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Eine planbedingte Überschreitung der Immissionswerte von etwa 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts kann im Einzelfall hinzunehmen sein, etwa dann, wenn in einem besonders lärmvorbelasteten Bereich die Erhöhungen der Immissionspegel unterhalb der Wahrnehmbarkeitsschwelle für das menschliche Ohr liegen, die bezogen auf einen rechnerisch ermittelten Dauerschallpegel bei Pegelunterschieden von 1 bis 2 dB(A) anzusetzen ist.
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
2Der Antrag hat keinen Erfolg.
3Er ist zulässig (dazu I.), aber unbegründet (dazu II.).
4I. Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist der Antragsteller im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt.
5Erforderlich, aber auch ausreichend für die Antragsbefugnis in einem gegen einen Bebauungsplan angestrengten Normenkontrollverfahren ist, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem subjektiven Recht verletzt wird. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung sind grundsätzlich auch dann keine höheren Anforderungen zu stellen, wenn es - wie hier - um das subjektive Recht des Antragstellers aus § 1 Abs. 7 BauGB auf fehlerfreie Berücksichtigung seiner privaten Belange im Rahmen der Abwägung geht. Auch insoweit reicht es aus, dass der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die eine fehlerhafte Behandlung seiner Belange in der Abwägung als möglich erscheinen lassen. Antragsbefugt ist hiernach, wer sich auf einen abwägungserheblichen privaten Belang, das heißt auf ein mehr als nur geringfügig schutzwürdiges Interesse, berufen kann. Denn wenn es einen solchen Belang gibt, besteht grundsätzlich auch die Möglichkeit, dass der Plangeber ihn bei der Abwägung nicht korrekt berücksichtigt hat. Die bloße Behauptung einer theoretischen Rechtsverletzung mag allerdings im Einzelfall dann nicht zur Geltendmachung einer Rechtsverletzung im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO genügen, wenn diese Behauptung nur vorgeschoben erscheint, tatsächlich eine Rechtsverletzung aber offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausscheidet.
6Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Juli 2013 - 4 BN 13.13 -, juris Rn. 4, und vom 17. Dezember 2012 - 4 BN 19.12 -, juris Rn. 3; OVG NRW, Beschluss vom 22. April 2022 - 10 B 362/22.NE -, juris Rn. 3 f.
7Davon ausgehend ist der Antragsteller - gemeinsam mit seiner Ehefrau Eigentümer eines südlich vom Plangebiet liegenden, mit einem Dreifamilienhaus bebauten Grundstücks - antragsbefugt. Eine fehlerhafte Behandlung der Belange des Antragstellers in der Abwägung erscheint nach seinem Vortrag jedenfalls insoweit möglich, als es um seinen Schutz vor planbedingtem Lärm(zuwachs) geht.
8II. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO liegen nicht vor. Nach dieser Bestimmung kann das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
9Das Erfordernis eines schweren Nachteils bindet die Aussetzung der Vollziehung einer Norm an erheblich strengere Voraussetzungen, als sie sonst für den Erlass einstweiliger Anordnungen gemäß § 123 VwGO im verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz verlangt werden. Die Außervollzugsetzung eines Bebauungsplans zur Abwehr eines schweren Nachteils ist nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen gerechtfertigt, die durch Umstände gekennzeichnet sind, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung gleichsam unabweisbar erscheinen lassen.
10Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 1998 - 4 VR 2.98 -, juris Rn. 3; OVG NRW, Beschlüsse
11vom 12. April 2024 - 10 B 174/24.NE -, juris Rn. 3, vom 23. Februar 2024 - 7 B 350/23.NE -, juris Rn. 3, vom 23. November 2023 - 2 B 677/23.NE -, juris Rn.16, vom 5. Oktober 2023 - 10 B 525/23.NE -, juris Rn. 3, und vom 9. November 2006 - 7 B 1667/06.NE -, juris Rn. 5.
12Nach ständiger Rechtsprechung der Bausenate des Oberverwaltungsgerichts stellt allein der Umstand, dass die Umsetzung des angegriffenen Bebauungsplans unmittelbar bevorsteht, noch keinen schweren Nachteil im Verständnis von § 47 Abs. 6 VwGO dar. Hinzukommen muss vielmehr, dass die Verwirklichung des Bebauungsplans in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht eine schwerwiegende Beeinträchtigung rechtlich geschützter Positionen des jeweiligen Antragstellers konkret erwarten lässt.
13Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. April 2024 - 10 B 174/24.NE -, juris Rn. 5, vom 23. Februar 2024 ‑ 7 B 350/23.NE -, juris Rn.5, vom 23. November 2023 - 2 B 677/23.NE -, juris Rn.18, und vom 5. Oktober 2023 - 10 B 525/23.NE -, juris Rn. 5, m. w. N.
14Aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten sein kann die Außervollzugsetzung eines Bebauungsplans, wenn sich dieser bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich unwirksam erweist und seine Umsetzung den jeweiligen Antragsteller ‑ unterhalb der Schwelle des schweren Nachteils - konkret so beeinträchtigt, dass die einstweilige Anordnung jedenfalls deshalb dringend geboten ist.
15Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. April 2024 - 10 B 174/24.NE -, juris Rn. 7, vom 23. November 2023 - 2 B 677/23.NE -, juris Rn.20, vom 24. Oktober 2016 ‑ 2 B 1368/15.NE -, juris Rn. 11, vom 22. Juni 2016 - 10 B 536/16.NE -, juris Rn. 7 ff., und vom 29. Februar 2016 - 10 B 134/16.NE -, juris Rn. 7 ff.
16Gemessen an diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für eine Außervollzugsetzung des angegriffenen Bebauungsplans nicht vor.
171. Bei summarischer Prüfung lässt sich nicht feststellen, dass die planbedingten Lärmimmissionen am Grundstück des Antragstellers den Erlass einer einstweiligen Anordnung erfordern. Das wäre nur dann der Fall, wenn der Antragsteller nicht mehr zumutbaren Lärmimmissionen ausgesetzt wäre.
18Nicht mehr hinzunehmen sind Immissionen jedenfalls dann, wenn sie mit gesunden Wohnverhältnissen im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB nicht in Einklang zu bringen sind.
19Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 1999 - 4 C 6.98 -, juris Rn. 27; OVG NRW, Urteile vom 22. Juni 2023 - 2 D 347/21.NE -, juris Rn. 105, und vom 30. Mai 2017 - 2 D 27/15.NE -, juris Rn. 108, sowie Beschluss vom 21. September 2005 - 10 B 9/05.NE ‑, juris Rn. 14.
20Eine exakte Grenze im Sinne eines eindeutigen Grenzwertes lässt sich allerdings insoweit nicht fixieren. Die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse sind jedoch im Regelfall gewahrt, wenn die Orientierungswerte für Dorf- oder Mischgebiete von 60 dB(A) tags und 50 dB(A) nachts unterschritten werden, da die genannten Baugebiete neben der Unterbringung von (nicht wesentlich) störenden Gewerbebetrieben auch dem Wohnen dienen und die Orientierungswerte hierauf zugeschnitten sind.
21Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 1999 - 4 C 6.98 -, juris Rn. 27 (bezogen auf die 18. BImSchV); OVG NRW, Urteile vom 22. Juni 2023 - 2 D 347/21.NE -, juris Rn. 105, und vom 30. Mai 2017 - 2 D 27/15.NE -, juris Rn. 108, sowie Beschlüsse vom 29. Februar 2016 -10 B 134/16.NE -, juris Rn. 17, und vom 21. September 2005 - 10 B 9/05.NE -, juris Rn. 14 (jeweils im Zusammenhang mit Verkehrslärm).
22Ebenso ist (höchstrichterlich) noch nicht abschließend geklärt, wo die Grenze exakt verläuft, bei der die Schwelle zur Gesundheitsgefahr durch Lärmimmissionen erreicht bzw. überschritten wird.
23Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. September 2023 - 8 A 2519/18 -, juris Rn. 162.
24Die Grenze der Gesundheitsgefahr, bei der eine Ermittlung der Lärmbeeinträchtigung nach Maßgabe eines Summenpegels geboten ist, beginnt (jedenfalls) regelmäßig für Wohngebiete bei einem äquivalenten Dauerschallpegel von etwa 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts.
25Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Dezember 2017 - 7 A 7.17 -, juris Rn. 46, und vom 13. Mai 2009 - 9 A 72.07 -, juris Rn. 69; OVG NRW, Beschlüsse vom 25. April 2023 - 10 B 9/23.NE -, juris Rn. 15, und vom 20. Januar 2020 - 7 B 961/19.NE -, juris Rn. 17.
26Eine planbedingte Überschreitung der Immissionswerte von etwa 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts kann jedoch im Einzelfall hinzunehmen sein, etwa dann, wenn in einem besonders lärmvorbelasteten Bereich die Erhöhungen der Immissionspegel unterhalb der Wahrnehmbarkeitsschwelle für das menschliche Ohr liegen, die bezogen auf einen rechnerisch ermittelten Dauerschallpegel bei Pegelunterschieden von 1 bis 2 dB(A) anzusetzen ist.
27Vgl. auch OVG NRW, Urteile vom 22. Juni 2023 - 2 D 347/21.NE -, juris Rn. 111, vom 26. November 2018 - 10 D 40/16.NE -, juris Rn. 110 ff., vom 30. Mai 2017 - 2 D 27/15.NE -, juris Rn. 112, vom 24. März 2015 - 7 D 52/13.NE -, juris Rn. 36, und vom 6. Februar 2014 - 2 D 104/12.NE -, juris Rn. 68; Wahlhäuser, in: Bischopink/Külpmann/Wahlhäuser, Der sachgerechte Bebauungsplan, 5. Aufl. 2021, Rn. 901.
28Nach diesen Maßgaben ist der Antragsteller keinen nicht mehr zumutbaren Lärmimmissionen ausgesetzt, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung erfordern.
29Ausweislich der „Schalltechnischen Untersuchung zur Verkehrslärmerhöhung im Umfeld des Bebauungsplangebietes ‚A.‘ in G.“ der Peutz Consult vom 21. November 2022 (im Folgenden: Schalltechnische Untersuchung) ist das Dreifamilienhaus des Antragstellers - und seiner Ehefrau - bereits ohne die Planung in erheblicher Weise lärmvorbelastet. So betragen die maximalen Straßenverkehrslärmpegel und Gesamtlärmpegel im 2. OG (Fassadenorientierung S bzw. SO) tags zwischen 65,8 dB(A) und 66,0 dB(A) sowie nachts zwischen 59,8 dB(A) und 60,0 dB(A). Nach der Schalltechnischen Untersuchung liegen die planbedingten Erhöhungen der Immissionspegel an diesen Immissionspunkten bei maximal 0,1 dB(A) tags und 0,2 dB(A) nachts und sind damit als gering zu bewerten. Dass sie im Planfall zu Beurteilungspegeln von maximal 66,1 dB(A) tags und 60,2 dB(A) nachts führen, lässt den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach den oben dargestellten Maßstäben hier ebenfalls nicht als dringend geboten erscheinen. Die Schwelle zur Gesundheitsgefahr wird zur Tagzeit an keinem der 32 Immissionspunkte auf dem Grundstück des Antragstellers überschritten. Zur Nachtzeit liegt der Beurteilungspegel nur an einem Immissionspunkt über dem - dort schon bisher erreichten - Wert von 60 dB(A), und zwar lediglich geringfügig um 0,2 dB(A). An den Immissionspunkten mit einer größeren Pegeldifferenz zwischen Analyse- und Planfall wird die Schwelle zur Gesundheitsgefährdung hingegen - teils deutlich - unterschritten.
30Ob im Hinblick auf die Lärmproblematik durchgreifende (Abwägungs-)Mängel des angegriffenen Plans vorliegen, wird im Hauptsacheverfahren - 10 D 153/23.NE - zu klären sein.
312. Die Außervollzugsetzung des Bebauungsplans ist auch nicht mit Blick auf das weitere Vorbringen des Antragstellers, es fehle an einer ordnungsgemäßen Bekanntmachung der Offenlage, der Bebauungsplan sei nicht an die Ziele der Raumordnung angepasst, die Emissionskontigentierung leide an durchgreifenden Mängeln, die Gliederung des Industriegebiets nach dem Abstandserlass vom 6. Juni 2007 sei fehlerbehaftet, zudem könnten die Festsetzungen zur Zulässigkeit von Gewerbebetrieben nicht auf § 1 Abs. 5, 9 BauNVO gestützt werden, angezeigt. Ungeachtet der Frage, ob dieser Vortrag zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans führende Mängel erkennen lässt, die offensichtlich wären, droht dem Antragsteller durch die Umsetzung des Bebauungsplanes insoweit jedenfalls keine konkrete Beeinträchtigung unterhalb der Schwelle des schweren Nachteils, die eine einstweilige Anordnung dringend geboten erscheinen ließe. Dies macht er letztlich auch nicht geltend.
32Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
33Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
34Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).