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1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 07.02.2023 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 27. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 27 O 87/22 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
3. Dieses Urteil und das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Köln sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
G r ü n d e :
2I.
3Die Klägerin macht gegen die Beklagte Vergütungsansprüche aus einem Vertrag
4über die Erbringung von sog. Online-Businesscoaching-Leistungen geltend.
5Die Klägerin ist im Bereich des Online-Coachings und der Online-Unternehmensberatung
6tätigt und bietet ihre Dienstleistungen über verschiedene Websites an.
7Die Beklagte betreibt eine Werbeagentur.
8Am 24.03.2021 fand ein Online-Video-Telefonat zwischen den Parteien statt, wobei
9von Seiten der Klägerin O. N. und von Seiten der Beklagten deren Geschäftsführer I. P.
10sowie J. D. und Y. B. teilnahmen. Die Parteien haben einen Vertrag namens „Coaching
11& Consulting Excellence“ für die Dauer von 12 Monaten geschlossen. Die vertragliche
12Leistung sollte im Wesentlichen fünf bzw. acht Module umfassen. In dem sog. Modul 1
13sollten Administration und Organisation des Unternehmens erfasst sein. In dem sog. Modul 2
14sollte es um die Positionierung des eigenen Angebots, die Gestaltung eines auf die
15Zielgruppe ausgerichteten Marketings gehen. In dem sog. Modul 3 sollte der Aufbau
16eines effizienten und skalierten Vertriebsprozesses Gegenstand sein. Das sog. Modul 4
17sollte dazu dienen, die Dienstleistungsstruktur und die Angebote für die jeweilige
18Zielgruppe zu verfeinern. Das sog. Modul 5 sollte die Identität und das
19Mindset zum Gegenstand haben. In dem sog. Modul 6 sollte es um die Marke und
20den Aufbau einer Marketingbotschaft (Branding und Message) gehen. In dem sog.
21Modul 7 sollten grundlegende Strategien für verschiedene Social Media Plattformen
22vermittelt werden. Gegenstand des sog. Modul 8 sollten Fragen der
23Mitarbeitergewinnung und der Mitarbeiterführung sein. Dabei sollte für die Mitarbeiter
24der Beklagten jederzeit die Möglichkeit bestehen, sich die einzelnen Module
25anzusehen. Weiter wurde der Zugang zu einer privaten WhatsApp-Gruppe mit
26Mitarbeitern der Klägerin zu den jeweiligen Themenfeldern vereinbart. Außerdem
27sollte es pro Woche 16 Zoom Calls bzw. Live Calls – die auch aufgezeichnet werden
28sollten, um jederzeit abgerufen werden zu können - und in der gesamten Laufzeit
29fünf Seminartage (Coaching Consulting Days) geben. In der Videobesprechung hat
30der Mitarbeiter der Klägerin die von ihr vorgegebenen Vertragsbedingungen
31mündlich wiedergegeben. Wegen des weiteren Inhalts der Videoaufzeichnung dieses
32Gesprächs wird auf die Anlage K2 bzw. die Textwiedergabe Anlage B1 (Bl. 137 ff. d.
33A.) verwiesen.
34Vertragsbeginn war der 00.00.2021. Für fünf Monate, von April bis August 2021
35zahlte die Beklagte an die Klägerin den vereinbarten Betrag von monatlich 4.165,00
36EUR brutto. Sodann wurden die Zahlungen der Beklagten einvernehmlich zunächst
37ausgesetzt. Unter dem 18.12.2021 schrieb der Geschäftsführer der Beklagten
38P. an die Klägerin per Email:
39„Hallo,
40leider befinden wir uns noch immer in einer wirtschaftlichen Schieflage und möchten
41daher noch einmal anfragen, ob wir den Vertrag für weitere 4 Monate aussetzen
42können. Zur Sicherheit möchte ich dennoch hiermit eine unmittelbare Kündigung -
43hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt - aussprechen und bitte in dem
44Zusammenhang auch noch einmal um die Übersendung des seinerzeit
45abgeschlossenen Vertrages.“
46Weiter wandte sich der Geschäftsführer der Beklagten am 06.01.2022 mit einer
47Email folgenden Inhalts an die Klägerin:
48„Hallo,
49da bislang leider alle Nachrichten von mir / uns ignoriert werden, kündige ich hiermit
50nochmals - jetzt allerdings auch entsprechend fristlos und mit sofortiger Wirkung -
51hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Ich bitte nochmals - jetzt allerdings auch mit
52Frist bis zum 13.01.2022 um die Übersendung des Vertrages.“
53Mit Schreiben vom 14.03.2022 an die Beklagte kündigte die Klägerin ihrerseits das
54Vertragsverhältnis wegen Zahlungsverzugs der Beklagten außerordentlich. Wegen
55des Inhalts des Kündigungsschreibens wird auf die Anlage K1, Bl. 5 d. A., verwiesen.
56Mit der Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von jeweils
574.165,00 EUR für weitere vier Monate sowie einen Betrag von 10.500,00 EUR als
58Schadensersatz für drei Monate (3 x 3.500,00 EUR) gemäß § 628 Abs. 2 BGB.
59Die Klägerin hat behauptet, die Parteien hätten sich in dem Video-Telefonat auf
60einen Vertrag über die Erbringung von Leistungen im Bereich online-
61Businesscoaching geeinigt. Die Klägerin habe die vertraglich geschuldeten
62Leistungen auch erbracht bzw. angeboten. Insbesondere habe sie der Beklagten im
63Rahmen der ersten Vertragssäule (von drei Vertragssäulen) Zugriff auf die
64Videoplattform der Klägerin gewährt, bei welcher es sich um den wesentlichen Teil
65des Coaching Programmes der Klägerin handele. Die Inhalte im Online-
66Lernprogramm (Video-Kurs) hätten in aufeinanderfolgenden Modulen bestanden,
67welche die Teilnehmer in Gestalt des Videokurses jeweils bearbeiten sollten und
68welche sukzessiv nach Arbeitsfortschritt freigeschaltet würden.
69Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Beklagten habe kein Kündigungsrecht
70nach § 627 BGB zugestanden, weil es sich nicht um einen Unternehmensberatungsvertrag,
71sondern um einen Vertrag über Coaching-Leistungen gehandelt habe.
72Hierzu hat sie behauptet, es habe kein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen
73Mitarbeitern der Klägerin und Mitarbeitern der Beklagten aufgebaut werden sollen.
74Die Klägerin hat beantragt,
75die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag 27.160,00 EUR
76nebst Zinsen aus einem Teilbetrag von 4.165,00 EUR in Höhe von neun
77Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.12.2021
78sowie Zinsen aus einem weiteren Teilbetrag von 4.165,00 EUR in Höhe von
79neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.01.2022
80sowie Zinsen aus einem Teilbetrag von 4.165,00 EUR in Höhe von neun
81Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.02.2022 sowie
82Zinsen aus einem weiteren Teilbetrag von 4.165,00 EUR in Höhe von neun
83Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.03.2022
84sowie Zinsen aus einem Teilbetrag von 10.500,00 EUR in Höhe von neun
85Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.04.2022 zu
86zahlen.
87Die Beklagte hat beantragt,
88die Klage abzuweisen.
89Sie hat im Hinblick darauf, dass ihr nicht erinnerlich sei, mit welchem Unternehmen
90telefonische Verhandlungen geführt worden seien, zunächst die Aktivlegitimation der
91Klägerin bestritten. Die Beklagte hat weiter behauptet, der Vertrag – welcher von der
92Klägerin als „Kaufvertrag für Coaching-/Consulting Excellence Training“ betitelt
93werde – habe eine „digitale Unternehmensberatung“ zum Gegenstand gehabt. Vor
94Vertragsschluss sei besprochen worden, dass die Klägerin der Beklagten bei der
95Prozessoptimierung zur Leadgenerierung (also Generierung neuer Kundenkontakte)
96und bei der Positionierung/Ausrichtung (Zielgruppe) helfen werde. Weiter sei es um
97die Verbesserung der Unternehmensstrukturen der Beklagten, eine Unternehmenspositionierung,
98Zielgruppenausrichtung und Schaffung einer Marke gegangen. Die Beklagte hat die
99Auffassung vertreten, den Schwerpunkt des Vertrages hätten individualisierte
100Beratungsleistungen zur Optimierung des Unternehmens gebildet, wegen des
101besonderen Vertrauensverhältnisses habe der Beklagten deshalb eine Kündigungs-
102möglichkeit nach § 627 BGB zugestanden.
103Hierzu hat sie behauptet, die Klägerin habe zur Leistungserbringung Einblicke ins
104Branding, die Zielkundenausrichtung, sowie in das Cashflow- und Zahlungsmanagement
105der Beklagten erhalten sollen. Die Beklagte hat zudem behauptet, sie hätte den Vertrag
106mit der Klägerin niemals geschlossen, wenn sie gewusst hätte, dass es sich bei den
107angebotenen Leistungen lediglich um vorgefertigte Unterlagen und nicht um
108individualisierte Unternehmensberatung zur Optimierung des Geschäftsbetriebs
109gehandelt hätte, und hat unter diesem Gesichtspunkt mit Schriftsatz vom 02.11.2022
110die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt (Bl. 101 d. A.).
111Des Weiteren habe die Beklagte keinerlei Dienstleistungen der Klägerin erhalten,
112insbesondere keine Beratungsdienstleistungen oder Trainings. Ihr sei lediglich Zugriff
113zu Inhalten über eine Website gegeben worden. Coachingleistungen oder Coaching-
114Gruppen-Calls habe die Klägerin nicht erbracht. Mangels eines schriftlichen Vertrages
115sei es der Beklagten auch gar nicht möglich gewesen, vertraglich vereinbarte Leistungen zu
116ermitteln und anzufordern. Mit Schriftsatz vom 29.12.2022 hat die Beklagte
117vorgetragen, die über die Website der Klägerin zur Verfügung gestellten Inhalte
118hätten ihr seit Dezember 2021 nicht mehr zur Verfügung gestanden.
119Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 07.02.2023, auf das wegen der
120tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird (§ 522 Abs. 2 S. 4 ZPO),
121stattgegeben. Die Kammer ist davon ausgegangen, dass ausweislich der
122Videoaufzeichnung (Anl. K2) ein Coaching-Programm für die Dauer von zwölf
123Monaten vereinbart worden sei und zwar bestehend aus acht Modulen zum
124Coaching in Gestalt von „Videos, Worksheets, Templates und Skripten“; aus der
125Betreuung in einer WhatsApp Gruppe mit Teilnahme an sogenannten „Live-Calls“ in
126größerer Runde sowie aus einer sogenannten „Community mit einer Facebook
127Gruppe“ zum Erfahrungsaustausch und darüber hinaus fünf „Tickets“ für die
128Teilnahme jeweils einer Person an einem sogenannten Coaching Consulting Day.
129Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 02.11.2022 die Anfechtung wegen arglistiger
130Täuschung nach § 123 S. 1 BGB erklärt habe, greife dies nicht durch. Die
131Anfechtung sei jedenfalls nicht fristgerecht nach § 124 Abs. 1, Abs. 2 BGB erfolgt.
132Die Laufzeit des Vertrages habe am 00.00.2021 begonnen. Spätestens ein bis zwei
133Monate später sei der Beklagten bekannt gewesen, welche Leistungen die Klägerin
134in Erfüllung des Vertrages zur Verfügung stellt. Damit sei jedenfalls am 02.11.2022
135die Jahresfrist abgelaufen gewesen.
136Ebenso wenig habe die Beklagte den Vertrag vorzeitig durch Kündigung beendet.
137Insbesondere die Voraussetzungen einer Kündigung nach § 627 Abs. 1 BGB seien
138nicht gegeben. Bei den vertraglich vereinbarten Leistungen habe es sich zumindest
139nicht um Dienstleistungen gehandelt, welche üblicherweise aufgrund eines
140besonderen Vertrauens zum Dienstleister in Anspruch genommen würden. Das in
141Streit stehende Vertragsverhältnis sei im Kern gerade nicht auf die Erbringung
142individualisierter konkreter Beratungsdienstleistungen und den hierfür zu
143erwartenden Aufbau eines Vertrauensverhältnisses gerichtet gewesen. Vielmehr
144habe es sich um eine Art online-Schulung gehandelt. Wesentlicher Gegenstand des
145Vertrages sei ein Schulungs- und Coachingprogramm gewesen, nicht eine auf das
146Unternehmen der Beklagten zugeschnittene Leistung. Die Verschaffung eines
147persönlichen Eindrucks der Klägerin bzw. ihrer Mitarbeiter vom Unternehmen der
148Beklagten sei ebenso wenig vorgesehen gewesen wie die Zuordnung eines oder
149mehrerer konkret benannter Berater.
150Schließlich greife auch der Einwand der Beklagten, die Klägerin habe keinerlei
151Leistungen erbracht, nicht durch. Das Vorbringen sei vielmehr unsubstantiiert, zumal
152weder aus der Kündigung vom 18.11.2021 noch aus der vom 06.01.2022 ersichtlich
153geworden sei, dass die Klägerin ihre Leistung nicht oder nur eingeschränkt zur
154Verfügung gestellt hätte. Soweit mit Schriftsatz vom 29.12.2022 erstmalig
155vorgetragen worden sei, dass die Website der Klägerin für die Beklagte ab
156Dezember 2021 nicht mehr zur Verfügung gestanden habe, sei dieser Vortrag neu
157und nicht vom Schriftsatznachlass umfasst.
158Damit stünde der Klägerin für den Zeitraum ab dem 12.11.2021 die vereinbarte
159Vergütung in Höhe von monatlich 4.165 € brutto für vier Monate zu. Nach der
160Kündigung vom 14.03.2022 ergebe sich der Anspruch auf Zahlung von weiteren
16110.500 € (für drei Monate) aus § 628 Abs. 2 BGB. Der Zahlungsverzug der Beklagten
162sei vertragswidrig gewesen, sodass die Klägerin zur Kündigung berechtigt gewesen
163sei. Die Parteien hätten eine feste Laufzeit vereinbart, sodass der Nettobetrag der
164entgangenen Vergütung als Schadensersatz verlangt werden könne.
165Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie hat zunächst im
166Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt. Insbesondere hat sie sich
167erneut darauf berufen, dass die Klägerin sich selbst als digitale
168Unternehmensberatung bezeichnet habe. Im Verkaufsgespräch seien nicht nur
169Leistungen aus der „Konserve“ versprochen worden. Vielmehr sei es um die
170Verbesserung der Zahlen der Beklagten gegangen, wobei auch über konkrete
171Zahlen gesprochen worden sei. Die Klägerin habe die Beklagte „branden und
172positionieren“ wollen. Es sei darum gegangen, einen effizienten und skalierten
173Vertriebsprozess aufzubauen, sowie bessere Pakete und bessere Dienstleistungen
174anzubieten und auf die Preisstrategie zu schauen. Angesichts der vereinbarten
175Vergütung von insgesamt 42.000 € könne nicht ernsthaft erwartet werden, dass
176lediglich vorgefertigtes Material und Videokurse zur Verfügung gestellt würden. Die
177Beklagte habe dann aufgrund des Mitschnittes des Verkaufsgesprächs und des
178Schriftsatzes der Klägerin vom 12.09.2022 zur Kenntnis nehmen müssen, dass die
179Klägerin offensichtlich keine individualisierte Unternehmensberatung habe anbieten
180wollen. Damit sei jedoch die Anfechtung rechtzeitig erklärt worden. Da es um die
181Optimierung des Geschäftsbetriebes der Beklagten, eine Verbesserung der Gewinne
182und Zahlen, gegangen sei, sei eine Beratung zur konkreten wirtschaftlichen Situation
183geschuldet gewesen. Diese Beratung sei jedoch als Dienstleistung höherer Art
184anzusehen, weshalb das Vertragsverhältnis jederzeit gemäß § 627 BGB kündbar
185gewesen sei. Zudem habe die Weigerung, den Vertragstext herauszugeben, die
186Beklagte auch zur Kündigung gemäß § 626 BGB berechtigt. Im Übrigen habe die
187Beklagte keine der vereinbarten Unternehmensberatungsleistungen erhalten. Die
188Klägerin habe im Gegenteil versäumt, konkret darzulegen, welche Leistungen sie
189erbracht haben will. Der Zugang zu vorgefertigten Videos stelle jedenfalls keine
190individualisierte Dienstleistung dar. Soweit sie, die Beklagte, mit Schriftsatz vom
19129.12.2022 erstmals vorgetragen habe, dass die Website der Klägerin ab Dezember
1922021 nicht mehr zur Verfügung gestanden habe, sei dieser Vortrag nicht als
193verspätet anzusehen. Die Kammer habe vielmehr die Darlegungs- und Beweislast
194der Klägerin verkannt. Schließlich würde es auch an substantiierten Ausführungen
195zur Höhe des geltend gemachten Schadens fehlen. Insbesondere fehle eine
196Berücksichtigung der ersparten Aufwendungen.
197Weiter hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 17.07.2023 auf den Hinweis des Senates
198vom 16.06.2023 (Bl. 76 ff. d. BA) vorgetragen, dass der am 24.03.2021 abgeschlossene
199zulassungsbedürftigen Fernunterricht zum Gegenstand habe. Da die Klägerin – was
200unstreitig ist nicht über die erforderliche Zulassung nach dem Coaching-Vertrag nach
201ihrer Auffassung einen - Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) verfüge, sei der Vertrag
202nach § 7 Abs. 1 FernUSG als nichtig anzusehen. Die Beklagte vertritt die Ansicht, das
203FernUSG sei auch auf Verträge zwischen Unternehmern anzuwenden. Auch im Übrigen seien die
204Voraussetzungen eines Fernunterrichts im Sinne des § 1 Abs. 1 FernUSG insofern
205erfüllt, als nach dem Vertrag die entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und
206Fähigkeiten geschuldet sei. Dabei seien der Lehrende und der Lernende überwiegend
207räumlich getrennt gewesen. Zudem habe auch eine Überwachung des Lernerfolges im
208Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG stattgefunden.
209Damit stünde der Klägerin kein Entgelt zu. Vielmehr habe die Beklagte für die bereits
210erbrachten Zahlungen einen Anspruch auf Rückzahlung aus § 812 Abs. 1 BGB.
211Die Beklagte beantragt,
212unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Köln vom 07.02.2023, Az. 27 O
21387/22, die Klage abzuweisen.
214Weiter beantragt die Beklagte hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem
215Berufungsantrag aus der Berufungsbegründung widerklagend,
216die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 20.825 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 9 % Punkten
217über dem jeweiligen Basiszinssatz der europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit
218zu zahlen.
219Die Klägerin beantragt,
220die Berufung zurückzuweisen,
221sowie die Hilfswiderklage abzuweisen.
222Sie hat das angefochtene Urteil zunächst unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen
223Vorbringens verteidigt. Dabei hat sie sich insbesondere darauf berufen, dass der von
224der Beklagten behauptete Vertragsinhalt sich nicht aus dem Vertragsgespräch
225ergebe und auch nicht unter Beweis gestellt sei. Ausweislich des aufgezeichneten
226Vertragsgespräch sei keine auf die Beklagte zugeschnittene Beratung vereinbart
227worden. Vielmehr seien den Mitarbeitern der Beklagten die Module des Videokurses
228und die vorgefertigten Arbeitsunterlagen erläutert worden. Dass der Videokurs
229allgemeingültig und für sämtliche Kunden der Klägerin identisch sei, stehe einer
230Optimierung des Geschäftsbetriebes der Beklagten nicht entgegen. Die Beklagte
231hätte das vermittelte Wissen vielmehr für ihren Zweck nutzen können. Dass die
232Inhalte durch die Beklagte selbst hätten erarbeitet werden sollen, ergebe sich aus
233dem Umstand, dass „Worksheets, Templates und Skripte“ zur Verfügung gestellt
234werden sollten. Unabhängig davon sei die Anfechtung auch verspätet erklärt worden.
235Im Übrigen habe die Beklagte unstreitig einen Zugang zum Online-Programm
236erhalten und habe das Programm auch rügelos genutzt. Ein Kündigungsrecht wegen
237fehlender Vertragsaufzeichnungen sei insofern abwegig, als die Beklagte mit drei
238Personen an dem Vertragsschluss teilgenommen habe. Hinsichtlich der
239Schadenshöhe seien keine ersparten Aufwendungen zu verzeichnen, da die Klägerin
240das Online-Programm und die Coaching-Calls unabhängig davon anbietet, ob die
241Beklagte daran teilnimmt.
242Hinsichtlich des FernUSG beruft sich die Klägerin zunächst darauf, dass der
243nunmehr erstmals vorgebrachte Vortrag der Beklagten präkludiert sei. Außerdem sei
244das FernUSG nicht auf unternehmerisches Handeln anwendbar, sondern diene dem
245Verbraucherschutz. Im Übrigen habe es sich bei den angebotenen Leistungen im
246Schwerpunkt um eine individuelle Beratung über unterschiedliche
247Kommunikationskanäle sowie persönlich bei den Präsenzveranstaltungen gehandelt
248und damit nicht um Fernunterricht im Sinne des FernUSG. Zudem sei der ganz
249deutlich überwiegende Teil der Leistungen durch synchrone Kommunikation,
250insbesondere durch Live-Calls erfolgt. Im Ergebnis seien damit ca. 88 % der
251Kommunikation zwischen den Parteien synchron erfolgt, so dass es nach klägerischer
252Auffassung auch an der räumlichen Trennung i. S. d. FernUSG gefehlt habe. Ebenso
253fehle es an der erforderlichen Kontrolle des Lernerfolges. Der allgemeine Umstand,
254dass mündlich Fragen zu Vertragsinhalten gestellt werden können, könne jedenfalls
255nicht als Lernkontrolle im Sinne des FernUSG angesehen werden.
256Das vereinbarte Coaching sei eine prozessorientierte Form der Beratung.
257Dabei würde der Coach den Coachee unterstützen, mit den Coaching-Methoden die
258für ihn passenden Lösungen zu finden. Der Coachee würde seine Ziele mit seinen
259eigenen Möglichkeiten erreichen und sich auf sein eigenes Know-How beschränken;
260bereits diese Grundstruktur widerspreche fundamental dem Gedanken einer
261Lernkontrolle.
262Weiter sei die Widerklage unzulässig, da sie nicht sachdienlich sei. Schließlich erklärt
263die Klägerin die Hilfsaufrechnung, weil der Beklagten die Dienstleistungen der
264Klägerin bis zur Kündigung am 14.03.2022 zur Verfügung gestanden hätten. Vom
265Zeitpunkt des Vertragsbeginns bis dahin hätte die Beklagte in diesem Fall daher
266Wertersatz an die Klägerin in Höhe von 4.165,00 Euro brutto / Monat zu leisten.
267Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in beiden
268Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst der darin in Bezug genommenen
269Anlagen verwiesen.
270II.
271Die Berufung der Beklagten ist zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch
272keinen Erfolg.
2731.
274Das Landgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Klägerin gegenüber
275der Beklagten gemäß § 611 BGB aus dem am 24.03.2021 geschlossenen Vertrag
276ein Anspruch auf Zahlung von vier monatliche Raten zu je 4.165 € brutto für die Zeit
277vom 12.11.2022 bis 12.02.2022 zusteht.
278Mittlerweile ist zwischen den Parteien unstreitig, dass es am 24.03.2021 zu einer
279vertraglichen Vereinbarung gekommen ist. Ebenso unstreitig ist, dass eine
280Vertragsdauer von zwölf Monaten vereinbart wurde und ab dem 00.00.2021
281monatliche Raten von 3.500 € netto zu zahlen waren.
282a) Der Vertrag ist entgegen der Einschätzung der Beklagten auch nicht als nichtig
283nach § 7 Abs. 1 FernUSG anzusehen, weil die Klägerin nicht über die nach § 12 Abs.
2841 FernUSG erforderliche Zulassung verfügt. Dabei handelt es sich bei dem
285Vorbringen der Beklagten zum FernUSG – entgegen der Auffassung der Klägerin -
286nicht um neuen Tatsachenvortrag, sondern um Rechtsausführungen, die an die
287entscheidungserheblichen Tatsachen zum Vertragsschluss und den
288Vertragsinhalten, die bereits in erster Instanz unter Bezugnahme auf den
289Videomitschnitt übereinstimmend vorgetragen worden sind, anknüpfen.
290(1) Zunächst stellt sich die Frage der Anwendbarkeit des FernUSG, da vorliegend
291unstreitig kein Verbrauchervertrag gegeben ist.
292Für eine Anwendung des FernUSG nur auf Verbraucherverträge spricht allerdings,
293wie die Klägerin zu Recht eingewandt hat, die Gesetzesbegründung zum FernUSG
294(BT-Drs. 7/4245, S. 13). Danach sollen die Teilnehmer am Fernunterricht unter dem
295Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes geschützt werden und das Gesetz solle sich
296„einreihen“ in die Bemühungen zum Schutz der Verbraucher. Hierfür spricht auch § 4
297FernUSG, da dort auf § 355 BGB verwiesen wird, der den Verbraucherwiderruf
298normiert. Auch in § 7 FernUSG wird mehrfach das Widerrufsrecht angesprochen.
299Zudem verweist die Klägerin zutreffend darauf, dass im Allgemeinen Unternehmer
300von Gesetzes wegen als weniger schutzwürdig angesehen werden als Verbraucher.
301Das Oberlandesgericht Celle hat demgegenüber in seinem Urteil vom 01.03.2023 (3
302U 85/22, BeckRS 2023, 2794) ausgeführt, dass das FernUSG sowohl auf
303Verbraucher als auch auf Unternehmer Anwendung finde. Gegen eine Anwendung
304nur auf Verbraucher spreche u. a., dass das FernUSG abgesehen von der Regelung
305des § 3 Abs. 3 FernUSG den Begriff des Verbrauchers nicht verwende. Soweit
306jedoch § 3 Abs. 3 FernUSG eine gesonderte Belehrung für Verbraucher vorsehe, sei
307dies nur der Umsetzung des Verbraucherschutzes geschuldet. Es gäbe aber -
308anders als z.B. in § 1 Absatz 1 VerbrKrG a. F. oder § 6 Nr. 1 HWiG a.F. - keine
309gesonderte Vorschrift, die die Anwendung des Gesetzes im Ergebnis explizit nur für
310Verbraucherverträge vorschreibe. Im Übrigen spreche für eine Anwendung des
311Gesetzes auf Unternehmer das Verständnis der Praxis (vgl. OLG Celle a.a.O.).
312Weiter könnte – wie die Beklagte zu Recht ausführt – auch der historische Kontext
313des FernUSG gegen eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des FernUSG
314auf Verbraucher sprechen. Die „verbraucherschützende“ gesetzgeberische
315Zielsetzung des FernUSG datiert von 1975 und damit vor der Einführung des
316modernen Verbraucherschutzrechts. Die Legaldefinition des Verbrauchers in §13
317BGBwurde erst im Zuge der europarechtlichen Harmonisierung durch Art. 2 des
318Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts
319sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27.06.2000 (BGBl I 2000,
320S. 897) in das BGB eingefügt. Die ersten wesentlichen europäischen Vorschriften
321wie die Haustürgeschäftswiderrufs-Richtlinie (ABl. EG Nr. L 372 vom 31.12.1985,
322S. 31) datieren aus den 1980er Jahren. So gesehen könnte der „Verbraucher“,
323den das FernUSG schützen will, nicht gleichzusetzen sein mit dem Verbraucher
324i.S.d. §13BGBa.F. Vielmehr könnte der historische Gesetzgeber damit auch
325jeden Kunden eines Fernunterrichtslehrgangs gemeint haben. Diesen
326Anwendungsbereich hat der Gesetzgeber im Zuge der vielfältigen Novellen des
327Verbraucherschutzrechts zumindest im Gesetzeswortlaut im Wesentlichen auch
328nie angepasst (vgl. hierzu auch Lach, jurisPR-ITR 12/2023, Anm. zu OLG Celle 3
329U 85/22).
330Der Senat kann die Entscheidung der Frage, ob das FernUSG auch auf Verträge
331zwischen Unternehmern Anwendung finden kann, allerdings dahin stehen lassen, da
332im vorliegenden Fall jedenfalls die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 FernUSG nicht
333erfüllt sind.
334Ausweislich § 1 Abs. 1 FernUSG ist Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieses
335Gesetzes, dass es sich um einen Vertrag handelt, der die entgeltliche Vermittlung
336von Kenntnissen und Fähigkeiten zum Gegenstand hat, bei der der Lehrende und
337der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind und der
338Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen.
339(2) Der streitgegenständliche Vertrag hat zwar zumindest auch die Vermittlung von
340Kenntnissen und Fähigkeiten zum Gegenstand. Nach dem Inhalt des klägerischen
341Programmes sollte - im Wesentlichen mittels Videos, Worksheets, Templates und
342Skripten - Wissensvermittlung zur Unternehmensorganisation, zum Marketing und
343zum Vertrieb erfolgen. Der Kontakt zwischen der Klägerin und der Beklagten dürfte
344auch ganz überwiegend räumlich getrennt erfolgt sein. Die Klägerin hat zwar geltend
345macht, die Kommunikation sei ganz überwiegend synchron erfolgt und zwar zu ca.
34688 %. Demgegenüber haben die Beklagten jedoch zutreffend eingewandt, dass die
347Seminare zumindest zusätzlich zur Wiederholung von den Teilnehmern abgerufen
348werden konnten, was für eine räumliche Trennung spricht.
349(3) In jedem Fall fehlt es aber an einer vertraglich vereinbarten Überwachung des
350Lernerfolges.
351Dieses Tatbestandsmerkmal ist zwar – nach der Rechtsprechung des
352Bundesgerichtshofs – weit auszulegen (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.2009, III ZR
353310/08, NJW 2010, 608). Begründet hat der Bundesgerichtshof diese Auslegung
354damit, dass der Gesetzgeber wegen eines gestiegenen Interesses an
355Fernlehrgängen den Verbraucherschutz in diesem Bereich habe stärken wollen.
356Insbesondere seien Mängel beim Angebot von Fernlehrgängen dergestalt festgestellt
357worden, dass Angebote von geringer methodischer und fachlicher Qualität
358angeboten worden seien, die nicht geeignet seien, das in der Werbung genannte
359Lehrgangsziel zu erreichen. Die bislang geltenden Rechtsvorschriften seien daher
360als nicht hinreichend angesehen worden, da sie nicht die besondere Situation eines
361Fernunterrichtsinteressenten berücksichtigten, der immer Schwierigkeiten haben
362werde, seine eigenen Fähigkeiten, die Qualität des angebotenen Fernlehrgangs und
363dessen Eignung für seine Bedürfnisse einzuschätzen. Insofern sei auch eine
364einmalige Überwachung des Lernerfolges als ausreichend anzusehen. Insgesamt sei
365eine Überwachung des Lernerfolges nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG bereits dann
366gegeben, wenn der Lernende nach dem Vertrag den Anspruch habe, z.B. in einer
367begleitenden Unterrichtsveranstaltung durch mündliche Fragen zum erlangten Stoff
368eine individuelle Kontrolle des Lernerfolges durch den Lehrenden oder seinen
369Beauftragten zu erhalten (vgl. BGH a.a.O.).
370In dem streitgegenständlichen Vertrag wird eine Lernkontrolle nicht ausdrücklich
371erwähnt. Es ist nicht vereinbart worden, dass die Beklagte irgendwelche
372Prüfungsaufgaben erhalten sollte oder die Gelegenheit gehabt hätte, sich über ihren
373Lernerfolg bei der Klägerin rückzuversichern.
374Soweit der Bundesgerichtshof (a.a.O.) insoweit darauf abgestellt hat, dass durch
375Begriffe wie „Studium“ oder „Lehrgang“ oder auch „Absolvent“ und „Zertifikat“
376deutlich werde, dass eine Wissensvermittlung stattfinde, die den Teilnehmer weiter
377qualifiziert und dass ein Studium oder ein Lehrgang untrennbar mit Lernkontrollen
378verbunden seien, fehlt es dem streitgegenständlichen Vertrag an entsprechenden
379Formulierungen. Das vorliegende Online-Coaching ist weder als Lehrgang oder
380Studium oder eine ähnliche Ausbildung bezeichnet worden noch sollte irgendein
381Abschluss erworben werden.
382Sofern die Beklagte darauf verweist, aus der Rechtsprechung werde deutlich, dass
383auch Fragen zum eigenen Verständnis des bisher Erlernten an den jeweiligen
384Dozenten ausreichen können, um eine persönliche Lernkontrolle durchzuführen, ob
385nämlich das bisher Erlernte richtig verstanden worden sei, verkennt sie, dass die
386Kontrolle des Lernerfolges, gleichgültig ob mündlich oder schriftlich nicht als
387Selbstkontrolle zu verstehen ist, sondern nicht zuletzt nach dem Gesetzeswortlaut
388als Kontrolle durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten.
389Nichts Anderes führt der Bundesgerichtshof in seiner oben aufgeführten
390Entscheidung oder auch das Oberlandesgericht Celle in seinem Urteil vom
39101.03.2023 (3 U 85/22, BeckRS 2023, 2794) aus. Das Oberlandesgericht Celle hat
392die Kontrolle des Lernerfolges in dem von ihm konkret zu entscheidenden Fall zwar
393auch bei einer mündlichen Kontrolle bejaht. In diesem Fall sind aber in der
394Auftragsbestätigung nicht nur ein WhatsApp-Support, in dem Fragen gestellt werden
395konnten, bzw. Videos und Dokumente erwähnt, sondern auch Checklisten und
396Prüfungen, woraufhin eine Überwachung des Lernerfolges bejaht wurde.
397Soweit bei den vorliegenden Vertragsverhandlungen davon die Rede war, in der
398WhatsApp Gruppe bestünde eine „absolute Fragenflatrate“, sollte dies ausdrücklich
399nicht der Kontrolle eines Lernerfolges oder der Kontrolle von erworbenem Wissen
400dienen, sondern der Lösung einzelner Problemstellungen, die sich im Vertrieb hätten
401ergeben können. Insoweit ist der Beklagten angeboten worden, dass die Mitarbeiter
402der Klägerin für Fragen zur Lösung von Alltagsproblemen zur Verfügung stünden.
403Ferner hat der Mitarbeiter der Klägerin in dem Vertragsgespräch zu den Live-Calls
404zwar hervorgehoben, dass die Mitarbeiter der Beklagten Fragen stellen könnten,
405allerdings unter Hinweis darauf, dass die Teilnehmer normalerweise durch das
406Zuhören „lernen“ würden – was sicher auch nicht auf eine Kontrolle hinweist.
407Dementsprechend sollten auch im Rahmen der Facebook-Gruppe lediglich ein
408Austausch und das Bilden von Netzwerken erfolgen.
409Im Ergebnis ging es der Beklagten ausweislich der Vertragsverhandlungen nicht
410darum, für ihre Mitarbeiter besondere Qualifikationen zu erwerben, sondern vielmehr
411diese zu befähigen, den (rückläufigen) Umsatz zu steigern. Insofern hat die Beklagte
412in ihrer Berufungsbegründung auch nicht mangelnde Lernerfolge geltend gemacht,
413sondern dass es an einer individuellen Unternehmensberatung gefehlt habe.
414b) Wegen der weiteren mit der Berufungsbegründung erhobenen Einwendungen
415kann die Berufung aus den bereits mit Hinweisbeschluss vom 16.06.2023
416dargestellten Gründen keinen Erfolg haben:
417Soweit die Beklagte mit ihrer Berufung erneut die Auffassung vertritt, Gegenstand
418des Vertrages sei eine konkrete Unternehmensberatung gewesen, vermag sie nicht
419durchzudringen. Die Kammer hat vielmehr zutreffend ausgeführt, dass ausweislich
420der Videoaufzeichnung (Anl. K2; Zugang Bl. 58 d. A.) - aber auch ausweislich der der
421Gesprächswiedergabe (Anl. B1, Bl. 137 ff. d. A.) - die Leistung der Klägerin aus
422einem Coaching-Programm mit acht Modulen zum Coaching in Gestalt von „Videos,
423Worksheets, Templates und Skripten“, aus einer Betreuung in einer WhatsApp
424Gruppe mit Teilnahme an sogenannten „live Calls“, sowie aus einer Facebook
425Gruppe zum Erfahrungsaustausch und darüberhinaus fünf „Tickets“ für die
426Teilnahme an einem sogenannten „Coaching Consulting Day“ bestehen sollte.
427Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden
428Ausführungen in dem angegriffenen Urteil Bezug genommen. Die Beklagte verkennt
429demgegenüber, dass allein aus der Werbung oder Bezeichnung der Klägerin als
430Unternehmensberatung und Coachinganbieter nicht folgt, dass jeder Vertrag auch
431ein Beratervertrag ist. Vielmehr ist maßgebend, was die Parteien konkret vereinbart
432haben. Insoweit ist aber auch unter Berücksichtigung der Zitate der Beklagten aus
433dem Vertragsgespräch lediglich ein Coachingvertrag anzunehmen. Die von der
434Beklagten angeführten Beispiele, es seien Leistungen zur „Skalierung und
435Optimierung“ versprochen worden, es sei um die Verbesserung der Zahlen der
436Beklagten gegangen bzw. die Klägerin habe die Beklagte „branden und
437positionieren“ wollen, lassen - unabhängig davon, dass sie eigentlich nur das
438Vorgespräch und nicht den konkreten Vertragsgegenstand betroffen haben - keine
439konkrete Beraterleistung, die die Klägerin hätte erbringen sollen, erkennen. Vielmehr
440handelt es sich lediglich um allgemeine Angaben, wofür die Online-Module, Live-
441Calls und Ähnliches von den Mitarbeitern der Beklagten im Ergebnis genutzt werden
442können. Auch die vereinbarte Vergütung von 42.000 € für ein ganzes Jahr spricht
443eher gegen die Verpflichtung eines oder mehrerer Berater.
444(1) Zutreffend hat die Kammer eine wirksame Kündigung des Vertrages durch die
445Beklagte am 18.11.2021 bzw. 06.01.2022 verneint. Entgegen der Auffassung der
446Beklagten bestand kein Kündigungsrecht nach § 627 Abs. 1 BGB. Von § 627 BGB ist
447nicht jedes Dienstverhältnis erfasst, sondern nur eines, das Dienste höherer Art zum
448Gegenstand hat, die im Allgemeinen aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu
449werden pflegen. Dienste höherer Art sind solche Dienste, die ein
450überdurchschnittliches Maß an Fachkenntnis, Kunstfertigkeit oder wissenschaftlicher
451Bildung, eine große geistige Fantasie oder Flexibilität voraussetzen und dem
452Dienstverpflichteten eine herausgehobene Stellung verleihen. Gleichzeitig muss es
453sich um Dienste handeln, die typischerweise auf der Grundlage besonderen
454Vertrauens zwischen den Parteien wahrgenommen werden (vgl. BeckOGK/Günther,
455BGB, Stand: 01.05.2023, § 627 Rn. 21). Dabei hat die Kammer es zu Recht
456dahinstehen lassen, ob die Klägerin „Dienste höherer Art“ zu erbringen hatte, da es
457jedenfalls an dem besonderen Vertrauensverhältnis fehlte. Das besondere
458Vertrauensverhältnis müsste auf einem persönlichen Vertrauen basieren, dass sich
459nicht lediglich auf die Sachkompetenz des Vertragspartners erstreckt. Deshalb wird
460bei Unterrichtsverträgen, die mit Institutionen abgeschlossen werden, regelmäßig
461kein derartiges persönliches Vertrauen angenommen, weil ihr Ziel eine auf den Erfolg
462abstellende Vermittlung von Fachwissen ist; der Gesichtspunkt des besonderen
463Vertrauens demgegenüber aber ganz zurücktritt (vgl. MünchKomm/Hennsler, BGB,
4649. Aufl. 2013, § 627 Rn. 29). Wie bereits oben dargelegt, ist zwischen den Parteien
465keine von konkretem Vertrauen abhängige Leistung vereinbart worden. Es ist nicht
466ersichtlich, dass bestimmte persönlich benannte Berater Einblick in den konkreten
467Geschäftsbetrieb der Beklagten, etwa in die Buchhaltung oder in die Kundendaten,
468hätten erhalten sollen. Vielmehr war Schwerpunkt des Vertrages ein Coaching-
469Programm, das die Mitarbeiter der Beklagten sich selbst hätten erarbeiten sollen.
470Damit ist der Vertrag vergleichbar mit Unterrichtsverträgen, bei denen regelmäßig
471eine besondere Vertrauensbeziehung zu verneinen ist.
472(2) Die Beklagte kann ferner auch nicht damit durchdringen, dass eine Kündigung
473aus wichtigem Grund nach § 626 BGB gerechtfertigt gewesen wäre. Soweit sie sich
474darauf beruft, die Klägerin habe ihr keinen Vertragstext bzw. keine Aufzeichnung des
475Gesprächs übergeben, verkennt die Beklagte, dass drei ihrer Mitarbeiter bei dem
476Vertragsabschluss anwesend waren, ihnen der Vertragsinhalt also bekannt war.
477Dafür spricht im Übrigen auch die rügelose Nutzung des online-Zugangs. Aus dieser
478rügelosen Nutzung des Coachings wird darüber hinaus auch deutlich, dass die
479Klägerin die vereinbarte Leistung offenbar ordnungsgemäß erbracht hat. Soweit die
480Beklagte sich darauf beruft, die Klägerin trage die Darlegungslast für die
481ordnungsgemäße Leistung, verkennt sie, dass bis zu ihrem Schriftsatz vom
48229.12.2022 der Zugang der Beklagten zur Website der Klägerin nicht im Streit stand.
483Vielmehr hat die Beklagte selbst vorgetragen, ihr sei Zugriff zu den Inhalten über
484eine Website gegeben worden (Bl. 21 d. A.). Insofern hat die Kammer das
485entsprechende Vorbringen, die Seite habe der Beklagten ab Dezember 2021 nicht
486mehr zur Verfügung gestanden, zutreffend als verspätet nach § 296a ZPO
487zurückgewiesen und die Beklagte bleibt mit diesem Vortrag auch in der Berufung
488ausgeschlossen, § 531 Abs. 1 ZPO. Im Übrigen hat die Kammer zu Recht darauf
489abgestellt, dass der Vortrag der Beklagten zu den Coaching-Leistungen der Klägerin
490als widersprüchlich anzusehen ist. Insofern wird auf die zutreffenden Ausführungen
491der Kammer in dem angegriffenen Urteil verwiesen.
492(3) Die Kammer hat auch zu Recht eine Nichtigkeit des Vertrages wegen arglistiger
493Anfechtung nach § 123 BGB verneint. Bei Abgabe der Anfechtungserklärung am
49402.11.2022 war jedenfalls die Jahresfrist des § 124 Abs. 1, Abs. 2 BGB verstrichen.
495Entgegen der Auffassung der Beklagten ist nicht erst mit dem klägerischen
496Schriftsatz vom 12.09.2022 von Kenntniserlangung der Beklagten auszugehen.
497Unabhängig davon, ob der Beklagten eine Aufzeichnung des Vertragsgesprächs
498vorgelegen hätte, haben jedenfalls drei ihrer Mitarbeiter an dem Gespräch
499teilgenommen und waren daher in der Lage, in der nachfolgenden Zeit zu bewerten,
500ob die angebotenen Leistungen vertragsgerecht erbracht worden sind. Insofern ist
501die Kammer mit zutreffender Begründung von einem Fristbeginn spätestens ein bis
502zwei Monate nach Vertragsschluss ausgegangen. Zu Recht hat die Kammer im
503Übrigen auch darauf verwiesen, dass noch nicht einmal die Kündigungsschreiben
504der Beklagten vom 18.11.2021 bzw. 06.01.2022 Hinweise darauf enthalten, dass die
505Dienstleistungen der Klägerin nicht den Erwartungen der Beklagten entsprochen
506hätten.
5072. Folgerichtig hat die Kammer der Klägerin bis zu ihrer Kündigung am 14.03.2022
508die Vergütung in voller Höhe und nach der Kündigung wegen Zahlungsverzuges für
509die verbleibenden drei Monate die entgangene Netto-Vergütung als Schadensersatz
510nach § 628 BGB zugesprochen. Soweit die Berufung geltend macht, die Kammer
511habe es versäumt, ersparte Aufwendungen zu berücksichtigen, verkennt sie, wie die
512Klägerin zutreffend geltend macht, dass die Klägerin ihre Coaching-Calls unabhängig
513davon angeboten hat, ob die Beklagte daran teilnimmt. Entsprechendes gilt auch für
514das Online-Programm. Damit sind ersparte Aufwendungen nicht ersichtlich und von
515der Beklagten auch nicht konkret vorgetragen.
516Demzufolge waren auch die geltend gemachten Verzugszinsen zuzusprechen.
517Konkrete Einwendungen werden mit der Berufung insoweit auch nicht geltend
518gemacht.
519III.
520Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
521Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10 S. 1,
522711 ZPO.
523Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO) sind
524nicht erfüllt. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch bedarf es einer
525weiteren Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur
526Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Vielmehr ist die hier maßgebliche
527Rechtsfrage der „Kontrolle des Lernerfolges“ in der obergerichtlichen
528Rechtsprechung hinreichend geklärt. Die Beurteilung des Streitfalls beruht nur auf
529einer Würdigung des Vorbringens der Parteien zu den konkreten Umständen des
530vorliegenden Einzelfalls, dem im Übrigen ein anderer Sachverhalt zugrunde liegt als
531den oben zitierten Urteilen des Bundesgerichtshofs (III ZR 310/08) und des
532Oberlandesgerichts Celle (3 U 85/22).
533Berufungsstreitwert:
53427.160 €