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Unter Aufhebung des angefochtenen Urteils wird die Betroffene freigesprochen.Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Betroffenen hat die Staatskasse zu tragen.
G r ü n d e
2I.
3Das Amtsgericht hat die Betroffene wegen einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit gemäß den §§ 21 Abs. 1 Nr. 1 FernUSG i.V.m. § 12 I 1 FernUSG zu einer Geldbuße von 3.000 € verurteilt. Zum Schuldspruch hat es dabei folgende Feststellungen getroffen:
4"Die Betroffene bietet jedenfalls seit dem 3.9.2003 die Studiengänge zum "Bachelor of Finance" und "Bachelor of Financial Information Systems" und seit dem Wintersemester 04/05 den Studiengang "Corporate Banking" zum "Bachelor of Science" an. Mit Schreiben vom 12.3.2006 [Senat: richtig 12.6.2003] hat das Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen der Betroffenen die Anerkennung als private Fachhochschule gem. § 114 Abs. 2 und 3 i.V.m. § 113 HG NW für die Studiengänge "Bachelor of Finance" und "Bachelor of Financial Information Systems" ausgesprochen. Mit Schreiben vom 17.9.2006 wurde die staatliche Anerkennung auf den Studiengang "Corporate Banking" erstreckt. Eine Zulassung nach § 12 FernUSG besitzt die Betroffene nicht.
5Die Studiengebühren belaufen sich auf ca. 12.600 € zuzüglich 600 € Prüfungsgebühr. Während des Studiums erfolgen studienbegleitende Prüfungen. Es ist möglich das Studium neben einer Berufstätigkeit zu absolvieren. Hierauf wird auf der Homepage der Betroffenen ausdrücklich hingewiesen.
6Die Studiengänge sind so gestaltet, dass nach Einschreibung in den jeweiligen Studiengang bei der Betroffenen die Lehrmaterialien zum Herunterladen im Internet dem Studierenden zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus werden Präsensveranstaltungen angeboten, die laut Internetauftritt zur Wiederholung und Verfestigung prüfungsrelevanter Lerninhalte dienen.
7Der gesamte Studiengang zum Bachelor umfasst 6 Semester mit insgesamt 36 sogenannten Modulen. Der Arbeitsaufwand für jeden Studiengang wird dabei in sogenannten Credits gemessen. Für jeden Studiengang müssen insgesamt 210 Credits erarbeitet werden. Davon entfallen auf die anzufertigende Bachelorarbeit 30 Credits. Die übrigen 180 Credits entfallen auf 36 Module. Für jedes Modul gibt es 5 Credits. 4 Module, mithin 20 Credits ‑ die dem Erwerb der sogenannten Schlüsselqualifikationen dienen ‑ werden nach der als wahr unterstellten Aussage des Zeugen C ‑ ausschließlich in Präsenzveranstaltungen unterrichtet. Je 5 Credits entfallen auf zwei anzufertigende Semesterarbeiten. Im übrigen werden ‑nach der ebenso als wahr unterstellten Aussage des Zeugen C ‑ pro Modul ca. 40 Arbeitstunden für die Wissensvermittlung aufgewendet, davon 15 Stunden im Präsenzunterricht. Weitere Arbeitsstunden fallen für die eigene Wiederholung und Vertiefung des vermittelten Wissens durch die Studierenden an.
8Die ZFU hat die Betroffene vor Erlass des Bußgeldbescheides vom 29.11.2004 mit Schreiben vom 3.9.2003 darauf hingewiesen, dass Anlass zu der Annahme bestehe, dass es sich bei den von der Betroffenen angebotenen Lehrgängen "Finance" und Financial Information Systems" um Studiengänge nach dem Fernunterrichtsgesetz handele und dass gern. § 21 Abs. 1 FernUSG ordnungswidrig handele, wer vorsätzlich oder fahrlässig als Veranstalter einen Fernlehrgange, der nicht nach § 12 Abs. 1 Satz 1 FernUSG zugelassen ist vertreibt. Mit Schreiben vom 27.10.2003 hat sie angekündigt, dass sie beabsichtige einen entsprechenden Bußgeldbescheid zu erlassen. Das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Landes Nordrhein‑Westfalen hat mit Schreiben vom 13.11.2003 an die ZFU ebenso wie das Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein‑Westfalen im Schreiben vom 15.10.2003 die Ansicht vertreten, die ZFU sei für die Betroffene als staatliche anerkannte Hochschule nicht zuständig."
9In den Ausführungen zur rechtlichen Würdigung heißt es weiter:
10"Die Betroffene hat eine vorsätzliche Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 21 FernUSG verwirklicht, denn sie hat als Veranstalterin einen Fernlehrgang ohne die entsprechende Zulassung nach § 12 FernUSG vertrieben.
111. Bei den angebotenen Bachelor‑Studiengängen handelt es sich um Fernunterricht i.S. des § 1 FernUSG. Die Studiengänge erfolgen aufgrund einer privatrechtlichen Vereinbarung gegen Entgelt, betreiben, der Lehrerfolg wird überwacht. Bei der Vermittlung der Kenntnisse und Fähigkeiten während des Studienganges sind Lehrende und Lernende auch überwiegend räumlich getrennt.
12Von einer überwiegend räumlichen Trennung ist dann auszugehen, wenn weniger als die Hälfte des Lehrgangsstoffes im herkömmlichen Nah‑ oder Direktunterricht vermittelt wird (Faber/Schade, FernUSG § 1 Rdn. 12).
13Dass hier eine überwiegende räumliche Trennung vorliegt, ergibt sich bereits aus dem von der Betroffenen verwendeten sog. Creditsystem.
14Von den 210 sogenannten Credits, mit denen der Arbeitsaufwand gemessen wird, werden 30 für die Bachelor-Arbeit und weitere 10 für 2 Semesterarbeiten vergeben. Bei diesen Arbeiten handelt es sich nicht um Wissensvermittlung durch Lehrende, sondern vielmehr um selbständig zu erbringende Eigenleistungen des Studierenden. Daher müssen diese Credits bei der Frage, ob bei der Vermittlung der Kenntnisse und Fähigkeiten Lehrende und Lernende überwiegend räumlich getrennt sind, außer acht bleiben.
15Von den übrigen 170 Credits sind nach den Bekundungen des Zeugen C 20 Credits ausschließlich über Präsenzveranstaltungen zu erreichen. Bei den restlichen 150 Credits erfolgt die Wissensvermittlung durch die Lehrenden zu 3/8 durch Präsenzunterricht (entsprechend 15 Stunden von 40), zu 5/8 über die Internetplattform (25 Stunden von 40 Stunden). Dementsprechend wird die Vermittlung von Fähigkeiten im Rahmen dieser 150 Credits bei 56,25 Credits durch Präsenzunterricht durchgeführt, bei 93,75 Credits über die Internetplattform. Damit erfolgen im Rahmen der 170 Credits ‑ soweit Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden ‑, bei 76,25 Credits (56,25 zuzüglich 20) die Vermittlung über Präsenzveranstaltungen, bei 93,25 Credits über die Internetplattform. Die räumliche Trennung zwischen Lehrendem und Lernendem überwiegt daher.
162. Entgegen der Auffassung der Betroffenen unterfällt sie als private Hochschule auch dem FernUSG. Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht aus Art 2 Abs. 3 des Staatsvertrages über das Fernunterrichtswesen. Aus der Systematik des FernUSG ist Art 2 Abs. 3 des Staatsvertrages nur so zu verstehen, dass lediglich öffentlichrechtliche Hochschulen aus der Anwendung des FernUSG befreit werden sollen, nicht dagegen privatrechtliche Hochschulen, die bzw. deren Lehrgänge staatlich nach dem HG NW anerkannt sind. Denn die Länder wollten der ZFU mit dem Staatsvertrag alle Aufgaben, die mit dem FernUSG zusammenhängen, übertragen und nicht etwa eine weitere Einschränkung in der Anwendbarkeit des FernUSG vornehmen. Die öffentlich‑rechtlichen Hochschulen sind bereits aus der Anwendbarkeit des FernUSG herausgenommen, da es hier an einer privat‑rechtlichen Grundlage des Unterrichts i.S.v. § 1 FernUSG fehlt. Die Einschränkung des Art. 2 Abs. 3 des Staatsvertrages bezieht sich hingegen auf Art. 2 Abs. 1 und 2 des Staatsvertrages, da danach der Zentralstelle überwiegend Aufgaben überwiesen werden, die nicht die Ausführung des FernUSG betreffen. Sie schränkt dagegen nicht die Anwendbarkeit des FernUSG ein (so auch Faber/Schade, FernUSG, § 19 Rdn. 5; AG Köln, Urteil vom 4.11.2004, 521 Owi 100/03).
17Die Betroffene kann sich auch nicht darauf berufen, dass das FernUSG deshalb keine Anwendung findet, da ‑ soweit eine nichtstaatliche Hochschule Fernstudiengänge auf privatrechtlicher Grundlage betreibe ‑ , dieses der Rahmengesetzgebungsbefugnis nach Art 75 Abs. 1 Nr. 1a GG zuzurechnen und daher der Bund nicht zuständig sei. Die Zuständigkeit des Bundes zur Regelung der Zulassungspflicht von Fernlehrgängen folgt aus Art. 74 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft). Der Veranstalter von Fernunterricht nimmt durch die privat‑rechtliche ausgestaltete, entgeltliche Vermittlung von Fähigkeiten ‑ auch wenn es sich um eine staatliche anerkannte private Hochschule handelt ‑ durch diese Dienstleistung am wirtschaftlichen Leben teil. Da die Zulassungsvorschrift des §12 FernUSG letztlich dem Verbraucherschutz dient, das Recht der Wirtschaft auch Bestimmungen umfasst, die eine wirtschaftliche Betätigung unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes regeln (BVerfGE 26, 216, 254) und unterfällt daher auch die Regelung der Zulassungspflicht der Bundeskompetenz gern. § Art. 74 Nr. 11 GG (so auch Faber/Schade, FernUSG § 12 Rdn. 2 ff.).
18Ohne Bedeutung ist auch, dass der Leiter der staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht ‑ entsprechend dem als wahr unterstellten Vortrag der Betroffenen am 30.5.2006 u.a. gegenüber dem Zeugen Prof. M dargelegt und bestätigt hat, dass die Zentralstelle für Fernunterricht für Studiengänge an Hochschulen (privat und öffentlich), so auch für Studiengänge zum Bachelor generell nicht zuständig ist. Die am 30.5.2006 von dem Leiter der staatlichen Zentralstelle vertretene Rechtsauffassung vermag die durch das Gesetz gegebene Rechtslage nicht zu ändern.
193. Die Betroffene hat in subjektiver Hinsicht auch vorsätzlich gehandelt. Sie wusste spätestens durch das Schreiben der ZFU vom 3.9.2003, dass die von ihr angebotenen Bachelor‑Studiengänge als Fernunterricht einzustufen sind und der Zulassung bedürfen.
20Die Betroffene kann sich nicht darauf berufen, dass hier ein unvermeidbarer Verbotsirrtum vorliege und sie daher gern. § 11 Abs. 2 OWiG nicht schuldhaft gehandelt habe.
21Zwar ist es zutreffend, dass das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Landes Nordrhein‑Westfalen bereits mit Schreiben vom 13.11.2003 an die ZFU ebenso wie das Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen die Ansicht vertreten hat, die ZFU sei für die Betroffene als staatliche anerkannte Hochschule nicht zuständig. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Betroffene jedenfalls mit der Möglichkeit rechnen musste und auch tatsächlich rechnete, contra legem Fernunterrichtslehrgänge ohne die erforderliche Zulassung anzubieten und die Möglichkeit Unrecht zu tun jedenfalls billigend in Kauf nahm. Denn durch die Kontroverse mit der ZFU wusste die Betroffene, dass jedenfalls die ZFU die Ansicht vertrat, dass auch für staatlich anerkannte Hochschulen eine Zulassung nach dem FernUSG erforderlich war. Durch Schreiben vom 27.10.2003 hatte ihr die ZFU ausdrücklich mitgeteilt, dass sich Art. 2 Abs. 3 des Staatsvertrages nur auf den öffentlich‑rechtlichen Bereich bezieht. Insoweit hatte die Betroffene jedenfalls ein bedingtes Unrechtsbewusstsein. Es fehlt daher an einem Verbotsirrtum i.S.v. § 11 OWiG."
22Mit der Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt.
23Durch Beschluss des Einzelrichters vom 29. September 2006 ist die Sache gemäß § 80a Abs. 3 S. 1 OWiG dem Senat zur Entscheidung in der Besetzung mit drei Richtern übertragen worden.
24II.
25Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde begegnet hinsichtlich ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen keinen Bedenken. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Schon die Überprüfung aufgrund der Sachrüge führt gemäß §§ 353 StPO, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Freisprechung der Betroffenen (§ 79 Abs. 6 OWiG).
26Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts tragen den Schuldspruch nicht. Sie ermöglichen dem Senat vielmehr eine abschließende Sachentscheidung dahin, dass die Betroffene vom Vorwurf der Ordnungswidrigkeit nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 FernUSG (jedenfalls) deshalb freizusprechen ist, weil ihre Verantwortungsträger in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum und daher gemäß § 11 Abs. 2 OWiG nicht vorwerfbar gehandelt haben.
271.
28Zweifelhaft erscheint bereits, ob die Betroffene überhaupt den objektiven Tatbestand der ihr angelasteten Ordnungswidrigkeit erfüllt hat.
29a)
30Nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 FernUSG handelt ordnungswidrig, wer als Veranstalter (u.a.) einen Fernlehrgang, der nicht nach § 12 Abs. 1 Satz 1 FernUSG zugelassen ist, vertreibt. § 12 FernUSG bestimmt, dass Fernlehrgänge der Zulassung bedürfen (Abs. 1 Satz 1), und bezeichnet die Voraussetzungen für eine Versagung dieser Zulassung.
31Fernunterricht im Sinne dieses Gesetzes ist gemäß § 1 Abs. 1 FernUSG die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der (1.) der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt und (2.) der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwacht.
32Ausgehend von den im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen dürften bei den von der Betroffenen angebotenen Studiengängen sämtliche Begriffsmerkmale des Fernunterrichts im Sinne des FernUSG erfüllen sein, so dass sie auch der Zulassungspflicht nach § 12 Abs. 1 Satz 1 FernUSG unterliegen dürften. Dem steht nicht entgegen, dass die Betroffene die Stellung einer staatlich anerkannten Hochschule einnimmt. Denn in § 1 FernUSG wird nicht darauf abgestellt, ob der Veranstalter nach seiner Rechtsform dem öffentlichen oder privaten Recht zuzuordnen ist und welche Stellung er im Bildungswesen einnimmt. Maßgeblich ist vielmehr, auf welcher rechtlichen Grundlage der Unterricht - von wem auch immer - erteilt wird. Dementsprechend heißt es auch in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (v. 03.11.1975 - BT-Drucks. 7/4245 Seite 14) zu § 1 FernUSG, die Bestimmung finde "keine Anwendung auf Fernunterricht, der auf öffentlich-rechtlicher Grundlage veranstaltet wird (z.B. Rundfunk- und Fernsehanstalten, Fernuniversitäten, innerdienstlicher Fernunterricht einer Behörde), es sei denn, daß im Einzelfall ein privatrechtlich gestalteter Fernunterrichtsvertrag vorliegt". Vom Geltungsbereich des Gesetzes soll mithin nur solcher Fernunterricht ausgenommen sein, der auf einer öffentlich-rechtlichen Grundlage beruht (so schon SenE v. 01.07.2005 - 8 Ss-OWi 24/05 -).
33Etwas anderes ergibt sich nach Auffassung des Senats nicht aus Art. 2 Abs. 3 des Staatsvertrages über das Fernunterrichtswesen 16.02.1978. Danach gelten die Absätze 1 und 2 dieses Artikels, in denen die Aufgaben der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) - u.a. als zuständige Behörde nach dem FernUSG - beschrieben werden, "nicht im Hochschulbereich". Es dürfte sich dabei allein um eine Regelung der Behördenzuständigkeit, insbesondere bei der Ausführung verschiedener Bundesgesetze, darunter des FernUSG, handeln, die keinen Bezug hat zu den Bestimmungen in den Art. 7 und 8 des Staatsvertrages hat, in denen die in § 12 Abs. 2 S. 2 FernUSG vorbehaltene Normsetzung der Landesgesetzgeber für die Zulassung aller nach dem FernUSG zulassungsbedürftigen Fernlehrgänge vorgenommen worden ist (vgl. a. Faber/Schade, FernUSG, § 19 Rdnr. 5). Der Bundesgesetzgeber hat den Ländern in § 12 Abs. 2 S. 2 FernUSG die Möglichkeit eingeräumt, durch nähere Bestimmung über die Versagungsgründe Einfluss auf die Anforderungen für die Erteilung der Zulassung von Fernlehrgängen zu nehmen. Das FernUSG sieht aber nicht vor, dass die Länder auch den Anwendungsbereich des FernUSG - etwa durch Bestimmungen über die Zuständigkeit der von ihnen eingerichteten Zentralstelle - einschränken können.
34Die Bestimmung des Art. 2 des Staatsvertrages befasst sich dementsprechend ausschließlich mit den Zuständigkeit der eingerichteten Behörde. Sie hat keinen materiell-rechtlichen Gehalt und füllt auch keine Vorbehalt des FernUSG zur näheren Ausgestaltung einer dort getroffenen materiell-rechtlichen Regelung aus, wie dies in Bezug auf die Versagungsgründe in § 12 Abs. 2 S. 2 FernUSG vorgesehen ist.
35b)Wenn die Betroffene danach einer Zulassung der angebotenen Studiengänge nach § 12 Abs. 1 S. 1 FernUSG bedurfte, so ist damit allerdings noch nicht ohne weiteres geklärt, dass sie ohne entsprechende Zulassung und somit ordnungswidrig gehandelt hat.
36Der Hochschulbereich i. S. d. Art. 2 Abs. 3 des Staatsvertrages, der aus der Zuständigkeit der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht herausgenommen wird, umfasst nach dem Verständnis des Senats nicht nur die staatlichen Hochschulen, sondern auch die staatlich anerkannten Hochschulen, zu denen die Betroffene für die hier fraglichen Studiengänge gehört. Für diesen Bereich wäre daher die zuständige Behörde nicht die Zentralstelle, sondern eine nach dem jeweiligen Landesrecht, hier also nach dem Landesorganisationsgesetz NRW (§ 5 Abs. 3 LOG NRW), zu bestimmende Landesbehörde.
37Insoweit kommt hier namentlich das Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen in Betracht. Von daher wäre weiter zu klären, ob nicht mit der am 12.6.2003 (nicht: 12.3.2006) durch dieses Ministerium ausgesprochenen Anerkennung nach dem §§ 114 Abs. 2 u. 3, 113 HG NRW inzidenter auch die Zulassung nach dem FernUSG erteilt worden ist. Denn es erscheint nahe liegend, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung als Hochschule (§ 113 HG NRW) höhere Anforderungen an die Ausgestaltung des Fernunterrichts stellen als die in den §§ 12 ff. FernUSG sowie Art. 7 und 8 des Staatsvertrages unter Gesichtspunkten des Verbraucherschutzes formulierten Standards.
382.
39Diese Fragen bedürfen hier jedoch keiner weiteren Erörterung und Klärung. Denn selbst wenn die Betroffene Fernlehrgänge vertrieben hat, ohne dass ihr die erforderliche Zulassung seitens der zuständigen Behörde erteilt worden war, fehlt es jedenfalls an der für eine Ahndung erforderlichen Verantwortlichkeit. Denn die Betroffene beruft sich zu Recht auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum der für sie handelnden Personen. Selbst wenn deren Rechtsauffassung, keiner Zulassung durch die ZFU und auch keiner weiteren Genehmigung durch eine andere Behörde zu bedürfen, fehlerhaft gewesen sein sollte, könnte ihnen dies nicht zum Vorwurf gereichen.
40Unvermeidlich ist ein Verbotsirrtum, wenn der Täter trotz der ihm nach den Umständen des Falles, seiner Persönlichkeit sowie seinem Lebens- und Berufskreis zuzumutenden Anspannung des Gewissens - soweit es strafrechtliche Verbote betrifft - bzw. der geistigen Erkenntniskräfte - soweit es Verbote des Ordnungswidrigkeitenrechts betrifft - die Einsicht in das Unrechtmäßige seines Handelns nicht zu gewinnen vermag (SenE v. 23.12.2003 - Ss 537/03 B -; vgl. BGHSt 21, 18 [20] = NJW 1966, 842; Rengier, in: Karlsruher Kommentar, OWiG, 2. Aufl., § 11 Rdnr. 57 ff.; Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 11 Rdnr. 24, jeweils m. w. Nachw.). Der Betroffene kann sich in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befinden, wenn er sich auf Auskünfte von zuständigen Stellen verlässt (BayObLG NStZ 2000, 148; vgl. a. Korte NStZ 2000, 407). Er darf sich auf die Auskunft einer kompetenten sachverständigen Stelle verlassen, wenn sie vertrauenswürdig erscheint. Zu diesen Stellen zählt grundsätzlich die zuständige Verwaltungsbehörde (SenE v. 15.10.1999 - Ss 496/99 B -).
41Das Amtsgericht hat für den vorliegenden Fall einen unvermeidbaren Verbotsirrtum mit der Erwägung verneint, die Betroffene habe durch die Kontroverse mit der ZFU Kenntnis davon gehabt, dass jedenfalls diese Behörde die Ansicht vertrat, es sei eine Zulassung nach dem FernUSG erforderlich. Entscheidend ist demgegenüber aus Sicht des Senats jedoch, dass zwei ebenfalls mit dem Sachgebiet befasste und daher durchaus als kompetent anzusehende Oberste Landesbehörden, das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Landes NRW sowie das Ministerium für Wissenschaft und Forschung dieses Landes, die Auffassung vertreten hatten, die Betroffene bedürfe einer Zulassung durch die ZFU und überhaupt einer weiteren behördlichen Genehmigung zur Durchführung der fraglichen Lehrveranstaltungen nicht. Nach dem - aufgrund einer Wahrunterstellung - festgestellten Sachverhalt hat selbst der Leiter der Zentralstelle "dargelegt und bestätigt, dass die Zentralstelle für Fernunterricht für Studiengänge an Hochschulen (privat und öffentlich), so auch für Studiengänge zum Bachelor generell nicht zuständig ist". Das mag, wie das Amtsgericht dazu in anderem Zusammenhang anführt, an der Rechtslage nichts ändern. Für die Frage der Vermeidbarkeit eines etwaigen Verbotsirrtums entscheidend ist aber, dass von den Verantwortlichen der Betroffenen nicht erwartet werden kann, die Rechtslage anders und - möglicherweise - besser zu beurteilen als der Leiter der Behörde, deren Entscheidungskompetenz in Frage steht, und als mehrere Oberste Landesbehörden.
423.
43Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.