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Ein zeitlich auf Wochenenden und Feiertage beschränktes und nur für einen begrenzten Streckenabschnitt geltendes Verkehrsverbot für Krafträder (VZ 255) stellt keine faktische Teileinziehung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW dar, sondern eine auf der Grundlage von § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 StVO angeordnete Beschränkung des Gemeingebrauchs.
Ein Verbot von Krafträdern nach § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 StVO aufgrund einer qualifizierten Gefahrenlage setzt nicht notwendig voraus, dass dieses durch ein langjähriges, statistisch erfasstes Unfallgeschehen unterlegt ist.
Bei einem Verkehrsverbot für Krafträder ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung grundsätzlich das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Interesse, die Straße im Rahmen der Widmung zu Freizeitzwecken zu befahren, in die Abwägung einzustellen.
Die Straßenverkehrsbehörde ist gehalten, vor einem unbeschränkten Verbot für Krafträder ein auf bestimmte Tage und Uhrzeiten beschränktes Verbot in Betracht zu ziehen.
Neue Verkehrszeichen oder Straßenausstattungselemente, die in Modellversuchen erprobt werden, müssen nicht als milderes Mittel berücksichtigt werden. Die Straßenverkehrsbehörde kann zunächst die Erprobung und Auswertung abwarten.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 18. März 2024 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe:
2Die Beschwerde des Antragstellers, mit der er seinen im erstinstanzlichen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erfolglos gebliebenen (sinngemäßen) Antrag,
3die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die verkehrsrechtliche Anordnung des Antragsgegners vom 5. Oktober 2023 in der Fassung der Änderung vom 8. November 2023 anzuordnen und deren durch die Aufstellung der Verkehrszeichen erfolgte Umsetzung vorläufig rückgängig zu machen,
4weiterverfolgt, hat keinen Erfolg. Sein Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt den angegriffenen Beschluss nicht durchgreifend in Frage.
5Die Beschwerdebegründung macht ohne Erfolg geltend, dass die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene gerichtliche Interessenabwägung entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts zu Gunsten des Antragstellers ausfalle.
6Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass sich die verkehrsrechtliche Anordnung des Antragsgegners bei der gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweise, weil die Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 StVO erfüllt seien und der Antragsgegner das durch die Vorschrift eröffnete Ermessen fehlerfrei ausgeübt habe.
7Dem setzt das Beschwerdevorbringen nichts Durchgreifendes entgegen. Soweit der Antragsteller allgemein auf seinen erstinstanzlichen Vortrag Bezug nimmt, genügt dies nicht den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Die darüber hinaus dargelegten Gründe rechtfertigen keine Änderung des angegriffenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts.
81. Ohne Erfolg bleibt die Rüge, dass die Anordnung des streitgegenständlichen Verbots für Krafträder nicht auf die straßenverkehrsrechtliche Ermächtigungsnorm des § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 StVO gestützt werde könne. Entgegen dem Vorbringen des Antragstellers handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Verbot nicht um eine faktische Teileinziehung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW, sondern um eine zulässige straßenverkehrsrechtliche Beschränkung des Gemeingebrauchs.
9Die Straßenverkehrsbehörde ist aufgrund der vorrangigen bundesrechtlichen Rechtsgrundlage von § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 StVO befugt, die verkehrsbezogenen Verhaltensweisen der jeweiligen Verkehrsart durch den einzelnen Verkehrsteilnehmer in der konkreten Verkehrssituation zu regeln sowie die Einschränkung oder Untersagung dieser Ausübung mit Rücksicht auf die sich aus ihr ergebenden Nachteile oder Gefahren für Sicherheit oder Ordnung für die Verkehrsteilnehmer oder für Außenstehende. Die Regelung des konkreten Verkehrsverhaltens darf dabei im Ergebnis nicht auf eine Erweiterung oder Beschränkung der Widmung durch Zulassung oder Untersagung einer ganzen Verkehrsart - den Fahrverkehr bzw. den Fußverkehr - hinauslaufen, da dies zum Gemeingebrauch selbst gehört.
10Vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 1984 - 2 BvL 10/82 -, juris Rn. 67 f.; Hess. VGH, Urteil vom 16. April 1991 - 2 UE 2858/88 -, juris Rn. 23.
11Das streitbefangene Verbot regelt nicht die Untersagung einer ganzen Verkehrsart, sondern nur bestimmter Fahrzeugtypen (Krafträder). Es ist zudem zeitlich auf Wochenenden, einschließlich der Freitagnachmittage (freitags ab 12.00 Uhr bis sonntags 24.00 Uhr), sowie Feiertage beschränkt und gilt nur für einen begrenzten Streckenabschnitt. Insoweit handelt es sich lediglich um eine straßenverkehrsrechtliche Regelung verkehrsbezogener Verhaltensweisen. Diese stellt sich als eine auf der Grundlage von § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 StVO anzuordnende Beschränkung des Gemeingebrauchs dar.
12Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 - 3 C 32.09 -, juris Rn. 48 (Lkw-Überholverbot); Bay. VGH, Beschluss vom 28. Juni 2018 - 11 CS 19.964 -, juris Rn. 15 (Verkehrsverbot für Motorräder).
132. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 StVO bei der gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich vorliegen.
14a) Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Gemäß § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen - vorbehaltlich der hier nicht einschlägigen Ausnahmen nach Satz 4 bis 6 - nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt (Abs. 9 Satz 3). Hierdurch wird § 45 Abs. 1 (bzw. Abs. 1a) StVO nicht ersetzt, sondern lediglich modifiziert.
15Vgl. BVerwG, Urteile vom 18. November 2010 - 3 C 42.09 -, juris Rn. 17, und vom 23. September 2010 - 3 C 32.09 -, juris Rn. 19, jeweils m. w. N.
16Besondere örtliche Verhältnisse im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO können insbesondere in der Streckenführung, dem Ausbauzustand der Strecke, witterungsbedingten Einflüssen (z. B. Nebel, Schnee- und Eisglätte), der dort anzutreffenden Verkehrsbelastung und den daraus resultierenden Unfallzahlen begründet sein.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 2010 - 3 C 42.09 -, juris Rn. 26, m. w. N., sowie Beschluss vom 3. Januar 2018 - 3 B 58.16 -, juris Rn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2019 - 8 A 10/17 -, juris Rn. 27.
18Das Vorliegen einer Gefahrenlage im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO bestimmt sich nicht alleine nach einem Aspekt, sondern wird von einer Gemengelage verschiedener Faktoren beeinflusst.
19Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 2013 - 3 B 59.12 -, juris Rn. 9; OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2019 - 8 A 10/17 -, juris Rn. 27.
20Ihre Annahme setzt nicht voraus, dass sich ein Schadensfall bereits realisiert hat. In den regelmäßig vorliegenden Fällen, dass es bei der Verkehrsbeschränkung bzw. dem Verkehrsverbot um die Abwehr von Gefahren für Leib und Leben und bedeutende Sachwerte geht, wird zudem auch eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO nicht gefordert. Die Vorschrift setzt eine das allgemeine Risiko deutlich übersteigende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts voraus. Erforderlich ist somit eine entsprechende konkrete Gefahr, die auf besonderen örtlichen Verhältnissen beruht.
21Vgl. BVerwG, Urteile vom 23. September 2010 - 3 C 32.09 -, juris Rn. 22, - 3 C 37.09 -, juris Rn. 27; OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2019 - 8 A 10/17 -, juris Rn. 27.
22Maßgeblich ist dabei, ob gerade bezogen auf den Streckenabschnitt, für den die angegriffenen Verkehrsbeschränkungen gelten, eine entsprechende konkrete Gefahr besteht. Darauf, ob auf vergleichbaren Streckenabschnitten ähnliche oder andere Unfallzahlen auszumachen sind, kommt es nicht an.
23Vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2007 - 3 B 79.06 -, juris Rn. 7.
24Die Beantwortung der Frage, ob eine solche qualifizierte Gefahrenlage besteht, bedarf einer Prognose, für deren Tatsachenbasis im Hauptsacheverfahren der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz maßgeblich ist.
25Vgl. BVerwG, Urteile vom 23. September 2010 - 3 C 32.09 -, juris Rn. 23 und - 3 C 37.09 -, juris Rn. 28; OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2019 - 8 A 10/17 -, juris Rn. 27.
26b) Nach dieser Maßgabe spricht derzeit alles dafür, dass auf der L 701 (Prioreier Straße) zwischen Breckerfeld und der Stadtgrenze Breckerfeld/Hagen aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine qualifizierte Gefahrenlage besteht. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass sich besondere örtliche Verhältnisse i. S. d. § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO für Motorradfahrer maßgeblich aus der besonderen Streckenführung und dem Ausbauzustand der L 701 ergäben. Es handele sich um eine landschaftlich reizvolle Landesstraße, die auf einer Länge von etwa 2 km mehr als 15 kurz aufeinander folgende, teilweise relativ enge Kurven aufweise. Nach Aufhebung der Streckensperrung im Jahr 2022 bis zum Erlass der streitbefangenen verkehrsrechtlichen Anordnung sei es gehäuft zu Verkehrsunfällen mit Krafträdern gekommen. Durchgreifende Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Sachverhaltswürdigung ergeben sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht.
27Der Einwand des Antragstellers, dass eine häufige Nutzung der streitgegenständlichen Strecke durch bestimmte Verkehrsteilnehmer - hier durch Motorradfahrer - automatisch dazu führe, dass es zu mehr Verkehrsunfällen mit dieser Gruppe von Verkehrsteilnehmern komme und die Zahl der Unfälle nicht einem besonderen Gefährdungspotenzial, sondern alleine der Anzahl geschuldet sei, greift nicht durch. Ungeachtet der Frage, ob diese Argumentation anhand der vorliegenden Zahlen überhaupt nachvollziehbar ist, ist sie jedenfalls nicht geeignet, die nach den vorstehenden Maßstäben zu treffende Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts, dass bezogen auf den konkreten Streckenabschnitt, für den das Verbot angeordnet wird, eine Gefahr i. S. v. § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO vorliegt, durchgreifend in Frage zu stellen. Die Annahme einer besonderen Gefahr stützt sich im vorliegenden Fall nicht alleine auf die häufige Nutzung der Strecke durch Motorradfahrer oder die Häufigkeit von Unfällen. Maßgeblich ist vielmehr, dass in dem streitgegenständlichen Streckenabschnitt, wie das Verwaltungsgericht im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, aufgrund der konkreten Umstände eine besondere Gefahrenlage besteht.
28Der Vortrag des Antragstellers, es gebe keine Belege oder Beweise für die Annahme, dass „nach Einschätzung der Polizei der kurvige Teil der Strecke Anziehungspunkt für Kraftfahrer ist, die dort ihre fahrerischen Fähigkeiten unter Beweis stellen wollen und die Strecke nicht nur einmal durchfahren, sondern als Trainingsstrecke nutzen“, stellt dies nicht in Frage. Eine solche Nutzung ist nach Aufhebung des Verbots und vollständigen Beseitigung der Verbotsschilder im Juli 2022 ausweislich der Verwaltungsvorgänge insbesondere durch den Bürgermeister der Hansestadt Breckerfeld mit Schreiben vom 5. Dezember 2022 und durch Anwohner und Verkehrsteilnehmer berichtet worden. Mitarbeiter des Antragsgegners haben die Strecke mehrfach in Augenschein genommen und dabei die beschriebene Nutzung, insbesondere eine starke Nutzung durch Krafträder wie auch das mehrfache Durchfahren des Abschnitts beobachtet (vgl. Vermerke vom 10. Mai 2023, 5. Juni 2023, 12. Juni 2023, 14. August 2023, 4. Oktober 2023). Im Hinblick auf diese Feststellungen zeigt der Antragsteller keine konkreten Anhaltspunkte auf, die darauf hindeuten, dass und inwieweit diese Beobachtungen unzutreffend wären.
293. Das Verwaltungsgericht ist bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsgegner das durch § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 StVO eröffnete Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers rechtfertigt keine andere Bewertung.
30a) Aus § 45 Abs. 9 Satz 2 und 3 i. V. m. § 45 Abs. 1 StVO folgt, dass auch Maßnahmen im Regelungsbereich des § 45 Abs. 9 StVO im Ermessen der zuständigen Behörden stehen. Anders als in Bezug auf das Vorliegen der rechtssatzmäßigen Voraussetzungen für eine Verkehrsbeschränkung nach § 45 Abs. 1 StVO, das der vollständigen gerichtlichen Kontrolle unterliegt, besteht hinsichtlich des Ob und Wie des Eingreifens ein nur beschränkt nachprüfbarer Ermessensspielraum.
31Vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 45 StVO Rn. 28d.
32Insoweit kann der Antragsteller nur verlangen, dass seine eigenen Interessen ohne Rechtsfehler abgewogen werden mit den Interessen der Allgemeinheit und anderer Betroffener, die für die Einführung der Verkehrsbeschränkung sprechen.
33Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1993 - 11 C 35.92 -, juris Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 29. September 2021 - 8 B 188/21 -, juris Rn.6.
34Bei der Überprüfung, ob die Behörde das ihr zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat, ist ferner zu berücksichtigen, dass aufgrund der hohen Anforderungen an die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 Abs. 9 Satz 1 und 3 StVO das Ermessen stark eingeschränkt ist. Bei Bejahung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO, zumal bei einer konkreten Gefahr für die Rechtsgüter Leib und Leben, ist in der Regel ein Tätigwerden der Behörde geboten und somit ihr Entschließungsermessen reduziert. Die Auswahl der Mittel ist indes nicht in bestimmter Weise durch die Verordnung vorgezeichnet.
35Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Juli 2021 - 8 B 975/21 -, juris Rn. 16.
36Soweit es um die Auswahl der Mittel geht, mit denen die konkrete Gefahr bekämpft oder gemildert werden soll, ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Dabei ist es der Straßenverkehrsbehörde aufgrund ihres Sachverstandes und ihres Erfahrungswissens vorbehalten festzulegen, welche von mehreren in Betracht zu ziehenden Maßnahmen den bestmöglichen Erfolg verspricht.
37Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 - 3 C 32.09 -, juris Rn. 35.
38Vor dem Ausschluss einer gesamten Gruppe von Verkehrsteilnehmern, aus der nur ein kleiner Teil für die Gefahrenlage verantwortlich ist, sind als milderes Mittel Maßnahmen in den Blick zu nehmen, die geeignet sind, das unerwünschte Verkehrsverhalten in ausreichendem Maße zu erschweren. Mildere Mittel können nicht alleine mit Blick darauf als nicht hinreichend geeignet verworfen werden, dass sie das unerwünschte Verkehrsverhalten nicht vollständig unterbinden können.
39OVG NRW, Beschluss vom 6. Juni 2019 - 8 B 821/18 -, juris Rn. 31.
40Dem Einwand eines von der verkehrsregelnden Anordnung Betroffenen, der qualifizierten Gefahrenlage könne auch mit einem milderen Mittel begegnet werden, muss indes nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann nachgegangen werden, wenn er jedenfalls ansatzweise den Nachweis einer ersichtlich sachfremden und damit unvertretbaren Maßnahme geführt hat. Das meint nicht die Verteilung der weiterhin bei der Behörde liegenden Darlegungslast, sondern die inhaltlichen Anforderungen, die mit Blick auf die Einschätzungsprärogative der Straßenverkehrsbehörde an den Gegenvortrag des von einer Verkehrsbeschränkung Betroffenen zu stellen sind.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 - 3 C 32.09 -, juris Rn. 36.
42b) Nach diesen Maßstäben zeigt der Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen nicht auf, dass die Ermessensausübung des Antragsgegners fehlerhaft ist.
43Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob es - wovon das Verwaltungsgericht ausgeht und was der Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen jedenfalls im Hinblick auf eine mögliche Geschwindigkeitsbeschränkung rügt - bereits im Ansatz an einem abwägungserheblichen, hinreichend qualifizierten Interesse des Antragstellers,
44vgl. BVerwG, Urteile vom 23. September 2010 - 3 C 32.09 -, juris Rn. 45, und vom 27. Januar 1993 - 11 C 35.92 -, juris Rn. 23; OVG NRW, Beschluss vom 9. Juli 2021 - 8 B 975/21 -, juris Rn. 16; Manssen, NZV 1992, S. 465, 469.
45fehlt, weil diesem kein eigener Anspruch auf bestimmte Ausbaumaßnahmen zustehe. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind allerdings nicht nur solche Belange in die Abwägung einzustellen, auf die ein rechtlicher Anspruch besteht. Vielmehr kann jedenfalls bei einem nur für eine bestimmte Gruppe von Verkehrsteilnehmern geltenden Verbot - hier einem Verbot von Krafträdern - das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Interesse abwägungserheblich sein, die Straße im Rahmen der Widmung auch zu Freizeitzwecken bzw. zu nicht-gewerblichen Zwecken wie alle anderen Verkehrsteilnehmer nutzen zu können. Insoweit spricht Vieles dafür, dass sich der Antragsteller im Ausgangspunkt auf ein hinreichendes rechtliches Interesse berufen kann, das in die Abwägung einzustellen und bei der Prüfung alternativer milderer Maßnahmen zu berücksichtigen ist. Das Verwaltungsgericht hat die angegriffene Entscheidung jedoch unabhängig hiervon und selbstständig tragend auch darauf gestützt, dass der Antragsteller nicht den oben genannten Grundsätzen entsprechend ansatzweise den Nachweis geführt habe, dass es sich bei dem zeitlich beschränkten Verbot für Krafträder um eine ersichtlich sachfremde und unvertretbare Maßnahme handele. Dem setzt das Beschwerdevorbringen nichts Durchgreifendes entgegen. Der Antragsteller zeigt nicht auf, dass der Antragsgegner mildere Maßnahmen ermessensfehlerhaft außer Betracht gelassen hat.
46aa) Soweit der Antragsteller unter Verweis auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg,
47Beschluss vom 30. August 2022 - OVG 1 S 47/22 -, n. v.,
48vorträgt, dass eine Sperrung der Strecke für Krafträder im Wesentlichen auf den Zeitraum beschränkt bleiben müsse, in dem sich die Motorradunfälle überwiegend ereigneten und deshalb im vorliegenden Fall ein Verbot an Wochenenden und an Feiertagen allenfalls stundenweise für die Nachmittage und Abende, nicht aber ganztägig, insbesondere nicht an den Vormittagen in Betracht komme, rechtfertigt dies keine Änderung des angegriffenen Beschlusses. Die Straßenverkehrsbehörde ist zwar gehalten, vor einem unbeschränkten Verbot für Krafträder ein auf bestimmte Tage und Uhrzeiten beschränktes Verbot in Betracht zu ziehen.
49Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Juni 2019 - 8 B 821/18 -, juris Rn. 59.
50Dem hat der Antragsgegner aber in hinreichendem Maß entsprochen. Er hat sich ausweislich des Vermerks vom 4. Oktober 2023 mit der Möglichkeit eines zeitlich unbeschränkten wie auch eines zeitlich beschränkten Verbots auseinandergesetzt und in diesem Zusammenhang Erwägungen zu dem konkreten Verbotszeitraum angestellt. Der Antragsgegner ist dabei ermessensfehlerfrei davon ausgegangen, dass sich die aktenkundigen Motorradunfälle seit Aufhebung des bis 2022 geltenden Verbots mehrheitlich an Wochenenden bzw. an Feiertagen ereigneten. Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass der Antragsgegner darüber hinaus unabhängig von den aktenkundigen Unfalldaten zu Grunde gelegt hat, dass die überwiegend dem Freizeitbereich zuzurechnenden Fahrten nach allgemeiner Lebenserfahrung vorwiegend oder jedenfalls vermehrt an den Wochenenden und an Feiertagen stattfinden. Der Antragsgegner war dabei - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nicht gehalten, das auf Freitagnachmittage, die Wochenenden und Feiertage beschränkte Verbot für Krafträder noch weitergehend auf bestimmte Tageszeiten, insbesondere auf die Nachmittage oder die Abende, einzugrenzen und hierzu weitere Erwägungen anzustellen und zu dokumentieren. Dies erscheint schon deshalb nicht geboten, weil nach allgemeiner Lebenserfahrung zu erwarten ist, dass sich an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen bei einem jeweils auf die Nachmittage und Abende beschränkten Verbot der Motorradverkehr zu einem nicht unerheblichen Teil in den Vormittag und die Mittagszeit verlagern und sich dadurch in diesen Zeiten zusätzlich verdichten kann. Insbesondere ist davon auszugehen, dass Motorradfahrer über soziale Medien, Navigationshilfen oder Hinweise im Internet,
51vgl. etwa https://www.mintelonline.de/strecken-sperrungen/ sowie https://bvdm.de/aktuelles-und-veranstaltungen/streckensperrungen/ (zuletzt aufgerufen am 16. Mai 2024),
52jeweils aktuell über Streckensperrungen für Krafträder und deren zeitliche Beschränkung informiert sind und die Routenplanung bei Freizeitfahrten an Wochenenden und Feiertagen hieran gezielt ausrichten. Nähere Erwägungen zu einer weiteren Beschränkung des Verbots waren auch nicht mit Blick auf die konkret vorliegenden Unfalldaten veranlasst. Dem Antragsgegner liegen jedenfalls derzeit keine langjährigen und repräsentativen Verkehrs- und Unfalldaten zu dem Streckenabschnitt vor, die - bei einer hieraus ersichtlichen deutlichen Konzentration des Unfallgeschehens auf bestimmte Tageszeiten - Anlass geben müssten, eine zusätzliche Beschränkung auf bestimmte Uhrzeiten näher in Betracht zu ziehen.
53Vgl. insoweit OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 30. August 2022 - OVG 1 S 47/22 -, n. v. (statistische Unfallerfassung über einen Zeitraum von zehn Jahren).
54Vielmehr verfügt der Antragsgegner über die Unfalldaten seit der erneuten Öffnung der Strecke ab Mitte 2022. Auch wenn sich die danach erfassten Motorradunfälle bislang weit überwiegend am späteren Nachmittag und Abend ereigneten, sind die Unfalldaten schon wegen des kurzen Erfassungszeitraums nicht hinreichend aussagekräftig, um nähere Ermessenserwägungen zu einer Beschränkung auf bestimmte Tages- oder Uhrzeiten zu veranlassen. Da die Annahme einer Gefahrenlage im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO und eines hieraus folgenden Verbots nicht voraussetzen, dass sich bereits Schäden für Leib, Leben oder bedeutende Sachwerte realisiert haben, ist die Straßenverkehrsbehörde nicht gehalten, zunächst den Eintritt von weiteren Unfällen abzuwarten. Dementsprechend setzt ein Verbot aufgrund einer qualifizierten Gefahrenlage nicht notwendig voraus, dass dieses durchgehend durch ein (langjährig) statistisch erfasstes, tatsächliches Unfallgeschehen unterlegt ist. Dies zugrunde gelegt spricht nichts für die Richtigkeit der Annahme des Antragstellers, dass der Antragsgegner bei der hier vorliegenden Gefahrenlage zunächst nur ein auf bestimmte Uhrzeiten beschränktes Verbot - ggf. auch nur versuchsweise (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StVO) - hätte anordnen dürfen und die dann gewonnenen Unfalldaten hätte erfassen und auswerten müssen.
55bb) Mit seinem weiteren Vortrag, dass das derzeit in einem Modellversuch erprobte Aufbringen von Kreisen auf der Fahrbahn entlang der Mittellinie ein geeignetes Mittel sei, um die Unfallgefahr deutlich zu verringern und dies jedenfalls zusammen mit der Anbringung von Rüttelstreifen eine zu prüfende mildere Maßnahme darstelle, zeigt der Antragsteller ebenfalls keine Ermessensfehler auf. Er bezieht sich insoweit auf einen im Mai 2023 begonnen einjährigen Verkehrsversuch im Kreis Dürfen, bei dem auf der L 218 (sogenannte „Panoramastraße“) im Kurvenbereich ellipsenförmige Markierungen entlang der Mittellinie aufgebracht worden sind. Die Markierungen sollen Motorradfahrer dazu anhalten, in den Kurven eine möglichst sichere Linie zu fahren. Insbesondere soll das sogenannte „Anschneiden“ von Kurven verhindert werden, um zu vermeiden, dass durch die Kurvenneigung Kopf und Oberkörper der Motorradfahrer in die Gegenfahrbahn hineinragen. Der Verkehrsversuch wird durch das Institut für Straßenwesen der RWTH Aachen begleitet und aktuell ausgewertet.
56Vgl. Fact Sheet Kreis Dürfen, https://www.isac.rwth-aachen.de/cms/isac/forschung/projekte/verkehrstechnik-laufende-projekte/~bbvmav/kurvenmarkierung-verkehrsversuch/ (zuletzt aufgerufen am 16. Mai 2024).
57Ermessensfehler sind mit diesem Vortrag nicht dargetan. Der Antragsgegner hat die Maßnahme ausdrücklich in seine Erwägungen einbezogen (vgl. Vermerk vom 4. Oktober 2023) und ausgeführt, dass solche neuen Maßnahmen in die Prüfung einfließen könnten, wenn hierzu ausreichende Erkenntnisse vorlägen. Dies unterliegt keinen Bedenken. Der Antragsgegner ist nicht gehalten, bislang lediglich in Modellversuchen erprobte, noch nicht abschließend ausgewertete und in der Straßenverkehrsordnung nicht vorgesehene Gefahr-, Vorschrift- oder Richtzeichen zu verwenden. Vielmehr kann er ermessensfehlerfrei die Auswertung und die - ggf. auch mehrjährige - Erprobung neuer Maßnahmen abwarten. Unabhängig hiervon sollen die derzeit erprobten Fahrbahnmarkierungen vor allem einer bestimmten gefährlichen Fahrweise entgegenwirken und verhindern, dass Kopf und Oberkörper der Motorradfahrer in die Gegenfahrbahn hineinragen. Anderen Unfallursachen wie überhöhter Geschwindigkeit, Abrutschen auf nasser Fahrbahn oder Stürzen vorausfahrender Krafträder kann durch die erprobte Markierung allenfalls mittelbar begegnet werden. Die Richtmarkierung kann zudem bei solchen Verkehrsteilnehmern von vornherein keine Wirkung entfalten, die die Strecke gezielt dazu aufsuchen, um ihre fahrerischen Fähigkeiten auszutesten und die Richtmarkierung bewusst unbeachtet lassen.
58cc) Das weitere Beschwerdevorbringen, das Verwaltungsgericht habe im Hinblick auf das Anbringen von Rüttelstreifen die Anforderungen an die Darlegungslast des Antragstellers überzogen, rechtfertigt keine Änderung der angegriffenen Entscheidung. Der Antragsgegner hat sich bei der Ermessensausübung konkret mit der Möglichkeit von Rüttelstreifen auseinandergesetzt. Er hat dies mit der Begründung als ungeeignet angesehen, dass Rüttelstreifen nur auf geraden Streckenabschnitten angebracht werden könnten und in Kurvenbereichen die Gefahr bestehe, dass Motorradfahrer, ggf. in Schräglage, wegrutschten. Der Streckenverlauf der L 701 sei kurvig. In den Kurvenbereichen gebe es keine geraden Strecken von ausreichender Länge, die für diese Maßnahmen geeignet seien (vgl. Vermerk vom 4. Oktober 2023). Die dabei zu Grunde gelegten Vorgaben zum Einsatz von Rüttelstreifen entsprechen den Empfehlungen des „Merkblatts zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur für Motorradfahrende“ zur Gestaltung von Rüttelstreifen, das nach Nr. 1.1 und 3 Buchst. b) des Gemeinsamen Runderlasses des Ministeriums des Innern und des Ministeriums für Verkehr vom 10. Juni 2021 (MBl. NRW 2021, S. 445) von den Unfallkommissionen zur Unterstützung heranzuziehen ist. Danach sollen Rüttelstreifen nur auf Geraden vor Kurven eingesetzt werden, da Griffigkeits- und Lastwechselreaktionen in Kurven anderenfalls zu kritischen Situationen führen können. Um die Möglichkeit der Geschwindigkeitsreduzierung und Verhaltenskorrektur zu gewährleisten, soll eine ausreichende Entfernung zum Kurvenbeginn gegeben sein.
59Vgl. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), Merkblatt zur Verbesserung der Straßeninfrastruktur für Motorradfahrende, 2021, Anhang 5.
60Im Hinblick auf diese konkreten Erwägungen fehlt es an näheren Ausführungen des Antragstellers im Beschwerdevorbringen, warum Rüttelstreifen in oder vor den Kurvenbereichen gleichwohl zum Einsatz kommen können und warum die Annahmen des Antragsgegners hierzu unzutreffend sind. Der Einwand des Antragstellers, dass erst ein Versuch auf anderen, ähnlich gelagerten Strecken und dessen Auswertung den konkreten Nachweis über die Wirksamkeit der Maßnahme erbringen könne, greift nicht durch. Das Anbringen von Rüttelstreifen hat der Antragsgegner bereits aufgrund von grundsätzlichen Bedenken gegen die Eignung dieser Maßnahme für den konkreten Streckenverlauf verworfen. Eine Erprobung auf anderen Strecken war danach nicht geboten. Das Anbringen von Rüttelstreifen könnte zudem - auch bei unterstellter Eignung der hier betroffenen Strecke für diese Maßnahme - allenfalls bestimmte Gefahren, insbesondere eine überhöhte Geschwindigkeit auf den geraden Strecken vor den Kurven verringern. Weiteren Gefahren, die etwa durch das bewusste Austesten der fahrerischen Grenzen, durch nasse Fahrbahnen im Kurvenbereich oder durch Stürze vorausfahrender Krafträder hervorgerufen werden, könnte damit nur mittelbar begegnet werden.
61dd) Der weitere Vortrag, der Antragsgegner habe die Nachrüstung der Schutzeinrichtungen (sogenannte Leitplanken) mit einem Unterfahrschutz zu Unrecht ausgeschlossen und dies ermessensfehlerhaft auf nur mutmaßlich vorhandene Kabellagen und Versorgungsleitungen gestützt, verhilft der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. Der Antragsgegner hat eine Nachrüstung der Schutzeinrichtungen unter Verweis auf die Stellungnahme des Landesbetriebs Straßenbau NRW vom 5. Mai 2023 in sein Ermessen einbezogen, dies jedoch im Ergebnis ausgeschlossen. Ausweislich des Vermerks vom 4. Oktober 2023 wurde die Maßnahme nicht alleine wegen der mutmaßlich vorhandenen Kabellagen und Versorgungsleitungen als Alternative ausgeschlossen, sondern vor allem, weil hierzu eine vollständige Umrüstung und Verlegung der Schutzeinrichtungen um 0,5 Meter in Richtung der Fahrbahn für erforderlich erachtet wurde und ein Austausch wegen der Kosten und des Aufwands als nicht kurzfristig umsetzbar eingeschätzt wurde. Der Antragsgegner war dabei - entgegen dem Vorbringen des Antragstellers - auch nicht gehalten, eine eingehendere Aufwands- und Kostenschätzung im Hinblick auf die vermuteten Leitungen einzuholen. Dies war unter Zugrundelegung der Stellungnahme des Landesbetriebs Straßenbau NRW schon deshalb nicht geboten, weil eine Nachrüstung unabhängig von der konkreten Kostenkalkulation insgesamt als problematisch und jedenfalls nicht kurzfristig umsetzbar erachtet wurde. Auch unabhängig hiervon durfte der Antragsgegner jedenfalls ermessensfehlerfrei berücksichtigen, dass Schutzeinrichtungen nur der passiven Sicherheit dienen und anders als ein Verbot für Krafträder keinen direkten Einfluss auf das Verkehrsverhalten haben. Die Nachrüstung kann zudem nur bestimmte Unfallfolgen mildern und insbesondere vermeiden, dass Motorradfahrer unter die Leitplanke gelangen. Dagegen können auch durch nachgerüstete Schutzeinrichtungen Schäden für Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer nicht verhindert werden, die durch den Zusammenprall mit anderen Fahrzeugen, durch den Aufprall auf der Fahrbahn und das Rutschen auf die gegenüberliegende Fahrspur, durch die Kollision mit der Schutzeinrichtung oder einen Sturz über die Leitplanke verursacht werden.
62ee) Soweit der Antragsteller schließlich vorträgt, dass die Anordnung einer für alle Verkehrsteilnehmer geltenden Geschwindigkeitsbeschränkung als milderes Mittel mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) geboten sei, vermag auch dies der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Dabei trifft bereits die Annahme des Antragstellers, dass es sich bei der Geschwindigkeitsbeschränkung um ein milderes Mittel handele, nicht generell zu. Die Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung für alle Verkehrsteilnehmer betrifft einen größeren Adressatenkreis als ein Verbot nur bestimmter verkehrsbezogener Verhaltensweisen und stellt sich jedenfalls insoweit als eine weitergehende Regelung dar.
63Vgl. zu einem Lkw-Überholverbot: BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 - 3 C 32.09 -, juris Rn. 41.
64Die vorrangige Anordnung einer allgemeinen Geschwindigkeitsbeschränkung ist im Übrigen nicht durch das Gebot der Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer geboten. Die ungleiche Behandlung von Motorradfahrern einerseits und den übrigen (motorisierten) Verkehrsteilnehmern andererseits ist im Hinblick auf die Gefahrenlage und den Verbotszweck sachlich gerechtfertigt. Das zeitlich beschränkte Verbot für Krafträder soll gerade solchen Verkehrsgefahren vorbeugen, die durch diese verursacht werden oder diesen in besonderer Weise drohen. Bei den auf der betroffenen Strecke seit Mitte 2022 dokumentierten Unfällen waren weit überwiegend nur oder jedenfalls auch Krafträder beteiligt und sind nahezu ausschließlich Motorradfahrer geschädigt worden. Anlass, an dem diesbezüglichen Vorbringen des Antragsgegners zu zweifeln, besteht nicht. Darüber hinaus hat der Antragsgegner Geschwindigkeitsbeschränkungen in dem Streckenabschnitt bei der Ermessensentscheidung ausdrücklich in Betracht gezogen, diese jedoch insbesondere verworfen, weil die Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung im Kurvenbereich ungeübten Motorradfahrern den unzutreffenden Eindruck vermittele, dass dieser Bereich mit dieser Höchstgeschwindigkeit sicher durchfahren werden könne. Die Anordnung einer Höchstgeschwindigkeit könne daher sogar unfallfördernd wirken. Weiter hat der Antragsgegner darauf verwiesen, dass eine effektive Überwachung der Geschwindigkeitsbeschränkung durch Geschwindigkeitsmessungen in den Kurvenbereichen allenfalls vereinzelt durch die Polizei unter Einsatz eines mit einem Videonachfahrsystem ausgestatteten Motorrads (ProViDa-Kraftrad) möglich sei (Vermerke vom 23. Mai 2023 und 4. Oktober 2023). Diesen nachvollziehbaren Ausführungen ist der Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen nicht konkret entgegengetreten.
65Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
66Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und Abs. 3, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und Abs. 2 GKG in Orientierung an Nr. 46.15 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
67Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).