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1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
2Der sinngemäße Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 9 K 926/09 erhobenen Klage gegen die Bescheide des Antragsgegners vom 20. April 2009 wiederherzustellen,
4hat keinen Erfolg.
5Im Rahmen der Zulässigkeit bleibt offen, ob es wegen einer möglichen Verfristung der in der Hauptsache erhobenen Klage an der Statthaftigkeit des Aussetzungsantrags fehlt, weil sich dieser jedenfalls als unbegründet erweist.
6Zunächst ist von der formellen Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung des Antragsgegners auszugehen, und zwar auch hinsichtlich des Begründungserfordernisses des § 80 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Hierbei ist in den Blick zu nehmen, dass angesichts des in der vorzitierten Regelung normierten formellen Erfordernisses unbeachtlich ist, ob die Erwägungen der Behörde inhaltlich zutreffen. Notwendig ist eine auf den konkreten Einzelfall abgestellte und nicht bloß formelhafte Begründung.
7Vgl. Funcke-Kaiser in: Bader/Funcke- Kaiser/Kunze/von Albedyll, Ver-waltungsgerichtsordnung, Kommentar, 4. Auflage, § 80 Rdnr. 47 mit weiteren Nachweisen.
8Die seitens des Antragsgegners schriftlich gegebene Begründung genügt diesen Anforderungen. Es ist nicht zu beanstanden, dass dieser auf die Notwendigkeit abgestellt hat, eine den Anlagen und Fähigkeiten des Kindes entsprechende Schulausbildung schnellstmöglich zu gewährleisten. Die Feststellung eines konkreten sonderpädagogischen Förderbedarfs sowie die Bestimmung eines entsprechenden Förder-ortes oder mehrerer Förderorte erfordert regelmäßig die Anordnung der sofortigen Vollziehung. Eine solche Anordnung ist selbst dann gerechtfertigt, wenn zweifelsfrei ein sonderpädagogischer Förderbedarf besteht, aber der konkrete Förderort noch nicht abschließend geklärt sein sollte.
9Vgl. in diesem Zusammenhang Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 27. August 2004 - 19 B 1516/04 -, juris.
10Im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO hat die Kammer eine Abwägung vorzunehmen zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Durchsetzung des angefochtenen Verwaltungsakts und dem privaten Interesse der Antragsteller an einem Aufschub der Vollziehung. In diese Interessenabwägung fließt die Beurteilung der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts, der vollzogen werden soll, ein. Erweist sich der Rechtsbehelf eines Antragstellers als offensichtlich begründet, besteht grundsätzlich kein öffentliches Interesse an der Durchsetzung des angefochtenen Verwaltungsaktes. Demgegenüber wird der Eilantrag regelmäßig abzulehnen sein, wenn dieser offensichtlich rechtmäßig ist. Lässt sich hingegen bei summarischer Überprüfung eine Offensichtlichkeitsbeurteilung nicht treffen, kommt es entscheidend auf eine Abwägung zwischen den für eine sofortige Vollziehung sprechenden öffentlichen Interessen einerseits und dem Interesse des Betroffenen an einer Aussetzung der Vollziehung bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren andererseits an. Die Erfolgsaussichten sind dabei auch unabhängig von einer fehlenden Offensichtlichkeit einzubeziehen. Je höher diese sind, umso größer ist das Interesse an der aufschiebenden Wirkung.
11Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung spricht Überwiegendes für die Rechtmäßigkeit der Bescheide des Antragsgegners sowohl hinsichtlich des sonderpädagogischen Förderbedarfs mit dem Förderschwerpunkt "emotionale und soziale Entwicklung" als auch der Festlegung der Förderorte auf der Grundlage der Bestimmungen der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die Schule für Kranke (Ausbildungsordnung gemäß § 52 des Schulgesetzes - AO-SF -).
12In formeller Hinsicht erscheint zwar fraglich, ob die bei einem Antrag der Schule auf Eröffnung des Verfahrens zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs gemäß § 11 Abs. 1 b AO-SF vorgesehene vorherige Information der Eltern unter Angabe der wesentlichen Gründe nachgeholt worden ist. Des Weiteren lässt sich die in § 12 Abs. 5 AO-SF ausgestaltete Information der Eltern durch die Schulaufsichtsbehörde über die beabsichtigte Entscheidung dem bisherigen Akteninhalt nicht entnehmen. Bei Vorliegen wären diese Verfahrensfehler jedoch unbeachtlich. Im Sinne des § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) ist offensichtlich, dass die eventuellen Verfahrensfehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst haben. Denn es ist aus den nachfolgenden Gründen ausgeschlossen, dass die Entscheidung des Antragsgegners anders hätte ausfallen können.
13Vgl. zur Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern gemäß § 46 VwVfG NRW im Verfahren auf Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs: OVG NRW, Beschluss vom 18. September 2008 - 19 A 1318/08 -; Beschluss vom 1. Februar 2008 - 19 B 1989/07 -.
14Es bestehen zunächst keine Zweifel daran, dass bei dem Sohn der Antragsteller ein sonderpädagogischer Förderbedarf mit dem Förderschwerpunkt "emotionale und soziale Entwicklung" gemäß § 5 Abs. 3 AO-SF besteht. Nach dieser Bestimmung liegt eine Lern- und Entwicklungsstörung mit dem Förderschwerpunkt "emotionale und soziale Entwicklung" vor, wenn sich eine Schülerin oder ein Schüler der Erziehung so nachhaltig verschließt oder widersetzt, dass sie oder er im Unterricht nicht oder nicht hinreichend gefördert werden kann und die eigene Entwicklung oder die der Mitschülerinnen und Mitschüler erheblich gestört oder gefährdet ist. Diese Voraussetzungen sind nach dem sonderpädagogischen Gutachten vom 2. April 2009 erfüllt. Danach reichen die bereits erfolgten Fördermaßnahmen nicht aus, um den umfänglichen Entwicklungsrückstand langfristig aufzuholen und auszugleichen; notwendig ist eine sonderpädagogische Förderung, die die retardierten sozialen und emotionalen Fähigkeiten berücksichtigt und die Möglichkeit bietet, die Entwicklungsrückstände zeitnah aufzuholen und emotional zu stabilisieren. Im Lern- und Entwicklungsbereich "Kommunikation" beginnt der Förderbedarf des zwölfjährigen Sohnes auf der Entwicklungsstufe eines Sechs- bis Neunjährigen. In den Lern- und Entwicklungsbereichen "Sozialisation" und "Verhalten" beginnt sein Förderbedarf jeweils schon auf der Stufe eines Drei- bis Fünfjährigen. Die Gutachterinnen schließen aus, dass sein Förderbedarf in Art und Umfang durch das Bildungsangebot und die Lernbedingungen einer allgemeinen Schule abgedeckt werden kann.
15Auch das schulärztliche Gutachten gelangt zu der Diagnose, dass vor allem eine grenzwertige kognitive Leistungsfähigkeit vorliegt. Zudem wird eine aggressive Störung des Sozialverhaltens bei emotional belasteter Trennungssituation diagnostiziert. Des Weiteren heißt es darin, dass der Sohn der Antragsteller besonderer Unterstützung in seiner emotionalen und sozialen Entwicklung bedürfe.
16Dem sonderpädagogischen Gutachten ist auch darin zu folgen, dass die Trennungssituation der Eltern die Entwicklung des Sohnes zusätzlich negativ beeinflusst und die gegebenen Probleme verschärfen kann. Die Zeugnisse der L. Grundschule L1. aus den Schuljahren 2004/2005 bis 2007/2008 zeigen aber, dass das Verhalten zu seinen Mitschülern auch früher nicht konfliktfrei gewesen ist. In den Zeugnissen der Schuljahre 2005/2006 sowie 2006/2007 ist auch von körperlichen Auseinandersetzungen die Rede.
17Im Übrigen ist die Bestimmung der Förderorte nicht zu beanstanden. Ausgehend davon, dass sich aus dem sonderpädagogischen Gutachten keine Festlegung auf einen einzelnen Förderort ergibt, eröffnet der Bescheid die Möglichkeit, sonderpädagogische Förderung sowohl an einer Förderschule mit entsprechendem Förderschwerpunkt als auch an einer allgemeinen Schule mit integrativer Förderung oder im gemeinsamen Unterricht an einer allgemeinen Schule zu erhalten. Bei der Angabe der nächstgelegenen Förderschule mit dem Förderschwerpunkt "emotionale und soziale Entwicklung" und der nächstgelegenen Schule mit gemeinsamem Unterricht handelt es sich lediglich um eine Information und nicht um eine Anordnung, diese Schulen besuchen zu müssen. Im Anhang des zur Gerichtsakte gereichten Bescheides an die Mutter waren zudem die Hauptschulen mit dem Angebot gemeinsamen Unterrichts sowie die Förderschulen mit entsprechendem Förderschwerpunkt im Schulamtsbereich des Kreises F. aufgelistet.
18Dass gemäß dem Vorbringen der Antragsteller die drei aufgelisteten Hauptschulen mit gemeinsamem Unterricht die Aufnahme ihres Sohnes abgelehnt haben, was nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Antragsgegners auf die begrenzte Aufnahmekapazität im gemeinsamen Unterricht zurückzuführen ist, führt nicht zur Rechtswidrigkeit des in der Hauptsache angefochtenen Bescheides. Über den Förderort ist nämlich abstrakt unter Benennung aller in Betracht kommenden Förderorte zu entscheiden. Ohne Bedeutung ist, ob im Zuständigkeitsbereich des zuständigen Schulamts einzelne Förderorte nicht in Betracht kommen, weil dort keine Aufnahmekapazität vorhanden ist. Ein geeigneter Förderort darf nicht einmal dann ausgeschlossen werden, wenn ein solcher Förderort im Schulamtsbezirk nicht vorhanden ist. Der Ausschluss eines ebenfalls geeigneten Förderortes würde nämlich zur Fehlerhaftigkeit der Entscheidung über den Förderort führen, weil aufgrund der Bindungswirkung dieser Entscheidung dann nur noch der durch die jeweilige Schulaufsichtsbehörde bestimmte Förderort besucht werden könnte. Daraus folgt, dass es Sache der Eltern ist, ihr Kind an einer der genannten Schulen mit gemeinsamem Unterricht oder einer Förderschule mit dem entsprechenden Förderschwerpunkt anzumelden. Eine Beschränkung auf die Wohnsitzgemeinde oder den Schulamtsbezirk gibt es nicht. Haben die in Betracht kommenden Schulen mit gemeinsamem Unterricht keine Aufnahmekapazität, besteht die Verpflichtung zur Anmeldung an einer Förderschule mit dem entsprechenden Förderschwerpunkt.
19Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 1. Februar 2008 - 19 B 1989/07 -, 15. November 2007 - 19 B 1637/07-, 31. August 2007 - 19 B 1313/07 -, sämtlich nachgewiesen in juris; Beschluss, juris.
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
21Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes. Der hälftige Ansatz des Auffangwertes trägt dem summarischen Charakter des vorliegenden Verfahrens Rechnung.