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§ 26 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 GO NRW entzieht durch Bebauungspläne und Flächennutzungspläne getroffene Regelungen dem Anwendungsbereich des Bürgerbegehrens umfassend.
§ 26 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 GO NRW steht einem Bürgerbegehren nach seinem Sinn und Zweck auch dann entgegen, wenn dieses der Sache nach offensichtlich gegen eine Bauleitplanung gerichtet ist und sich nur in das formelle Gewand einer anderen Frage kleidet.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 15.000,- € festgesetzt.
G r ü n d e :
2Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Die mit dem Zulassungsbegehren vorgebrachten, für die Prüfung maßgeblichen Einwände (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) begründen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.) noch führen sie auf besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (2.) oder deren grundsätzliche Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (3.).
41. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor.
5Ernstliche Zweifel sind gegeben, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird. Sie sind (nur) begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt.
6Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 16. Januar 2017- 2 BvR 2615/14 -, juris Rn. 19, und vom 9. Juni 2016 - 1 BvR 2453/12 -, juris Rn. 16, jeweils mit weiteren Nachweisen.
7Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag,
8die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 30. Juni 2016 zu verpflichten, die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens „Erhaltet den H. Weg“ festzustellen,
9im Wesentlichen mit folgender Begründung abgewiesen: Das Bürgerbegehren sei nach § 26 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 GO NRW unzulässig. Es sei der Sache nach auf eine Änderung bzw. Aufhebung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 564 der Beklagten und damit unmittelbar auf eine bauleitplanerische Entscheidung gerichtet.
10Dagegen wenden sich die Kläger ohne Erfolg.
11Gemäß § 26 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 GO NRW ist ein Bürgerbegehren unzulässig über die Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bauleitplänen mit Ausnahme der Entscheidung über die Einleitung des Bauleitplanverfahrens.
12Diese Vorschrift entzieht durch Bebauungspläne und Flächennutzungspläne getroffene Regelungen dem Anwendungsbereich des Bürgerbegehrens umfassend.
13Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. April 2002 - 15 A 5594/09 -, juris Rn. 25 (zu § 26 Abs. 5 Nr. 6 GO NRW a. F.).
14Eine Bauleitplanentscheidung bedarf der planerischen Abwägung. Sie eignet sich nicht für ein notwendigerweise auf eine Ja- oder Nein-Entscheidung angelegtes Bürgerbegehren, in dem systembedingt eine sorgfältige Abwägung unter Einbeziehung aller relevanten Gesichtspunkte nicht stattfinden kann.
15Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 11. März 2009- 15 B 329/09 -, juris Rn. 8, vom 6. Dezember 2007- 15 B 1744/07 -, juris Rn. 9, vom 17. Juli 2007- 15 B 874/07 -, juris Rn. 9, Urteil vom 23. April 2002 - 15 A 5594/09 -, juris Rn. 27.
16Dabei steht § 26 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 GO NRW einem Bürgerbegehren nach seinem Sinn und Zweck auch dann entgegen, wenn dieses der Sache nach offensichtlich gegen eine Bauleitplanung gerichtet ist und sich nur in das formelle Gewand einer anderen Frage kleidet.
17Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. März 2009- 15 B 329/09 -, juris Rn. 6, vom 6. Dezember 2007- 15 B 1744/07 -, juris Rn. 13 (jeweils zu § 26 Abs. 5 Nr. 6 GO NRW a. F.).
18Wo die Grenze zwischen einem dem Bürgerbegehren zugänglichen Gegenstand jenseits der Bauleitplanung und einer in diesem Sinn in das Gewand einer anderen Maßnahme gekleideten unzulässigen bauleitplanerischen Entscheidung verläuft, ist eine Frage des Einzelfalls.
19Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Dezember 2007- 15 B 1744/07 -, juris Rn. 13.
20Gemessen an diesen Maßstäben hat das Verwaltungsgericht auch unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens richtig entschieden, dass das streitgegenständliche Bürgerbegehren „Erhaltet den H. Weg“ gemäß § 26 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 GO NRW unzulässig ist.
21Zwar bezieht der Bebauungsplan Nr. 564 den H. Weg nicht in seinen Geltungsbereich ein. Allerdings ist der H. Weg, wie das Verwaltungsgericht im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, Teil des diesem Bebauungsplan zugrunde liegenden Erschließungskonzepts. In der Planbegründung (Anlage 6 zur Vorlage Nr. V/0648/2015, S. 5 f.) heißt es unter „Nr. 5 Planungsziele“ unter anderem, das Plangebiet werde über den H. Weg an das übergeordnete Straßennetz angebunden. Er sei westlich des Plangebiets vollständig als öffentliche Verkehrsfläche gewidmet, so dass eine Aufnahme in den Bebauungsplan Nr. 564 nicht erforderlich sei. Da der H. Weg derzeit als Wirtschaftsweg ausgestaltet sei, sei im Zuge der Planrealisierung eine Ertüchtigung vom C.------------weg bis zur Einmündung der Planstraße im Bebauungsplan auf einer Länge von insgesamt 320 m vorgesehen. Der H. Weg könne in der ins Auge gefassten ertüchtigten Form die Erschließungsfunktion für das neue Baugebiet übernehmen. Des Weiteren war der Gesichtspunkt der Erschließung des Baugebiets mittels eines Ausbaus des H. Wegs Bestandteil der bauleitplanerischen Abwägung, wie das Verwaltungsgericht ebenfalls korrekt hervorgehoben hat. Der Rat der Beklagten hat die gegen diese Erschließungsvariante im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung vorgebrachten Bedenken durch seinen Beschluss vom 11. November 2015 zurückgewiesen (vgl. insofern den Beschlussvorschlag Nr. 2.2.23 ff. der Vorlage Nr. V/0648/2015).
22Indem das Bürgerbegehren den Ausbau des H. Wegs verhindern will, intendiert es damit der Sache nach, die bauleitplanerische Entscheidung des Bebauungsplans Nr. 564 in der Gestalt, welche der Rat der Beklagten konzeptionell-abwägerisch beschlossen hat, zu ändern und stattdessen eine andere (oder eventuell gar keine) bauleitplanerische (Erschließungs-)Entscheidung für diesen Bereich zu treffen. Auch wenn der Rat keine Notwendigkeit gesehen hat, den in Rede stehenden Abschnitt des H. Wegs in den räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 564 einzubeziehen, kann die Entscheidung über den Ausbau des H. Wegs, die den Gegenstand des Bürgerbegehrens bildet, mit Blick auf die spezifische Abwägung zur Erschließung des Plangebiets von der zustande gekommenen bauleitplanerischen Entscheidung nicht getrennt werden. Im Anschluss daran kommt es auch nicht darauf an, ob die Planumsetzung den Ausbau des H. Wegs tatsächlich erfordert oder ob das Plangebiet auch anderweitig hinreichend erschlossen ist bzw. werden könnte mit der Folge, dass dortige Bauvorhaben gegebenenfalls auch ohne den Bebauungsplan über § 34 BauGB genehmigungsfähig wären. Dessen ungeachtet hat die vom Rat der Beklagten im Rahmen der Abwägung getroffene Entscheidung, den H. Weg zu Erschließungszwecken auszubauen, unabhängig davon bauleitplanerische Qualität, ob diese Auswahl als „Grundsatzbeschluss“ bezeichnet wird oder nicht. Bauplanungsrechtlichen Charakter hat diese Entscheidung auch deshalb, weil der Rat für einen bestimmten noch zu erreichenden Ausbauzustand optiert und sich nicht auf den Standpunkt gestellt hat, der H. Weg könne bereits in seinem bisherigen Zuschnitt die angestrebte Erschließungsfunktion für das geplante Baugebiet übernehmen. Ohne Bedeutung ist insofern, dass der H. Weg schon als öffentlicher Weg gewidmet ist. Irrelevant ist dann auch, wie viele Bauvorhaben zwischenzeitlich im Plangebiet verwirklicht worden sind.
23Nach alledem kann dahinstehen, ob als zusätzliches Argument für das Vorliegen eines Ausschlussgrunds herangezogen werden kann, dass der Durchführungsvertrag den Vorhabenträger zum Ausbau des H. Wegs verpflichtet. Dasselbe gilt für die ergänzende Überlegung des Verwaltungsgerichts, „die kommunalpolitische Situation“ zeige, dass das streitige Bürgerbegehren der Sache nach auf die Änderung bzw. Aufhebung des Bebauungsplans gerichtet ist. Diese Fragestellung ist ebenso wenig entscheidungserheblich wie die Tatsache, dass der Kläger zu 1. Antragsteller der gegen den Bebauungsplan Nr. 564 gerichteten Normenkontrollverfahren - 7 B 204/16.NE und 7 D 15/16.NE - war und die Kläger darüber hinaus nach ihrem Vortrag ein Klageverfahren gegen die Beklagte betreffend die Unterlassung des Ausbaus des H. Wegs führen. Vielmehr dienen die insofern vom Verwaltungsgericht verarbeiteten besonderen Umstände der Erörterung des Bürgerbegehrens sowie dessen Präsentation in der Stadtöffentlichkeit als unterstützende Argumentation, um zu begründen, dass dieses in der Sache in eine bauleitplanerische Entscheidung der Beklagten eingreifen will.
242. Die Berufung ist nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen der besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache zuzulassen.
25Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Angriffe der Kläger gegen die Tatsachenfeststellungen oder die rechtlichen Würdigungen, auf denen das angefochtene Urteil beruht, begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung gäben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären ließen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern würden. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Dass der Ausgang des Rechtsstreits in dem vorgenannten Sinn offen ist, lässt sich auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens aus den unter 1. genannten Gründen nicht feststellen. Besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten der Rechtssache ergeben sich auch nicht aus der von den Klägern aufgeworfenen Frage, ob und inwieweit „die kommunalpolitische Situation“ zur Auslegung eines Bürgerbegehrens herangezogen werden müsse, wenn es weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht eine Verknüpfung zwischen dem Bürgerbegehren und einem Bebauungsplanverfahren gebe. Wie unter 1. gezeigt, trifft zum einen die Prämisse der Kläger nicht zu, dass das streitbefangene Bürgerbegehren nicht die Aufhebung bzw. Änderung eines Bauleitplans betrifft. Zum anderen kommt es, wie gleichfalls unter 1. dargelegt, vorliegend auf die „kommunalpolitische Situation“ von vornherein nicht an, um die (Un-)Zulässigkeit des Bürgerbegehrens beurteilen zu können. Entscheidend sind jeweils alle relevanten Einzelfallumstände.
263. Die Berufung ist nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
27Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im betreffenden Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.
28Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.
29Die von den Klägern gestellte Frage,
30„ob die „kommunalpolitische Situation“ auch dann zur Auslegung eines Bürgerbegehrens herangezogen werden kann, wenn weder nach der Bezeichnung des Bürgerbegehrens, nach ihrer Fragestellung noch nach ihrer Begründung Bezug auf einen Bebauungsplan gegeben ist, da das Bürgerbegehren auch nicht darauf gerichtet ist, konkrete Festsetzungen eines Bebauungsplans zu verhindern“,
31würde sich in einem Berufungsverfahren aus den unter 1. genannten Gründen nicht stellen. Wie dargestellt, bedarf es des Rückgriffs auf ein eigenes Kriterium mit der Bezeichnung „kommunalpolitische Situation“ nicht, um die Zulässigkeit des in Rede stehenden Bürgerbegehrens bewerten zu können. Abgesehen davon ist der von den Klägern negierte inhaltliche Bezug des Bürgerbegehrens zum Bebauungsplan Nr. 564 offensichtlich gegeben, so dass die formulierte Frage auch deswegen nicht in einem Berufungsverfahren zu klären wäre.
32Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO.
33Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.
34Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).