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1. Gerade bei geringer Distanz der Wohnorte der Kindeseltern bedarf ein Ausschluss von Übernachtungen besonderer Rechtfertigung, weil Übernachtungen des Kindes beim umgangsberechtigten Elternteil in der Regel dem Kindeswohl entsprechen.
◦ 2. Das bloße Alter eines Kindes allein ist kein maßgebliches Kriterium für die Frage der Anordnung von Übernachtungskontakten, die bei einem Kind in der ersten Klasse der Grundschule daher regelmäßig nicht "überfordernd“ sind.
1.
Der Antrag der Kindesmutter auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
2.
Dem Kindsvater wird zur Rechtsverteidigung im Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin I bewilligt.
3.
Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Beschwerde der Kindesmutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht -Eschweiler vom 11.10.2018 - 11 F 117/18 - im schriftlichen Verfahren als unbegründet zurückzuweisen.
4.
Die Beteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweis binnen drei Wochen ab Zugang des Beschlusses.
Gründe:
2I.
3Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe kommt nicht in Betracht, weil die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat, § 76 FamFG, § 114 ZPO. Kindeswohldienliche Belange, die für eine Einschränkung des vom Amtsgericht festgelegten Umgangs sprechen können, sind nicht dargetan oder sonst ersichtlich. Die Umgangsentscheidung ist daher nicht zu beanstanden.
4Nach § 1684 Abs. 1 BGB haben Kinder das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit den Kindern verpflichtet und berechtigt. Das Umgangsrecht soll dem Berechtigten die Möglichkeit geben, sich laufend von der Entwicklung und dem Wohlergehen des Kindes zu überzeugen und die bestehenden natürlichen Bande zu pflegen, d.h. einer Entfremdung vorzubeugen und dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung zu tragen. Dem Kind soll das Umgangsrecht ermöglichen, die Beziehung zu dem nicht mit ihm zusammen lebenden Elternteil aufrechtzuerhalten, sie durch Begegnungen und gegenseitige Ansprache zu pflegen. Denn es ist für eine gedeihliche seelische Entwicklung des Kindes bedeutsam, in der Kommunikation mit dem Elternteil Zuneigung zu erfahren, von diesem lernen und Impulse wie Ratschläge erhalten zu können, was ihm Orientierung gibt, zu seiner Meinungsbildung beiträgt und ihm dazu verhilft, sich zu einer selbständigen und eigenverantwortlichen Persönlichkeit zu entwickeln (so schon BVerfG, Beschl. v. 25.10.1994 - 1 BvR 1197/93, FamRZ 1995, 86; BVerfG, Beschl. v. 26.09.2006 - 1 BvR 1827/06, FamRZ 2007, 105; BVerfG, Beschl. v. 29.11.2007 - 1 BvR 1635/07, FamRZ 2008, 494; BGH, Urt. v. 23.05.1984 - IVb ZR 9/83, FamRZ 1984, 778; OLG Koblenz, Beschl. v. 17.07.2008 - 7 UF 208/08, FamRZ 2009, 133; OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.10.2009 - 9 UF 61/09, NJW-RR 2010, 148).
5Maßstab für das von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Erziehungsrecht der Eltern, das ein Recht im Interesse des Kindes ist, ist daher stets das Kindeswohl. Dass dieses eine Beschränkung des Umgangs unter das vom Amtsgericht festgelegte Maß und insbesondere den Ausschluss von Übernachtungskontakten erfordert, ist aber nicht ersichtlich. Das Amtsgericht hat zu Recht hervorgehoben, dass es sich bei C um eine normal entwickelte Erstklässlerin handelt, die die bisherigen Kontakte zum Vater positiv aufgenommen hat, und dass Übernachtungskontakte durchaus die Regel seien.
6Dem tritt der Senat bei. Gerade bei – wie hier - geringer Distanz der Wohnorte der Kindeseltern bedarf ein Ausschluss von Übernachtungen besonderer Rechtfertigung, weil Übernachtungen des Kindes beim umgangsberechtigten Elternteil in der Regel dem Kindeswohl entsprechen (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 21.07.2008 – 5 UF 74/08, FamRZ 2009, 134; KG, Beschl. v. 10.01.2011 – 17 UF 225/10, FamRZ 2011, 825; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 23.01.2013 – 6 UF 20/13, NJW-RR 2013, 452). Denn sie sind grundsätzlich geeignet, die Beziehung des Kindes zum umgangsberechtigten Elternteil zu festigen und dazu beizutragen, dass dieser vom Kind nicht ausschließlich als „Sonntagselternteil“ erlebt wird (OLG Saarbrücken, Beschl. v. 22.12.2008 - 9 UF 100/08, unveröffentlicht; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 23.01.2013 – 6 UF 20/13, NJW-RR 2013, 452). Konkrete, gegen eine Übernachtung sprechende Umstände bringt aber auch die Beschwerde nicht vor. Solche ergeben sich auch nicht aus der Stellungnahme des Verfahrensbeistands.
7Die Sorge, dass Übernachtungen C „überfordern“ könnten und der Vater nicht in der Lage sei, altersgerecht die Übernachtung zu begleiten, teilt der Senat nicht. Das bloße Alter eines Kindes ist kein maßgebliches Kriterium für die Frage der Anordnung von Übernachtungskontakten (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 21.07.2008 – 5 UF 74/08, FamRZ 2009, 134; OLG Nürnberg, Beschl. v. 28.10.2009 – 7 UF 1009/09, FamRZ 2010, 741; OLG Brandenburg, Beschl. v. 29.12.2009 – 10 UF 150/09, FamRZ 2010, 1352). Es dient zudem grundsätzlich nicht dem Entwicklungsprozess von Kindern, sie unter eine „Schutzglocke“ zu legen und ihnen damit alle familiären Auseinandersetzungen ersparen zu wollen (so ausdrücklich OLG Saarbrücken, Beschl. v. 23.01.2013 – 6 UF 20/13, NJW-RR 2013, 452). Auch Kinder müssen lernen, durch neue Strukturen, durch Veränderungen vielfältiger Art belastet zu werden, aus deren Wirklichkeit sie neue Kräfte beziehen (a.a.O.). Hierbei weist der Senat weiter darauf hin, dass das Amtsgericht durch die tenorierte Umgangsregelung eine Anbahnung der Übernachtungskontakte vorgesehen hat, die damit auch aus Sicht des Senates hinreichend vorbereitet werden können.
8II.
9Die Kindesmutter wird daher um Mitteilung binnen drei Wochen gebeten, ob die Beschwerde auch ohne Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und auf eigene Kosten durchgeführt werden soll. Für diesen Fall beabsichtigt der Senat eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren (§ 68 Abs. 3 FamFG), weil von einer mündlichen Verhandlung keine weitergehenden Erkenntnisse zu erwarten sind.