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Auf Maßnahmen nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz finden weder die EU-Grundrechte-Charta noch die Datenschutz-Grundverordnung Anwendung. Daher ist ein Anspruch auf Kopie der in einer Sicherheitsakte enthaltenen personenbezogenen Daten weder nach den Art. 7 und 8 GrCh noch gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO gegeben.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 11. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Die Beschwerde gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes ist unbegründet. Die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkte Überprüfung des erstinstanzlichen Beschlusses führt zu keinem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis. Das Beschwerdevorbringen stellt die Richtigkeit der Antragsablehnung nicht durchgreifend in Frage.
2Soweit es mit den im Schriftsatz des Antragstellers vom 13. Januar 2020 unter Ziff. 1. a. und d. gestellten Anträgen auf Auskunft über die personenbezogenen Daten gerichtet ist, die in der im Sicherheitsüberprüfungsverfahren geführten Sicherheitsakte enthalten sind, erschüttert die Beschwerdebegründung nicht die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, dass der Antrag insoweit mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig sei, nachdem der Antragsteller am 12. November 2019 im Verwaltungsgericht Einsicht in die Sicherheitsakte genommen habe.
3Der Antragsteller legt nicht dar, weshalb insoweit trotz dieser Einsichtnahme noch ein Rechtsschutzbedürfnis für eine entsprechende Auskunft besteht. Dabei ist auch zu beachten, dass Einsicht in die Sicherheitsakte gemäß § 23 Abs. 6 Satz 1 SÜG nur gewährt wird, soweit eine Auskunft (§ 23 Abs. 1 SÜG) für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen der anfragenden Person nicht ausreicht und sie hierfür auf die Einsichtnahme angewiesen ist. Daher ist die vom Antragsteller vorgenommene Einsicht nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz als weitergehend als die begehrte Auskunftserteilung anzusehen.
4Vgl. auch Warg, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, SÜG
5§ 23 Rn. 21 f.
6Soweit der Antragsteller darüber hinaus Auskunft begehrt über seine sämtlichen "im und anlässlich" des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens verarbeiteten personenbezogenen Daten, zeigt er schon nicht auf, dass entgegen des Vortrags der Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung vom 3. September 2019 und ihrer Beschwerdeerwiderung vom 29. Januar 2020 (S. 3) "im und anlässlich" des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens personenbezogene Daten des Antragstellers, die sich außerhalb der Sicherheitsakte befinden, für dieses Verfahren verarbeitet werden, so dass insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis vorliegen könnte und ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund bestehen könnten.
7Der Antragsteller hat mit seinem Beschwerdevorbringen auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass für die von ihm begehrten Datenkopien ein Anordnungsanspruch nicht gegeben sei, nicht durchgreifend in Abrede gestellt. Auch im Beschwerdeverfahren hat er für sein Begehren auf Überlassung einer ("kostenfreien, unverfälschten") elektronischen Kopie der von der Antragsgegnerin geführten Sicherheitsakte bzw. einer "Kopie über alle" personenbezogenen Daten zu den unter Ziff. 1. a., b. und d. gestellten Anträgen (vgl. die unter Ziff. 1. b. und c. in dem Schriftsatz vom 13. Januar 2020 gestellten Anträge) einen derartigen Anspruch nicht glaubhaft gemacht. Ein solcher folgt insbesondere weder aus Art. 15 Abs. 3 Sätze 1 und 3 DSGVO noch aus den Regelungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-Grundrechte-Charta – GrCh –).
8Art. 15 Abs. 3 Sätze 1 und 3 DSGVO gelangt vorliegend weder direkt noch über eine Vorschrift aus dem nationalen Recht zur Anwendung.
9Eine direkte Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung ist gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchstabe a) DSGVO ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift findet die Datenschutz-Grundverordnung keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen einer Tätigkeit, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt. Dies ist in Bezug auf die Anwendung des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes bzw. hinsichtlich der zwischen den Beteiligten streitigen Sicherheitsüberprüfung als staatliche Maßnahmen zum Schutz der nationalen Sicherheit der Fall. Nach Satz 1 des 16. Erwägungsgrunds zur Datenschutz-Grundverordnung gilt diese nicht für Fragen des Schutzes von Grundrechten und Grundfreiheiten und des freien Verkehrs personenbezogener Daten im Zusammenhang mit Tätigkeiten, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, wie etwa die nationale Sicherheit betreffende Tätigkeiten. Denn die Ausübung staatlicher Maßnahmen zum Schutz der nationalen Sicherheit liegt in der alleinigen Verantwortung der Mitgliedstaaten (Art. 4 Abs. 2 Satz 3 EUV).
10Vgl. EuGH, Urteile vom 16. Juli 2020 - C-311/18 -, Schrems II, juris, Rn. 81, und vom 6. Oktober 2020 ‑ C-511/18 -, La Quadrature du Net u. a., juris, Rn. 102 f.
11Der Bereich der die nationale Sicherheit (auch im Sinne des Unionsrechts) betreffenden Tätigkeiten umfasst die in Deutschland erfolgenden Sicherheitsüberprüfungen nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz. Exemplarisch hierfür sei nur auf die teilweise außenpolitische bzw. völkerrechtliche (§ 1 Abs. 3 SÜG) oder lebenswichtige bzw. verteidigungsrelevante (§ 1 Abs. 4 und 5 SÜG) Bedeutung der Sicherheitsüberprüfungen hingewiesen. Entgegen dem Vortrag des Antragstellers ist für die Frage, ob diese Bereichsausnahme der Datenschutz-Grundverordnung bezüglich der nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz geführten Sicherheitsakte greift, auch nicht im Einzelfall zu prüfen, ob alle in der Akte verarbeiteten personenbezogenen Daten einen direkten Bezug zur Sicherheit des Staates haben. Ebenso wenig ist für die Frage der Anwendbarkeit der Datenschutz-Grundverordnung relevant bzw. aufzuklären, inwieweit Daten aus dem Sicherheitsüberprüfungsverfahren ggf. von der Antragsgegnerin auch für andere Zwecke, hier etwaig das Disziplinarverfahren bzw. die beamtenrechtliche Auswahlentscheidung, genutzt worden sein könnten, wie der Antragsteller auf den Seiten 6 bis 10 seines Schriftsatzes vom 13. Januar 2020 vorträgt.
12Die vorherigen Annahmen werden durch die vom Antragsteller wiedergegebenen Ergebnisse einer "Google-Suche" hinsichtlich des Begriffs der nationalen Sicherheit nicht in Frage gestellt. Die – u. a. aus § 1 Abs. 3 bis 5 SÜG ersichtliche – Bedeutung der Sicherheitsüberprüfungen für die nationale Sicherheit, welche zur diesbezüglichen sachlichen Unanwendbarkeit der Datenschutz-Grundverordnung führt, wird nicht dadurch im Einzelfall obsolet, dass ggf. nicht alle in der jeweiligen Sicherheitsakte verarbeiteten personenbezogenen Daten einen direkten Bezug zur nationalen Sicherheit des Staates aufweisen.
13Soweit der Antragsteller meint, es sei im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu untersuchen, ob Einschränkungen der dem Betroffenen durch Art. 12 ff. DSGVO eingeräumten Rechte zulässig seien, wie sich u. a. aus Art. 23 DSGVO ergebe, trifft auch dies nicht zu. Eine solche Prüfung beschränkender Maßnahmen hat der Unionsgesetzgeber nach dem klaren Wortlaut und der Systematik der Art. 2, 12 ff., 23 DSGVO nur vorgesehen, soweit die Rechte einräumenden (und das Grundrecht aus Art. 8 GrCh konkretisierenden) Vorschriften der Art. 12 ff. DSGVO überhaupt Anwendung finden, was hier aus den genannten Gründen gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchstabe a) DSGVO nicht der Fall ist.
14Abweichendes folgt auch nicht aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 6. Oktober 2015 - C-282/14 -, Schrems I. Soweit dort die Art. 7 und 8 GrCh anwendbar und auslegungsleitend waren, bezog sich dies nicht auf nationale Maßnahmen eines Mitgliedstaats (zum Schutz der nationalen Sicherheit), sondern auf eine Unionsregelung, nämlich die von der Europäischen Kommission getroffene Entscheidung 2000/520 (vgl. Rn. 91 ff.).
15Art. 15 Abs. 3 DSGVO ist vorliegend auch nicht über nationale Regelungen anwendbar. Zwar finden nach § 1 Abs. 8 BDSG für Verarbeitungen personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen im Rahmen von nicht in die Anwendungsbereiche der Datenschutz-Grundverordnung und der Richtlinie (EU) 2016/680 fallenden Tätigkeiten die Datenschutz-Grundverordnung und die Teile 1 und 2 dieses Gesetzes Anwendung, soweit nicht in diesem Gesetz oder in einem anderen Gesetz Abweichendes geregelt ist. Eine derartige abweichende Regelung ist aber § 36 Abs. 1 Nr. 1 SÜG, wonach u. a. § 1 Abs. 8 BDSG im Anwendungsbereich des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes keine Anwendung findet.
16Ein Anspruch des Antragstellers auf den Erhalt der von ihm begehrten Kopien folgt auch nicht aus den Regelungen der EU-Grundrechte-Charta.
17Soweit der Antragsteller namentlich auf die Grundrechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 7 GrCh) und auf Schutz personenbezogener Daten (Art. 8 GrCh) verweist, sind diese auf den streitigen Sachverhalt nicht anwendbar.
18Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 10. September 2020 - 1 B 1716/19 -.
19Denn die Grundrechte der EU-Grundrechte-Charta sind gemäß Art. 51 Abs. 1 GrCh im Verhältnis zu einer nationalen Regelung unanwendbar, wenn die unionsrechtlichen Vorschriften in dem betreffenden Sachbereich keine bestimmten Pflichten der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den streitigen Sachverhalt schaffen (vgl. auch Art. 6 Abs. 1 EUV).
20Vgl. EuGH, Urteile vom 10. Juli 2014 - C-198/13 -, Julian Hernández u. a., juris, Rn. 35 bis 37, und vom 19. November 2019 - C-609/17 u. a. -, TSN, juris, Rn. 46; BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 -1 BvR 16/13 -, juris, Rn. 43 f.; Jarass, GRCh, 3. Aufl. 2016, Art. 51 Rn. 18 bis 20.
21So liegt es hier, weil die unionsrechtlichen Vorschriften, namentlich die Datenschutz-Grundverordnung, im Hinblick auf das Begehren des Antragstellers keine bestimmten Verpflichtungen der Mitgliedstaaten begründen, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt.
22Der Beschwerdevortrag des Antragstellers, insbesondere zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, führt zu keinem anderen Ergebnis und ist nicht geeignet, die allgemeinen Zuständigkeitsgrenzen der Union (darunter Art. 4 Abs. 2 Satz 3 EUV) bzw. die Grenzen der Anwendbarkeit der Datenschutz-Grundverordnung (Art. 2 Abs. 2 Buchstabe a DSGVO) zu verändern.
23Besteht nach alledem für den Antragsteller kein Anspruch auf die begehrte Kopie der Sicherheitsakte, kommt auch eine Übermittlung einer nur teilweise lesbaren und im Übrigen "geschwärzten" Kopie oder eine "Gesamtabwägung ... zwischen den Gründen für die Auskunftsverweigerung und deren Grad an tatsächlicher Rechtfertigung unter Würdigung des Gesamtsachverhalts" entgegen dem Beschwerdevortrag nicht in Betracht.
24Soweit der Antragsteller die – bereits mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 12. September 2019 - 15 L 551/19 - erfolgte – Verfahrenstrennung rügt, ist diese Rüge nicht geeignet, seiner Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.
25Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. September 2020 - 1 B 1716/19 -.
26Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 2 sowie § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
27Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).