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Die Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten gegen das am 19.07.2019 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 16 O 406/18 – werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 20 % und die Beklagte zu 80 %.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche der Klägerin, deren Fahrzeug vom sogenannten „Abgas-Skandal“ betroffen ist.
3Die Klägerin erwarb mit Kaufvertrag vom 01.02.2013 bei dem Autohaus A in B einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten, seinerzeit ca. ½ Jahr alten Pkw VW C VI 1,6 TDI mit einem km-Stand von 12.566 km zum Preis von 18.500,- Euro. Der Kaufpreis wurde in Höhe von 2.750,- € in bar gezahlt und im Übrigen durch die C finanziert.
4Die Klägerin tätigte Aufwendungen für das Fahrzeug in Höhe von insgesamt 1.036,06 € u.a. für eine neue Batterie und Arbeiten an den Bremsen.
5Nach Bekanntwerden des sog. „VW-Abgasskandals“ im Herbst 2015 stellte sich heraus, dass auch in dem von der Klägerin erworbenen Pkw der Motor EA 189 eine Abschaltvorrichtung verbaut war. Im Prüfstand führte diese Softwarevorrichtung zur Verringerung des Stickoxid-Ausstoßes, damit das Fahrzeug (zum Prüfungszeitpunkt) den Anforderungen der Schadstoffklasse EURO 5 entsprechen konnte. Mit Pressemitteilung vom 16.10.2015 machte das Kraftfahrzeugbundesamt bekannt, dass es gegenüber der Volkswagen AG den Rückruf der Markenfahrzeuge mit dem Dieselmotor des Typs EA 189 angeordnet hat. Der Volkswagen AG wurde auferlegt, geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge herzustellen. Die Beklagte stellte daraufhin ein Software-Update zur Verfügung, das laut Kraftfahrzeugbundesamt geeignet ist, die Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge herzustellen. Das Software-Update wurde am klägerischen Fahrzeug am 10.04.2017 aufgespielt.
6Mit vorgerichtlichem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 12.07.2018 verlangte die Klägerin von der Beklagten die Rückerstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs bis zum 26.07.2018, bot das Fahrzeug wahlweise an ihrem Wohnsitz oder dem Sitz des Verkäufers an und forderte die Beklagte zur Abholung auf. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 13.07.2018 ab.
7Das Fahrzeug der Klägerin hat laut Mitteilung ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 15.01.2020 eine Laufleistung von 112.026 km.
8Die Klägerin hat behauptet, sie hätte das Fahrzeug nicht gekauft, wenn ihr bekannt gewesen wäre, dass das Abgasrückführungssystem über zwei Betriebsmodi verfügt und die Euro 5-Grenzwerte nur im Prüfmodus eingehalten werden. Sie sei bei Abschluss des Kaufvertrages arglistig getäuscht und geschädigt worden. Die nunmehr erfolgte Nachbesserung durch ein Software-Update sei ungeeignet, den Mangel zu beheben; zudem seien schädliche Auswirkungen auf den Motor zu befürchten. Das Software-Update habe – abgesehen davon, dass es im Zeitpunkt des Kaufvertrages, d.h. bei Täuschung und Schädigung der Klägerin, nicht vorhanden gewesen sei – die Mangelhaftigkeit nicht behoben. Es bewirke einen höheren Abgasausstoß und führe zu einer Vielzahl weiterer negativer Auswirkungen, die im Einzelnen dargestellt werden. Deshalb bestehe ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte als Herstellerin des Fahrzeugs. Verjährung ihrer Ansprüche sei nicht eingetreten.
9Nutzungsersatz sei von ihr nicht zu zahlen, weil sie bei Kenntnis der Umstände den Pkw überhaupt nicht erworben hätte und zudem das Fahrzeug von vornherein nicht zulassungsfähig gewesen sei.
10Die Klägerin behauptet, sie habe das Darlehen bei der C inzwischen vollständig getilgt und insgesamt 21.775,55 € an Zins- und Tilgungsleistungen erbracht. Sie behauptet ferner, es bestehe die Gefahr weiterer Schäden, auch steuerlicher Art.
11Die Klägerin hat im ersten Rechtszug beantragt,
121. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 21.775,55 EUR und weiterer Schäden i.H.v. 1.036,06 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.07.2018 Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeuges VW C mit der FIN E inkl. des Zubehörs gem. Punkt B.3 der Klageschrift sowie Zug um Zug gegen Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu zahlen;
132. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet;
143. die Beklagte zu verurteilen, an sie Zinsen in Höhe von 4 % aus 2.750,00 EUR seit dem 01.02.2013 bis zum Verzugsbeginn zu zahlen;
154. die Beklagte zu verurteilen, an sie Zinsen in Höhe von 4 % auf die jeweiligen Raten und Tilgungszahlungen ab dem jeweiligen Zahlungszeitpunkt bis zum Verzugsbeginn zu zahlen;
165. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr Schadensersatz zu bezahlen für weitere Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs VW C mit der FIN E durch die Beklagte womöglich entstehen;
176. die Beklagte zu verurteilen, die durch die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten ihr entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.242,84 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.07.2018 zu zahlen.
18Die Beklagte hat im ersten Rechtszug beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Die Beklagte hat im Wesentlichen vorgetragen, es liege weder eine Täuschung noch eine Schädigung der Klägerin und auch kein Mangel an dem Pkw vor. Das Fahrzeug sei technisch sicher und uneingeschränkt gebrauchstauglich. Auch an der Abgasnorm "EU5" sowie der Befahrbarkeit von Umweltzonen habe sich bei dem Fahrzeug nichts geändert. Jedenfalls sei ein etwaiger Mangel durch das Software-Update behoben. Diese Maßnahme nehme pro Fahrzeug weniger als 1 Stunde Zeit in Anspruch und verursache Kosten von deutlich weniger als 100,00 Euro, die durch die Herstellerin vollumfänglich übernommen würden. Hierdurch arbeite die sogenannte Abgasrückführung in dem Fahrzeug in einem einheitlichen Betriebsmodus. Zum anderen erfolge eine Optimierung des Verbrennungsprozesses durch eine Anpassung der Einspritzcharakteristik. Das Kraftfahrt-Bundesamt habe nach Durchführung der ersten Updates - unstreitig - bestätigt, dass danach alle für Schadstoffemissionen geltenden Grenzwerte eingehalten werden und die Umsetzung der technischen Maßnahmen zu keinerlei negativen Auswirkungen auf Kraftstoffverbrauchswerte, CO-2 Emissionswerte, Motorleistung, Drehmoment und Geräuschemissionen habe. Nach der Durchführung des entsprechenden Updates seien auch im Ausland keine Handelsbeschränkungen mehr im Hinblick auf die betroffenen Fahrzeuge vorhanden. Für den hier betroffenen Fahrzeugtyp liege eine entsprechende Freigabebestätigung des Kraftfahrt-Bundesamtes vor. Nachteilige Auswirkungen auf das Fahrzeug habe das Update nicht, insbesondere werde kein höherer Verschleiß durch das Update ausgelöst.
21Das Landgericht hat der Klage ausgehend von einer sittenwidrigen Schädigung wegen Täuschung über einen Mangel des Fahrzeugs unter Abzug eines Nutzungsvorteils – basierend auf einer Gesamt-Laufleistung von 300.000 km – stattgegeben, jedoch einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen auf die von der Klägerin an die VW-Bank jeweils geleisteten Raten wegen mangelnder Bestimmtheit verneint.
22Es hat im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung der Klägerin durch die Beklagte zu.
23Zum Sach- und Streitstand im ersten Rechtszug sowie zum Inhalt der angefochtenen Entscheidung mit ihren tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen im Übrigen kann auf das angefochtene Urteil Bezug genommen werden (§ 540 ZPO).
24Hiergegen wenden sich beide Parteien mit ihren Berufungen.
25Die Klägerin erstrebt mit ihrer Berufung die Zuerkennung auch der mit dem Antrag zu 4. verlangten Zinsen gemäß § 849 BGB auf die von ihr erbrachten Ratenzahlungen auf den zur Finanzierung des Fahrzeugkaufs aufgenommenen Kredit.
26Den ursprünglichen Antrag zu 5. (Feststellungsantrag bezüglich etwaiger weiterer Schäden) verfolgt sie hingegen im zweiten Rechtszug nicht weiter.
27Sie erachtet die angefochtene Entscheidung im Übrigen für richtig und beruft sich bezüglich der Hauptforderung auf die Beschlüsse des OLG Köln vom 28.05.2018 (27 U 13/17) und vom 29.11.2018 (18 U 70/18).
28Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und ist der Auffassung, auch bezüglich der geleisteten Raten auf die Finanzierung des Fahrzeugs stünden ihr Zinsen gemäß § 849 BGB zu; die Norm biete keinen Anhaltspunkt für den Abzug einer Nutzungsentschädigung, weil der Anspruch ab Kaufvertragsschluss bestehe. Da die Nutzung des Fahrzeugs bereits im Rahmen des ermittelten Schadensersatzes berücksichtigt werde, dürfe dies nicht – erneut – im Rahmen des Zinsanspruchs geschehen, da anderenfalls ein doppelter Abzug für die Fahrzeugnutzung erfolgen würde. Auf diesem Rechtsfehler beruhe die Entscheidung bezüglich des abgewiesenen Antrags zu 4.
29Die Klägerin hat mitgeteilt, sich an dem Musterfeststellungsverfahren nicht beteiligt zu haben.
30Die Klägerin beantragt,
31das Urteil des Landgerichts Köln vom 19.07.2019 aufzuheben, soweit es der Klagepartei die beantragten Deliktszinsen gem. § 849 BGB hinsichtlich des Klageantrages zu 4. abweist, und die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei Zinsen in Höhe von 4 % auf die jeweiligen Raten und Tilgungszahlungen ab dem jeweiligen Zahlungszeitpunkt bis zum Verzugsbeginn zu zahlen.
32Die Beklagte beantragt,
33die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
34Mit ihrer eigenen Berufung beantragt sie,
35das am 19.07.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Köln, Az. 16 O 406/18, im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
36Die Klägerin beantragt,
37die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
38Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung, soweit die Klage abgewiesen worden ist, und erstrebt mit der Berufung weiterhin – wie erstinstanzlich – unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrags im ersten Rechtszug die vollständige Abweisung der Klage. Sie beruft sich u.a. auf das Urteil des OLG Braunschweig vom 19.02.2019 (7 U 134/17) und trägt vor, das Landgericht habe verfahrensfehlerhaft sittenwidrige Handlungen der Beklagten und einen Schaden der Klägerin angenommen. Tatsächlich sei an ihrem Fahrzeug das von der Beklagten angebotene Software-Update vorgenommen worden mit der Folge, dass die beanstandete Umschalt-Einrichtung nicht mehr vorhanden sei. Sie beruft sich ferner auf zwei Gutachten der Herren Prof. Dr. F (vom 01.05.2019) und Prof. Dr. G (vom 11.03.2019). Der Klägerin sei kein ersatzfähiger Schaden entstanden, der Vertragsschluss sei nicht wirtschaftlich nachteilig gewesen, auch nicht subjektiv konkret nachteilig. Selbst wenn aber ein ersatzfähiger Schaden zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bejaht werde, sei dieser jedenfalls aufgrund des Updates entfallen.
39Rechtsfehlerhaft unterstelle das Landgericht einen Kausalzusammenhang zwischen der der Klägerin bei Vertragsschluss unbekannten Umschaltlogik und ihrer Kaufentscheidung.
40Der Vertrag sei nicht aufgrund eines „rechnerischen minus“ nachteilig. Softwarebedingte Werteinbußen seien nicht zu verzeichnen; signifikante Restwertunterschiede zwischen VW-Modellen und anderen Fahrzeugen gebe es nicht.
41Schließlich seien zu Unrecht Deliktszinsen gemäß § 849 BGB zuerkannt und ein Annahmeverzug der Beklagten sowie ein Anspruch auf Ersatz vorprozessualer Rechtsanwaltskosten bejaht worden.
42Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 15.01.2020 Bezug genommen.
43Entscheidungsgründe:
44Die Berufungen beider Parteien sind gemäß § 511 ZPO statthaft und auch im Übrigen unbedenklich zulässig.
45Beide Berufungen sind jedoch nicht begründet und bleiben ohne Erfolg.
46I.
47Die Berufung der Beklagten führt nicht zu einer gegenüber der angefochtenen Entscheidung abweichenden Sichtweise.
48Der Senat nimmt zunächst in vollem Umfang Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in der erstinstanzlichen Entscheidung.
49Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass der Klägerin ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB zusteht.
50Der Senat bleibt bezüglich der Frage der sittenwidrigen Schädigung der Käufer der vom sog. Diesel-Skandal betroffenen Fahrzeuge und der hieraus resultierenden Rechtsfolgen bei seiner Auffassung, die er bereits in seinen Beschlüssen vom 27.06.2019 (27 U 14/19) und vom 01.07.2019 (27 U 7/19) dargestellt hat.
511.
52Die Beklagte hat die Klägerin durch das Inverkehrbringen des streitgegenständlichen, mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung versehenen Motors EA 189 EU5, der auch in das streitgegenständliche Fahrzeug der Klägerin eingebaut wurde, vorsätzlich sittenwidrig geschädigt.
53a)
54Soweit die Beklagte einwendet, dem bloßen Akt des Inverkehrbringens sei kein Erklärungswert beizumessen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Vielmehr liegt in dem Inverkehrbringen des mit der fraglichen Motorsteuerungssoftware ausgestatteten Fahrzeugs eine Täuschung sämtlicher potentieller Kunden, die von der Installation dieser Software keine Kenntnis haben.
55Bevor ein Kraftfahrzeughersteller berechtigt ist, ein Fahrzeug für die Nutzung im Straßenverkehr auf den Markt zu bringen, hat er die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren erfolgreich zu durchlaufen. Mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs bringt er gegenüber seinen potentiellen Kunden zum Ausdruck, dass für das entsprechende Fahrzeug die erforderlichen Genehmigungen und Zulassungen zu Recht erteilt worden sind. Der Kunde geht aufgrund des Inverkehrbringens des Fahrzeugs davon aus, dass dieses die technischen und die rechtlichen Voraussetzungen der Zulassung erfüllt und dass der Hersteller die für den Fahrzeugtyp erforderlichen Erlaubnisse und Genehmigungen nicht durch eine Täuschung erwirkt hat.
56b)
57Zu Recht hat das Landgericht auch eine Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten bejaht.
58Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2013 – VI ZR 336/12, NJW 2014, 383 Rn. 9 m.w.N.).
59Sittenwidrig handelt danach auch derjenige, der eine Sache, von deren Mangelhaftigkeit er weiß, in der Vorstellung in den Verkehr bringt, dass die betreffende Sache von dem Erwerber in unverändert mangelhaftem Zustand an einen ahnungslosen Dritten, der in Kenntnis der Umstände von dem Geschäft Abstand nähme, veräußert werden wird.
60So verhält es sich hier:
61aa)
62Die Mitarbeiter der Beklagten haben den Motor EA 189 Eu5 mit einer Software zur Motorsteuerung ausrüsten lassen, die zwei Betriebsmodi und darunter einen im Sinne der Abgasrückführung optimierten Betriebsmodus vorsah, und auf dieser Grundlage Typengenehmigungen der so ausgerüsteten Fahrzeuge erwirkt, ohne die dafür zuständige Behörde hiervon in Kenntnis zu setzen. Darin allein liegt mit Rücksicht auf die daraus folgende Rechtsunsicherheit für die Typengenehmigung und die Betriebszulassung der entsprechend ausgerüsteten Fahrzeuge ein gravierender Mangel i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB.
63Der vernünftige Durchschnittskäufer erwartet, wenn er ein für den Betrieb im Straßenverkehr vorgesehenes Fahrzeug erwirbt, dass das betreffende Fahrzeug entweder zu Recht zugelassen oder zulassungsfähig ist. Dementsprechend geht er nicht nur davon aus, dass das Fahrzeug die technischen und die rechtlichen Voraussetzungen der Zulassung erfüllt, sondern auch, dass der Hersteller die für den Fahrzeugtyp erforderlichen Erlaubnisse und Genehmigungen nicht durch eine Täuschung erwirkt hat. Zum einen kann nämlich der Kunde gesetzeskonformes Verhalten des Herstellers erwarten, was auch dann gilt, wenn seitens eines oder mehrerer Hersteller in so großer Zahl rechtswidrig manipuliert wird, dass im Ergebnis die Anzahl der durch Täuschung erwirkten diejenige der rechtmäßig zustande gekommenen Zulassungen, Erlaubnisse und Genehmigungen übersteigt. Denn solange die Manipulationen heimlich vorgenommen werden und solange die für den Betrieb eines Pkw im Straßenverkehr erforderlichen Zulassungen, Erlaubnisse und Genehmigungen durch entsprechende Täuschungen erwirkt werden, kann dies keinen Einfluss auf die Erwartungen des Durchschnittskäufers haben. Zum anderen erstrecken sich die berechtigten Erwartungen eines vernünftigen durchschnittlichen Käufers auch auf die Erwirkung aller letztendlich für den Betrieb des erworbenen Fahrzeugs im Straßenverkehr erforderlichen Zulassungen, Erlaubnisse und Genehmigungen, mag der Käufer sich auch bis zum Bekanntwerden von Manipulationen keine konkreten Vorstellungen von den einzelnen technischen Einrichtungen, rechtlichen Voraussetzungen und Zulassungs- bzw. Genehmigungsverfahren gemacht haben. Denn eine Täuschung in dem für den erlaubten Betrieb und die Zulassung des Fahrzeugs bedeutsamen Bereich gefährdet aus der Sicht eines vernünftigen Durchschnittskäufers eventuell die für seine Nutzung des Pkw im Straßenverkehr maßgebende Zulassung. Darüber hinaus hat sie für ihn auch insofern unabsehbare Folgen, als er die Folgen für den Verkehrs- und Wiederverkaufswert seines Fahrzeuges im Falle eines Bekanntwerdens der Manipulation nicht sicher zu prognostizieren vermag und ihm deshalb erhebliche finanzielle Einbußen als drohend erscheinen, die er mit dem Erwerb eines anderen Fahrzeugs vermeiden könnte (vgl. OLG Köln, NZV 2019, 242; NZV 2018, 72; MDR 2018, 930; Senat, Beschluss vom 12. Juni 2018 – 27 U 13/17, juris).
64Darüber hinaus haben die Mitarbeiter der Beklagten die mit Motoren des Typs EA 189 Eu5 ausgestatteten Fahrzeuge den jeweiligen Händlern gerade zum Zweck der Weiterveräußerung überlassen, und sind zur Überzeugung des Senats davon ausgegangen, dass die so ausgerüsteten Fahrzeuge ohne Hinweis auf die Erwirkung der Typengenehmigung unter Einsatz einer manipulativ wirkenden Software mit zwei Betriebsmodi weiterveräußert werden würden. Aus der Heimlichkeit des Einsatzes der Software gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt, den beteiligten Stellen und den potentiellen Kunden gegenüber ergibt sich schließlich mit hinreichender Sicherheit, dass die beteiligten Mitarbeiter der Beklagten auch in der Vorstellung handelten, dass der Einsatz der Software zu Schwierigkeiten hinsichtlich der Typengenehmigung und der Betriebszulassung der so ausgestatteten Fahrzeuge führen könnte und dass potentielle Kunden Fahrzeuge, die derart mit rechtlichen Unsicherheiten belastet waren, nicht ohne weiteres erwerben würden.
65Die Beklagte hat zur Überzeugung des Senats darüber hinaus die Täuschung mit dem Ziel der Gewinnmaximierung vorgenommen. Andere Gründe für die rechtswidrige Installation der Software als eine Kostensenkung und eine damit verbundene Gewinnmaximierung sind nicht denkbar. Es erscheint lebensfremd, dass die Beklagte eine Software in ihre Motoren installiert, verbunden mit dem Risiko, die Zulassung der mit diesen Motoren versehenen Fahrzeuge nicht zu erhalten und sich strafrechtlicher Verfolgung auszusetzen, ohne dass sie sich hiervon einen wirtschaftlichen Nutzen verspricht.
66Im Hinblick auf das hierfür eingesetzte Mittel, nämlich die Täuschung einer öffentlichen Stelle und der potentiellen Kunden in einer immensen Zahl von Fällen, ist dieses Verhalten als besonders verwerflich anzusehen.
67bb)
68Diese Kenntnisse und Vorstellungen sind der Beklagten nach § 31 BGB zuzurechnen, weil aufgrund des hier maßgebenden Sach- und Streitstandes davon auszugehen ist, dass der Vorstand der Beklagten nicht nur über umfassende Kenntnisse von dem Einsatz der oben geschilderten Software verfügte, sondern auch in der Vorstellung die Herstellung und die Inverkehrgabe der mangelbehafteten Motoren veranlasste, dass diese unverändert und ohne entsprechenden Hinweis weiter veräußert werden würden.
69Die Klägerin hat mit der Klageschrift vorgetragen, dass der Vorstandsvorsitzende der Beklagten Kenntnis von der Manipulation der Motorsteuerungssoftware hatte und das Inverkehrbringen entsprechend ausgerüsteter Motoren veranlasst oder zumindest gebilligt habe. Diesem Vortrag ist die Beklagte nicht hinreichend substanziiert entgegengetreten.
70Entgegen der Ansicht der Beklagten wäre dies indes erforderlich gewesen.
71Es kann dahinstehen, ob auf Fälle der vorliegenden Art die für die Produzentenhaftung im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB entwickelten Grundsätze (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 1999 – VI ZR 392/97, NJW 1999, 1028) entsprechend heranzuziehen sind, wonach die Beklagte für die Ordnungsgemäßheit ihrer Geschäfts- und Produktionsabläufe als umfassend darlegungs- und beweisbelastet anzusehen wäre. Jedenfalls hat die Beklagte auf den insoweit als ausreichend zu erachtenden Vortrag der Klägerseite im Rahmen des ihr obliegenden qualifizierten Bestreitens substanziiert zur fehlenden Kenntnis und zum fehlenden Vorsatz ihres Organs vorzutragen. Steht nämlich ein (primär) darlegungspflichtiger Anspruchsteller außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs und kennt der Anspruchsgegner alle wesentlichen Tatsachen, so genügt nach den höchstrichterlichen Grundsätzen über die sekundäre Darlegungslast das einfache Bestreiten seitens des Anspruchsgegners nicht, sofern ihm nähere Angaben zuzumuten sind (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 2008 - III ZR 239/06, juris Rn. 16; OLG Köln, NZV 2019, 242; Senat, Beschluss vom 12. Juni 2018 – 27 U 13/17, juris).
72Die Klägerin hat keine Einblicke in die Betriebsabläufe der Beklagten, während es der Beklagten andererseits unschwer möglich sein muss, die Anordnung der Entwicklung und des Einbaus der Motorsteuerungssoftware sowie die Inauftraggabe bei dem Zulieferunternehmen zurückzuverfolgen. Hinzu kommt, dass es in Anbetracht der Tragweite des Erwerbs und Einbaus der Motorsteuerungssoftware fernliegend ist, der Vorstand der Beklagten sei in den diesbezüglichen Entscheidungsprozess nicht einbezogen gewesen (vgl. auch OLG Köln, NZV 2019, 242; Senat, Beschluss vom 12. Juni 2018 – 27 U 13/17, juris; OLG Karlsruhe, WM 2019, 881; OLG Oldenburg, MDR 2019, 548; a.A. OLG München, Beschluss vom 25. Juli 2017 - 13 U 566/17, dessen Ausführungen der Senat sich aus den vorstehenden Gründen nicht anzuschließen vermag).
73Die Beklagte trägt – auch zweitinstanzlich – lediglich vor, ihre bisherigen Nachforschungen, die noch nicht abgeschlossen seien, hätten keinen Hinweis darauf ergeben, dass der Vorstand Kenntnis von der Installation der Motorsteuerungssoftware gehabt habe. Vielmehr sei davon auszugehen, dass Mitarbeiter unterhalb der Vorstandsebene die maßgeblichen Entscheidungen getroffen hätten. Dieser Vortrag genügt indes den an ein qualifiziertes Bestreiten zu stellenden Anforderungen nicht. Es wäre vielmehr erforderlich gewesen vorzutragen, wer die entsprechenden Entscheidungen aufgrund welcher Befugnis getroffen hat. Die Beklagte hingegen legt weiterhin keine konkreten Details ihres Geschäftsbetriebs im Zusammenhang mit der Manipulations-Software dar.
74c.
75Durch diese sittenwidrige Täuschung ist der Klägerin ein Schaden entstanden, der bereits in dem Erwerb des mit der Software zur Motorsteuerung ausgerüsteten Fahrzeugs zu sehen ist.
76Auf die Frage, welchen Verkehrswert das Fahrzeug hatte und hat, kommt es nicht an. Der Schaden der Klägerin besteht bereits in dem Erwerb des mit der manipulativ wirkenden Software zur Motorsteuerung ausgerüsteten Fahrzeugs, weil das erworbene Fahrzeug infolge der eingesetzten Software hinter den Vorstellungen der Klägerin von der allgemein ordnungsgemäßen Ausrüstung des zu erwerbenden Pkw zurückblieb und sich dieses Zurückbleiben schon infolge der damit zunächst verbundenen Unsicherheiten für die Typengenehmigung und die Betriebszulassung nachteilig auf den Vermögenswert des Pkw auswirkte. In welchem Umfang das genau der Fall war und inwiefern andere Gesichtspunkte hinzutraten, die zu einem erheblichen Wertverlust sämtlicher Diesel-Fahrzeuge führten und führen, ist für die Entscheidung des vorliegendes Falles schon deshalb nicht relevant, weil die Klägerin als Schadenersatz die Rückabwicklung des Erwerbs begehrt und nicht Zahlung einer Wertdifferenz verlangt. Ausschlaggebend ist hier allein, dass das Fahrzeug mit einer Software ausgestattet war, die zu Unsicherheiten hinsichtlich des Fortbestandes der Typengenehmigung und der Betriebszulassung führte sowie nach den verbindlichen Vorgaben des Kraftfahrtbundesamtes einen Rückruf und ein Update mit einer seitens des Kraftfahrtbundesamtes genehmigten Software des Herstellers erforderte (vgl. auch OLG Köln, NZV 2019, 242).
77Da der Schadenersatzanspruch der Klägerin bereits mit dem Erwerb des Fahrzeugs entstanden ist und auf Restitution durch Rückabwicklung des Kaufs gerichtet ist, kann in der nachträglich erfolgten Ausstattung des Fahrzeugs mit dem vom Kraftfahrtbundesamt erzwungenen Software-Update keine Erfüllung des Schadenersatzanspruchs oder ein Entfallen des Schadens liegen, da die Beklagte weiterhin nicht die konkreten Einwirkungen sowie sämtliche Funktionen des Software-Updates in allen Details darlegt und mithin auch nicht nachzuweisen vermag, dass das Software-Update keine anderen negativen Auswirkungen haben kann (vgl. auch OLG Köln, NZV 2019, 242).
78d.
79Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das Landgericht auch zutreffend eine Kausalität zwischen der Täuschung durch die Beklagte und dem bei der Klägerin eingetretenen Schaden angenommen.
80Die Beklagte hat den eingetretenen Vermögensschaden auch im Sinne einer "condicio sine qua non" verursacht. Hätte sie nämlich die Motoren des Typs EA 189 Eu5 nicht mit der manipulativ wirkenden Software zur Motorsteuerung ausgerüstet und die mit diesen Motoren ausgestatteten Fahrzeuge in den Handel gebracht, hätte die Klägerin den hier streitgegenständlichen Pkw nicht erwerben können. Das Vorgehen der Beklagten, die mit einer Manipulations-Software ausgerüsteten Motoren des Typs EA 189 Eu5 in den Verkehr zu bringen, war auch nicht nur unter ganz besonderen, außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegenden Umständen geeignet, den Schaden herbeizuführen. Vielmehr war es so, dass die Motoren gerade für den Einbau in die für die Veräußerung bestimmten Fahrzeuge vorgesehen waren und dass das heimliche Vorgehen hinsichtlich der eingesetzten Software nur dann sinnvoll war, wenn man davon ausging, dass weder die zuständigen öffentlichen Stellen noch Händler oder Kunden informiert würden. Dementsprechend war der Eintritt solcher Schäden, wie sie die Klägerin erlitten hat, nicht nur nicht gänzlich unwahrscheinlich, sondern sogar bei gewöhnlichem Lauf der Geschehnisse sicher zu erwarten (vgl. OLG Köln, NZV 2019, 242).
81Soweit die Beklagte schließlich allgemein behauptet, die Klägerin hätte das Fahrzeug auch in Kenntnis der rechtswidrig installierten Software erworben, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Da die Beklagte die potentiellen Käufer und mithin auch die Klägerin über die Zulassungsfähigkeit des mit dem von ihr hergestellten Motor versehenen Fahrzeugs vorsätzlich getäuscht hat, sind die im Rahmen des § 123 BGB aufgestellten Grundsätze zum Nachweis der Kausalität entsprechend heranzuziehen. Durch die Vorspiegelung falscher Tatsachen hat die Beklagte bei den Kunden einen Irrtum erregt und diese dadurch zum Vertragsschluss bestimmt. Diese Handlungsweise begründet den Vorwurf der sittenwidrigen Vertragserschleichung (Staudinger/Oechsler, BGB, Stand 19. Juni 2017, § 826 Rn. 149). Für die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Täuschung und Abgabe der Willenserklärung genügt dann, dass der Geschädigte Umstände dartut, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein können, und die vorsätzliche Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung auszuüben pflegt. Liegen derartige Voraussetzungen vor, kann ein Beweis des ersten Anscheins dafür gegeben sein, dass die Täuschung einen Einfluss auf die Entschließung des Getäuschten ausgeübt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2011 – IV ZR 5/10, VersR 2012, 1429 Rn. 40 m.w.N.).
82So verhält es sich hier. Die Klägerin hat vorgetragen, dass sie, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Risiken für den Fortbestand der Betriebserlaubnis bestanden, zu keiner Zeit ein Kraftfahrzeug mit einer solchen „Prüfstandsoptimierungssoftware“ erworben hätte. Dies entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, wonach kein Käufer ein mangelhaftes Kraftfahrzeug zum ungeminderten Neupreis kaufen wird. Insoweit geht der Senat auch nicht davon aus, dass die Beklagte in Zweifel ziehen will, dass die Klägerin beim Erwerb des mit einem von ihr hergestellten Motor versehenen Fahrzeugs erwarten durfte, ein dauerhaft verkehrstaugliches, mit unzweifelhafter Typengenehmigung und Betriebszulassung ausgestattetes Fahrzeug zu erwerben.
83Soweit die Beklagte unter Hinweis auf Staudinger/Oechsler, BGB, § 826 Rn. 149b darauf verweist, dass die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens nicht greife, da das Abgasverhalten als Gegenstand der Täuschung neben andere für den Fahrzeugkauf potenziell erhebliche Motive trete, die nicht von der Täuschung betroffen seien, so berücksichtigt dieser Ansatz nicht, dass nicht das Abgasverhalten in Bezug auf den Stickoxydausstoß allein Gegenstand der Täuschung ist. Vielmehr erfasst die Täuschung vor allem die Zulassungsfähigkeit und insoweit die Mangelfreiheit des Fahrzeugs. Dieser Umstand ist im Rahmen des für die Kaufentscheidung relevanten Motivbündels aus Sicht des Käufers das maßgebliche Motiv für den Abschluss des Kaufvertrags. Der Käufer eines Kraftfahrzeugs geht davon aus, dass sein Fahrzeug die für die Straßenverkehrszulassung erforderlichen Genehmigungen und Zulassungen besitzt und dass nicht die Gefahr einer Stilllegung des Fahrzeugs drohen kann (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Juni 2018 – 27 U 13/17, juris).
84Den sich danach ergebenden Anscheinsbeweis für die Kausalität der Täuschungshandlung vermochte die Beklagte nicht zu erschüttern.
85e.
86Schließlich ist das Landgericht auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte um die die Sittenwidrigkeit begründenden Tatumstände wusste und hinsichtlich des bei der Klägerin eingetretenen Schadens zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zur Sittenwidrigkeit verwiesen.
87f.
88Soweit schließlich die Beklagte zweitinstanzlich vorträgt, die Klägerin habe gemäß dem Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug bei Beendigung der Ratenzahlungen aus dem Darlehensvertrag ein Rückgaberecht bezüglich des Fahrzeugs gegenüber dem Veräußerer gehabt, was zu einer Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 S. 1, 2. Alt. BGB geführt habe, so ergibt sich solches nicht aus den zur Akte gereichten Unterlagen, weder aus der Rechnung über das Fahrzeug vom 01.02.2013 noch aus dem Darlehensvertrag vom 28.01.2013. Der Kaufvertrag selbst liegt indes nicht vor und die Beklagte teilt auch nicht konkret mit, zu welchen Bedingungen, insbesondere gegen Zahlung welchen Betrages die Klägerin ein Rückgaberecht hätte haben sollen, welches zu einer Schadensminderung (in welcher Höhe, ist ebenfalls nicht dargelegt) hätte führen können.
89Sie gibt auch nicht an, dass und weshalb ihr diesbezüglich ein konkreter Vortrag nicht möglich sein sollte, zumal sie problemlos die entsprechenden Informationen bei dem Veräußerer, ihrem eigenen Vertragshändler, und / oder der zu ihrem Konzern gehörenden C erlangen könnte. Mangels Angabe eines konkreten Betrages und näheren Vortrags hierzu kann daher nicht ermittelt werden, ob und inwieweit die Klägerin gegen eine etwa bestehende Schadensminderungspflicht verstoßen haben könnte.
902.
91Schließlich sind der Klägerin zutreffend Zinsen bezüglich des von ihr beim Kauf geleisteten Betrages von 2.750,- € sowie die von ihr für das Fahrzeug aufgewandten Kosten einschließlich derer der Finanzierung zugesprochen worden; auf die Ausführungen des Landgerichts kann auch insoweit Bezug genommen werden.
92Der Klägerin ist der geleistete Betrag dadurch, dass sie zur Zahlung des (anteiligen) Kaufpreises veranlasst war, entzogen worden. § 849 BGB erfasst jeden Sachverlust durch ein Delikt. Auch wenn der Schädiger den Geschädigten durch eine unerlaubte Handlung wie beim Betrug oder der Erpressung dazu bestimmt, eine Sache wegzugeben oder darüber zu verfügen, entzieht er sie ihm. § 849 BGB ist nach seinem Wortlaut nicht auf die Wegnahme beschränkt und verlangt nicht, dass die Sache ohne oder gegen den Willen des Geschädigten entzogen wird. Eine Beschränkung auf den Verlust einer Sache ohne oder gegen den Willen des Geschädigten widerspräche auch dem Normzweck von § 849 BGB. Der Zinsanspruch soll mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann. Der Geschädigte verliert die Sachnutzung gleichermaßen, ob ihm eine Sache ohne seinen Willen entwendet wird oder ob er durch eine unerlaubte Handlung – etwa eine Drohung oder eine Täuschung – dazu gebracht wird, sie wegzugeben oder darüber zu verfügen. Sache im Sinne von § 849 BGB ist dabei auch Geld. § 849 BGB ist nicht durch § 90 BGB, wonach nur körperliche Gegenstände Sachen im Sinne des Gesetzes sind, auf die Entziehung von Bargeld beschränkt. Der Zweck des § 849 BGB, den später nicht nachholbaren Verlust der Nutzbarkeit einer Sache auszugleichen, erfasst jegliche Form von Geld. Von den Nutzungen eines hingegebenen Geldbetrags ist der Geschädigte nicht nur ausgeschlossen, wenn er mit Bargeld bezahlt hat, sondern auch, wenn er eine Zahlung auf andere Art und Weise geleistet hat. Auch wirtschaftlich besteht kein Unterschied zwischen der Übergabe von Bargeld, der Übergabe eines Schecks, der Einzahlung von Bargeld und einer Überweisung auf ein Konto des Schädigers (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 26. November 2007 – II ZR 167/06, NJW 2008, 1084; vgl. auch im Übrigen zu den Dieselfällen: LG Siegen, Urteil vom 9. Januar 2019 – 1 O 36/18, juris; LG Bonn, MDR 2018, 404; LG Krefeld, Urteil vom 11. April 2018 – 2 O 290/17, juris; LG Essen, Urteil vom 4. September 2017 – 16 O 245/16, juris; LG Baden-Baden, Urteil vom 27. April 2017 – 3 O 163/16, juris; LG Hamburg, Urteil vom 24. November 2017 – 306 O 318/16, juris; LG Münster, Urteil vom 28. Juni 2017 – 2 O 165/16, juris; a.A.: LG Dresden, Urteil vom 12. April 2019 – 4 O 365/18, juris; LG Freiburg, Urteil vom 11. Januar 2019 – 2 O 84/18, juris; LG Saarbrücken, Urteil vom 14. Juni 2017 – 12 O 104/16, juris; LG Karlsruhe, Urteil vom 22. März 2017 – 4 O 118/16, juris).
933.
94Aufgrund des bestehenden Anspruchs der Klägerin aus § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB hat das Landgericht ihr auch zutreffend einen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten zuerkannt.
954.
96Das Landgericht hat ferner zu Recht den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt. Hinsichtlich des Annahmeverzugs ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass der Klägerin der erstinstanzlich zuerkannte Zinsanspruch zustand; insoweit wird auf die nachfolgenden Ausführungen zu II. verwiesen.
97II.
98Die Berufung der Klägerin führt ebenfalls nicht zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung; die Zuerkennung eines weitergehenden Zinsanspruchs kommt vorliegend nicht in Betracht.
99Auch wenn nach den vorstehenden Ausführungen in Fällen wie dem vorliegenden ein Zinsanspruch der Käuferseite bezüglich des gezahlten Kaufpreises gemäß § 849 BGB grundsätzlich zu bejahen ist, hat das Landgericht zu Recht Zinsen nur hinsichtlich des bei Vertragsschluss gezahlten Betrages zuerkannt und die Klage betreffend Zinsen auf die in der Folgezeit geleisteten Kreditraten abgewiesen, weil es dem Klageantrag insoweit an hinreichender Bestimmtheit mangelt. Ein entsprechender Tenor wäre nicht vollstreckbar, weil weder aus dem Tenor selbst noch aus den Entscheidungsgründen erkennbar wäre, in welcher Höhe der Zinsanspruch letztlich besteht. Hierauf hat bereits das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend hingewiesen, ohne dass die Klägerin sich veranlasst gesehen hätte, jedenfalls zweitinstanzlich ihren Antrag demgemäß anzupassen und entweder im Antrag die geleisteten Zahlungen nebst Zahlungszeitpunkt im Einzelnen aufzulisten oder aber stattdessen die geltend gemachten Zinsen konkret zu berechnen und im Antrag zu beziffern.
100III.
101Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 697 Abs. 1 ZPO.
102Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.
103Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil es schon im Hinblick auf die divergierenden obergerichtlichen Entscheidungen sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen des § 826 BGB als auch der Anwendung des § 849 BGB einer höchstrichterlichen Entscheidung bedarf.
104Wert für die Berufungsinstanz:
105Berufung der Klägerin bis 3.500,00 €
106Berufung der Beklagten: 15.605,64 €