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Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf wird geändert.
Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der Klage - 16 K 5290/20 - gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 27. August 2020 hinsichtlich der Anordnungen zu 1. und 2. wiederherzustellen und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohungen zu 3. und 4. anzuordnen, wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
2Die Beschwerde der Antragsgegnerin, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO anhand der von der Antragsgegnerin dargelegten Gründe befindet, ist begründet.
3Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Wiederherstellung und Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 27. August 2020 zu Unrecht stattgegeben.
4Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem privaten Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und dem öffentlichen Vollzugsinteresse fällt zu Lasten der Antragstellerin aus. Die Ordnungsverfügung stellt sich im Rahmen der im Eilverfahren einzig gebotenen summarischen Prüfung als voraussichtlich rechtmäßig dar (dazu A.); es überwiegt auch nicht ausnahmsweise das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin (dazu B.).
5A. Die Ordnungsverfügung wird sich in einem Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtmäßig erweisen.
6I. Die unter Ziffer 1. getroffene Anordnung, mit der der Antragstellerin aufgegeben worden ist, ihre „komplette Leihfahrräderflotte“ aus dem öffentlichen Straßenraum zu entfernen, findet ihre Rechtsgrundlage in § 22 Satz 1 StrWG NRW. Nach dieser Vorschrift kann die für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis zuständige Behörde die Beendigung der ohne die erforderliche Erlaubnis erfolgenden Benutzung der Straße anordnen.
71. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift sind nach summarischer Prüfung erfüllt. Das zum Zwecke der Vermietung stationsunabhängige Aufstellen der Fahrräder der Antragstellerin im öffentlichen Straßenraum wird im Hauptsacheverfahren voraussichtlich als Sondernutzung zu werten sein (dazu a. und b.); die Antragstellerin verfügt nicht über eine Sondernutzungserlaubnis (dazu c.).
8Sondernutzung ist gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW die Benutzung der Straßen über den Gemeingebrauch hinaus. Nach der Legaldefinition des Gemeingebrauchs in § 14 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW ist der Gebrauch der öffentlichen Straßen jedermann im Rahmen der Widmung und der verkehrsrechtlichen Vorschriften gestattet. Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 StrWG liegt kein Gemeingebrauch vor, wenn die Straße nicht vorwiegend zu dem Verkehr benutzt wird, dem sie zu dienen bestimmt ist. Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 StrWG NRW bleibt der - hier ohnehin nicht in Betracht kommende - Straßenanliegergebrauch nach § 14a StrWG NRW unberührt.
9a. Die Nutzung der Straße durch die Antragstellerin durch Abstellen ihrer unabhängig vom Standort zu mietenden Fahrräder ist kein Gemeingebrauch, sondern Sondernutzung. Denn sie findet nicht vorwiegend zum Zwecke des Verkehrs, sondern zu anderen Zwecken statt.
10aa. Für die Beurteilung, ob das Abstellen von Fahrrädern zum Zwecke des Verkehrs oder überwiegend zu anderen Zwecken stattfindet, sind im Wesentlichen die Grundsätze heranzuziehen, wie sie von der Rechtsprechung für das Parken zugelassener Kraftfahrzeuge oder anderer Fahrzeuge entwickelt worden sind.
11(1) Das Parken von Kraftfahrzeugen ist vorbehaltlich der in § 12 StVO normierten Verbote auf öffentlichen und dem Verkehr mit Kraftfahrzeugen gewidmeten Straßen zulässig. Für das Abstellen (Parken) von Fahrrädern finden grundsätzlich auch die in dieser Vorschrift getroffenen Regelungen Anwendung. Denn auch Fahrräder unterfallen dem Fahrzeugbegriff des § 2 StVO.
12Vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 2001 - 3 B 183.00 -, Buchholz 442.151 § 2 StVO Nr. 2 = juris, Rn. 3.
13Allerdings gelten die in § 12 StVO getroffenen Regelungen für Fahrräder mit der Einschränkung, dass sich aus ihrem Wortlaut oder ihrem Sinn und Zweck nichts anderes ergibt. Aus diesem Grunde findet das sich für Kraftfahrzeuge aus § 12 Abs. 4 Satz 1, Abs. 4a StVO grundsätzlich ergebende Verbot des Parkens auf Gehwegen für Fahrräder keine Anwendung, vielmehr dürfen diese - vorbehaltlich der Grundregel des § 1 Abs. 2 StVO - auf dem Gehweg geparkt oder abgestellt werden.
14Vgl. Hamb. OVG, Beschluss vom 19. Juni 2009 ‑ 2 Bs 82/09 -, NVwZ-RR 2010, 34 (35), m. w. N. = juris, Rn. 7; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 45. Auflage 2019, § 12 StVO, Rn. 42 und 55.
15(2) Erfolgt das Parken allein oder überwiegend zu einem anderen Zweck als dem der späteren Wiederinbetriebnahme des Fahrzeugs, stellt es sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats als eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Sondernutzung der Straße dar.
16(a) In einem solchen Fall wird das Fahrzeug zu einer auf die Straße aufgebrachten verkehrsfremden „Sache“, nicht anders als jeder beliebige sonstige körperliche Gegenstand. Derartige Vorgänge fallen bereits aus der Widmung zum Verkehr und damit aus dem einschlägigen Gemeingebrauch heraus, da sie nicht „zum Verkehr" geschehen.
17Vgl. OVG NRW, Urteile vom 17. September 2020 ‑ 11 A 2961/19 -, juris, Rn. 24 ff., vom 11. August 2017 - 11 A 432/17 -, NWVBl. 2018, 62 (63) = juris, Rn. 25 ff., und vom 12. Juli 2005 - 11 A 4433/02 -, NJW 2005, 3162 = juris, Rn. 31 ff., jeweils betreffend Werbefahrzeuge; OVG NRW Urteil vom 23. November 2011 ‑ 11 A 2325/10 -, NWVBl. 2012, 195 = juris, zum sog. Bierbike; nachgehend: BVerwG, Beschluss vom 28. August 2012 - 3 B 8.12 -, NVwZ 2012, 1623 = juris; OVG NRW, Urteil vom 4. Dezember 2000 - 11 A 2870/97 -, NWVBl. 2001, 358 f. = juris, Rn. 8 ff., zum zulässigen Parken eines Kraftfahrzeugs mit Verkaufsofferte.
18Ob ein Fahrzeug parkt oder überwiegend zu einem anderen Zweck abgestellt ist, bestimmt sich nur auf Grund einer objektiven Sichtweise, subjektive Vorstellungen und Motive des Fahrzeugführers oder Dritter sind grundsätzlich nicht von Belang.
19Vgl. i. d. S. BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1982 - 7 C 73.79 -, NJW 1982, 2332 = juris, Rn. 12 f., zum Aufstellen von Mietfahrzeugen einer Kraftfahrzeugvermietungsfirma auf öffentlichen Straßen; OVG NRW, Urteile vom 12. Juli 2005 - 11 A 4433/02 -, NJW 2005, 3162 (3162) = juris, Rn. 43, betreffend ein Werbefahrzeug, und vom 4. Dezember 2000 ‑ 11 A 2870/97 -, NWVBl. 2001, 358 (359) = juris, Rn. 15, zum zulässigen Parken eines Kraftfahrzeugs mit Verkaufsofferte.
20Für die straßenverkehrsrechtliche Zulässigkeit und damit für den Gemeingebrauch ist es ferner nicht maßgeblich, ob die Straße aus privaten oder geschäftlichen Gründen benutzt wird. Entscheidend ist allein, dass sie zum Zwecke des (fließenden oder vorübergehend ruhenden) Verkehrs benutzt wird.
21Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1982 - 7 C 73.79 -, NJW 1982, 2332 (2333) = juris, Rn. 13, zum Aufstellen von Mietfahrzeugen einer Kraftfahrzeugvermietungsfirma auf öffentlichen Straßen.
22Ein Verstoß gegen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung (etwa durch Parken eines Fahrzeugs auf dem Gehweg) begründet nicht automatisch eine Sondernutzung.
23Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11. August 2017 - 11 A 432/17 -, NWVBl. 2018, 62 (63) = juris, Rn. 41 ff., betreffend Werbefahrzeuge.
24(b) Das Parken auf der öffentlichen Verkehrsfläche mit einem Verkaufswagen zum Zwecke des Handels,
25vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1988 - 7 C 5.87 - Buchholz 407.4 § 8 FStrG Nr. 20, S. 2 f. = juris, Rn. 7,
26stellt regelmäßig einen verkehrsfremden Vorgang dar, denn ein solches Parken findet zu einem anderen Zweck als dem der späteren Wiederinbetriebnahme statt.
27(c) Das Parken auf der öffentlichen Verkehrsfläche mit einer Kutsche zum Zwecke des Anbietens von (Beförderungs-)Leistungen geht über die bloße Verkehrsteilnahme (Teilnahme am ruhenden Verkehr) hinaus. Denn die Inanspruchnahme des Straßenraums dient nicht nur dem bloßen (Dauer-)Parken, sondern vorwiegend einem anderen Zweck, nämlich dem Anbieten einer Leistung in Form von Kutschfahrten.
28vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 3. September 1997 ‑ 12 M 3916/97 -, OVGE 47, 368 (373 f.) = juris, Rn. 8 f.
29bb. Für die Beurteilung, ob das Abstellen (Parken) der Mietfahrräder der Antragstellerin auf der öffentlichen Straßenfläche der Verkehrsteilnahme oder vorwiegend anderen Zwecken dient, sind darüber hinaus auch die betreffend das Anbieten von Waren oder Leistungen entwickelten Grundsätze mit anderen Mitteln als dem eines Fahrzeugs heranzuziehen. So stellen sich etwa das Anbieten von Waren auf der öffentlichen Verkehrsfläche mit einem Bauchladen,
30vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Oktober 1996 ‑ 23 B 2966/95 -, juris,
31oder mit einem Automaten,
32vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Oktober 1970 - IV C 137.68 -, Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 1, juris (nur Leitsätze), zu Sondernutzungsgebühren für Kaugummi-Kleinautomaten, und vom 21. Oktober 1970 - IV C 38.69 -, Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 3, S. 4 f. = juris, Rn. 19, zu Sondernutzungsgebühren für einen Pfefferminzwandautomaten; OVG NRW, Urteil vom 2. September 1997 ‑ 23 A 63/96 -, n. v., zu Sondernutzungsgebühren für Zigarettenautomaten; OVG S.-H., Urteil vom 10. Juli 1996 - 4 L 175/95 -, Rn. 27 f., zu Sondernutzungsgebühren für Kaugummiautomaten,
33oder das Aufstellen eines Altkleidersammelcontainers im öffentlichen Straßenraum zum Zwecke der Entgegennahme von Altkleidern,
34vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 16. Juni 2014 - 11 A 2816/12 -, NVwZ-RR 2014, 748 (749) = juris, Rn. 33,
35regelmäßig nicht mehr als Gemeingebrauch, sondern als Sondernutzung dar.
36b. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Nutzung des öffentlichen Straßenraums durch abgestellte Mietfahrräder in der von der Antragstellerin vorgenommenen Weise Sondernutzung. Dies ergibt sich daraus, dass nach der spezifischen Funktionsweise des von ihr betriebenen Vermietgeschäfts das Abstellen der Fahrräder zwar auch zum Zwecke der späteren Wiederinbetriebnahme erfolgt; im Vordergrund steht indessen der mit dem abgestellten Fahrrad verfolgte gewerbliche Zweck, den Abschluss eines Mietvertrags zu bewirken.
37aa. Auf der Grundlage der Allgemeinen Geschäfts- und Nutzungsbedingungen (AGB) der Antragstellerin und der von ihr auf ihrer Webseite gegebenen Hinweise vollzieht sich die Anmietung eines Fahrrads in dem von der Antragstellerin betriebenen „Verleih“-System („Call a Bike“) in folgender Weise:
38Die Vermietung von Fahrrädern erfolgt ausschließlich an bei der Antragstellerin registrierte Kunden (§ 1 Nr. 1 Satz 1 Teil 1 AGB). Der Interessent hat sich folglich zunächst per App, Web oder telefonisch unter Mitteilung der „relevanten persönlichen Daten“ (§ 2 Nrn. 1 und 2 Teil 1 AGB) bei der Antragstellerin zur Registrierung anzumelden („Antrag“). Nach der Prüfung der mitgeteilten Daten, die eine Bonitätsprüfung umfassen kann, entscheidet die Antragstellerin über die Annahme des Antrags „auf Abschluss einer Kundenbeziehung“ (vgl. § 2 Nr. 2 Teil 1 AGB), wobei diese Annahme mit der Mitteilung der persönlichen Kundennummer erfolgt (vgl. § 2 Nr. 3 Satz 1 Teil 1 AGB). Mit dieser Nummer vermag der Interessent eine entsprechende, zuvor auf sein Smartphone heruntergeladene App der Antragstellerin freizuschalten, mit deren Hilfe er sodann die Anmietung eines - vor Ort vorgefundenen oder unter Zuhilfenahme der App gezielt aufgesuchten - Fahrrads vornehmen kann. Zu diesem Zweck tippt der Interessent die auf beiden Seiten des Fahrrads angegebene Radnummer in die auf seinem Smartphone geöffnete App ein. Er erhält sodann einen Öffnungscode, den er in das Display des Fahrrads eingibt, wodurch dessen Entriegelung erfolgt. Diesen Code kann der Interessent auch erlangen, indem er mit dem bei der Antragstellerin registrierten Smartphone eine auf dem zu mietenden Fahrrad angegebene Festnetznummer anruft und dann den im Sprachmenü gegebenen Anweisungen folgt. Anschließend kann er die Fahrt antreten. Im Falle einer erneuten Verriegelung wegen einer Fahrtunterbrechung hat der Mieter auf dem Display anzugeben, ob es sich um eine Fahrtpause handelt. Beantwortet er die Frage mit „Ja“, bleibt das Rad für ihn reserviert; im anderen Falle gilt das Fahrrad als zurückgegeben und steht für einen neuen Nutzer zur Verfügung. Die Abrechnung der Mietkosten erfolgt auf Grundlage des vom Nutzer gewählten Tarifs und der von der Antragstellerin erfassten Nutzungsparameter mittels Kreditkarte oder durch Bankeinzug. Maßgeblich ist dabei u. a. die Dauer der kostenpflichtigen Anmietung, die auf Grundlage der entsprechenden Regelungen in den AGB der Antragstellerin (§ 2 Nr. 1 Teil 2) mit der Mitteilung des Öffnungscodes oder der Aktivierung des Fahrradschlosses beginnt und der aktiven Verriegelung des Fahrradschlosses durch den Mieter endet (§ 2 Nr. 2 Satz 1 Teil 2).
39bb. Das Geschäftsmodell der Antragstellerin basiert danach auf der Möglichkeit zur Nutzung des öffentlichen Straßenraums durch ihre dort nach endgültiger Rückgabe zur erneuten Vermietung abgestellten oder vielmehr: zum Abschluss von Mietverträgen bereit gehaltenen Fahrräder. Diese sind nicht nur Mietgegenstand; sie sind ‑ durch ihr bloßes Vorhandensein im Straßenraum ‑ auch und zunächst eine andauernde Aufforderung zum Abschluss eines Mietvertrags, wobei dahinstehen kann, ob es sich zivilrechtlich insoweit um eine „invitatio ad offerendum“ oder - wofür einiges spricht - um eine Realofferte in Gestalt einer „offerta ad incertas personas“ handelt. Entscheidend ist, dass das konkret-gegenständlich im öffentlichen Straßenraum abgestellte Fahrrad unentbehrlich ist für den Abschluss des ihn betreffenden Mietvertrags. Dieser kann überhaupt nur zustande kommen, wenn die entsprechende „Hardware“ - das Mietfahrrad mit Radnummer und bedienbarem Display - und die notwendige „Software“ - der mittels der „Call a Bike“-App oder fernmündlich per Handy übermittelte Öffnungscode - unmittelbar zur Hand sind. Insofern erfolgt das Abstellen eines Mietfahrrads der Antragstellerin im öffentlichen Straßenraum, wenn es denn endgültig zurückgegeben und nicht nur im Rahmen einer Fahrpause geparkt wird, zwar auch zum Zwecke der späteren Wiederinbetriebnahme; dieser aber ordnet sich bei der erforderlichen objektiven Betrachtung dem - verkehrsfremden - Zweck unter, zuvor mit Hilfe eben dieses Fahrrads eine Vereinbarung über dessen Anmietung zu treffen, die ihrerseits überhaupt erst wieder dessen Inbetriebnahme ermöglicht. Bis zu diesem Zeitpunkt stellen sich die Mietfahrräder der Antragstellerin als eine verkehrsfremde Sache dar.
40(1) Der Mietvertrag über ein Fahrrad der Antragstellerin wird nach deren Geschäftsmodell notwendigerweise auf der Straße angebahnt, er kommt unmittelbar dort zustande und wird dort schließlich auch vollzogen. Von sonstigem Straßenhandel, also dem gewerblichen Anbieten von Waren im öffentlichen Straßenraum, der unzweifelhaft als Sondernutzung zu qualifizieren ist,
41vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1988 - 7 C 5.87 - Buchholz 407.4 § 8 FStrG Nr. 20, S. 2 f. = juris, Rn. 7, zum Verkaufswagen; OVG NRW, Beschluss vom 21. Oktober 1996 - 23 B 2966/95 - juris, Rn. 14 ff., m. w. N., zum Bauchladen,
42unterscheidet sich das Vermieten von Fahrrädern in der von der Antragstellerin vorgenommenen Weise zwar im äußeren Erscheinungsbild, nicht aber - was hier entscheidend ist - im rechtlichen Kern.
43(2) Dass das Anbieten der Fahrzeuge und die Abwicklung der Anmietung in ihrer konkreten Ausgestaltung „marginal“ seien,
44so Hamb. OVG, Beschluss vom 19. Juni 2009 ‑ 2 Bs 82/09 -, NVwZ-RR 2010, 34 (35 f.) = juris, Rn. 9, zu Mietfahrrädern; i. d. S. auch Koschmieder/Huß, „E-Scooter - Regulatorische Herausforderung für die Kommunen?!“, DÖV 2020, 81 (85),
45ist - soweit dies in tatsächlicher Hinsicht überhaupt zutrifft - hiernach rechtlich unerheblich. Abgesehen davon, dass die zeitliche Dauer des mit dem Abstellen verbundenen Anbietens der Fahrräder die Dauer ihrer aktiven Nutzung regelmäßig übersteigen und somit eher nicht „marginal“ sein dürfte, kommt es nicht darauf an, wie lange es jeweils bis zum Abschluss eines Mietvertrags dauert. Entscheidend ist, dass die Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraums durch die von der Antragstellerin zur Vermietung angebotenen Fahrräder eben nicht auf die - vor ihrer Freischaltung auch gar nicht mögliche - Teilnahme am Straßenverkehr gerichtet ist,
46so aber Hamb. OVG, Beschluss vom 19. Juni 2009 ‑ 2 Bs 82/09 -, NVwZ-RR 2010, 34 (35 f.) = juris, Rn. 8 f., zu Mietfahrrädern, und auch König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 45. Auflage 2019, § 12 StVO, Rn. 55.
47sondern gewerbliche Zwecke in der oben beschriebenen Weise verfolgt.
48(3) Insofern gilt nichts anderes als etwa bei Warenautomaten, bei denen ungeachtet der Kürze des jeweiligen Kaufvorgangs eine Sondernutzung entweder ohne weiteres oder ausdrücklich mit Blick auf den verkehrsfremden Zweck bejaht wird.
49Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Oktober 1970 - IV C 137.68 -, Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 1, juris (nur Leitsätze), zu Sondernutzungsgebühren für Kaugummi-Kleinautomaten, und vom 21. Oktober 1970 - IV C 38.69 -, Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 3, S. 4 f. = juris, Rn. 19, zu Sondernutzungsgebühren für einen Pfefferminzwandautomaten; OVG NRW, Urteil vom 2. September 1997 ‑ 23 A 63/96 -, n. v., zu Sondernutzungsgebühren für Zigarettenautomaten; OVG S.-H., Urteil vom 10. Juli 1996 - 4 L 175/95 -, Rn. 27 f., zu Sondernutzungsgebühren für Kaugummiautomaten.
50(4) Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts steht die Qualifizierung der hier fraglichen Nutzung als Sondernutzung auch nicht im Widerspruch zu dem bereits zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juni 1982 - 7 C 73.79 -. Denn die Fahrräder der Antragstellerin werden - anders als in dem vom Bundesverwaltungsgericht für die dort fraglichen Mietkraftfahrzeuge entschiedenen Fall - gerade nicht als „zum Verkehr zugelassene und betriebsbereite“ Fahrzeuge „bei objektiv gegebener und gewollter Möglichkeit jederzeitiger Inbetriebnahme“ auf der Straße aufgestellt. Sie stehen dort vielmehr, um - wie bereits dargelegt - Mietverträge zustande zu bringen, aufgrund derer erst eine Entriegelung und Inbetriebnahme der Fahrräder erfolgen kann. Die web-basierten technischen Voraussetzungen, die derartige Geschäftsabschlüsse auf elektronischem Weg überhaupt erst ermöglichen, waren zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht gegeben, so dass das Gericht seinerzeit keine Veranlassung hatte, sich hiermit auseinander zu setzen. Es kann indessen keinem Zweifel unterliegen, dass es das „analoge“ Pendant zu einem in der hier fraglichen Weise über das Internet abgewickelten Geschäft, nämlich das Anbieten und Vermieten eines im öffentlichen Straßenraum abgestellten Fahrrads durch eine ebenfalls dort agierende reale Person, als Sondernutzung betrachtet hätte.
51Vgl. i. d. S. BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1988 - 7 C 5.87 -, Buchholz 407.4 § 8 FStrG Nr. 20 = juris, zum Verkaufswagen; s. ferner Nds. OVG, Beschluss vom 3. September 1997 ‑ 12 M 3916/97 -, OVGE 47, 368 (373 f.) = juris, Rn. 8 f., zum Anbieten von Beförderungsleistungen in einer Kutsche; vgl. auch Johannisbauer, „E-Scooter in deutschen Großstädten - Erlaubnispflichtige Sondernutzung oder bloßer Gemeingebrauch“, NJW 2019, 3614 (3616).
52(5) Der hier fragliche Sachverhalt ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin ferner nicht mit dem vom Senat entschiedenen Fall des Abstellens eines Kraftfahrzeugs mit Verkaufsofferte auf öffentlichem Straßengelände vergleichbar.
53Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Dezember 2000 ‑ 11 A 2870/97 -, NWVBl. 2001, 358 (359) = juris, Rn. 15.
54Denn auch in jenem Fall war das Fahrzeug unzweifelhaft und anders als hier zum Parken abgestellt, wobei die Verkaufsofferte gleichsam nur gelegentlich dieses Vorgangs erfolgte.
55(6) Schließlich vermag die Antragstellerin nicht mit dem Hinweis darauf durchzudringen, dass bei denjenigen ihrer Kunden, die über den „Komfort-Tarif“ verfügten, die ersten 30 Minuten jeder Fahrt im Monatspreis inkludiert seien, so dass insoweit gar kein entgeltlicher Vermietvorgang zustande komme. Abgesehen davon, dass die Antragstellerin ihre Mietfahrräder nicht nur für diesen Kundenkreis im öffentlichen Straßenraum vorhält, ändern die Besonderheiten des für den jeweiligen Mieter geltenden Tarifs nichts an dem von der Antragstellerin in erster Linie verfolgten verkehrsfremden Zweck, durch die abgestellten Fahrräder und über diese (neue) Mietverträge zu generieren.
56c. Die mit dem Abstellen der Mietfahrräder verbundene Nutzung der Straße durch die Antragstellerin erfolgt auch ohne die dafür erforderliche Erlaubnis. Die Antragstellerin ist nicht im Besitz einer auf der Grundlage des § 18 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW erteilten Sondernutzungserlaubnis; sie hat eine solche - auch auf Aufforderung der Antragsgegnerin etwa im Rahmen der Anhörung - nicht beantragt.
572. Die unter Ziffer 1. der Ordnungsverfügung getroffene Entfernungsanordnung ist auch auf der Rechtsfolgenseite nicht zu beanstanden. Sie leidet insbesondere nicht an Ermessensfehlern i. S. d. § 114 Satz 1 VwGO.
58a. Allein das Fehlen der für die Nutzung der öffentlichen Verkehrsfläche erforderlichen Sondernutzungserlaubnis (formelle Illegalität) berechtigt die Antragsgegnerin zu den nach § 22 Satz 1 StrWG NRW getroffenen Maßnahmen.
59Vgl. hierzu OVG NRW Urteil vom 23. November 2011 ‑ 11 A 2325/10 -, NWVBl. 2012, 195 (197) = juris, Rn. 53 f., m. w. N., zum sog. Bierbike; nachgehend: BVerwG, Beschluss vom 28. August 2012 ‑ 3 B 8.12 -, NVwZ 2012, 1623 = juris.
60b. § 18 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW enthält ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt mit der Folge, dass die Sondernutzung nicht grundsätzlich verboten, sondern lediglich von einer Kontrollerlaubnis abhängig ist.
61Vgl. OVG NRW Urteil vom 23. November 2011 ‑ 11 A 2325/10 -, NWVBl. 2012, 195 (197) = juris, Rn. 56 f., m. w. N., zum sog. Bierbike; nachgehend: BVerwG, Beschluss vom 28. August 2012 - 3 B 8.12 -, NVwZ 2012, 1623 = juris.
62Ausgehend hiervon prüfte die Antragsgegnerin auf entsprechenden Antrag der Antragstellerin, ob eine Sondernutzung für das Abstellen der Mietfahrräder der Antragstellerin erteilt (und nach § 18 Abs. 2 Satz 2 StrWG NRW mit Auflagen verbunden) werden könnte; voraussichtlich würde sie der Antragstellerin - entsprechend ihrer Ankündigung im Verwaltungsverfahren - auch die erforderliche Sondernutzungserlaubnis erteilen. Mit Blick darauf dürfte es die Antragstellerin selbst in der Hand haben, das Aufstellen ihrer Mietfahrräder im öffentlichen Straßenraum durch (wie von der Antragsgegnerin gefordert) Beantragung der erforderlichen Sondernutzungserlaubnis zu legalisieren und so wohl auch eine etwaige Vollstreckung der Entfernungsanordnung zu verhindern.
63II. Die unter Ziffer 2. der Ordnungsverfügung getroffene Anordnung, „die weitere, widerrechtliche Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraums ist zu unterlassen“, stellt sich im Rahmen der nur summarischen Prüfung im vorläufigen Rechtschutzverfahren ebenfalls als rechtmäßig dar.
641. Gegen ihre Bestimmtheit (§ 37 Abs. 1 VwVfG NRW) bestehen keine Bedenken.
65Vgl. zu einer ähnlich formulierten Anordnung: OVG NRW, Beschluss vom 19. Juni 2015 - 11 A 2046/13 -, juris, Rn. 3 ff.
66Denn aus dem Inhalt der Regelung geht im Zusammenhang mit der unter Ziffer 1. getroffenen Anordnung und den im angefochtenen Bescheid ausgeführten Gründen ‑ und damit anders als in dem dem oben zitierten Verfahren zugrunde liegenden Fall - klar und eindeutig hervor, dass die Antragstellerin das Aufstellen ihrer Mietfahrräder im öffentlichen Straßenraum zukünftig unterlassen soll.
672. Die Unterlassungsverfügung findet ihre Rechtsgrundlage ebenfalls in § 22 Satz 1 StrWG NRW. Die Tatbestandsvoraussetzungen sind aus den unter A.I.1. genannten Gründen erfüllt. Auf der Rechtsfolgenseite ergeben sich aus den unter A.I.2. aufgeführten Gründen ebenfalls keine Bedenken; auch in Bezug auf diese Anordnung dürfte die Antragstellerin durch Beantragung einer Sondernutzungserlaubnis dem darin für die Zukunft verfügten Verbot, den öffentlichen Straßenraum für ihre Mietfahrräder zu nutzen, und der angedrohten Vollstreckung wohl entgegenwirken können.
68III. Die Zwangsgeldandrohungen unter Ziffern 3. und 4. der angefochtenen Ordnungsverfügung sind nach summarischer Prüfung ebenfalls rechtmäßig. Sie beruhen auf den §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2,60 und 63 VwVG NRW. Die in der Zwangsgeldandrohung unter Ziffer 3. bestimmte Frist erscheint angemessen (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 VwVG NRW); einer Fristbestimmung in Bezug auf die unter Ziffer 4. angeordnete Zwangsgeldandrohung bedurfte es nicht (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 VwVG NRW). Gegen die Höhe des jeweils angedrohten Zwangsgelds ist nichts zu erinnern.
69B. Ein ausnahmsweise gegebenes Überwiegen ihres privaten Aussetzungsinteresses hat die Antragstellerin weder dargelegt noch ist ein solches ersichtlich.
70I. Würde der Antragstellerin die Ausnutzung der illegalen Rechtsposition bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens weiter gewährt werden, entwertete dies zum einen die aus dem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt nach § 18 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW resultierende Kontrollfunktion der Sondernutzungserlaubnis und damit auch die des Ordnungsrechts. Insoweit kann die Antragstellerin auch nicht mit dem Einwand gehört werden, dass es auch bei einer genehmigten Sondernutzung jederzeit zu einem Fehlverhalten der Nutzer ihrer Mietfahrräder kommen könne. Denn in diesem Fall könnte die Antragsgegnerin entsprechendem Fehlverhalten durch präventive Maßnahmen, etwa durch mit der Sondernutzungserlaubnis gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 StWG NRW verbundene Auflagen, entgegenwirken.
71II. Zum anderen führte die Aussetzung der Vollziehung der Ordnungsverfügung dazu, dass gesetzestreue Bürgerinnen und Bürger oder Konkurrentinnen und Konkurrenten, die die Aufnahme einer Sondernutzung nur auf der Grundlage einer Sondernutzungserlaubnis verwirklichen, gegenüber der Antragstellerin als rechtswidrig Handelnde ungerechtfertigterweise benachteiligt würden.
72Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
73Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
74Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).