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Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 05.11.2021 - 28 O 183/21 - abgeändert und im Wege der einstweiligen Verfügung Folgendes angeordnet:
Dem Verfügungsbeklagten wird unter Androhung eines vom
Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 Euro, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre)
untersagt,
in Bezug auf den Verfügungskläger zu behaupten und/oder die Behauptung zu veröffentlichen und/oder veröffentlichen zu lassen
„Jetzt ja, bring doch mal ne Cousine oder ne Freundin mit, der Schritt weiter doch eigentlich angedacht war, jetzt kann er sich natürlich raus reden, das hat man nur so erzählt. „Ich glaub Dir kein Wort. Du bist ein krankes Schwein." Und Du hast das Geld und Du hast die Möglichkeiten und niemand weiß, ob Du vielleicht schon irgendwo gewesen bist, wo es relativ einfach ist, Osteuropa, Asien ... You never Know, Du wolltest den Schritt weiter gehen."
so wie im Rahmen eines am 02.05.2021 auf dem AAccount B unter dem Titel „C “
veröffentlichten Post bei TG 0:33:48 – wie aus der als Anlage ASt 4 (Stellvertreter-Dokument Bl. 25 d.A.) zu den Akten gereichten und auf Datenträger auf Bl. 222 d.A. der Beschwerdeakte OLG Köln – 15 W 41/21 abgelegten und nachfolgend auch in das Entscheidungsdokument eingebetteten Datei „Anlage_Ast_4.MOV“ ersichtlich - geschehen.
Anlage_Ast_4.MOV
Die Kosten des Verfahrens trägt der Verfügungsbeklagte.
Gründe:
2I.
3Der Verfügungskläger ist ein ehemaliger Fußballnationalspieler, der Verfügungsbeklagte ein deutschlandweit bekannter Comedian. Der Verfügungskläger wurde am 29.04.2021 durch das AG Düsseldorf wegen Besitzverschaffung von 18 kinder- und jugendpornografischen Dateien zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig. Der Verfügungsbeklagte hatte sich bereits zuvor wiederholt öffentlich über den Verfügungskläger und das laufende Strafverfahren geäußert und tat dies auch im Anschluss an diese Verurteilung. Die verschiedenen Äußerungen waren teilweise bereits Gegenstand anderweitiger gerichtlicher Auseinandersetzungen zwischen den Parteien. Gegenstand des hiesigen, am 18.05.2021 eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahrens ist ein (Video-)Beitrag, den der Verfügungsbeklagte auf seinem A-Account „B“ unter dem Titel „C " am 02.05.2021 gepostet hat. Der Verfügungsbeklagte setzt sich darin u.a. mit dem Verlauf des Strafverfahrens, dem damals tagesaktuellen Urteil und dem Verhalten des Verfügungsklägers sowohl bei der Tat als auch im Verfahren kritisch auseinander. In dem Beitrag findet sich ab Min 33:48 der oben im Tenor eingeblendete Passus. Nachdem das Landgericht einen Antrag des Verfügungsklägers auf Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung gegen den Verfügungsbeklagten mit Beschluss vom 07.06.2021 - 28 O 183/21 - zurückgewiesen hatte, hat der Senat auf die sofortige Beschwerde und nach Anhörung des Verfügungsbeklagten am 24.06.2021 antragsgemäß eine einstweilige Verfügung - 15 W 41/21 - mit dem oben eingeblendetem Verbotstenor erlassen. Hiergegen hat der Verfügungsbeklagte Widerspruch beim Landgericht eingelegt. In der daraufhin anberaumten mündlichen Verhandlung vom 29.09.2021, an der beide Verfahrensbevollmächtigte und der Verfügungsbeklagte persönlich im Wege der Bild- und Tonübertragung gemäß § 128a Abs. 1 ZPO teilgenommen haben, hat der Verfügungsbeklagte die Nichtvorlage einer Vollmachtsurkunde des Verfahrensbevollmächtigten des Verfügungsklägers gerügt. Die Sitzung - wegen deren weiterer Einzelheiten auf das Protokoll (Bl. 243 ff d.A.) Bezug genommen wird - ist zur Ermöglichung der Vorlage einer solchen Vollmacht mit entsprechender Fristsetzung unterbrochen und sodann fortgesetzt worden. Trotz einer weiteren Unterbrechung ist die Vollmachtsurkunde bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht vorgelegt worden. Die Urkunde - handschriftlich unterzeichnet vom Verfügungskläger am 05.05.2021 – ist erst kurze Zeit nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung auf die Geschäftsstelle der 28. Zivilkammer des Landgerichts gelangt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlichen Schlussanträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 05.11.2021 (Bl. 319 ff. d.A.) Bezug genommen.
4Mit diesem Urteil hat das Landgericht die einstweilige Verfügung des Senats aufgehoben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung als unzulässig zurückgewiesen. Es hat dies im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Vollmachtsrüge ausgehend vom Wortlaut des § 88 Abs. 1 ZPO noch rechtzeitig und mit Blick auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) und die Vorgeschichte der Parteien zwar „bedenklich“, aber dennoch rechtlich erheblich eingelegt sei, zumal der Verfahrensbevollmächtigte des Verfügungsklägers zur Sicherstellung des rechtzeitigen Einreichens der Urkunde im Termin durchaus noch einen Antrag auf (kurze) Verlängerung seiner Beibringungsfrist hätte stellen können. Bis zu dem nach § 296a ZPO maßgeblichen Zeitpunkt sei die Vorlage nicht erfolgt und aufgrund der strengen Formvorschriften bleibe unbeachtlich, dass die Vollmachtsurkunde nur wenige Minuten nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung auf der Geschäftsstelle eingegangen sei. Das Vorbringen im nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 22.10.2021 sei ebenfalls unbeachtlich und eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht geboten. Wegen des Mangels der Vollmacht sei der Antrag als unzulässig abzuweisen. Indes dürfe sich dieses Ergebnis als „voraussichtlich vorläufig“ erweisen, da es in einer möglichen Rechtsmittelinstanz allein auf den Zeitpunkt der Ausstellung und nicht denjenigen der Beibringung der Vollmacht ankomme. Auf die (auch mit Blick auf die Widerspruchsbegründung in Anlehnung an die Argumentation des Senats fehlenden) Erfolgsaussichten des Widerspruchs käme es dann nicht mehr an. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 319 ff. d.A.) Bezug genommen.
5Gegen diese, ihm am 10.11.2021 zugestellte Entscheidung wendet sich der Verfügungskläger mit seiner am 24.11.2021 eingelegten Berufung. Mit Schriftsatz vom 04.01.2021 hat der Verfahrensbevollmächtigte des Verfügungsklägers beantragt, die am 10.01.2022 endende Frist zur Berufungsbegründung bis zum 10.02.2022 zu verlängern, weil „auf Grund des hohen Arbeitsaufkommens, damit zusammenhängender Arbeitsüberlastung des Unterzeichners, Urlaubsabwesenheit des Unterzeichners und vorfristiger Angelegenheiten“ die Fristverlängerung „dringend benötigt“ und der Unterzeichner darauf „zwingend angewiesen“ sei. Mit Verfügung vom 05.01.2022 (Bl. 40 d. Senatshefts) hat die Vorsitzende „vorsorglich“ auf die Frage einer Dringlichkeitsschädlichkeit solcher Anträge unter Verweis auf eine einschlägige OLG-Entscheidung hingewiesen und um Mitteilung gebeten, ob der Fristverlängerungsantrag mit Blick darauf aufrechterhalten bleibe. Letzteres hat der Verfahrensbevollmächtigte des Verfügungsklägers mit Schriftsatz vom 05.01.2022 verneint und die Berufung sodann am 07.01.2022 begründet.
6Der Verfügungskläger rügt mit seiner Berufung, dass das Landgericht verkannt habe, dass die erstmals in der mündlichen Verhandlung spontan erhobene Vollmachtsrüge - auch mit Blick auf den Rechtsgedanken aus § 174 BGB - rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) sei. Das ergebe sich u.a. aus den vorherigen Auseinandersetzungen der Parteien über fast ein Jahr hinweg und den in Sachen Vollmacht dort zuvor durchweg rügelosen Einlassungen (etwa in gerichtlichen Verfahren in Köln und Hamburg), aus der unter dem 08.07.2021 erfolgten Mitteilung der Verfahrensbevollmächtigten des Verfügungsbeklagten, dass ein kostenauslösendes Abschlussschreiben mangels Akzeptanz der einstweiligen Verfügung entbehrlich sei (Anlage ASt 11, Bl. 269 d.A.) und schließlich auch aus den öffentlichen kritischen Äußerungen des Verfügungsbeklagten über den Verfahrensbevollmächtigten des Verfügungsklägers, die Gegenstand einer anderen gerichtlichen Auseinandersetzung waren. Man habe insbesondere nachweislich Kenntnis von der tatsächlich erfolgten Bevollmächtigung gehabt und stelle diese in der Sache auch gar nicht erst in Abrede.
7Jedenfalls habe die im Termin vom 29.09.2021 erfolgte eidesstattliche Versicherung des Verfahrensbevollmächtigten (Bl. 236 d.A.) als Glaubhaftmachung zum Nachweis der Vollmacht im hiesigen Verfügungsverfahren genügen müssen. Nunmehr liege jedoch ohnehin eine - prozessual noch zu berücksichtigende - Vollmacht des Verfügungsklägers vom 05.05.2021 vor und ein etwaiger Mangel sei damit jedenfalls geheilt.
8In der Sache verteidigt der Verfügungskläger die Entscheidung des Senats im Beschwerdeverfahren unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens und unter Verweis auf sein Obsiegen vor dem Landgericht Hamburg wegen einer kurz danach getätigten ähnlichen Äußerung (LG Hamburg v. 20.08.2021 – 324 O 265/21, Bl. 179 ff. d. Senatshefts). Das prozessuale Verhalten des Verfahrensbevollmächtigten des Verfügungsklägers im Zusammenhang mit dem Fristverlängerungsantrag sei hier auch nicht dringlichkeitsschädlich, zumal wegen der Weihnachts-/Neujahrsfeiertage und eines Urlaubs des Verfahrensbevollmächtigten in dieser Zeit ein gewisser Arbeitsstau entstanden und eine Verzögerung des Rechtsstreits nicht zu befürchten gewesen sei.
9Wegen des weiteren Vortrages des Verfügungsklägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 53 ff. d. Senatshefts) und den Schriftsatz vom 15.02.2022 (Bl. 169 ff. d. Senatshefts) Bezug genommen.
10Der Verfügungskläger beantragt nach Klarstellung im Termin vom 22.02.2022 zuletzt sinngemäß, unter Abänderung des Urteils des LG Köln vom 05.11.2021 - 28 O 183/21 - die einstweilige Verfügung des OLG Köln vom 24.06.2021 - 15 W 41/21 - neu zu erlassen wie oben tenoriert.
11Der Verfügungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
12Der Verfügungsbeklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Zum einen liege eine „doppelte Rechtshängigkeit“ bzw. unzulässige rechtsmissbräuchliche „Mehrfachverfolgung“ vor mit Blick auf das am 14.06.2021 anhängig gemachte weitere Verfahren vor dem Landgericht Hamburg wegen einer ganz ähnlichen Äußerung. Der Verfügungskläger hätte richtigerweise dagegen über § 890 ZPO i.V.m. der sog. Kerntheorie vorgehen müssen.
13Materiell-rechtlich fehle ohnehin ein Verfügungsanspruch: Der Senat habe im Beschwerdeverfahren (ebenso wie das später daran nur anknüpfende Landgericht) die Meinungs- und Kunstfreiheit, letztere im Hinblick auf die Satire in dem VideoBeitrag, nicht ausreichend gewürdigt. Der Videopodcast des Verfügungsbeklagten sei als Kunst i.S.d. Art. 5 Abs. 3 GG in seiner Gänze zu bewerten und nicht nur hinsichtlich einzelner Sätze und Satzteile; der Verfügungsbeklagte habe sich durchweg der Nutzung von Spott, Ironie und der Übertreibungen als prägender Stilmittel zur Aufarbeitung für das Publikum bedient. In der gebotenen Abwägung habe man die Belange des Verfügungsbeklagten zu gering gewichtet, zumal der Verfügungskläger nur in der sog. Sozialsphäre betroffen sei und durch sein kriminelles Verhalten und auch durch den während der Ermittlungen und dem Strafverfahren fortlaufenden Versuch, sich selbst als „Opfer“ medialer Vorverurteilung zu inszenieren sowie eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten gegen seine (berechtigten) Kritiker zu führen bzw. sogar noch Entschädigungsansprüche geltend zu machen sowie seiner dann folgenden rechtskräftigen Verurteilung mehr als genügend Anlass zu drastischer, überspitzter oder auch eben geschmackloser Kritik gegeben habe. Es werde „kein unbescholtener Bürger... aus dem Nichts mit scharfer öffentlicher Kritik konfrontiert.“ Auch sei bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass die angegriffene Äußerung insgesamt aus Anlass der damals tagesaktuellen Verurteilung erfolgt sei. Der Verfügungsbeklagte habe nur sein (verständliches) Unverständnis für das aus seiner Sicht zu „milde“ Urteil und das fragwürdige Gesamtverhalten des Verfügungsklägers zum Ausdruck gebracht. Es sei eine Abwägung widerstreitender Interessen geboten, denn es gehe weder um eine sog. Schmähkritik noch um eine Formalbeleidigung, wie das Landgericht Hamburg v. 20.08.2021 - 324 0 265/21 im Parallelverfahren zutreffend erkannt habe. Beide Begriffe seien mit Blick auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkanntermaßen sehr eng auszulegen. Der Senat habe seiner gegenläufigen Bewertung der Äußerung ein falsches Begriffsverständnis zugrunde gelegt, welches nicht demjenigen des adressierten Empfängerkreises in der konkreten Situation und im gegebenen thematischen Kontext entspreche. Die Bezeichnung als „krank" sei nicht zu beanstanden, weil der Verfügungskläger sich nach eigener Aussage aufgrund seiner pädophilen Neigungen – mithin einer paraphilen Störung - in Therapie begeben habe. Im Übrigen habe der Senat die Vielschichtigkeit des Begriffs „Schwein" verkannt, bei dem es sich nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen Publikums und unter Berücksichtigung des sprachlichen Kontexts sowie der Begleitumstände, unter denen der Begriff heutzutage benutzt werde, nur um ein Synonym für eine egoistischrücksichtslos der eigenen Triebbefriedigung folgenden Person handele; so müsse sich der Verfügungsbeklagte aber bezeichnen lassen. Insbesondere in Popkultur und Massenmedien, welche die gesellschaftlichen Anschauungen prägten, sei eine synonyme Verwendung des Begriffs in sexuellem Kontext durchweg nachweisbar, wie anhand von Beispielen etwa auf S. 16 ff. der Berufungserwiderung (Bl. 150 ff. d. Senatshefts) weiter ausgeführt. Der Senat setze zu Unrecht seine Begriffsauffassung an die Stelle derjenigen des allein maßgeblichen Durchschnittsrezipienten und stelle in isolierter Betrachtung auf die „formale Wortwahl“ statt – wie geboten - den Gesamtkontext ab. Bei der Äußerung „krankes Schwein" handele es sich bei einem - wie hier - Sexualstraftäter, der wegen des Besitzes und der Verbreitung von Kinder- und jugendpornografischen Material verurteilt worden sei, obwohl er sich über Jahre als vermeintlicher „Kinderschützer“ inszeniert habe, nicht um eine Aussage, die dem Betroffenen die Menschenwürde abspreche und diesen ohne jeglichen sachlichen Anknüpfungspunkt herabwürdige. Es habe sich immerhin auch um ein Strafverfahren gehandelt, das „in die Geschichtsbücher eingehen“ werde, da es eine Gesetzesnovelle im StGB nach sich gezogen habe. Vor diesem Hintergrund erscheine es unverständlich, wenn quasi eine Verkehrung des Täters in die Rolle des „Opfers“ erfolge und sich der Verfügungsbeklagte dem nicht mehr argumentativ entgegenstellen dürfe. Der Fall sei insbesondere auch nicht mit der sog. „D“Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu vergleichen, weil die betroffene Politikerin dort gerade kein Teil der kritisierten pädophilen Strömung innerhalb der Partei gewesen sei und es um einen bewusst falsch interpretierten Zwischenruf gegangen sei, während der Verfügungskläger hier als verurteilter Triebtäter gerade in Bezug auf seine Taten, das Strafverfahren und seinen Umgang damit auf wahrer Tatsachenbasis kritisiert worden sei und auch habe kritisiert werden dürfen. In der Sache sei insbesondere eben auch zu berücksichtigen, dass der Verfügungsbeklagte an der fraglichen Stelle selbst nur die damals tagesaktuelle Presseberichterstattung über die – inhaltlich im hiesigen Verfahren nie bestrittenen und nur unter Verweis auf das Schweigen der Zeugin im Strafverfahren „herabgespielten“ - Chatverläufe des Verfügungsbeklagten mit der damaligen Bekannten aufgegriffen habe. Wenn der Verfügungsbeklagte sich in diesem Kontext – in welchem der Verfügungskläger etwa auch betont habe, dass ein etwa zehnjähriges und rittlings mit gespreizten Beinen auf einem Mann sitzendes Mädchen so aussehe, „als hätte sie Lust, gefickt zu werden“ - äußere, dürfe solcher, in höchstem Maße widerlicher und verabscheuenswerter Sprachinhalt aber eben auch zu harter Kritik führen, ohne diese in der Abwägung ins Rechtswidrige gleiten zu lassen. Der Senat habe auch selbst festgestellt, dass der Verfügungsbeklagte sich im Laufe des Beitrages immer mehr „emotionalisiert“ habe, was in der beanstandeten Aussage möglicherweise gegipfelt sei; die Äußerung sei – was bei der Würdigung zu berücksichtigen sei – aber dennoch so nur ad hoc in einer hitzigen Situation gefallen, in der der Verfügungsbeklagte sich direkt mit den (unbestrittenen) Zitaten aus den Chatverläufen befasst habe.
14Schließlich habe der Verfügungskläger durch den Antrag seines Verfahrensbevollmächtigten auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat ohnehin auch die Dringlichkeitsvermutung widerlegt. Dass er den Antrag nach dem (bedenklichen) richterlichen Hinweis zurückgenommen habe, sei ohne Belang, weil schon allein die Tatsache der Antragsstellung dringlichkeitsschädlich gewesen sei. Schon dadurch habe man deutlich gemacht, dass die Sache nicht mehr besonders eilbedürftig sein könne. Gleiches gelte für den im Termin ausgebliebenen Nachweis einer Prozessvollmacht; der Fall sei letztlich wie derjenige einer Säumnis der Partei im Verfügungsverfahren nach Einlegung eines Widerspruchs zu behandeln und gleichsam dringlichkeitsschädlich. Wäre die Sache tatsächlich eilbedürftig gewesen, wäre ein gewissenhafter Anwalt „auf Nummer sicher gegangen" und hätte die Vollmacht stets zum Nachweis bei sich geführt. Der Verfügungskläger habe sich zudem auf eine weitere Art dringlichkeitsschädlich verhalten, weil er die einstweilige Verfügung hier nicht wegen der späteren vergleichbaren Äußerung nach § 890 ZPO vollstreckt, sondern anderweitig ein Eilrechtsschutzverfahren bei dem Landgericht Hamburg anhängig gemacht habe.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Verfügungsbeklagten in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungserwiderung (Bl. 134 ff. d. Senatshefts) und die Schriftsätze vom 03.02.2022 (Bl. 95 ff. d. Senatshefts), vom 15.02.2022 (Bl. 165 ff. d. Senatshefts) und vom 18.02.2022 (Bl. 202 ff. d. Senatshefts) sowie den nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 23.02.2022 (Bl. 226 ff. d. Senatshefts) Bezug genommen.
16II.
17Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
18Da die einstweilige Verfügung des Senats durch die Aufhebung in dem angefochtenen Urteil auf den Widerspruch des Verfügungsbeklagten hin (endgültig) „kassiert“ worden ist, war – wie im Termin durch die auf Hinweis des Senats hin erfolgte Klarstellung der Anträge betont – richtigerweise dabei ein entsprechender Neuerlass der einstweiligen Verfügung geboten (vgl. etwa zum prozessualen Vorgehen in solchen Fällen OLG Köln v. 10.09.2002 - 16 U 80/02, BeckRS 2003, 153; Musielak/Voit/Huber, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 925 Rn. 10; Dötsch, MDR 2010, 1429, 1432 Fn. 56 m.w.N.).
191. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat.
20a) Eine doppelte Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO analog) wegen des ohnehin erst später vor dem Landgericht Hamburg wegen der weiteren Äußerung eingeleiteten Verfahrens steht mit den entsprechenden Ausführungen des Senats im Beschluss vom 24.06.2021 – 15 W 41/21 (Bl. 290 ff. der Beschwerdeakte), auf die verwiesen wird, dem Antrag nicht entgegen. Zudem geht es richtigerweise ohnehin schon wegen des ganz anderen Kontextes der Äußerungen um zwei unterschiedliche Streitgegenstände, wie auch das LG Hamburg im Urt. v. 20.08.2021 – 324 O 265/21, Bl. 179 ff. d. Senatshefts im Parallelverfahren zutreffend ausgeführt hat. Es liegt aus ähnlichen Gründen schließlich auch keine sog. unzulässige Mehrfachverfolgung (§ 242 BGB) vor, wie der Senat a.a.O. ebenfalls bereits ausgeführt hat. Dem tritt der Verfügungsbeklagte auch nicht mit neuen sachlichen Einwendungen entgegen.
21b) Wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung unter Verweis auf einschlägige Fundstellen zutreffend ausgeführt hat – worauf Bezug genommen wird -, ist die hier bereits vor Verfahrensbeginn ausgestellte, nunmehr im Original vorliegende und vom Senat in dem in elektronischen Akten geführten Berufungsverfahren als Papier-Urkunde zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachte Verfahrensvollmacht (Protokoll, Bl. 224 d. Senatshefts) prozessual ohne weiteres noch vom Berufungsgericht zu berücksichtigen. Die Vorlage der Urkunde war allerdings sachlich geboten, denn § 80 Abs. 1 ZPO gilt richtigerweise auch in einstweiligen Verfügungsverfahren (OLG Saarbrücken v. 30.04.2008 – 1 U 461/07, juris; LG Bochum v. 04.10.2017 – 13 O 136/17, juris), so dass der Nachweis nicht – wie der Verfahrensbevollmächtigte des Verfügungsklägers es versucht hat – mittels einer eidesstattlichen Versicherung als Glaubhaftmachungsmittel zu führen war, wie im Schrifttum teilweise angedeutet wird (so Zöller/Althammer, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 80 Rn. 8 unter Verweis auf die dies allerdings nicht tragende Entscheidung des LG Hamburg v. 13.08.2020 – 304 T 10/20, juris; an diese anschließend formstreng auch BGH v. 29.09.2021 – VII ZB 25/20, juris Rn. 15). Angesichts der nunmehr vorliegenden Urkunde - deren Echtheit nicht bestritten ist und die deswegen auch nicht (im Freibeweisverfahren, dazu MüKo-ZPO/Toussaint, 6. Aufl. 2020, § 80 Rn. 18) zu klären war - bedarf es keiner weiteren Erörterung, ob das spontane Erheben der Rüge erst im Termin zur mündlichen Verhandlung im konkreten Fall rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) war, woran mit den Ausführungen des Landgerichts aber durchaus Bedenken bestehen.
222. Es fehlt vorliegend nicht - wie der Verfügungsbeklagte meint - am Verfügungsgrund, denn es liegt kein „dringlichkeitsschädliches“ Verhalten des Verfügungsklägers bzw. seines – ihm nach allgemeiner Ansicht über § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden (OLG München v. 16.09.2021 – 29 U 3437/21 Kart, GRUR-RS 2021, 29384 m.w.N.) - Verfahrensbevollmächtigten vor, welches zu einer sog. Selbstwiderlegung der Dringlichkeit/Dringlichkeitsvermutung hätte führen können.
23a) Als „dringlichkeitsschädliches“ Verhalten ist nur ein solches anzusehen, das erkennen lässt, dass es dem Verfügungskläger mit der Durchsetzung seiner Ansprüche nicht oder nicht mehr so eilig ist, so dass die Durchführung eines Eilverfahrens mit den damit zu Lasten des Verfügungsbeklagten verbundenen Einschränkungen gegenüber einem Klageverfahren einerseits und der Bevorzugung der Sachbehandlung gegenüber anderen bei dem angerufenen Gericht anhängigen Verfahren andererseits nicht mehr gerechtfertigt erscheint. Dringlichkeitsschädliche Auswirkungen auf den Verfügungsgrund können dabei anerkanntermaßen nicht nur Verhaltensweisen vor Antragstellung, sondern auch solche während des bereits anhängigen Verfahrens bzw. sogar bei der Zwangsvollstreckung haben. Indes liegen hier keine solchen Verhaltensweisen vor.
24b) Es kann zunächst nicht daran angeknüpft werden, dass der Verfahrensbevollmächtigte einen (später zurückgezogenen) Antrag auf Fristverlängerung für die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat gestellt hat.
25aa) Zwar ist der Verfügungskläger nach Aufhebung der vom Senat erlassenen einstweiligen Verfügung auf Widerspruch hin durch das angefochtene Urteil (wieder) genauso wie vor dem erstmaligen Erlass einer einstweiligen Verfügung „ungesichert“ gewesen (vgl. OLG Frankfurt v. 02.09.2021 – 19 U 86/21, juris Rn. 55), so dass etwaigen Termins- und Fristverlegungsanträgen (außerhalb hier nicht vorliegender besonderer rechtfertigender Umstände, dazu OLG Karlsruhe v. 09.06.2005 – 4 U 164/04, BeckRS 2005, 30357864) kritischer zu begegnen ist, weil mit der Stattgabe solcher Anträge in aller Regel nicht unerhebliche Verfahrensverzögerungen einhergehen, die der Verfügungskläger dann mit seinem Antrag billigend in Kauf nimmt. Soweit dies teilweise so streng gehandhabt wird, dass schon allein ein Verlängerungsantrag für die Berufungsbegründungsfrist um – wie hier – einen Monat schädlich sein soll, selbst wenn diesem Antrag gar nicht entsprochen wird oder er auch sonst keine Folgen hat (so die von der Vorsitzenden in ihrem Hinweis zitierte Entscheidung des OLG München v. 16.09.2021 – 29 U 3437/21 Kart, GRUR-RS 2021, 29384 und möglicherweise auch Kontusch JuS 2012, 323, 326 sowie Schuschke/Roderburg, in: Schuschke u.a., Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 7. Aufl. 2020, Vor § 935 Rn. 105; beide allerdings nur unter Verweis auf eine dies so nicht tragende Entscheidung des KG v. 16.04.2009 - 8 U 249/08, BeckRS 2009, 14692), deckt sich das zwar mit der teils wohl gleichermaßen sehr strengen Handhabung bei Anträgen auf Terminsverlegung (siehe selbst für einen Hilfsantrag in einer mündlicher Verhandlung auf eine kurze Vertagung OLG Düsseldorf v. 10.07.1997 - 2 U 9/97, WRP 1997, 968).
26bb) Indes erscheint diese Lesart so pauschal überzogen streng und verstellt den Blick auf die tatsächlich gebotene Einzelfallbetrachtung, zumal die rein prozessualen Möglichkeiten einer Fristverlängerung für Rechtsmittelfristen - die ohnehin primär auf „normale“ Klageverfahren ausgelegt sind - mit der Frage der „Dringlichkeit“ unmittelbar nichts zu tun haben und es allenfalls um indizielle Auswirkungen auf die tatsächliche Vermutung der Dringlichkeit gehen kann (grundlegend Teplitzky, WRP 2013, 1414 ff.); deswegen ist stets eine Würdigung im Einzelfall geboten (so auch OLG Hamburg v. 21.03.2019 – 3 U 105/18, juris, Rn. 45; gegen Dringlichkeitsschädlichkeit einer prozessual zulässigen Fristverlängerung und –ausschöpfung – überholt – aber sogar noch OLG Hamburg v. 08. Juli 1976 – 3 U 45/76, juris Rn. 38; v. 17.08.1995 – 3 U 87/95, WRP 1996, 27, 28). Mit Blick darauf wird eine Dringlichkeitsschädlichkeit von der herrschenden Meinung nur dann diskutiert, wenn man über den Fristverlängerungsantrag hinaus die zweimonatige Berufungsbegründungsfrist auch tatsächlich überschritten hat (so OLG München v. 30.06.2016 – 6 U 531/16, GRURRR 2016, 499 Rn. 79 selbst bei nur wenigen Tagen), wobei zumeist zusätzlich eine „nicht unerhebliche“ Verlängerung der Frist vorausgesetzt wird, bei der man die so bewilligte Frist auch „nicht unerheblich“ oder sogar vollständig „ausnutzt“ (so etwa schon Senat v. 19.01.2012 - 15 U 195/11, BeckRS 2012, 5820; siehe ferner OLG Frankfurt v. 02.09.2021 – 19 U 86/21, juris Rn. 52 ff.; v. 13.09.2001 – 6 U 79/01, juris Rn. 4 f. – 6 Tage unschädlich; OLG Dresden v. 06.03.2018 – 4 U 1675/17, NJW-RR 2018, 1135 Rn. 7 f.; OLG Hamburg v. 18.08.2017 – 7 U 72/17, BeckRS 2017, 127226 Rn. 2 ff.; OLG Celle v. 17.09.2015 - 13 U 72/15, BeckRS 2016, 17073; KG v. 16.04.2009 - 8 U 249/08, BeckRS 2009, 14692; OLG Düsseldorf v. 15.07.2002 - 20 U 74/02, GRUR-RR 2003, 31; OLG Köln v. 05.07.1999 – 16 U 3/99, BeckRS 1999, 30065637; OLG München v. 09.08.1990 - 6 U 3296/90, GRUR 1992, 328; OLG Naumburg v. 20.09.2012 - 9 U 59/12, MMR 2013, 131, 132 – zwei Wochen unschädlich; siehe allg. auch MüKo-ZPO/Drescher, 6. Aufl. 2020, § 935 Rn. 22; Dötsch, MDR 2010, 1429, 1433; Feddersen, in: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl. 2019, Kap. 54 Rn. 27; Schlingloff, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2. Aufl. 2014, § 12 Rn. 401; offen Senat v. 18.03.2019 - 15 U 25/19, BeckRS 2019, 22208 bei Verlängerung um eine Woche über Karneval im Rheinland).
27cc) Mit Blick darauf und auf die weitere Tatsache, dass es hier um einen Fristablauf kurz nach den Weihnachts-/Neujahrstagen mit einer Urlaubsabwesenheit des Verfahrensbevollmächtigten ging und zudem nicht gesetzt ist, dass der Verfahrensbevollmächtigte selbst ohne den richterlichen Hinweis der Vorsitzenden (siehe zu dessen Bewertung den Beschluss des Senats vom 17.02.2022 – 15 U 244/21, Bl. 211 ff. d. Senatshefts mit Blick auf § 42 ZPO) die beantragte Frist auch tatsächlich voll ausgeschöpft hätte, ist die indizielle Wirkung (nur) des Antrages aber noch nicht so deutlich, dass in der Gesamtschau schon ein dringlichkeitsschädliches Verhalten anzunehmen wäre. Ist etwa das OLG Frankfurt v. 24.09.2015 – 6 U 60/15, BeckRS 2016, 1414 Rn. 4 in einem ganz ähnlichen Fall – dort sogar nach erfolgter Fristverlängerung - bei auf einen richterlichen Hinweis auf die möglichen Folgen hin zumindest noch zeitnah eingereichter Berufungsbegründung vom Fortbestehen des Verfügungsgrundes ausgegangen, kann vorliegend nichts anderes gelten, zumal hier sogar noch innerhalb der regulären Begründungsfrist reagiert und die Begründung fristgerecht vorgenommen worden ist. Allein auf das bloße Einreichen des Verlängerungsantrages als Indiz für eine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit abzustellen, wäre in einem solchen Fall zu streng (vgl. auch erneut Schlingloff, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2. Aufl. 2014, § 12 Rn. 401: „Der Ver-längerungsantrag selbst schadet nicht, wenn die beantragte und gewährte Verlängerung nicht oder nur unerheblich ausgenutzt wird.“).
28c) Soweit die Berufung – wie gerade ausgeführt - nach Rücknahme des Fristverlängerungsantrages tatsächlich (kurz) vor Ablauf der zweimonatigen Berufungsbegründungsfrist begründet worden ist, wäre selbst ein vollständiges Ausschöpfen dieser prozessualen Frist jedenfalls im Regelfall nach ständiger Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Köln nicht dringlichkeitsschädlich gewesen (OLG Köln v. 20.12.1996 – 6 U 204/96, NJWE-WettbR 1997, 176; v. 13.12.2002 - 6 U 156/02487, NJOZ 2003, 486, 488; v. 13.12.2002 – 6 U 156/02, BeckRS 2003, 1281 Rn. 11; offen BGH v. 01.07.1999 – I ZB 7/99, juris Rn. 11). Der vorliegende Sachverhalt bietet keinen Anlass für eine strengere Handhabung im Einzelfall.
29d) Der Verfügungsbeklagte dringt auch nicht mit der weiteren Erwägung durch, dass die Dringlichkeitsvermutung allgemein eben auch dadurch widerlegt werden kann, dass ein Verfügungskläger in einem auf einen Widerspruch (§ 924 ZPO) hin anberaumten Termin säumig bleibt (vgl. OLG Frankfurt v. 04.09.2020 – 10 U 18/20, NJW-RR 2021, 117 Rn. 19 m.w.N.; jedenfalls bei Ausschöpfen der Einspruchsfrist auch OLG Düsseldorf v. 25.08.2015 - 20 U 196/14, BeckRS 2015, 16904). Denn die Versuche des Verfügungsbeklagten, dem den Fall einer „nicht ordnungsgemäßen Vertretung“ im Termin gleichzustellen, tragen hier gleich mehrfach nicht: Zum einen war tatsächlich eine Prozessvollmacht vor Verfahrensbeginn erteilt und allein der formale Nachweis scheiterte in der besonderen, durch die spontane Rüge i.S.d. § 80 Abs. 1 ZPO erst in der mündlichen Verhandlung und die durch die allseitige Teilnahme an diesem Termin nach § 128a Abs. 1 ZPO besonders erschwerten Reaktionsmöglichkeiten. Soweit die Verfahrensbevollmächtigte des Verfügungsbeklagten meint, dass „ein gewissenhafter Anwalt „auf Nummer sicher gegangen" (wäre) und … jedenfalls die erforderliche Vollmacht zum Nachweis bei sich geführt“ hätte, verkennt sie zum anderen schon ganz grundlegend, dass der Verfahrensbevollmächtigte des Verfügungsklägers die Vollmachtsurkunde tatsächlich „greifbar“ in seiner Kanzlei bei sich hatte und allein das rechtzeitige Verbringen der Urkunde an die richtige Stelle eines der größten Landgerichte der Bundesrepublik in der besonderen Situation der Verhandlung nach § 128a Abs. 1 ZPO zum rein praktischen Problem geworden ist. Hier eine „Selbstwiderlegung“ der Dringlichkeit allein daraus abzuleiten, dass der Verfahrensbevollmächtigte des Verfügungsklägers in der Situation im Termin möglicherweise bei prozessual etwas „geschickterem“ Vorgehen noch einen weiteren Fristverlängerungsantrag für die Beibringung (etwa um 30 Minuten) hätte stellen können - was das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung als geeignete Reaktionsmöglichkeit angesprochen hat – und dies versäumt worden ist, ginge nach Auffassung des Senats hier zu weit, zumal man sich ansonsten um eine zeitnahe Vorlage der Urkunde eben durchaus bemüht und diese sogleich auf den Weg zum Landgericht gebracht hatte.
30e) Eine „Selbstwiderlegung“ der Dringlichkeit kann schließlich auch nicht mit Blick auf eine angeblich zu zögerliche Vollziehung und Zwangsvollstreckung der vom Senat erlassenen einstweiligen Verfügung angenommen werden. Abstrakt ist das zwar durchaus denkbar, wenn etwa ein mögliches Verfahren nach § 890 ZPO gegen fortbestehende Verletzungen nicht oder nicht zeitnah betrieben wird (vgl. etwa OLG Köln v. 07.04.2017 – 6 U 135/16, GRUR-RR 2018, 95 sowie OLG Frankfurt v. 25.03.2010 - 6 U 219/09, BeckRS 2010, 16885; KG v. 08.04.2011 – 5 U 140/10, BeckRS 2011, 09414). Ein solcher Fall liegt aber hier ersichtlich nicht vor: Mit Blick auf die konkrete „Erstverletzung“ hat der Verfügungskläger die einstweilige Verfügung unstreitig zeitnah vollzogen. Soweit es allein um spätere - sei es inhaltlich vergleichbare - Äußerungen des Verfügungsbeklagten geht, die zu der gesonderten Einleitung eines eigenständigen gerichtlichen Verfahrens in Hamburg geführt haben, hat der Senat bereits im Beschluss vom 24.06.2021 - 15 W 41/21 (Bl. 290 ff. der Beschwerdeakte) ausgeführt, dass schon wegen des doch etwas anderen Kontextes dieser Äußerung erhebliche Zweifel an einer „Kerngleichheit“ angebracht waren, weswegen gerade auch keine rechtsmissbräuchliche Mehrfachverfolgung im Raum steht. Mit den gleichen Erwägungen kann das Unterlassen des Versuchs des Erwirkens eines Ordnungsmittelbeschlusses über § 890 ZPO hier aber auch nicht als dringlichkeitsschädliches Verhalten eingeordnet werden, zumal der Verfügungskläger durch sein Vorgehen mit dem zeitnahen Antrag auf Erlass einer weiteren einstweiligen Verfügung in Hamburg gerade deutlich belegt hat, dass ihm an einer umfassenden und zeitnahen Sicherung stets gelegen war.
314. Auch ein Verfügungsanspruch des Verfügungsklägers (jedenfalls) aus § 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG ist hier hinreichend glaubhaft gemacht (§§ 936, 920 Abs. 2, 294 ZPO).
32a) Zur Meidung unnötiger Wiederholungen verweist der Senat zunächst auf den - seinerzeit nach Anhörung des Verfügungsbeklagten sowie nach Einsichtnahme durch den Senat in das zwar von den Parteien bisher nicht vollständig zu den Akten gereichte, damals im Internet gemäß dem Hinweis des Landgerichts vom 19.05.2021 (Bl. 52 d.A.) aber noch frei abrufbare (§ 291 ZPO) Video mit einem ca. 13-minütigen Statement des Verfügungsbeklagten zum Verfügungskläger ergangenen - Beschluss vom 24.06.2021 - 15 W 41/21 (Bl. 290 ff. der Beschwerdeakte). Dies gilt auch mit Blick auf die Fassung des Tenors und die mit Blick auf die beAVolumenbegrenzungen hier noch mögliche Einbettung der Datei (dazu allg. auch Senat v. 12.07.2021 – 15 W 45/21, GRUR-RS 2021, 26526 Rn. 29).
33b) Das weitere Vorbringen des Verfügungsbeklagten in der Widerspruchsbegründung (Bl. 138 ff. d.A.) und im Berufungsverfahren rechtfertigt nur noch nachstehende ergänzende Ausführungen des Senats:
34aa) Soweit der Senat bei dem Erlass der einstweiligen Verfügung im genannten Beschluss in der Tat noch keine näheren Ausführungen zur Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) gemacht hat, kann dem Video-Posting zwar ein gewisser satirischer Charakter nicht abgesprochen werden, mag das an der konkret streitgegenständlichen Stelle auch weniger zum Ausdruck kommen. Indes ist die Kunstfreiheit anerkanntermaßen nicht schrankenlos gewährt und findet in kollidierenden Grundrechtspositionen Dritter – hier dem Recht der persönlichen Ehre des Verfügungsklägers – ihre Grenzen, wobei die kollidierenden Grundrechtspositionen im Wege der praktischen Konkordanz zum schonenden Ausgleich zu bringen sind. Letztlich geht es damit aber auch hier (nur) um eine Abwägungsentscheidung (vgl. etwa OLG Hamburg v. 15.05.2018 - 7 U 34/17, BeckRS 2018, 8374 Rn. 19; dazu BVerfG v. 26.01.2022 – 1 BvR 2026/19, BeckRS 2022, 1484), zu der sogleich näher auszuführen ist; auch Art 5 Abs. 3 GG trägt hier im Ergebnis keine andere Gewichtung. Wegen der eindeutigen Teilbarkeit der streitgegenständlichen Passagen vom Rest des Beitrages (als „Gesamtkunstwerk“) bestehen auch mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 GG keine durchgreifenden Bedenken an einem – gegenüber einem sonst alleindenkbaren sog. Gesamtverbot immerhin „milderen“ – Teilverbot eben nur der hier konkret angegriffenen Passage (allg. dazu auch OLG Hamburg a.a.O. Rn. 21 selbst zu einem Gedicht). Die hier fragliche Passage zeichnet sich auch nicht durch ganz besondere satirische Elemente aus, was ggf. die Frage nach einer Trennung von Aussagegehalt und nur satirischer Einkleidung aufwerfen könnte; anderes behauptet auch der Verfügungsbeklagte nicht.
35bb) Der Senat lässt mit Blick auf die weiteren Ausführungen des Verfügungsbeklagten zur popkulturellen bzw. im allgemeinen Sprachgebrauch heutzutage üblichen Nutzung des in der Tat vielschichtigen Begriffs „Schwein“ in Fällen mit sexueller Konnotation bzw. egoistischer Triebbefriedigung nunmehr ausdrücklich offen, ob tatsächlich bereits von einer Formalbeleidigung und/oder einer Schmähkritik mit der Folge eines Abwägungsausfalls auszugehen ist; auch die vorgelegte Entscheidung des LG Hamburg im Urt. v. 20.08.2021 – 324 O 265/21 (Bl. 179 ff. d. Senatshefts) hat dies ersichtlich in Frage gestellt. Denn darauf kommt es – wie auch im Termin erörtert – hier nicht entscheidend an: Denn der Senat hat schon bei Erlass der einstweiligen Verfügung ausgeführt, dass ungeachtet der (formalen) Einordnung der Äußerung als Formalbeleidigung oder Schmähkritik (die man deswegen offenlassen könnte) jedenfalls in der Abwägung – diese nur bezogen auf die konkrete Äußerung als konkrete Verletzungsform im hier fraglichen Kontext - die schutzwürdigen Persönlichkeitsrechte des Verfügungsklägers – mag dieser auch nur in seiner sog. Sozialsphäre betroffen sein – ebenfalls überwiegen. Ein solches – mehr oder weniger „vorsorgliches“ - Abstellen auf eine Abwägungsentscheidung (unter Offenlassen eines sonst denkbaren „Abwägungsausfalls“ wegen der Annahme einer Formalbeleidigung/Schmähkritik) entspricht – dies entgegen der im nicht nachgelassenen Schriftsatz des Verfügungsbeklagten vom 23.02.2021 zum Ausdruck Gebrachten - auch der zuletzt u.a. in der sog. „D“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (v. 19.12.2021- 1 BvR 1073/20, juris Rn. 30 und 42 ff.) vorgezeichneten Möglichkeit eines gerichtlichen Vorgehens in Fällen wie dem Vorliegenden.
36cc) Zu der Abwägungsentscheidung kann zunächst dann ebenfalls auf den o.a. Beschluss des Senats und die in dem Parallelverfahren gemachten und gleichlaufenden Erwägungen des Landgerichts Hamburg Bezug genommen werden. Zusammenfassend sei (noch einmal) betont, dass der Senat nicht in Frage stellen will, dass auch eine polemische und „überzogene“ Auseinandersetzung mit dem strafbaren Verhalten des Verfügungsklägers, der nicht nur wegen seiner Rolle als ehemaliger Nationalspieler, sondern gerade auch wegen des greifbaren Kontrastes seines Verhaltens zu seinem früheren sozialen Engagement für Kinderrechte keinesfalls pauschal zu sanktionieren wäre. Ganz im Gegenteil muss sich der Verfügungskläger die kritische Würdigung im Grundsatz gefallen lassen. Auch steht außer Frage, dass die aus Anlass der Verurteilung versuchte „Selbstinszenierung“ des Verfügungsklägers als ein „Medienopfer“– ungeachtet aller möglichen Auswüchse von manchen Presseorganen – ebenso Anlass zu Kritik bieten mag wie die auch aus den Ausführungen des Verfahrensbevollmächtigten des Verfügungsklägers im Termin vor dem Senat wieder ableitbaren, eher durchschaubaren Versuche, das Verhalten des Verfügungsklägers in Ansehung der inhaltlich nicht bestrittenen Chatverläufe „schönzufärben“ oder gar den damals beteiligten Zeuginnen eine Schuld am Gesamtgeschehen zuzuweisen bzw. entsprechende Mutmaßungen über deren Geltendmachung von Zeugnisverweigerungsrechten im Strafverfahren anzustellen. Auch der von einem „agent provocateur“ – sei es auch unter dem behaupteten Einfluss von Bekannten, Polizei und/oder gar Presseorganen – zu einer Straftat veranlasste Straftäter ist und bleibt im Zweifel ein Straftäter bzw. muss sich – selbst wenn es strafrechtliche Bedenken gegen eine Verurteilung gegeben hätte (wie nicht) – zumindest dennoch der kritischen Würdigung seines tatsächlichen Verhaltens stellen, für das eine Rechtfertigung zu finden auch dem Senat ausdrücklich nicht möglich ist. Indes bedeutet dies – dies entgegen den engagierten Ausführungen der Verfahrensbevollmächtigten des Verfügungsbeklagten im Termin und im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 23.02.2022 – keinen „Freibrief“ auch für grenzenlos übersteigerte und die Person des Betroffenen in ihrem sozialen Geltungsanspruch tief treffende Äußerungen; genau um eine solche geht es aber hier.
37(1) In der Abwägung bedarf es dabei stets einer umfassenden Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Falles und der Situation, in der die Äußerung erfolgte. Zu den hierbei zu berücksichtigenden Umständen können insbesondere Inhalt, Form, Anlass und Wirkung der betreffenden Äußerung sowie Person und Anzahl der Äußernden, der Betroffenen und der Rezipienten gehören (vgl. etwa BVerfG v. 19.12.2021- 1 BvR 1073/20, juris Rn. 30 m.w.N.). Das bei der Abwägung anzusetzende Gewicht der Meinungsfreiheit ist umso höher, je mehr die Äußerung darauf zielt, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, und umso geringer, je mehr es hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen geht (BVerfG a.a.O. Rn. 31 m.w.N.). Treten so etwa selbst bei einem Politiker etwaige Gesichtspunkte der Machtkritik und der Veranlassung durch vorherige eigene Wortmeldungen im Rahmen einer öffentlichen Debatte zurück, wenn es um eine ins Persönliche gehende Beschimpfung und eine auf die Person abzielende öffentlichen Verächtlichmachung geht (BVerfG a.a.O. Rn. 34), sind ganz allgemein kritische Äußerungen umso weniger schutzwürdig, je mehr sie sich von einem Meinungskampf in die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Fragen wegbewegen und die Herabwürdigung der betreffenden Personen in den Vordergrund tritt (BVerfG a.a.O. Rn. 34). Mit Blick auf Form und Begleitumstände einer Äußerung kann nach den Umständen des Falles dann insbesondere auch erheblich sein, ob sie ad hoc in einer hitzigen Situation oder im Gegenteil mit längerem Vorbedacht gefallen ist. Denn für die Freiheit der Meinungsäußerung wäre es abträglich, wenn vor einer mündlichen Äußerung jedes Wort auf die Waagschale gelegt werden müsste. Der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit als unmittelbarer Ausdruck der Persönlichkeit impliziert - in den Grenzen zumutbarer Selbstbeherrschung – durchaus die rechtliche Anerkennung menschlicher Subjektivität und damit auch von Emotionalität und Erregbarkeit (BVerfG a.a.O. Rn. 36). Ebenfalls bei der Abwägung in Rechnung zu stellen ist stets auch die konkrete Verbreitung und Wirkung einer Äußerung, wobei Form und Begleitumstände der Kommunikation maßgeblich sind und der Adressatenkreis, die Frage der Perpetuierung eines Eingriffs und auch die Breitenwirkung einer Internetpublikation (BVerfG a.a.O. Rn. 37).
38(2) Unter Berücksichtigung dieser Prämissen bleibt es auch mit Blick auf das weitere Vorbringen des Verfügungsbeklagten und auch das oben zu Art. 5 Abs. 3 GG Gesagte bei dem bereits aufgezeigten Abwägungsergebnis.
39(a) Selbst wenn man zu Gunsten des Verfügungsbeklagten in Rechnung stellt, dass er in einem bundesweit für Aufsehen sorgenden und gesetzliche Reformen im Strafrecht beeinflussenden Strafverfahren tagesaktuell kritisch Position bezogen haben mag und – wie aufgezeigt – der Verfügungskläger selbst hinreichenden Anlass für eine solche Kritik gegeben hat, wurden an der hier fraglichen Stelle des Postings - auch nach Mimik, Gestik und Ausdruck, wobei eben Wort-/Bildberichterstattungen anerkanntermaßen in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind – sprichwörtlich „alle Hemmungen fallengelassen“ und der Bogen schlichtweg „überspannt.“ Es geht dabei – dies entgegen dem Standpunkt der Verfahrensbevollmächtigten des Verfügungsbeklagten – nicht darum, dass die Ausführungen des Senats zum „virtuellen Marktplatz“ eigentlich doch dazu führen müssten, das - konsequent zu Ende gedacht – das gesamte ca. 13-minütige Statement des Verfügungsbeklagten insgesamt zu verbieten sei. Die Widerspruchsbegründung (S. 30 = Bl. 167 d.A.) sieht nämlich selbst den Unterschied gerade im Duktus der angegriffenen Stelle („Was allein bleibt, ist der - so man es so betrachten will - vermeintlich schärfere Wortlaut.“); genau dies ist aber – wie ausgeführt – das Problem.
40(b) Da dem durchschnittlichen „Follower“ des Verfügungsbeklagten die vorangegangenen öffentlichen Auseinandersetzungen unter den Parteien auch schwerlich verborgen geblieben sein können, fällt dabei aber gerade die (erneute) Verwendung (ausgerechnet) des Terminus „krankes Schwein“, der in anderem Kontext bereits zu Lasten des Verfügungsbeklagten streitentscheidend gewesen ist (Senat v. 13.10.2020 – 15 W 46/20, GRUR-RS 2020, 46637 Rn. 12), deutlich ins Gewicht. Es geht hier nicht etwa um eine in einer emotionalen Situation möglicherweise aufgrund einer verständlichen Erregung (nur) im Einzelfall entgleisende scharfe Formulierung, sondern vielmehr um das ganz bewusstes Kalkül eines offenkundig Uneinsichtigen, der mit dem schon damals plakativ genutzten, einprägsamen und in die Öffentlich getragenen Passus offenbar hier nur (erneut) „Stimmung machen“ wollte, um auf dem „virtuellen Marktplatz“ vor dem Gerichtsgebäude zur Stimmungsmache unter seinen Anhängern nochmals mit deutlich abschätzender Mimik und Gestik den Stab über dem Verfügungskläger zu brechen. Dass der Verfügungsbeklagte gerade um die ihm im Zusammenhang mit einer Verdachtsäußerung bereits einmal vom Senat untersagte Bezeichnung als „krankes Schwein“ ringt und mit der damaligen prozessualen „Niederlage“ offenbar hadert, zeigt plastisch das „Nachtatverhalten“ zum hiesigen Vorfall, welches zu dem weiteren Verfahren vor dem Landgericht Hamburg geführt hat und in dem auch die dortige Kammer nur eine überzogene und in der Abwägung nicht hinnehmbare (wiederholte) Kränkung mit der bewussten und öffentlich bekannt gewordenen Formulierung gesehen hat.
41(c) Verstärkt wird das Vorgenannte im konkreten Zusammenhang zudem dadurch, dass sich der Verfügungsbeklagte zusätzlich noch aus dem Nichts heraus in haltlosen Spekulationen (auch) über angeblich mögliche Missbrauchshandlungen des Verfügungsklägers (auch) im Ausland („Osteuropa, Asien“) verliert, zu denen weder das Strafverfahren noch sonstige tatsächliche Umstände Anlass boten. Dies kann man möglicherweise in Abgrenzung zu einer Auseinandersetzung (nur) mit den abstoßenden Inhalten der im Termin vor dem Senat inhaltlich nicht bestrittenen „Chatverläufe“ des Verfügungsklägers sehen, die möglicherweise Rückschlüsse zumindest auf ein „Weiter-Denken“ des Verfügungsklägers im Hinblick auch auf körperliche Missbrauchshandlungen von Kindern bieten mögen (vgl. dazu auch S. 7 ff. des Schriftsatzes vom 23.06.2021 = Bl. 163 ff. der Beschwerdeakte sowie Anlage ASt 5, Bl. 192 ff. d.A. und den nachgelassenen Schriftsatz vom 23.02.2022, Bl. 226 ff. d. Senatshefts). Jedenfalls dieser weitere (haltlose) Angriff mit dem Vorwerfen etwaiger Auslandsstraftaten zeigt aber, dass es im vorliegenden Kontext mit dem darin liegenden Bedienen üblicher „Klischee-Vorstellungen“ zu „Triebtätern“ und deren Verhalten etwa im asiatischen Ausland nur um eine besondere Herabsetzung des damals frisch verurteilten Verfügungsklägers ging, hinter der das öffentliche Interesse an einer (unbestreitbar möglichen) kritischen Würdigung von Tat, Täter, Gerichtsverfahren und Umgang des Täters mit der Strafe (nur) im vorliegenden Einzelfall zurücktritt. Diese Umstände lassen den Begriff „krankes Schwein“ - ungeachtet des sonst vom Verfügungsbeklagten reklamierten Bedeutungswandels dieses Begriffs – jedenfalls hier weiterhin als übermäßigen Eingriff in die Rechte des Verfügungsklägers erscheinen, den dieser im konkreten Kontext in der Gesamtabwägung nicht mehr hinzunehmen hat. Ob man sonst das Schwein in der christlichen Lehre mit der Unzucht, Völlerei und den sog. Todsünden in Verbindung gebracht hat und es zu einer kulturell-religiös gewachsenen Symbolfigur für das Triebhafte geworden ist, spielt insofern dann auch keine entscheidende Rolle mehr.
42(d) Dem Verfügungsbeklagten soll – was der Senat a.a.O. bereits zum Ausdruck gebracht hat - ansonsten auch ausdrücklich nicht die Möglichkeit genommen werden, sich kritisch mit dem Verfügungsklägers und seinem strafbaren Verhalten bzw. seinem Umgang mit der Verurteilung auseinanderzusetzen. Dass in anderem sprachlichen Duktus und anderer Einkleidung u.U. dann auch ähnlich scharfe Begrifflichkeiten bzw, „schweinisches“ oder „krankes“ Verhalten vorgeworfen werden könnten, ist Frage des Einzelfalles und hier nicht allgemein zu entscheiden. Vorliegend jedenfalls tritt das sachliche Anliegen des Verfügungsbeklagten aber – ungeachtet des tagesaktuellen Anlasses seiner Äußerungen und dem möglicherweise im Kern auch berechtigten Sachanliegen jedenfalls derart in den Hintergrund, dass sich die Äußerung letztlich in einer persönlichen Kränkung erschöpft.
435. Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Verfügungsbeklagten vom 23.02.2022 (Bl. 226 ff. d. Senatshefts) rechtfertigt keine andere Sichtweise und trägt keine – im Verfahren betreffend den Erlass einer einstweiligen Verfügung ohnehin regelmäßig ausgeschlossene (Feddersen, in: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl. 2019, Kap. 55 Rn. 19) – Wiedereröffnung nach § 525 S. 1, 156 Abs. 1 oder 2 ZPO.
446. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, für eine Anwendung des § 97 Ab. 2 ZPO sieht der Senat kein Bedürfnis. Die Entscheidung ist aus der Natur des Eilverfahrens heraus vorläufig vollstreckbar (ohne Sicherheitsleistung). Eine Entscheidung über die Zulassung der Revision scheidet mit Blick auf § 542 Abs. 2 ZPO aus.
45Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 10.000 EUR