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Die Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen gegen die Nr. 1 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Aachen vom 12. Juli 2017 werden zurückgewiesen.
Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren jeweils zur Hälfte und ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 30.000,- € festgesetzt.
G r ü n d e :
2Die zulässigen Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen haben keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers – einer nach § 3 Abs. 1 UmwRG anerkannten, nach § 2 Abs. 1 UmwRG antrags- und klagebefugten (Umwelt-)Vereinigung – gegen die der Beigeladenen erteilte Genehmigung des Antragsgegners vom 29. Dezember 2016 in der Fassung des Klarstellungsbescheids vom 15. Februar 2017 für die Errichtung und den Betrieb von fünf Windenergieanlagen wiederhergestellt.
3Der zulässige Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist begründet (§ 80a Abs. 3 Sätze 1 und 2, Abs. 1 Nr. 1, § 80 Abs. 5 VwGO). Die danach erforderliche Gesamtabwägung fällt nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand zu Lasten des Antragsgegners aus. Bei summarischer Prüfung ist derzeit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Erfolg des Antragstellers in der Hauptsache zu erwarten. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung.
4Die Begründungen der Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen stellen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der Genehmigungsbescheid formell rechtswidrig sein dürfte, weil das Ergebnis der für das Vorhaben nach Nr. 1.6.3 der Anlage 1 zum UVPG erforderlichen standortbezogenen Vorprüfung nicht nachvollziehbar ist, nicht durchgreifend in Frage.
5Nach § 4 Abs. 1 Sätze 2 und 1 Nr. 1 Buchst. b) UmwRG kann der Antragsteller die Aufhebung der Genehmigungsentscheidung, einer Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG, verlangen, wenn eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls nicht dem Maßstab des § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG – bzw. des hier gemäß § 74 Abs. 1 UVPG noch anwendbaren § 3a Satz 4 UVPG in der bis zum 16. Mai 2017 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 94; nachfolgend „a. F.“) – genügt. Beruht gemäß § 3a Satz 4 UVPG a. F. die Feststellung, dass eine UVP unterbleiben soll, auf einer Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c UVPG a. F., ist die Einschätzung der zuständigen Behörde im gerichtlichen Verfahren nur daraufhin zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben von § 3c durchgeführt wurde und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist.
6Dementsprechend darf das Ergebnis der Vorprüfung keine Rechtsfehler aufweisen, die seine Nachvollziehbarkeit ausschließen. Die zuständige Behörde muss den Rechtsbegriff der Erheblichkeit der Umweltauswirkungen zutreffend ausgelegt haben. Ihr steht mithin für ihre prognostische Beurteilung ein Einschätzungsspielraum zu. Gefordert ist eine Plausibilitätskontrolle, bei der die von der Behörde für ihr Prüfergebnis gegebene Begründung zugrunde zu legen ist. Nachträglich gewonnene Erkenntnisse, die die Auswirkungen in einem anderen Licht erscheinen lassen könnten, sind für die Tragfähigkeit des Prüfergebnisses und damit der verfahrenslenkenden Entscheidung über die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht maßgeblich.
7Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2014 - 4 C 36.13 -, BVerwGE 151, 138 = juris Rn. 30; OVG NRW, Urteil vom 18. Mai 2017 - 8 A 870/15 -, juris Rn. 107.
8Soweit es um naturschutzrechtliche Belange geht, ist die gerichtliche Kontrolle darauf beschränkt, ob die Einschätzung der Behörde naturschutzfachlich vertretbar ist und auf einem zulänglichen und geeigneten Bewertungsverfahren beruht. Dies setzt voraus, dass die Behörde den Sachverhalt nach wissenschaftlichen Maßstäben und vorhandenen Erkenntnissen ermittelt hat.
9Vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 -, BVerwGE 131, 274 = juris Rn. 64 ff., vom 27. Juni 2013 - 4 C 1.12 -, BVerwGE 147, 118 = juris Rn. 14, und vom 21. November 2013 ‑ 7 C 40.11 -, NVwZ 2014, 524 = juris Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 6. November 2012 ‑ 8 B 441/12 -, NuR 2012, 870 = juris Rn. 31.
10Die standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls hat u. a. die Belastbarkeit der Schutzgüter unter besonderer Berücksichtigung besonders geschützter Gebiete in den Blick zu nehmen, darunter Landschaftsschutzgebiete (Nr. 2.3.4 der Anlage 2 zum UVPG a. F.), in deren Gebiet das streitgegenständliche Vorhaben errichtet werden soll. In die standortbezogene Vorprüfung sind – entgegen der im Schriftsatz vom 25. September 2017 geäußerten Auffassung der Beigeladenen – auch die Artenschutzbelange des § 44 Abs. 1 BNatSchG mit einzubeziehen. Sie fallen jedenfalls unter den in Nummer 2.3 der Anlage 2 zum UVPG a. F. enthaltenen Begriff der Belastbarkeit der Schutzgüter, so dass offenbleiben kann, ob § 3c Satz 2 UVPG a. F. über die (Schutz‑)Kriterien der Nummer 2.3 hinaus nicht auch auf die Kriterien der Nummer 2.2 bzw. der Nummern 2.2 und 2.1 Bezug nimmt.
11Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Mai 2017 - 8 A 870/15 -, juris Rn. 78 ff., und Beschluss vom 30. Juni 2017 - 8 B 548/17 -, n. v. (Beschlussabdruck, S. 5).
12Die hier durchgeführte standortbezogene Vorprüfung ist nicht nachvollziehbar, weil sie den Anforderungen an eine im vorliegenden Einzelfall notwendige vertiefende Prüfung (dazu 1.) nicht genügt (dazu 2.). Es bestehen die vom Verwaltungsgericht aufgezeigten Zweifel, ob der Sachverhalt hinsichtlich des besonders geschützten, windenergiesensiblen Schwarzstorchs hinreichend ermittelt worden ist.
131. Im vorliegenden Fall war eine vertiefende Prüfung hinsichtlich des Schwarzstorchs erforderlich. Bei summarischer Prüfung weist der Vorhabenstandort im Sinne des § 3c Satz 2 UVPG a. F. besondere örtliche Gegebenheiten im Sinne einer spezifischen Schutzfunktion auf. Hier ist ein Lebensraum von Schwarzstörchen betroffen, der zwar nicht formell als Schutzgebiet ausgewiesen, aber in ökologischer Hinsicht vergleichbar empfindlich ist.
14Für eine solche Gleichsetzung auch Hess. VGH, Beschluss vom 24. August 2016 - 9 B 974/16 -, NuR 2016, 775 = juris Rn. 15; Dienes, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl. 2012, § 3c Rn. 13; Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: Mai 2017, § 3c UVPG Rn. 22.
15Denn das Vorhabengebiet liegt gemäß dem Energieatlas NRW,
16http://www.energieatlasnrw.de/site/nav2/planung/KarteMG.aspx,
17innerhalb eines Schwerpunktvorkommens des Schwarzstorches im Sinne des Leitfadens „Umsetzung des Arten- und Habitatschutzes bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen in Nordrhein-Westfalen“ des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen und des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 12. November 2013 (LeitfadenHabitatschutz).
18Daher war – wie nach Nr. 5 Buchstabe a) i. V. m. Anhang 3 des Leitfadens Habitatschutz in der Regel anzunehmen ist – aufgrund der hohen Aktivitätsdichte eine vertiefende Einzelfallprüfung (ASP, Stufe II) erforderlich. Zweck dieser Prüfung ist es, Schwarzstörche nicht nur bei der unmittelbaren Horstnutzung, sondern auch bei der Nahrungssuche vor erheblichen Störungen durch den Betrieb von Windenergieanlagen zu schützen, die wegen der Störempfindlichkeit dieser Vögel (vgl. Anhang 4 des Leitfadens Habitatschutz) ein Meideverhalten auslösen können.
19Entsprechend hat die untere Naturschutzbehörde des Antragsgegners in ihrem Schreiben vom 7. November 2016 darauf abgestellt, dass der Schwarzstorch vertiefend zu betrachten sei. Unter dem 20. Dezember 2016 hat sie das Vorhabengebiet aufgrund der artgerechten Bedingungen in der unmittelbaren Umgebung in Form des Rotbachs, der Waldränder, der waldnahen Wiesen- und Feuchtflächen sowie Lichtungen als Lebensraum des Schwarzstorches gewertet; sämtliche Habitatrequisiten seien vorhanden und für den Bereich des verzweigten Bachsystems müsse eine hohe Bedeutung als Nahrungshabitat angenommen werden.
20Eine vertiefende Prüfung war der Sache nach auch auf Grundlage der Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG-VSW) vom 15. April 2015 notwendig (dort, unter 3). Danach ist bei substanziellen Anhaltspunkten auch ohne Vorliegen eines Brutplatzes innerhalb des Mindestabstands von 3.000 m zu prüfen, ob der Vorhabenstandort im Bereich regelmäßig genutzter Flugrouten, Nahrungsflächen oder Schlafplätze liegt. Solche substanziellen Anhaltpunkte sind hier wegen der Lage des Vorhabengebiets innerhalb des Schwerpunktvorkommens und der vorhandenen Habitatrequisiten gegeben.
21Auch nach dem in der UVP-Vorprüfung in Bezug genommenen Gutachten zur Vorprüfung des Diplom-Biologen Fehr vom 14. Juli 2016 und der von diesem erstellten Artenschutzprüfung vom 30. Juni 2016 waren hinsichtlich des Schwarzstorchs artenschutzrechtliche Verbotstatbestände in einem vertiefenden Prüfschritt (ASP, Stufe II) zu prüfen.
22Da es sich um ein Schwerpunktvorkommen des Schwarzstorchs handelt, werden ‑ entgegen der Rüge der Beschwerdeführer - nicht aus einer „bloß abstrakten Eignung“ des Gebietes Rückschlüsse auf die tatsächliche Nutzung durch den Schwarzstorch und dessen mögliche Störung durch das Vorhaben gezogen. Aus demselben Grund mussten für das Untersuchungsgebiet vor Durchführung einer vertiefenden Untersuchung auch weder ein belegter Schwarzstorchhorst noch eine hohe Anzahl an Überflügen des Schwarzstorchs nachgewiesen werden.
23Auch wenn keine ernsthaften Hinweise dafür vorliegen dürften, dass sich in dem Untersuchungsgebiet ein essentielles Nahrungshabitat im Sinne der Nr. 3 des Kapitels 4.4 sowie der Fußnote 12 des Leitfadens Habitatschutz befindet, entfällt dadurch nicht die Notwendigkeit einer nachvollziehbaren vertiefenden Prüfung (ASP, Stufe II) im Sinne der linken Spalte des Anhangs 2 des Leitfadens Habitatschutz innerhalb des Untersuchungsradius von 3.000 m um die geplanten Anlagen. Ob ernst zu nehmende Hinweise auf regelmäßig genutzte, essentielle Nahrungshabitate oder Flugkorridore vorliegen, ist demgegenüber relevant für die Frage, ob ein erweitertes Untersuchungsgebiet im Sinne der rechten Spalte des genannten Anhangs 2 erforderlich ist.
24Es lässt sich entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer nicht feststellen, dass der Antragsgegner erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen auch ohne eine vertiefende Prüfung des Untersuchungsgebiets nachvollziehbar und ohne Verfahrensfehler verneinen durfte, weil ein Verstoß des Vorhabens gegen artenschutzrechtliche Zugriffsverbote, insbesondere gegen § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG, ausgeschlossen wäre. Nach dieser Vorschrift ist es verboten, wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn die Überlebenschancen, der Bruterfolg oder die Reproduktionsfähigkeit vermindert werden, wobei dies artspezifisch für den jeweiligen Einzelfall untersucht und beurteilt werden muss. Als Störhandlungen kommen die Verkleinerung der Jagdhabitate sowie die Unterbrechung von Flugrouten und Irritationen der Tiere durch den Anlagenbetrieb in Betracht. Störungen dieser Art müssen – um erheblich zu sein – nach den örtlichen Verhältnissen einen spezifischen Bezug zu den durch das Störungsverbot geschützten Lebensstätten haben.
25Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 -, BVerwGE 130, 299 = NuR 2008, 633 = juris Rn. 230, 258; OVG NRW, Urteil vom 30. Juli 2009 - 8 A 2357/08 -, juris Rn. 178 ff.
26Im Artenschutzrecht ist es – abweichend vom Habitatschutzrecht – nicht erforderlich, sich darüber Gewissheit zu verschaffen, dass vorhabenbedingte Beeinträchtigungen nicht auftreten werden. Erforderlich, aber auch ausreichend ist eine am Maßstab praktischer Vernunft ausgerichtete Prüfung, die angesichts der gefährdeten Rechtsgüter zu einer hinreichend genauen Abschätzung des Risikos führt.
27Vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 -, BVerwGE 131, 274 = juris Rn. 57, und vom 9. Juli 2009 ‑ 4 C 12.07 -, BVerwGE 134, 166 = juris Rn. 45; OVG NRW, Beschluss vom 6. November 2012 ‑ 8 B 441/12 -, NuR 2012, 870 = juris Rn. 33.
28Eine solche Abschätzung ist hier bisher nicht verlässlich möglich. Die Nutzung des Vorhabengebiets als Nahrungshabitat ist angesichts der Entfernung von vier bis fünf Kilometern zu dem nächstgelegenen Schwarzstorchhorst, welcher zum Zeitpunkt des Abschlusses der UVP-Vorprüfung und der Erteilung der angefochtenen Genehmigung bekanntermaßen besetzt war, nicht ausgeschlossen, sondern möglich bzw. naheliegend. Schwarzstörche absolvieren meist regelmäßige Direktflüge in ihre Nahrungsgebiete, die überwiegend eine Entfernung von bis zu acht Kilometern vom Horst aufweisen.
29Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Juni 2017 - 8 B 1264/16 -, ZNER 2017, 304 = juris Rn. 71 m. w. N.
30Nach alledem kann ein Verstoß des Vorhabens gegen das Störungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG nicht ohne eine hinreichend vertiefende Untersuchung des Vorhabenbereichs und seines 3 km-Umkreises verneint werden. Diese Obliegenheit der Beigeladenen, den Sachverhalt artbezogen hinreichend aufzuklären, ist weder unverhältnismäßig noch geht sie über die Anforderungen des Leitfadens Habitatschutz hinaus.
312. Die Anforderungen an eine vertiefende Artenschutzprüfung sind bisher nicht erfüllt.
32In der Begründung der UVP-Vorprüfung heißt es, dass alle bekannten Brutplätze deutlich mehr als 3.000 m vom Vorhabengebiet entfernt seien, so dass kein Einwirkbereich der Windenergieanlagen auf den Schwarzstorch zu definieren sei. Das Verwaltungsgericht hat aber zutreffend darauf hingewiesen, dass eine nachvollziehbare Prüfung, ob erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Schwarzstorch zu erwarten sind, nicht auf eine Überprüfung der Einhaltung des Mindestabstandes zu einem Brutplatz beschränkt ist, sondern jedenfalls im vorliegenden Fall auch die Untersuchung umfasst, ob regelmäßig genutzte Nahrungshabitate zu Flugkorridoren zwischen Horst und Nahrungshabitat über das Vorhabengebiet führen und dort, wenn auch nicht zu einer signifikant erhöhten Kollisionsgefahr, so jedenfalls zu nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG unzulässigen erheblichen Störungen führen, die eine möglicherweise populationsrelevante Aufgabe von Brutplätzen zur Folge haben. Entgegen der Ansicht der Beigeladenen hat das Verwaltungsgericht damit nicht aus der Lage des Vorhabens innerhalb des Gebiets des Schwerpunktvorkommens auf seine Qualität als ein essentielles Nahrungshabitat geschlossen, sondern auf die Notwendigkeit einer vertiefenden Prüfung verwiesen.
33Auch im Rahmen der Beschwerdebegründungen ist nicht nachvollziehbar aufgezeigt, dass eine fachgerechte Einzelfallprüfung in dem nach Anhang 2 des Leitfadens Habitatschutz angezeigten Radius von 3.000 m um die Anlagenstandorte tatsächlich erfolgt ist. In der Artenschutzprüfung wird insoweit nur auf die Beobachtungen hingewiesen, die während der Raumnutzungsanalyse des Rotmilans erfolgten. Angesichts der Standorte der Kartierer, die sich 1-2 km nördlich des Vorhabenbereichs im Offenland befanden, und der erheblichen Entfernung von bis zu 4-5 km zu dem südlich des Vorhabenbereichs gelegenen Teils des um die Anlagenstandorte zu ziehenden Prüfradius von 3 km ist nicht erkennbar, wie eine (fehlende) Nutzung des bewaldeten Vorhabenbereichs und des südlich angrenzenden Prüfgebiets durch Schwarzstörche verlässlich festzustellen gewesen wäre.
34Vgl. zu einer unvollständigen Untersuchung der Umgebung einer Windenergieanlage auch OVG NRW, Beschlüsse vom 12. April 2017 - 8 B 1245/16 -, juris Rn. 30, und vom 30. Juni 2017 - 8 B 548/17 -, n. v. (Beschlussabdruck, S. 7 f.).
35Dass die Rotmilan-Kartierer an zwei Tagen Schwarzstörche nordöstlich und östlich des Vorhabengebiets festzustellen vermochten, belegt nicht, dass diese auch den wesentlich weiter entfernten Bereich südlich des Vorhabengebiets verlässlich in den Blick nehmen konnten. Die untere Naturschutzbehörde hat in ihrem Schreiben vom 7. November 2016 zudem darauf hingewiesen, dass die Methodik der Rotmilan-Kartierung nicht geeignet sei, den Schwarzstorch zu erfassen, weil die Arten unterschiedliche Lebensräume nutzten.
36Im Übrigen dürfte die Tatsache, dass die Kartierung des Rotmilans nicht vor 8 Uhr begann und nur an einem Termin länger als bis 14 Uhr dauerte, einer ausreichenden Sachverhaltsermittlung in Bezug auf den Schwarzstorch auch in zeitlicher Hinsicht entgegenstehen. Nach den – in Nr. 6.1 des Leitfadens Habitatschutz in Bezug genommenen – Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands (Südbeck u.a., 2005, S. 167) ermöglicht dies zwar eine Beobachtung der Flugbalz, nicht aber der – vor 6.30 Uhr erfolgenden – morgendlichen Abflüge und der – nach 20 Uhr stattfindenden – abendlichen Einflüge. Dass Schwarzstörche, die sich möglicherweise morgens bzw. vormittags im Vorhabengebiet aufhielten, jedenfalls bei ihrem Rückflug von den Rotmilan-Kartierern gesehen worden wären, erscheint daher entgegen der Annahmen der Beigeladenen und des von ihr beauftragten Diplom-Biologen Fehr keineswegs gesichert.
37Dass im Rahmen der Brutvogelkartierung zwischen Februar und Juli 2015 anscheinend keine Schwarzstörche festgestellt wurden, führt schon deshalb zu keinem anderen Ergebnis, weil die Brutvogelkartierung nach den Angaben in der Artenschutzprüfung nur in einem Radius von 500 m durchgeführt wurde, so dass wesentliche Bereiche des gebotenen 3 km-Radius nicht erfasst wurden.
38Die in Nr. 6.3 des Leitfadens Habitatschutz enthaltene Empfehlung, den Untersuchungsaufwand so zu optimieren bzw. zu minimieren, dass die Erhebungen der Raumnutzung mit den Erfassungstagen zu den Brutvögeln kombiniert werden, bedeutet nicht, dass neben dem Erfassungstag gleichzeitig auch Standort, Umfang und genauer (Tages‑)Zeitpunkt der Erhebungen regelmäßig synchronisiert werden können. Diese Empfehlung räumt die von der unteren Naturschutzbehörde und dem Verwaltungsgericht aufgezeigten Bedenken hinsichtlich der Standorte und der Zeiten der erfolgten Beobachtungen nicht aus.
39Der Antragsgegner und die Beigeladene haben ihre Einschätzung, angesichts der Abstände zwischen den genehmigten Windenergieanlagen (je nach Anlage zwischen den Rotoren etwa 220 m bis circa 620 m) sei der Schwarzstorch „nicht generell“ vom Aufsuchen des Rotbachtals abgeschnitten, sondern es seien Flugkorridore offengehalten worden, nicht näher begründet. Es fehlen genauere naturschutzfachliche Darlegungen, weshalb insoweit entgegen der nach Anhang 4 des Leitfadens Habitatschutz anzunehmenden Störempfindlichkeit des Schwarzstorchs nicht von einer störenden Wirkung der Windenergieanlagen auszugehen ist, die zu einem weiträumigen Meideverhalten führen können.
40Ohne Erfolg macht die Beigeladene geltend, es gebe im Bereich des Dahlemer Waldes verschiedene Bachsysteme, die alle gleichermaßen als Nahrungsflächen für den Schwarzstorch geeignet seien; für Schwarzstörche, die außerhalb des Untersuchungsradius von 3.000 m brüteten, gebe es daher keine Veranlassung, zur Nahrungssuche gerade das Vorhabengebiet anzufliegen oder zu durchqueren. Ob diese Annahme tatsächlich zutrifft, ist bisher offen. Auch dies kann in einer vertiefenden Prüfung mit sachgerechten Untersuchungsmethoden geklärt werden.
41Die Behauptung der Beigeladenen, es gebe keine wissenschaftlichen Hinweise darauf, dass der Schwarzstorch in signifikant erhöhter Weise kollisionsgefährdet sei, führt nicht zum Erfolg der Beschwerde. Gegenstand der UVP-Vorprüfung ist – wie bereits dargelegt – nämlich auch die Frage, ob der Schwarzstorch durch die Windenergieanlagen während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich gestört wird im Sinne von § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG. Dass der Schwarzstorch wegen seiner Störempfindlichkeit zu den WEA-empfindlichen Vogelarten zählt (so Anhang 4 des Leitfadens Habitatschutz), ist mit den Beschwerden nicht substantiiert bestritten worden. Die in diesem Jahr erfolgte Neubesetzung des etwa 500 m südlich des Vorhabengebiets gelegenen Horsts führt – entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer – auch dann, wenn zeitgleich in nur etwa 100 m Entfernung lärmintensiver vorhabenbedingter Verkehr sowie Arbeiten erfolgten, nicht dazu, dass die Gefahr einer erheblichen Störung wegen eines Meideverhaltens des Schwarzstorchs auch in Bezug auf den (andersartigen) Betrieb von Windenergieanlagen verneint werden könnte. Soweit die Beigeladene pauschal auf mehrere vergleichbare Beobachtungen abstellt, hat sie diese weder in örtlicher noch in zeitlicher Hinsicht konkretisiert.
42Die Neubesetzung des eben genannten Horsts führt zwar als erst nach Abschluss der UVP-Vorprüfung (und der Erteilung der Genehmigung) eingetretene Tatsache nicht zur Rechtswidrigkeit der Genehmigung. Sie belegt aber die generelle Eignung des Vorhabenbereichs und seiner näheren Umgebung als Brutgebiet des Schwarzstorchs, selbst wenn zuvor noch naturschutzfachlich vertretbar eine Neubesiedlung für unwahrscheinlich gehalten werden konnte.
43Ob ein artenschutzrechtlicher Verstoß bei Verwirklichung des Vorhabens tatsächlich droht, musste (und konnte) das Verwaltungsgericht angesichts des aufgezeigten Verstoßes der Vorprüfung gegen § 3c UVPG a. F. nicht prüfen.
44Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.
45Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
46Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. März 2017 - 8 E 928/16 -, juris Rn. 7 ff., 13.
47Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).