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Der Antrag wird abgelehnt.
G r ü n d e:
2Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bis zur Entscheidung des Senats über seine Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Erlass der begehrten Zwischenentscheidung ist jedenfalls deshalb nicht gerechtfertigt, weil das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Ergebnis zu Recht abgelehnt haben dürfte. Dabei geht der Senat davon aus, dass sich das Zwischenentscheidungsbegehren der Sache nach auf das erstinstanzlich verfolgte Rechtsschutzbegehren richtet. Die wörtlich angesprochenen „Rodungsarbeiten“ waren bisher nicht Gegenstand des Verfahrens und sind auch nicht ansatzweise dargelegt.
3Das nach § 80 Abs. 5 VwGO zu beurteilende Rechtsschutzbegehren, das sich gegen eine am gestrigen Tage erfolgte mündliche Anordnung der Räumung eines von dem Antragsteller nach eigenen Angaben bewohnten Baumhauses im Hambacher Forst richtet, wird voraussichtlich keinen Erfolg haben. Der Senat kann dabei offenlassen, ob der Antragsteller und der Gegenstand des Antragsbegehrens entsprechend den Anforderungen des § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO in der Antragsschrift hinreichend bezeichnet ist.
4Die nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Interessenabwägung geht nach dem bisherigen Sach- und Streitstand zu Lasten des Antragstellers aus.
5Ob die angegriffene Räumungsanordnung rechtmäßig ist, wird erst nach weiterer tatsächlicher und rechtlicher Prüfung zu beurteilen sein, die dem Hauptsacheverfahren vorbehalten ist. Dies gilt auch für die Frage, ob es sich bei dem Baumhaus um eine bauliche Anlage im Sinne von § 2 Abs. 1 BauO NRW handelt, wie es die Antragsgegnerin zugrunde gelegt hat.
6Die danach gebotene allgemeine folgenorientierte Abwägung ergibt, dass das Interesse an der Vollziehung der Räumungsanordnung das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt.
7Dabei ist zunächst in Rechnung zu stellen, dass die Nutzung des Baumhauses durch den Antragsteller nicht als Teil einer in den Schutzbereich des Art. 8 GG fallenden Versammlung zu beurteilen ist. Auch wenn man die fortgesetzte Anwesenheit der „Waldbesetzer“ unter anderem in den zahlreichen Baumhäusern im Bereich des Hambacher Forstes als Versammlung auffassen wollte, fehlt es nach summarischer Prüfung auf Grundlage der dem Senat zur Zeit zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel jedenfalls an dem Merkmal der Friedlichkeit einer solchen Versammlung.
8Die Verfassung gewährleistet lediglich das Recht, sich "friedlich und ohne Waffen zu versammeln". Mit dem Erfordernis der Friedlichkeit, das schon in der Paulskirchen-Verfassung und ebenso in der Weimarer Verfassung enthalten war, wird etwas klargestellt, was bereits aus der Rechtsnatur der Versammlungsfreiheit folgt, soweit sie als Mittel zur geistigen Auseinandersetzung und zur Einflussnahme auf die politische Willensbildung verstanden wird. Ein Teilnehmer verhält sich jedenfalls dann unfriedlich, wenn er Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen begeht. Auf deren Vermeidung muss eine Rechtsordnung, die die Ausübung von Gewalt nicht zuletzt im Interesse schwächerer Minderheiten beim Staat monopolisiert hat, strikt bestehen. Das ist Vorbedingung für die Gewährleistung der Versammlungsfreiheit als Mittel zur aktiven Teilnahme am politischen Prozess und - wie die Erfahrungen mit den Straßenkämpfen während der Weimarer Republik gezeigt haben - für eine freiheitliche Demokratie auch deshalb unverzichtbar, weil die Abwehr von Gewalttätigkeiten freiheitsbegrenzende Maßnahmen auslöst. Von den Demonstranten kann ein friedliches Verhalten um so mehr erwartet werden, als sie dadurch nur gewinnen können, während sie bei gewalttätigen Konfrontationen am Ende stets der Staatsgewalt unterliegen werden und zugleich die von ihnen verfolgten Ziele verdunkeln. Die Anordnung eines Versammlungsverbotes wirft verfassungsrechtlich keine besonderen Probleme auf, wenn die Prognose mit hoher Wahrscheinlichkeit ergibt, dass der Veranstalter und sein Anhang Gewalttätigkeiten beabsichtigen oder ein solches Verhalten anderer zumindest billigen werden. Eine derartige Demonstration wird als unfriedlich von der Gewährleistung des Art. 8 GG überhaupt nicht erfasst.
9Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.5.1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 -, BVerfGE 69, 315.
10So verhält es sich nach den dem Senat zur Zeit verfügbaren Erkenntnissen auch vorliegend. Im Bereich des Hambacher Forstes ist es zu einer Vielzahl auch schwerer Straftaten insbesondere zum Nachteil von Polizisten und Mitarbeitern der RWE gekommen. Allein im ersten Halbjahr des Jahres bis Ende August sollen 88 Straftaten begangen worden sein (so Spiegel Online vom 13.9.2018). Auch in dieser Woche waren mehrere Gewalttaten zu verzeichnen. So hat am Montag eine Gruppe vermummter Personen Brandsätze und Steine auf Polizeibeamte und einen Traktor geworfen (vgl. Aachener Zeitung vom 10.9.2018). Am Mittwochmorgen haben dann mehrere vermummte Personen im Hambacher Forst erneut Polizisten mit Steinwürfen angegriffen, was einen Beamten veranlasste, einen Warnschuss in die Luft abzugeben (vgl. Aachener Nachrichten vom 12.9.2018). Auch am gestrigen Tage ist es nach übereinstimmenden Medienberichten zu gewalttätigen Angriffen mit Zwillen und Molotow-Cocktails gekommen. Der Senat geht dabei davon aus, dass diese Gewalttaten jedenfalls auch aus dem Kreis der „Waldbesetzer“ heraus begangen und im Übrigen von ihnen jedenfalls ganz überwiegend gebilligt werden. Nach einer Beurteilung des Aachener Polizeipräsidenten von Ende August, an deren Richtigkeit zu zweifeln der Senat keinen Anlass sieht, besteht die „Besetzerszene“ im Hambacher Forst inzwischen in wesentlichen Teilen aus „Gewalttätern aus ganz Europa, die von anderen Konfliktherden in Europa kommen und dem Unterstützungsaufruf aus der Waldszene gefolgt sind“ (vgl. Westdeutsche Zeitung vom 28.8.2018). Dafür dass sich diese Situation zwischenzeitlich im Sinne einer friedlichen Versammlung wesentlich geändert hätte, sieht der Senat keine Anhaltspunkte. Ebenso wenig ist erkennbar, dass prägende Teile der „Besetzerszene“ sich von den Gewalttätern etwa in der Weise distanziert hätten, dass sie die Gewalttäter der Polizei benannt haben, um weitere Gewalttaten zu verhindern und eine Strafverfolgung zu ermöglichen.
11Für eine sofortige Vollziehung der Räumungsanordnung spricht - über die von dem Beigeladenen in den Vordergrund gerückten Gefahren für die Bewohner der Baumhäuser unter den Gesichtspunkten des Brandschutzes und einer mangelnden Sicherung vor Stürzen in die Tiefe hinaus - aus Sicht des Senats vor allem das öffentliche Interesse am Schutz der Polizisten und der RWE-Mitarbeiter vor weiteren gefährlichen Angriffen auf Leib und Leben. Denn die zahlreichen Baumhäuser im Hambacher Forst bieten ungeachtet der Frage, ob und inwieweit aus ihnen selbst heraus bereits Straftaten begangen worden sind, für die Polizei nur unter erheblicher Gefahr zugängliche Rückzugs- und Aufenthaltsorte für gewaltbereite Waldbesetzer. Schon deshalb überwiegt das öffentliche Interesse an ihrer Räumung (und im Übrigen auch das an ihrer hier nicht streitgegenständlichen Beseitigung) das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Soweit er Obdachlosigkeit befürchtet, mag er sich gegebenenfalls an die örtliche Ordnungsbehörde wenden, die gehalten ist, ihm jedenfalls ein vorübergehendes Obdach zur Verfügung zu stellen.
12Die Kostenentscheidung bleibt der endgültigen Entscheidung des Senats über die Beschwerde vorbehalten.
13Dieser Beschluss ist unanfechtbar.