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Die Berufung der Beklagten gegen das am 23.02.2023 verkündete Teilurteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Köln (19 O 136/22) wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten werden der Beklagten auferlegt.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis 500,- EUR festgesetzt.
Oberlandesgericht Köln
2Beschluss
3In dem Rechtsstreit
4hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln
5durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht N. sowie die Richter am Oberlandesgericht C. und I.
6am 20. Juli 2023
7b e s c h l o s s e n :
8Die Berufung der Beklagten gegen das am 23.02.2023 verkündete Teilurteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Köln (19 O 136/22) wird als unzulässig verworfen.
9Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten werden der Beklagten auferlegt.
10Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis 500,- EUR festgesetzt.
11Gründe:
12I.
13Die Klägerin nimmt die Beklagte im Wege der Stufenklage - zunächst - auf Auskunft a) über den Inhalt ihrer aktuellen Satzung sowie b) den Inhalt und das Datum des Wirksamwerdens sämtlicher Änderungen, die ihre Satzung nach 20.03.1987 genommen hat, in Anspruch.
14Wegen der getroffenen Feststellungen und der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf das landgerichtliche Teilurteil vom 23.02.2023 (Bl. 412 ff d.LG-A.) Bezug genommen, mit dem das Landgericht die Beklagte antragsgemäß zur Auskunftserteilung verurteilt hat.
15Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung, mit der sie geltend macht:
16Es bestehe weder ein gesetzlicher noch ein vertraglicher Auskunftsanspruch. Der Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 242 BGB. Eine Sonderrechtsbeziehung zwischen den Parteien bestehe nicht. Darüber hinaus fehle es auch an der weiteren Voraussetzung eines Auskunftsanspruchs, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass der zugrundeliegende Anspruch gegeben sei.
17Die Beklagte beantragt,
18unter Aufhebung des Teilurteils des Landgerichts Köln vom 23.02.2023 (19 O 136/22) die Klage abzuweisen.
19Die Klägerin beantragt,
20die Berufung zurückzuweisen
21Die Beklagte ist zunächst von dem Vorsitzenden des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln, dem das vorliegende Verfahren ursprünglich zugeteilt worden ist, unter dem 25.05.2023 darauf hingewiesen worden, dass Zweifel an der Glaubhaftmachung der Berufungssumme bestehen (Bl. 134 f d.OLG-A.). Nach Übernahme des Verfahrens durch den erkennenden Senat hat die Senatsvorsitzende die Beklagte mit Verfügung vom 27.06.2023 erneut darauf hingewiesen, dass die Berufung unzulässig sein dürfte (Bl. 170 ff. d.OLG-A.)
22II.
23Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen, da sie unzulässig ist. Weder wird der Beschwerdewert des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erreicht, noch ist die Berufung nach § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen worden.
241.
25Die Berufungssumme des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist vorliegend nicht erreicht.
26Der Wert der Beschwer durch eine Verurteilung zur Auskunft entspricht, wenn - wie hier - ein besonderes Geheimhaltungsinteresse nicht glaubhaft gemacht oder sonst ersichtlich ist, dem Aufwand an Zeit und Kosten, welcher für die Partei mit der Erfüllung der titulierten Verpflichtung verbunden ist (ständige und einhellige Rechtsprechung für die Auskunftserteilung, vgl. nur BGHZ 128, 85, 87 f.; BGHZ 164, 63, 65 f.; BGH NJW-RR 2009, 80, 81; BGH, NJW-RR 2011, 998). Für den eigenen Zeitaufwand kann der Verurteilte dabei maximal den gemäß § 22 JVEG für die Entschädigung von Zeugen maßgeblichen Höchstsatz in Ansatz bringen. Zu den berücksichtigungsfähigen Kosten des zur Auskunft Verpflichteten gehören daneben auch die Ausgaben für die etwaige Inanspruchnahme fachkundiger Dritter oder Hilfspersonen, derer sich der Verpflichtete zur Vorbereitung einer nicht ohne weiteres von ihm zu leistenden Auskunft bedienen darf (vgl. statt aller BGH NJW-RR 2014, 1319 m. w. N.).
27Den Wert des Zeitaufwandes, der für die Beklagte mit der Erfüllung der titulierten Verpflichtung verbunden ist, schätzt der Senat auf weniger als 600,00 €. Die Beklagte hat auch auf den gerichtlichen Hinweis vom 25.05.2023 nicht dargetan, dass ihre Beschwer, insbesondere der mit der Erfüllung der titulierten Verpflichtung verbundene Aufwand, den Wert von 600,00 € übersteigt. Weder ist ein konkretes Geheimhaltungsinteresse auf Seiten der Beklagten ersichtlich noch das Erfordernis, Dritte als (ggf. fachkundige) Hilfspersonen zur Erteilung der Auskunft einsetzen zu müssen.
282.
29Die Berufung ist nicht gemäß § 511 Abs. 4 S. 1 ZPO vom Landgericht zugelassen worden. Eine entsprechende Entscheidung ist dem Senat verwehrt.
30a) Sind – wie im vorliegenden Fall – Anträge auf Zulassung der Berufung von den Parteien nicht gestellt, so ist eine ausdrückliche Entscheidung durch das erstinstanzliche Gericht nicht nötig. Schweigen bedeutet dann Nichtzulassung (BGH, NJW 2011, 926 Rn. 15 m. w. N.; NJW-RR 2012, 633 Rn.11).
31Allerdings muss das Berufungsgericht eine vom erstinstanzlichen Gericht nicht getroffene Entscheidung über die Zulassung der Berufung nachholen, wenn dieses für eine Zulassungsentscheidung keine Veranlassung gesehen hat, da es wegen eines auf mehr als 600,- Euro festgesetzten Streitwerts auch von einer entsprechenden Beschwer der unterlegenen Partei ausgegangen ist, während das Berufungsgericht diesen Wert für nicht erreicht hält (BGH, NJW 2008, 218 = NZM 2008, 78 Rn. 12; WuM 2008, 614 = BeckRS 2008, 13573 Rn. 4 f.; WuM 2008, 615 = BeckRS 2008, 13574 Rn. 13; NJW-RR 2010, 1582 = WuM 2010, 437 Rn. 3; NJW 2011, 615 Rn. 12; NJW-RR 2012, 633 Rn. 13).
32Das Berufungsgericht ist zur Nachholung der Zulassungsentscheidung jedoch ausschließlich dann befugt, wenn zweifelsfrei feststeht, dass das hierfür primär zuständige erstinstanzliche Gericht keine Veranlassung gesehen hat, über die Zulassung zu entscheiden, weil es nachweislich von einer ausreichenden Beschwer nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ausgegangen ist (BGH, NJW-RR 2012, 633 Rn. 14).
33Alleine die Höhe eines von der ersten Instanz festgesetzten Streitwertes ist dabei kein hinreichendes Merkmal. Der Streitwert einer Auskunftsklage und die Beschwer des zur Auskunft verurteilten Beklagten fallen nämlich in aller Regel so erheblich auseinander, dass allein deshalb für die Annahme, der erstinstanzliche Richter habe auf Grund seiner Streitwertfestsetzung keinen Anlass gesehen, über die Zulassung der Berufung zu entscheiden, nicht ohne Weiteres Raum ist (BGH, NJW 2011, 926; NJW 2011, 2974 Rn. 15; NJW 2011, 3790 Rn. 11; NJW-RR 2012, 633 Rn. 15).
34Das Vorliegen einer konkludenten Entscheidung über die Nichtzulassung kann dagegen sogar positiv festgestellt werden, wenn das erstinstanzliche Gericht die vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung nach den § 708 ZPO anordnet, ohne zugleich eine Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO auszusprechen. Eine solche soll nach § 713 ZPO nämlich nur dann unterbleiben, wenn die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet,
35unzweifelhaft nicht vorliegen. Das erstinstanzliche Gericht müsste dann also von der offensichtlichen Unanfechtbarkeit seines Urteils ausgegangen sein (BGH, NJW-RR 2010, 934 Rn. 20; NJW 2011, 926 Rn. 18).
36Umgekehrt lassen sich aus der fehlerhaften Anordnung einer Sicherheitsleistung und ihrer Höhe aber hinreichend sichere Schlüsse zur Beurteilung der Rechtsmittelfähigkeit durch das erstinstanzliche Gericht nicht ziehen. Mit der Anwendung des § 709 ZPO werden inzident ein Fall des § 708 ZPO und damit auch die Voraussetzungen des § 711 ZPO verneint. Dann ist § 713 ZPO von vornherein nicht anwendbar, ohne dass es hierfür auf die Rechtsmittelfähigkeit der Entscheidung ankommt (BGH, NJW-RR 2012, 633 Rn. 17).
37b) Hiervon ausgehend kann nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass das Landgericht vom Überschreiten der Grenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ausgegangen, der Nichtausspruch zur Zulassung damit als fehlerhaftes Absehen von einer Entscheidung über die Berufungszulassung einzuordnen und eine Nichtzulassung durch bloßes Schweigen auszuschließen ist.
38Eine Streitwertfestsetzung ist seitens des Landgerichts bislang nicht erfolgt.
39Auch der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit lässt zumindest keine sicheren Rückschlüsse zu.
40Eine Entscheidung zur Abwendungsbefugnis nach den §§ 711, 713 ZPO ist entfallen, da das Landgericht nach § 709 ZPO vorgegangen ist.
41Soweit eine Sicherheitsleistung gemäß § 709 S. 1 ZPO angeordnet worden ist, könnte dies zwar darauf zurückzuführen sein, dass das Landgericht vom Überschreiten der Bagatellgrenze des § 708 Nr. 11 ZPO ausgegangen ist. Der Grund kann jedoch auch darin liegen, dass bei der hier vorliegenden ausgesprochenen Pflicht zur Auskunftserteilung das Vorliegen einer vermögensrechtlichen Streitigkeit verneint worden ist (vgl. zur Einordnung BeckOK ZPO/Ulrici, 46. Ed. 1.7.2022, ZPO § 708 Rn. 23.1); hierzu verhalten sich die Urteilsgründe nicht.
42Die Höhe der Sicherheitsleistung ist ebenfalls kein hinreichendes Indiz. Zwar ist nach der Rechtsprechung zur Berechnung der Sicherheitsleistung bei Auskunftsansprüchen neben den Verfahrenskosten primär der geschätzte Aufwand an Zeit und Kosten einzustellen, den der Schuldner zur Leistungserbringung tätigen muss (BeckOK ZPO/Ulrici, 46. Ed. 1.7.2022, ZPO § 709 Rn. 5.4; Musielak/Voit/Lackmann, 19. Aufl. 2022, ZPO § 709 Rn. 5; Saenger, Zivilprozessordnung, ZPO § 709 Rn. 2). Ob das Landgericht hier so vorgegangen ist, ist jedoch nicht feststellbar. So hat es eine Sicherheitsleistung in Höhe von immerhin 2.000,- € angeordnet. Dieser Wert erscheint als Aufwand für die Erteilung der Auskunft über den Inhalt einer Satzung nebst den Änderungen, die diese seit 1987 erfahren hat, derart überhöht, dass zumindest nicht zweifelsfrei davon ausgegangen werden kann, dass das Landgericht damit die Beschwer der Beklagten hat bewerten wollen. Damit verbietet sich aber auch der Rückschluss, dass das Landgericht unzweifelhaft von einer Beschwer oberhalb der Grenze von 600,- € und damit von der Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen seine Entscheidung ausgegangen ist. Ob es stattdessen einen pauschalen Abschlag auf den Streitwert vorgenommen oder wie es sonst die Höhe der Sicherheitsleistung ermittelt hat, kann dahinstehen.
43Andere Anhaltspunkte, die einen sicheren Schluss darauf zulassen, dass das Landgericht von einer Anfechtbarkeit seiner Entscheidung ausgegangen ist, sind nicht ersichtlich.
44Soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 19.07.2023 ausführt, in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht sei ein Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats zur Höhe der Beschwer bei Auskunftsklagen erteilt worden, gleichwohl habe die Kammer die Sicherheitsleistung mit 2.000 € bemessen und damit einen Streitwert unterstellt, der 600 € deutlich übersteige, ist dieser Schluss – wie vorstehend ausgeführt – nicht zwingend.
45Schließlich liegen auch die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ZPO nicht vor, worauf bereits der Vorsitzende des 24. Zivilsenats mit Verfügung vom 25.05.2023 hingewiesen hat. Hierauf wird Bezug genommen.
46III.
47Die Kostenentscheidung beruht auf § 97, § 101 Abs. 1 ZPO.