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Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
G r ü n d e
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Berufung ist nicht wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zuzulassen.
3Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Für die Darlegung dieser Voraussetzungen ist neben der Formulierung einer Rechts- oder Tatsachenfrage erforderlich, dass der Zulassungsantrag konkret auf die Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der Rechts- bzw. Tatsachenfrage sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht.
4Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Mai 2020– 1 A 1854/19.A –, juris, Rn. 3 f. m. w. N.
5Diesen Darlegungsanforderungen wird die Antragsbegründung nicht gerecht.
6Mit seinem Zulassungsvorbringen wirft der Kläger schon keine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage auf. Selbst wenn der Kläger mit seinem Vorbringen sinngemäß die Frage aufwerfen wollte,
7ob die Vorschrift des § 77 Abs. 2 AsylG verfassungswidrig ist, weil sie geeignet ist, effektiven Rechtsschutz zu verhindern,
8würde dies – ungeachtet dessen, dass der Kläger dann auch die weiteren Darlegungsanforderungen nicht erfüllt hätte – eine Zulassung der Berufung nicht rechtfertigen.
9Rechtsvorschriften, die – wie § 77 Abs. 2 AsylG – einem Verwaltungsgericht Bezugnahmen auf vorausgegangene Entscheidungen ermöglichen, sind grundsätzlich mit höherrangigem Recht vereinbar. Sie dienen der Entlastung des Verwaltungsgerichts von Formulierungs- und Schreibarbeit bei der Begründung seiner Entscheidungen in den Fällen, in denen dieser Zweck ohne Nachteile für den Rechtsschutz des Bürgers erreicht werden kann.
10Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Oktober 2011– 3 B 38.11 –, juris, Rn. 4 m. w. N.
11Dass wegen der Möglichkeit des § 77 Abs. 2 AsylG, im Tatbestand und in den Gründen des verwaltungsgerichtlichen Urteils auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides Bezug zu nehmen, der Anspruch des jeweiligen Asylklägers auf effektiven Rechtsschutz verhindert oder auch nur verkürzt wäre, zeigt die Zulassungsbegründung nicht auf.
12Der Kläger bringt insoweit vor, § 77 Abs. 2 AsylG wäre nur verfassungskonform, wenn der jeweilige Kläger schon bei Erteilung des Bundesamtsbescheids darüber belehrt würde, dass der Bescheid das Urteil „ersetzen“ könne und deshalb zwingend aufzubewahren sei. Er selbst habe mangels einer solchen Belehrung keinen Anlass gesehen, den Bescheid aufzubewahren. Sein bisheriger Prozessbevollmächtigter habe einen Antrag auf Zulassung der Berufung nicht stellen wollen, weshalb er gehalten gewesen sei, einen neuen Prozessbevollmächtigten zu beauftragen. Das habe er am 14. Januar 2021 (nachmittags) getan habe. Seinem neuen Prozessbevollmächtigten sei es aber nicht möglich gewesen, sich mit den Entscheidungsgründen des Verwaltungsgerichts auseinanderzusetzen, da diese wegen der Bezugnahme des Verwaltungsgerichts nach § 77 Abs. 2 AsylG dem Urteil nicht zu entnehmen gewesen seien. Bei einer kurzfristigen Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten (wie in seinem Fall) bestehe auch keine Möglichkeit, rechtzeitig Kenntnis von dem Inhalt des Bundesamtsbescheids zu erlangen.
13Das greift nicht durch.
14Wirkungsvoller Rechtsschutz i. S. v. Art. 19 Abs. 4 GG erfordert eine Kontrolle hoheitlichen Handelns durch sachlich und persönlich unabhängige und unparteiische Richter sowie den Zugang zu einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Instanz, die jedenfalls eine repressive, lückenlose sowie rechtzeitige Überprüfung staatlichenoder staatlich zu verantwortenden Handelns ermöglicht. Eine lückenlose gerichtliche Kontrolle von Rechtsverletzungen durch die öffentliche Hand setzt voraus, dass allen rechtsverkürzenden Auswirkungen staatlichen oder staatlich zu verantwortenden Handelns auch tatsächlich begegnet werden kann. Allerdings lässt sich der Garantie wirkungsvollen Rechtsschutzes weder ein Anspruch auf die bestmögliche noch auf eine durchgängig prinzipale gerichtliche Kontrolle entnehmen. Ihr ist vielmehr bereits dann Rechnung getragen, wenn die normative Ausgestaltung eine umfassende Nachprüfung des Verfahrensgegenstandes in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und eine dem Rechtsschutzbegehren angemessene Entscheidungsart und Entscheidungswirkung gewährleistet
15Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2018 – 2 BvR 961/09 –, juris, Rn. 35 m. w. N.
16Gemessen hieran ist nicht ersichtlich, dass es zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes bei der Bekanntgabe des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge einer Belehrung bedürfte, dass das Verwaltungsgericht im nachfolgenden Urteil nach § 77 Abs. 2 AsylG u. a. dann von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen kann, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt. Es liegt vielmehr im Sorgfalts- und Verantwortungsbereich eines jeden Prozessführenden, (zumindest) den Bescheid, den er anficht, während des laufenden Gerichtsverfahrens aufzubewahren. Einschränkungen oder eine Erschwernis der Rechtsschutzmöglichkeiten, die auf einem selbst verschuldeten Verlust dieses Bescheides beruhen, fallen damit allein in die Sphäre des jeweiligen Klägers. Kommen einem Kläger prozessrelevante Unterlagen, die für eine Fristwahrung erforderlich gewesen wären, ohne sein Verschulden abhanden, und versäumt er deshalb unverschuldet eine Frist, kann er einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO stellen.
17Selbst wenn hier zugunsten des Klägers unterstellt würde, dass ihm der Bundesamtsbescheid zunächst unverschuldet abhandengekommen ist, lässt sich der Zulassungsbegründung nicht entnehmen, dass der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter vor Fristablauf alles ihnen Zumutbare getan hätten, um sich noch rechtzeitig Kenntnis über dessen Inhalt zu verschaffen. Der Kläger hat seinen Prozessbevollmächtigten am 14. Januar 2021 damit beauftragt, einen Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das am 21. Dezember 2021 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 18. Dezember 2021 zu stellen. Dies hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers (fristgemäß) am 21. Dezember 2021 umgesetzt. Dass es dem Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht möglich gewesen sein sollte, sich innerhalb dieses Zeitraums von etwa einer Woche Kenntnis über den in Bezug genommenen Inhalt des Bundesamtsbescheides zu verschaffen, etwa durch Anforderung einer Abschrift bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, bei dem Verwaltungsgericht Köln oder bei dem vormaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers, ist nicht ersichtlich.
18Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
19Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).