bestehende Forderung gegenüber der (vermeintlichen) Schuldnerin durchzusetzen.
87(b)
88Wie bereits dargelegt, ist mit dem Erhalt von SMS regelmäßig kein tiefer Eingriff in die Privatsphäre verbunden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Empfänger vom SMS – im Gegensatz zu Telefonanrufen – zeitlich selbst bestimmen kann, wann er diese zur Kenntnis nehmen möchte. Außerdem lassen sich solche Nachrichten ohne großen Aufwand entfernen (vgl. KG, a.a.O.; Beschluss vom 11.10.2021 – 5 W 134/21 [nicht veröffentlicht, Bl. 126 ff. eA I]).
89Soweit der Kläger hiergegen im Wesentlichen einwendet, diese Sichtweise verkenne, dass der Empfänger einer SMS diese regelmäßig automatisch auf dem Sperrbildschirm seines Smartphones angezeigt erhalte, so dass sie ihn auch in ausgesprochen ungelegenen, gar intimen Lebenssituationen erreichen und dadurch erheblich unter Druck setzen könne, verfängt dies aus den bereits dargestellten Gründen nicht.
90Ob eine andere Beurteilung gerechtfertigt ist, wenn ein Schuldner mit einer Vielzahl von SMS oder solchen, die zur Nachtzeit bei ihm eingehen, konfrontiert wird, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Jedenfalls ist die von einem (vermeintlichen) Schuldner hinzunehmende Lästigkeitsgrenze nicht überschritten, wenn – wie hier – lediglich eine SMS versandt wird, nachdem die (vermeintliche) Schuldnerin auf zwei zuvor postalisch erhaltene Mahnungen hin nicht reagiert hat (vgl. KG a.a.O.).
91cc.
92Nach den insoweit unmissverständlichen Darlegungen in der Berufungsbegründung stützt der Kläger den von ihm geltend gemachten Unterlassungsanspruch weder auf eine Verletzung von § 35a GmbHG, noch auf eine Verletzung der DSVGO, so dass sich Ausführungen hierzu erübrigen.
93dd.
94Aus den dargestellten Gründen folgt der mit dem Klageantrag zu 1 a geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch nicht aus § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG i. V. m. § 4a Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 UWG oder § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG.
95b.
96Dem Kläger steht jedoch der mit dem Hilfsantrag zu 1 b geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu.
97aa.
98Zwar folgt dieser – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – nicht aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG i. V. m. § 4 Abs. 1 UKlaG, weil insoweit die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede greift.
99Gemäß § 11 Abs. 1 UWG verjähren die Ansprüche aus den §§ 8, 9 Abs. 1 und § 13 Abs. 3 UWG in sechs Monaten, wobei die Verjährungsfrist gemäß § 11 Abs. 2 UWG beginnt, wenn der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Dies war bereits am 01.02.2021 der Fall, weil dem Kläger die streitbefangene SMS unstreitig an diesem Tag zur Kenntnis gebracht wurde.
100Folglich ist ein etwaiger aus § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG resultierender Unterlassungsanspruch gemäß § 11 Abs. 1 UWG i. V. m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Satz 1 BGB bereits mit Ablauf des 02.08.2021 (Montag) und damit lange Zeit bevor der Kläger diesen Streitgegenstand mit Schriftsatz vom 13.07.2022 anhängig gemacht hat verjährt.
101bb.
102Allerdings folgt der Unterlassungsanspruch des Klägers aus § 2 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG i. V. m. § 3 Abs. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1, Abs. 2 Fall 1 UWG.
103(1)
104Zunächst einmal sind diejenigen Vorschriften des UWG, die der Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG dienen, als Verbraucherschutzgesetze im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG anzusehen. Dies sind neben den Verboten des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG und der Verbrauchergeneralklausel des § 3 Abs. 2 UWG auch § 3 Abs. 1 UWG i. V. m. §§ 4a, 5, 5a und 5b UWG sowie § 3 Abs. 1 UWG i. V. m. § 6 Abs. 2 UWG (vgl. Köhler/Bornkamm, 42. Aufl. 2024, UKlaG § 2 Rn. 72).
105(2)
106In dem Versenden der streitgegenständlichen SMS liegt eine unlautere und damit im Sinne der § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1 UWG unzulässige geschäftliche Handlung. Denn die Beklagte hat damit gegen § 5 Abs. 1, Abs. 2 Fall 1 UWG verstoßen.
107Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Gemäß § 5 Abs. 2 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben (Fall 1) oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über – nachfolgend aufgezählte – Umstände enthält (Fall 2).
108(a)
109Die von der Beklagten per SMS versandte Zahlungsaufforderung stellt aus den bereits dargelegten Gründen (s. o.) eine geschäftliche Handlung dar.
110(b)
111Überdies stellt die konkludente Behauptung, es sei zu einem entsprechenden Vertragsschluss zwischen der angesprochenen Verbraucherin und X gekommen, eine unwahre Angabe im Sinne von § 5 Abs. 2 Fall 1 UWG dar (vgl. BGH, Urteil vom 20.10.2021 – I ZR 17/21 –, Rn. 12, juris – Identitätsdiebstahl II).
112Soweit die Beklagte hiergegen einwendet, in der von ihr versandten SMS seien keinerlei Angaben enthalten gewesen, die Anknüpfungspunkt einer irreführenden Behauptung sein könnten – insbesondere seien dort keinerlei Ausführungen zur konkret geltend gemachten Forderung, ihrem Gläubiger und/oder dem Rechtsgrund (etwa dem vermeintlich zugrunde liegenden Vertragsverhältnis) gemacht worden, so dass mit ihr nicht im Sinne der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs über den Abschluss eines Vertrags habe getäuscht werden können –, verfängt dies letztlich nicht. Zwar ist es zutreffend, dass die SMS lediglich den Hinweis auf eine nicht näher benannte, auslaufende Zahlungsfrist und die mit einem weiterführenden Link versehene Aufforderung zur Begleichung der nicht näher spezifizierten Forderung enthält. Allerdings ändert dies nichts daran, dass die Beklagte damit konkludent das Bestehen der dieser Zahlungsaufforderung zugrunde liegenden Forderung und damit gleichfalls das Zustandekommen des dieser Forderung zugrunde liegenden Vertrags behauptet hat. Dabei ist insbesondere in den Blick zu nehmen, dass die Beklagte der Verbraucherin unter dem 14. und 26.01.2021 zum „persönlichen“ Geschäftszeichen 01 bereits zwei Mahnungen auf dem Postweg übersandte, ausweislich derer die Verbraucherin wegen einer vermeintlich bei X getätigten Warenbestellung einen Betrag in Höhe von 38,13 Euro schulden sollte. Damit hat die Beklagte zweifellos die – unstreitig unwahre – Behauptung eines zwischen der Verbraucherin und X geschlossenen Kaufvertrags und der daraus resultierenden Kaufpreisschuld aufgestellt. Mit der am 29.01.2021 versandten SMS, die ebenfalls die Beklagte als Absenderin ausweist und das „persönliche“ Geschäftszeichen 01 sowie die auch in den schriftlichen Mahnung enthaltene, falsche Namensangabe der Verbraucherin („…“) enthält, hat die Beklagte unzweideutig Bezug auf die vorausgegangenen schriftlichen Mahnung genommen und damit konkludent die darin gemachten Behauptungen erneuert bzw. ein weiteres Mal aufgestellt.
113(c)
114Die unwahre Angabe war auch zur Täuschung der angesprochenen Verbraucherin geeignet.
115Insoweit reicht bereits die abstrakte Eignung zur Täuschung gegenüber einem erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrskreises, die im Streitfall zu bejahen ist, aus. Gerade bei dem Erwerb geringwertiger Waren im Internet – so hier – ist nicht auszuschließen, dass ein erheblicher Teil der Durchschnittsverbraucher nach dem Zugang einer entsprechenden unberechtigten Zahlungsaufforderung annehmen könnte, sie/er habe – etwa versehentlich oder nicht mehr erinnerlich – den behaupteten Vertrag geschlossen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 15, juris m.w.N.).
116(d)
117Die mit einer Zahlungsaufforderung verbundene – konkludente – unwahre Angabe eines zugrundeliegenden Vertragsschlusses ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 19, juris m.w.N.), der der Senat folgt, auch dazu geeignet, die angesprochenen Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten.
118(e)
119Auch ein etwaiger Irrtum der Beklagten bzw. des sie mit der Forderungsbeitreibung beauftragenden Unternehmens über den Bestand der Forderung und/oder das Zustandekommen des behaupteten Vertrags führt zu keinem anderen Ergebnis.
120Ein Irrtum des Unternehmers über den Umstand einer vorhergehenden Bestellung durch den zur Zahlung aufgeforderten Verbraucher ist im Rahmen der Prüfung der Unlauterkeit einer geschäftlichen Handlung auch dann nicht zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, wenn dieser Irrtum nicht vorwerfbar ist. Die Annahme einer irreführenden Handlung im Sinne von Art. 6 der Richtlinie 2005/29/EG, dessen Umsetzung § 5 UWG dient, setzt grundsätzlich nicht voraus, dass der Gewerbetreibende vorsätzlich eine objektiv falsche Angabe macht. Ferner braucht bei einer Geschäftspraxis, die – wie hier – alle in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG (§ 5 Abs. 1 UWG) genannten Voraussetzungen einer den Verbraucher irreführenden Praxis erfüllt, nicht mehr geprüft zu werden, ob eine solche Praxis auch den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/29/EG (§ 2 Abs. 1 Nr. 9, § 3 Abs. 2 UWG) widerspricht, um sie als unlauter ansehen zu können (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 22, juris unter Verweis u. a. auf EuGH, Urteil vom 19. September 2013 - C-435/11, GRUR 2013, 1157 Rn. 42 bis 45 = WRP 2014, 38 - CHS Tour Services; EuGH, GRUR 2015, 600 Rn. 63 - UPC Magyarország; BGH, GRUR 2019, 1202 Rn. 26 - Identitätsdiebstahl I).
121(3)
122Der Unterlassungsanspruch ist auch nicht verjährt.
123Der Lauf der bei Ansprüchen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG einschlägigen regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) begann gemäß § 199 Abs. 1 BGB erst mit Schluss des Jahres 2021 (die streitgegenständliche SMS datiert auf den 29.01.2021) und endet demgemäß nach § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB erst mit Ablauf des 31.12.2024, so dass die mit Schriftsatz vom 17.03.2023 ausgesprochene Klageerweiterung noch innerhalb der laufenden Verjährungsfrist erfolgt ist.
124c.
125Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Abmahnkosten nebst Zinsen besteht nicht.
126Denn mit der allein auf §§ 4a, 7, 8 UWG gestützten Abmahnung hat der Kläger die Beklagte unberechtigterweise auf umfassende Unterlassung der Forderungsbeitreibung per SMS in Anspruch genommen (s. o.), so dass ein Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 UWG – der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage – ausscheidet.
127III.
1281.
129Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 Abs. 1 ZPO
130Der Kläger ist hinsichtlich des mit 15.000,00 € zu bemessenden Klageantrags zu 1 a sowie hinsichtlich des kostenneutralen Klageantrags zu 2 unterlegen, so dass die von ihm eingelegte Berufung insoweit ohne Erfolg bleibt (§ 97 Abs. 1 ZPO). Die Beklagte hingegen ist hinsichtlich des ebenfalls mit 15.000,00 € zu bemessenden Klageantrags zu 1 b unterlegen, wobei es für die zu treffende Kostenentscheidung unerheblich ist, dass der Anspruch aus § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG und nicht aus § 8 Abs. 1 UWG folgt, weil es sich insoweit – wie bereits dargelegt – um denselben Streitgegenstand handelt
1312.
132Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO. Durch das Urteil ist keine der Parteien in einem Umfang von mehr als 15.000,00 € beschwert.
1333.
134Anlass, die Revision zugelassen, besteht nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).