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Die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 18. Dezember 2013 wird
wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.
Die Berufung gegen das Urteil wird zugelassen.
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen eine tierschutzrechtliche Verfügung, mit der ihm die Tötung männlicher Küken untersagt wird.
3Der Großvater der Ehefrau des Klägers, Herr K. T. -U. begann im Jahre 1951 im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs mit dem Brutbetrieb von Eiern in einem landwirtschaftlichen Hofgebäude. Der Beklagte erteilte diesem am 23. Juni 1964 eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Brüterei.
4Der landwirtschaftliche Betrieb wurde der Ehefrau des Klägers im Jahre 2002 als Hoferbin übertragen. Der Kläger betreibt auf der von seiner Ehefrau gepachteten Landwirtschaft Ackerbau, eine Legehennenhaltung und den Betrieb der Brüterei. Er kauft die Bruteier von der Firma T. -U. Vermehrungszucht GmbH & Co. KG, deren Anteilseignerin allein die Ehefrau des Klägers ist. Diese wiederum erwirbt die Elterntierküken von der Firma M. , zieht diese auf und hält anschließend die Elterntiere. Sie ist zudem die alleinige Vermarkterin der ausgebrüteten Hennenküken, die sie von dem Kläger erwirbt und an die Firma Geflügelvermehrung G. GmbH&Co. DG aus P1. veräußert. An letzterer ist der Kläger über eine Besitzgesellschaft als Minderheitsgesellschafter beteiligt.
5In der Brüterei des Klägers werden Eier der für die Eierproduktion benötigten Legehennen der speziell gezüchteten Rasse sogenannter „Turbohühner“ ausgebrütet, die ca. 300 Eier pro Jahr legen.
6Der Ablauf des Betriebs der Brüterei des Klägers ist ebenso wie der Ablauf in vergleichbaren Betrieben in Deutschland, Europa und weltweit bislang so organisiert, dass die männlichen Küken nach dem Schlüpfen ausgesondert und getötet werden. Dazu werden die männlichen Küken im Betrieb des Klägers in einen mit Kohlendioxyd (CO2) versehenen Behälter verbracht, wo sie innerhalb kurzer Zeit verenden. Diese Praxis wird im Betrieb der Klägerin seit Jahrzehnten von geschultem Personal so gehandhabt, ohne dass der Beklagte Grund zu Beanstandungen sah.
7Männliche Küken der für die Fleischproduktion besonders gezüchteten Masthahnenrassen „Fleischansatz“ benötigen zum Erreichen des Schlachtgewichts von ca. 1,7 bis 2,2 kg ca. fünf Wochen, männliche Legehybriden (männliche Küken der Legerasse) ca. 17 Wochen. In den vergangenen 50 Jahren wurde die Zuchtzeit bis zum Erreichen des Schlachtgewichts erheblich verkürzt. In der Praxis werden auch Rassen gemästet, die auf besonders schnelles Wachstum des Brustfleisches gezüchtet sind.
8Bundesweit hat die in Brütereien gehandhabte Praxis, wobei die Küken teilweise auch in einem sogenannten Homogenisator zerkleinert werden, zur Folge, dass pro Jahr in den Zuchtbetrieben in Deutschland ca. 40 Millionen männliche Küken getötet werden. Im Betrieb des Klägers sind dies schätzungsweise 800.000 bis 900.000 männliche Küken pro Jahr.
9Seit einiger Zeit wird eine im Betriebsablauf der Brütereien umzusetzende Methode erforscht, mittels derer bereits im bebrüteten Ei das Geschlecht des heranwachsenden Kükens mittels Spektroskopie bzw. Genanalyse bestimmt werden kann. Bislang ist trotz Forschungserfolgen noch kein in der Massenproduktion praktisch umsetzbares Verfahren zur Geschlechterbestimmung im Ei verfügbar.
10Die Tötung - auch von Eintagsküken - oder die Schlachtung von Tieren wird in der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates vom 24. September 2009 über den Schutz von Tieren geregelt. In Kapitel I, Artikel 1, Gegenstand und Anwendungsbereich wird ausgeführt:
11(1) Diese Verordnung enthält Vorschriften über die Tötung von Tieren, die zur Herstellung von Lebensmitteln, Wolle, Häuten Pelzen oder anderen Erzeugnisses gezüchtet oder gehalten werden sowie über die Tötung von Tieren zum Zwecke der Bestandsräumung und damit zusammenhängenden Tätigkeiten.
12In Anhang I, Verzeichnis der Betäubungsverfahren und damit Zusammenhängende Angaben (gemäß Artikel 4) lautet Kapitel I, Verfahren, Tabelle 1 – Mechanische Verfahren:
134 Zerkleinerung/Unmittelbare Zerstückelung des gesamten Tieres/Küken mit
14einem Höchstalter von 72 Stunden und Embryonen im Ei alle Fälle mit
15Ausnahme der Schlachtung…,
16Kapitel II, Besondere Vorschriften für bestimmte Verfahren,
172. Zerkleinerung
18Dieses Verfahren besteht in der unmittelbaren Zerstückelung, die den sofortigen Tod der Tiere bewirkt. Der Apparat ist mit schnell rotierenden, mechanisch angetriebenen Messern oder Polystyrennoppen ausgestattet. Die Kapazität des Apparats muss ausreichen, um auch eine große Zahl von Tieren unverzüglich zu töten…
19Auf nationaler Ebene hat das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am 20. Dezember 2012 die Verordnung zum Schutz von Tieren im Zusammenhang mit der Schlachtung oder Tötung und zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates zum Schutz von Tieren im Zusammenhang mit der Schlachtung oder Tötung (Tierschutz-Schlachtverordnung – TierSchlV ‑) erlassen. Darin heißt es unter Anderem:
20§ 2 Begriffsbestimmungen:
21Im Sinne dieser Verordnung sind:
22…
233. Küken:
24Geflügel im Alter von 60 Stunden nach dem Schlupf
25§ 12 Betäuben, Schlachten oder Töten
26…
27(3) Wer ein Wirbeltier tötet, hat es zuvor nach Maßgabe des Artikels 4 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 zu
28betäuben, soweit nicht in der Anlage 1 etwas anderes bestimmt ist.
29In der Anlage 1 zu § 12 Abs. 3 und 10 wird unter Anderem ausgeführt:
303. Zerkleinerung
313.1 Abweichend von Anhang I Kapitel I Tabelle 1 Nummer 4 der Verordnung
32(EG) Nr. 1099/2009 darf die Zerkleinerung nur bei Küken und bei nicht
33schlupffähigen Küken angewandt werden
343.2 Zusätzlich zu den Anforderungen an die Zerkleinerung nach Anhang I
35Kapitel I Tabelle I Nr. 4 in Verbindung mit Kapitel II Nummer 2 der Ver-
36ordnung (EG) Nr. 1099/2009 sind Küken sowie Brutrückstände dem
37Apparat so zuzuführen, dass jedes zugeführte Tier sofort getötet wird.
38Bereits in der Vergangenheit wurde vor allem in der fachjuristischen Literatur die Auffassung vertreten, dass die Tötung der männlichen Eintagsküken ausschließlich aus ökonomischen Gründen erfolge, was keinen vernünftigen Grund im Sinne des § 17 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) darstelle.
39In einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren führte die Staatsanwaltschaft N1. mit Schreiben vom 10. Juli 2013, mit dem die Einstellung eines Ermittlungsver-fahrens mitgeteilt wurde, unter anderem aus:
40„Es liegt zwar eine rechtswidrige Tat gemäß § 17 TierSchG vor, zu Gunsten Ihres Mandanten ist aber von einem unvermeidbaren Verbotsirrtum gemäß § 17 StGB auszugehen…“
41und begründete ihre Auffassung darin im Einzelnen.
42Mit Beschluss vom 7. März 2016 – 2 KLs-540 Js 290/15-7/15 lehnte das Landgericht N1. einen Antrag der Staatsanwaltschaft N1. auf Eröffnung des Hauptverfahrens gegen einen Landwirt wegen einer Straftat nach § 17 Nr. 1 TierSchG, verübt durch das Töten männlicher Eintagsküken, aus rechtlichen Gründen ab. Zur Begründung stützte es sich im Wesentlichen darauf, dass eine Auslegung des § 17 TierSchG, die das Verhalten des Angeschuldigten unter Strafe stelle, gegen Art. 103 des Grundgesetzes (GG) verstoße. Wenn der Gesetzgeber meine, dass das zunächst für nicht strafbar befundene und jahrzehntelang geduldete Verhalten des Angeschuldigten nun strafbar sein solle, müsse er dies gesetzgeberisch klarstellen.
43Das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen führte bereits in einem an das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) gerichteten Schreiben vom 26. September 2013 unter anderem aus:
44„Die Staatsanwaltschaft N1. hat deutlich gemacht, dass sie in dem Töten männlicher Eintagsküken einen vernünftigen Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes nicht erkenne. Vor diesem Hintergrund ist rechtlicher Klärungsbedarf gegeben. Ich bitte daher die Kreisordnungsbehörden anzuweisen, dass sie den in ihrem Zuständigkeitsbereich liegenden Brütereien, in denen männliche Eintagsküken aus Gründen der faktisch gegebenen wirtschaftlichen Nicht-Verwertbarkeit bisher getötet werden, diese Praxis im Wege einer Ordnungsverfügung zu untersagen. ... Angesichts der bisherigen Duldung dieses Verfahrens und der europaweiten Tragweite kann im Brütereien in den Ordnungsverfügungen ein Übergangszeitraum von bis zu einem Jahr für die Umstellung eingeräumt werden.“
45Am 2. Oktober 2013 fand auf Veranlassung des LANUV eine Telefonkonferenz statt, an der neben Vertretern des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, Mitarbeiter des LANUV und der Verwaltungen der Städte und Kreise, in denen sich Brütereien befinden, teilnahmen. Die Konferenz stand unter dem Thema „Erlass Eintagsküken“. Als Ergebnis wurde in dem über die Telefonkonferenz gefertigten Protokoll unter anderem ausgeführt:
46„Herr Professor K1. führt aus, dass NW mit dem Erlass zum Verbot der Tötung von männlichen Eintagsküken einen Musterprozess anstrengt.
47In allen Brütereien sollen in den nächsten Wochen zeitgleich Anhörungen gemäß § 28 VwVfG NW und im Anschluss Untersagungsverfügungen ohne Anordnung der sofortigen Vollziehung zugestellt werden.
48Neben der verwaltungsrechtlichen Vorgehensweise bestehen drei weitere mögliche Optionen, den Ausstieg aus der Tötung männlicher Eintagsküken zu realisieren.
491. Pränatales Sexing:
50a. Diese Vorgehensweise ist an der Hochschule in Leipzig unter der Federführung von Professor Dr. N2. F. L1. -K2. initiiert worden. Dieses Verfahren verfolgen derzeit die Länder Hessen und Niedersachsen, sowie die BLE. Problematisch ist, dass insbesondere das pränatale Sexing bei braunen Eiern nur eingeschränkt möglich ist und die Verfahren sich für massenhafte Kontrollen unter normalen Betriebsbedingungen derzeit noch nicht eignen.
2. Zweinutzungsrasse
53a. Dieses Verfahren wird von Neuland- und Ökobetrieben bevorzugt. Der Betrieb M. in D. praktiziert das Verfahren bereits.
3. „Bruder-Hähnchen“ Aufzucht und Mast
56a. Dieses Verfahren wird für NW präferiert und soll mit 10.000 Hähnchen auf einem NW-Versuchsgut (z.B. Haus Düsse) getestet werden. Insbesondere soll z.B. geklärt werden, welcher Platzbedarf zu kalkulieren ist, wie eine Mast der Bruder-Hähnchen verläuft et cetera“.
Mit Schreiben vom 14. Oktober 2013 teilte der Beklagte den Kläger seine Absicht mit, ihm ab dem 1. Dezember 2014 die Tötung männliche Eintagsküken zu untersagen und gab ihm Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
59Daraufhin führte der Kläger mit Schreiben vom 4. November 2013 aus: Die Tötung männlicher Eintagsküken verstoße nicht gegen § 1 S. 2 TierSchG. Eine solche Auffassung sei in der Vergangenheit weder von der Landesregierung noch den nachgeordneten Behörden vertreten worden. Da die männlichen Eintagsküken aus Linien, die der Eierproduktion dienten, hervorgingen und die Küken aufgrund ihrer stark eingeschränkten Mastleistung nicht als Masttiere zu vermarkten seien, würden diese getötet, verkauft und als Tierfutter vermarktet. Durch die Verwendung der männlichen Eintagsküken als Futtermittel erübrige es sich, andere Tiere zum Zweck der Verwendung als Tiernahrungsmittel zu erzeugen. Der Umgang mit den männlichen Eintagsküken stelle weltweit eine große Herausforderung dar, wobei sich auch die deutsche Geflügelwirtschaft mit Nachdruck für Alternativen zur Praxis des Tötens männlicher Legehenneneintagsküken einsetze. Die verfolgten Lösungsansätze hätten bislang noch nicht zu einem ausreichenden Erfolg geführt. Zu bedenken sei auch seine – des Klägers ‑ wirtschaftliche und existenzielle Situation. Die beabsichtigte Untersagung gefährde die wirtschaftlichen Grundlagen seines Betriebes, der dem Beklagten bekannt sei und beeinträchtige seine Berufsausübung erheblich. Sie sei daher unverhältnismäßig. Die geplante Maßnahme stelle auch einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung dar. Es sei Sache des Gesetzgebers und nicht der Verwaltung, darüber zu entscheiden, ob eine seit Jahrzehnten unbeanstandet europaweit durchgeführte Betriebspraxis zukünftig untersagt werden solle.
60In der Folgezeit stellte das LANUV dem Beklagten ebenso wie weiteren betroffenen Tierschutzbehörden Materialien zur Erstellung einer Ordnungsverfügung zum Verbot der Tötung männlicher Eintagsküken bereitet. Es wies darauf hin, dass es sich um eine mit dem Ministerium abgestimmte Musterverfügung handele, die gegebenenfalls an die Umstände angepasst werden könne.
61Mit Ordnungsverfügung vom 18. Dezember 2013 untersagte der Beklagte dem Kläger ab dem 1. Januar 2015 die Tötung von männlichen, nicht zur Schlachtung geeigneten Küken (Nr. 1). Nach Nr. 2 der Verfügung gilt das in Nr. 1 ausgesprochene Verbot nicht für die Tötung von männlichen Küken, die a) nicht schlupffähig sind, b) aufgrund einer Erkrankung oder Verletzung nicht ohne erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden weiterleben können oder c) bei denen zum Zeitpunkt der Tötung nachweislich feststeht, dass die Tierkörper an solche Tiere verfüttert werden, deren artgerechte Ernährung die Verdauung ganzer Tierkörper in dieser Größe zwingend erfordere. Für den Fall, dass der Kläger die unter Nr. 1 getroffene Anordnung nicht befolge, drohte der Beklagte diesem für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 EUR an. Zur Begründung führte er aus: Die Untersagungsverfügung ergehe auf der Grundlage des § 16 a Abs. 1 S. 1 TierSchG. Danach treffe er die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Das Töten männlicher, nicht zur Schlachtung geeigneter Küken verstoße gegen § 1 S. 2 TierSchG. Danach dürfe niemand ohne vernünftigen Grund einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Der Tod der so genannten Eintagsküken stelle einen Schaden im Sinne des § 1 S. 2 TierSchG dar. Welche Bedeutung der Gesetzgeber einem derartigen Schaden beimesse, werde in der Aufnahme des Tatbestandes „Töten ohne vernünftigen Grund“ in die kurze Liste der Straftatbestände des § 17 TierSchG deutlich. Dabei handele es sich um einen vom Gesetzgeber als besonders schwerwiegend angesehenen Verstoß. Das Zufügen von Schäden in Form der Tötung dürfe nur bei Vorliegen eines vernünftigen Grundes erfolgen. Vernünftig sei ein Grund dann, wenn er als triftig, einsichtig und von einem schutzwürdigen Interesse getragen anzuerkennen sei. Darüber hinaus müsse er unter den konkreten Umständen schwerer wiegen als das Interesse des Tieres an seiner Unversehrtheit und an seinem Wohlbefinden. Rein ökonomische Gründe, wie sie der Tötung der männlichen Eintagsküken zu Grunde lägen, genügten als „vernünftiger Grund“ nicht. Der Hauptzweck der Tötung sei die Vernichtung der Küken als ökonomisch unrentabel angesehenen Lebens, selbst wenn die getöteten Tiere später zur Herstellung von Futtermitteln verwertet würden. Diese erfolge nämlich allein deshalb, weil eine andere wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit der Eintagsküken nicht bestehe. Das Vorbringen des Klägers, durch die Verwendung der getöteten männlichen Eintagsküken als Futtermittel erübrige sich eine Erzeugung und Tötung anderer Tiere zu Futtermittelzwecken, sei zurückzuweisen. Die Produktion von Futtermitteln erfordere die Beigabe tierischer Bestandteile nicht. Landwirtschaftliche Nutztiere oder größere Zootiere benötigten keine Bestandteile tierischer Herkunft in ihrem Futter, die nicht anders als durch Eintagsküken zur Verfügung gestellt werden könnten, ohne dass hierfür eigens andere Tiere erzeugt und getötet werden müssten. Allein die Tötung von Eintagsküken zur Fütterung von Tieren, die eine artgerechte Fütterung ganzer, aber kleiner Tierkörper in der Größe von Eintagsküken oder z.B. Babymäusen zwingend erfordere, sei in diesem Zusammenhang mit dem Tierschutz vereinbar. Dies habe er in der Ausnahme unter Nr. 2 der Verfügung ausdrücklich klargestellt. Da der Kläger in seiner Stellungnahme die Tötung von Eintagsküken als eine weltweit große Herausforderung bezeichnet habe, wisse er offenbar selbst, dass seine Betriebspraxis rechtlich und ethisch nicht unproblematisch sei. Bei dem Tatbestandsmerkmal des vernünftigen Grundes handele es sich um einen so genannten unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Konkretisierung in Anbetracht des jeweiligen Lebenszusammenhangs erfolge. Fragen des ethischen Tierschutzes und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gegenüber tierschutzwidrigen Zuständen hätten gerade in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Dies werde nicht zuletzt durch die Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel in das Grundgesetz und in die Landesverfassung verdeutlicht. Die seit Jahrzehnten praktizierte Tötung von ökonomisch nicht verwertbaren Eintagsküken sei vor dem Hintergrund des gewandelten öffentlichen Bewusstseins für Tierschutzangelegenheiten nicht mehr zu rechtfertigen. Diese Auffassung habe auch die Staatsanwaltschaft N1. vertreten. Das nordrhein-westfälische Verbraucherministerium bestätige die Notwendigkeit, verwaltungsrechtlich gegen diese Praxis vorzugehen. Daher habe dieses ihn ‑ den Beklagten ‑ ebenso wie alle anderen betroffenen Kreisordnungsbehörden angewiesen, im Sinne einer landeseinheitlichen Vorgehensweise durch Ordnungsverfügung vorzugehen. Da sich die Unzulässigkeit der Betriebspraxis des Klägers bereits aus dem Tierschutzgesetz ergebe, sei entgegen der von diesem vertretenen Auffassung ein Tätigwerden des Gesetzgebers nicht erforderlich. Eine spezialgesetzliche Grundlage, die die Tötung von männlichen Eintagsküken zulasse, ergebe sich auch nicht aus den Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009. Diese bestimme lediglich das Verfahren der Tötung von Eintagsküken und stelle keine Rechtfertigung für das „ob“ der Tötung dar. Das gleiche gelte für die Ausführungen hinsichtlich der Tötung von Eintagsküken in der Tierschutz-Schlachtverordnung. Darüber hinaus werde durch Art. 26 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 klargestellt, dass diese die Mitgliedstaaten nicht daran hindere, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung geltende Vorschriften, die einen umfassenderen Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung sicherstellten, beizubehalten. Eine solche Vorschrift bestehe in § 1 S. 2 TierSchG. Weitere höherrangige Belange, die das Töten der Eintagsküken rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich. Dass er ‑ der Beklagte ‑ ebenso wie andere Behörden über einen langen Zeitraum gegen die Tötung von Eintagsküken nicht vorgegangen sei, stehe der Untersagung nicht entgegen. Diese „Duldung“ begründe kein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers darauf, dass er das rechtswidrige Verhalten weiterhin fortsetzen könne. Sie befreie ihn ‑ den Beklagten ‑ auch nicht von seiner Pflicht, gegen das als rechtswidrig erkannte Verhalten vorzugehen. Auch bei langer Dauer bewirke die bloße Duldung eines Sachverhalts keine Selbstbindung der Verwaltung. Die Entscheidung, dem Kläger das Töten männlicher, nicht zur Schlachtung geeigneter Küken mit Ausnahme der unter Nr. 2 angeführten Konstellationen zu untersagen, liege in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Die Untersagung sei geeignet, die nicht gerechtfertigte Tötung der Tiere zu unterbinden. Sie sei auch erforderlich, weil ein milderes Mittel als die Untersagung nicht ersichtlich sei. Darüber hinaus sei die Untersagung auch angemessen. Dabei habe er das Interesse des Klägers an der Fortsetzung der möglichst unverzüglichen Tötung männlicher Eintagsküken aus rein ökonomischen Gründen gegen das Interesse des Tierschutzes abgewogen. Er habe berücksichtigt, dass mit der Untersagung der Tötung in die Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und den wirtschaftlichen Betrieb (Art. 14 GG) des Klägers eingegriffen werde. Der grundgesetzliche Auftrag des Tierschutzes erfordere aber die Untersagungsverfügung. Bei der jetzigen Ausrichtung des Betriebes des Klägers werde diesem durch die Untersagungsverfügung nicht die Existenzgrundlage entzogen. Er greife nicht unverhältnismäßig in den wirtschaftlichen Betrieb des Klägers ein, weil die Vermarktung getöteter Eintagsküken nur ein Nebenaspekt seiner wirtschaftlichen Tätigkeit darstelle. Der Bereich der Erzeugung weiblicher Eintagsküken zum Zwecke der Veräußerung werde durch die Ordnungsverfügung nicht tangiert. Im Übrigen habe der Kläger seine wirtschaftliche und existenzielle Situation nicht im Einzelnen dargelegt. Auch männliche Tiere könnten durchaus zu Mastzwecken verwendet werden, wenn auch mit weniger Mastleistung als vergleichbare Masthybridenlinien. Durch die Untersagung erst zum 1. Januar 2015 räume er dem Kläger genügend Zeit ein, seinen Betrieb an die geänderten Umstände anzupassen bzw. umzustellen und eventuell bestehende vertragliche Vereinbarungen zu ändern.
62Die Untersagung gelte nicht für nicht schlupffähige männliche Küken. Die Anforderung an das unverzügliche Töten von nicht schlupffähigen Küken nach Beendigung des Brutvorganges solle verhindern, dass die Tiere einem langsamen Tod ausgesetzt würden, indem sie in den Brutrückständen erdrückt würden oder im Ei erstickten. Die Beibehaltung dieser Anordnung trage in Ermangelung einer entsprechenden unionsrechtlichen Regelung zu einem umfassenden Tierschutz bei. Auch ein Erlösen erkrankter männlicher Küken, wenn diese nicht ohne erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden weiterleben könnten, müsse aus tierschutzrechtlicher Sicht weiterhin möglich sein. Das Verbot gelte ferner nicht für Eintagsküken, deren Tierkörper an Tiere verfüttert würden, bei denen eine artgerechte Ernährung die Fütterung ganzer, aber kleiner Tierkörper zwingend erfordere. Hierbei handele es sich um Tiere wie z.B. Greifvögel, Schlangen oder viele carnivore Echsen. Die Sicherstellung einer nicht anders zu gewährleistenden artgerechten Fütterung derartiger Tiere sei ein vernünftiger Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes, der die Tötung von Hühnern schon als Küken, bei der der Tierkörper als Ganzes erhalten bleibe, im Einzelfall rechtfertige. Dadurch würden die Küken in einer tierschutzgerechten und gesellschaftlich akzeptierten Weise verwertet. Dies sei jedoch nur dann tierschutzrechtlich gerechtfertigt, wenn die entsprechende Verwendung der so getöteten Küken bereits zum Zeitpunkt der Tötung gesichert sei.
63Die Androhung eines Zwangsgeldes beruhe auf den §§ 55 Abs. 1, 60 und 63 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW). Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes mit 5.000,00 EUR sei angemessen und notwendig.
64Daraufhin hat der Kläger am 15. Januar 2014 die vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung er geltend macht: Die Untersagungsverfügung sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten.
65Zunächst fehle es für den Erlass der Verfügung an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage. Ein Rückgriff auf die tierschutzrechtliche Generalklausel des § 16 Abs. 1 S. 1 bzw. Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TierSchG sei nur zulässig, wenn sich aus einer spezialgesetzlichen Verbots- oder Gebotsnorm nichts anderes ergebe. Angesichts der seit Jahrzehnten praktizierten und nicht beanstandeten Tötung von Eintagsküken sei ausgehend von den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen eine spezialgesetzliche Grundlage für deren Verbot zu fordern und ein Rückgriff auf die tierschutzrechtliche Generalklausel unzulässig. Es handele sich bei dem Verbot der Tötung männlicher Eintagsküken um eine politische Richtungsentscheidung großer Tragweite für die Lebensmittelproduktion, die vom europäischen und deutschen Gesetz– und Verordnungsgeber zu treffen sei. Auch das Verbraucherministerium sehe sich bislang nicht in der Lage, rechtlich gegen die europaweit seit langem gängige Praxis vorzugehen. Vielmehr nehme es die Äußerung der Staatsanwaltschaft N1. zum Anlass, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Produktion von Hühnern und Legehennen im Wege eines Erlasses und einer Anweisung der nachgeordneten Tierschutzbehörden zu verändern und damit eine europaweite Betriebspraxis in Frage zu stellen. Durch die Instrumente des Straf- und Ordnungsrechts wolle das Ministerium die Brütereien zwingen, durch Musterprozesse den politischen Kampf des Verbraucherministeriums gegen die Fortsetzung der bislang unbeanstandeten Produktion von Legehennen zu befördern.
66Die Ordnungsverfügung sei auch nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 37 Abs. 1 VwVfG NRW. Soweit der Beklagte die Tötung männlicher Küken untersage, handele es sich bei Küken nach § 2 Nr. 3 der Verordnung zum Schutz von Tieren im Zusammenhang mit der Schlachtung oder Tötung vom 20. Dezember 2012 um Geflügel im Alter von bis zu 60 Stunden nach dem Schlupf. Insoweit stelle sich die Frage, ob die Untersagung sich tatsächlich nur auf Küken in diesem Sinne oder auch auf älteres Geflügel erstrecken solle. Darüber hinaus sei fraglich, welche Küken im Sinne der Untersagungsverfügung nicht zur Schlachtung geeignet seien. Selbstverständlich könnten auch männliche Küken der Legehennenrasse geschlachtet oder als Masthähnchen verwendet werden. In diesem Sinne gehe die Ordnungsverfügung ins Leere. Der Untersagungstenor sei insoweit unklar. Unklar sei auch, welche Anforderungen an den Nachweis einer Verfütterung im Sinne der Nr. 2 c des Untersagungsbescheides gestellt würden. In welcher Weise er ‑ der Kläger ‑ die Frage des zwingenden Erfordernisses der artgerechten Ernährung der Tiere durch Küken als ganzem Tierkörper nachweisen solle, werde durch die Untersagungsverfügung nicht bestimmt.
67Die Tötung männlicher Eintagsküken verstoße nicht gegen § 1 Satz 2 TierSchG, weil dafür ein vernünftiger Grund vorliege. Der unbestimmte Rechtsbegriff des vernünftigen Grundes erfordere zu seiner Ausfüllung eine einzelfallbezogene Güterabwägung. In diese seien sowohl die Belange des Tierschutzes als auch seine grundrechtlich geschützten Belange bei der Ausübung seines Betriebes einzustellen. Dabei trage der Beklagte als die Ordnungsverfügung erlassende Behörde die Beweislast für das Fehlen eines vernünftigen Grundes. Die vom Bundesverfassungsgericht für erforderlich gehaltene Interessenabwägung zur Klärung der Frage, ob ein vernünftiger Grund vorliege, hätten weder der Beklagte noch das LANUV in hinreichender Form vorgenommen. Auch ökonomische Interessen könnten einen vernünftigen Grund darstellen, wenn diesen in der gebotenen Abwägung stärkeres Gewicht zukomme als den Gründen des Tierschutzes. Hauptzweck der Tötung der Küken sei nicht die Vernichtung als unrentabel angesehenen Tierleben, sondern eine nicht beabsichtigte, leider derzeit aber noch nicht vermeidbare Nebenfolge der Ausbrütung von Hühnereiern zum Zwecke der Aufzucht von Legehennen. Auch wenn die männlichen Küken bei der Bebrütung als ein nicht gewolltes Produktionsergebnis angesehen würden, sei ihre wirtschaftliche Verwertung zu Futterzwecken durchaus sinnvoll. Letztlich gehe es auch um die Vermeidung eines ökologisch unvertretbaren Ressourcenverbrauchs und die Sicherung einer preisgünstigen Lebensmittelversorgung für die Bevölkerung. Mit der Behauptung des Beklagten, es gehe ihm ‑ dem Kläger ‑ bei der Tötung vorrangig um eine „eigene Gewinnmaximierung“, verenge dieser die Gründe für eine bereits seit Jahrzehnten europa- und sogar weltweit- stattfindende Praxis auf eine vermeintlich ausschließlich betriebswirtschaftliche Dimension seines Betriebes. Dieser Mangel wirke sich dahingehend aus, dass die im Rahmen des § 1 Satz 2 TierSchG durchzuführende Interessenabwägung unzutreffend sei. Auch eine Einstellung seines Brütereibetriebes werde die Nachfrage, die bis auf weiteres auf Hybridlinien für Mast- bzw. Legetiere festgelegt bleibe, nicht verändern. Vielmehr führe diese nur dazu, dass der Bedarf durch andere Betriebe in anderen Bundesländern oder in europäischen Nachbarstaaten außerhalb Nordrhein-Westfalens gedeckt werde. Soweit der Beklagte auf die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des vernünftigen Grundes angesichts sich wandelnder gesellschaftlicher Anschauungen verweise, habe dieser bei der Ausübung des ihm zustehenden Ermessens die vorhandenen oder lediglich vermeintlich vorhandenen Alternativen zur derzeitigen Betriebspraxis und die Folgen, die sich aus einer Untersagung für ihn ‑ den Kläger ‑ ergäben, nicht aufgeklärt und angemessen berücksichtigt. Eher formelhafte Verweise auf ein geändertes öffentliches Bewusstsein für Tierschutzangelegenheiten könnten angesichts der Bedrohung seiner wirtschaftlichen Existenz eine Änderung der Rechtsauffassung des Beklagten nicht begründen. Ein Verstoß gegen § 1 S. 2 TierSchG scheide auch schon deshalb aus, weil die Tötung der Küken durch den europäischen und den deutschen Verordnungsgeber zugelassen werde. Art. 4 Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit Anhang I Kapitel I Nr. U4 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 sehe ausdrücklich die Zerkleinerung von Küken mit einem Höchstalter von 72 Stunden als zulässige Tötungsmethode dar. Diese Verordnung habe der deutsche Verordnungsgeber durch die Tierschutzschlachtverordnung dahingehend verschärft, dass die Zerkleinerung nur bei Küken in einem Alter von bis zu 60 Stunden zulässig sei. Dadurch lasse jedoch auch der deutsche Verordnungsgeber eine Tötung der Küken bis zu einem Alter von 60 Stunden zu. Durch die Regelung des „wie“ der Tötung setze der Verordnungsgeber entgegen der Auffassung des Beklagten die Zulässigkeit des „ob“ voraus. Der europäische und deutsche Verordnungsgeber habe sich in Kenntnis der jahrzehntelangen Praxis der Tötung männlicher Eintagsküken und der öffentlichen Diskussion der Thematik dazu entschieden, diese nicht zu verbieten, sondern sie mit den geregelten Einschränkungen zuzulassen. Aus den Tierschutzberichten des Bundesministeriums für Ernährung, Verbraucherschutz und Landwirtschaft in der Vergangenheit ergebe sich eindeutig, dass die Tötung männlicher Küken trotz ethischer Bedenken weiterhin als gerechtfertigt angesehen werde. Bereits im Jahr 1995 habe der ständige Ausschuss des Europarates Empfehlungen zur Schlachtung von Küken dahingehend abgegeben, dass solche, die nicht zur Aufzucht bestimmt seien, sobald wie möglich, spätestens jedoch bevor sie 72 Stunden alt seien, zu töten seien. Diese Empfehlung lasse sich nicht anders verstehen, als dass die bis dahin übliche Praxis der Kükentötung für zulässig gehalten werde. Empfehlungen des ständigen Ausschusses des Europarates seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 6. Juli 1999 – 2 BvF 3-90) bindend. Zwar dürften die Vertragsstaaten über die Empfehlungen hinausgehen, was jedoch eine entsprechende Regelung voraussetze. An einer solchen fehle es aber im Falle der Eintagsküken gerade. Die auf der Grundlage der Empfehlungen des ständigen Ausschusses des Europarates ergangene europäische Verordnung sei mit der Reduzierung des Höchstalters der Küken auf 60 Stunden in deutsches Recht übernommen worden. Dabei handele es sich um eine gegenüber dem allgemeinen Schädigungsverbot des Tierschutzrechts speziellere Regelung, die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 4 b TierSchG beruhe. Damit setze der Verordnungsgeber die Zulässigkeit der Tötung und damit einen vernünftigen Grund für diese Vorgehensweise voraus. Unabhängig davon gebe es für die europaweite Betriebspraxis mehrere vernünftige Gründe. Für die Tötung männlicher Eintagsküken sprächen nicht nur wirtschaftliche Interessen, sondern auch öffentliche Interessen an einer Nachfrage einer entsprechenden kostengünstigen Lebensmittelversorgung und ökologische Gründe des Klimaschutzes und der Ressourcenschonung. Die europa- und sogar weltweite Praxis sei ein Indiz für das Vorliegen eines vernünftigen Grundes. Dieser werde bereits einleitend vom Verbraucherministerium in seinem Erlass vom 26. September 2013 selbst genannt. Der eigentliche Grund für die Tötung bestehe in der Nachfrage der Verbraucher nach kostengünstigen Hühnereiern. Bei einem Verzicht auf die Tötung der männlichen Küken ließe sich die Eierproduktion in bisherigem Umfang nicht aufrecht erhalten. Zwar möge dies aus Gründen des Tierschutzes oder der Ernährungswissenschaft begrüßenswert sein, die Geflügelwirtschaft in Deutschland stehe allerdings in einem Qualitätswettbewerb. Bei hoher Preissensibilität fragten die Verbraucher hochwertige Geflügelerzeugnisse und Eierprodukte nach. Vor diesem Hintergrund könne man den Betreibern von Brütereien und den Lieferanten von Geflügel und Eiern kein Handeln ohne vernünftigen Grund vorwerfen, wenn sie die Kosten einer Pensionstierhaltung für nicht absetzbare Hähne vermeiden wollten. Im Tierschutzbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2015 werde auf die Bemühungen zur Entwicklung einer praxistauglichen Alternative zur Tötung männlicher Eintagsküken durch die Geschlechterbestimmung im Ei hingewiesen. Da die Praxistauglichkeit noch nicht gegeben sei, gehe die Bundesregierung davon aus, dass derzeit noch ein vernünftiger Grund für die Tötung bestehe. Darüber hinaus habe der Bundesrat auf Veranlassung der Landesregierung Nordrhein-Westfalen den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des TierSchG beschlossen. Danach solle in § 3 TierSchG zukünftig geregelt werden, dass die Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile keinen vernünftigen Grund für die Tötung eines Wirbeltieres darstelle. Der Gesetzentwurf der Landesregierung NRW, wonach männliche Eintagsküken bis zum Ablauf des 30. Mai 2017 weiterhin im bisherigen Umfang getötet werden dürften, zeige, dass das Festhalten an der Untersagungsverfügung nicht nachvollziehbar sei. Dass ein vernünftiger Grund erst dann nicht mehr vorliege, wenn ein praxistaugliches Alternativverfahren vorliege, folge auch aus der zwischenzeitlichen Stellungnahme der Bundesregierung zum Gesetzentwurf und der Behördenpraxis in Hessen. Dort sei eine Ordnungsverfügung erlassen worden, die das Töten männlicher Eintagsküken ab dem Zeitpunkt untersage, ab dem ein praxistaugliches Verfahren zur Geschlechterbestimmung im Ei vorliege. Schließlich habe auch die Staatsanwaltschaft T1. ein entsprechendes Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt. Mangels hinreichender Alternativen sei die Amtschef- und Agrarministerkonferenz im Jahr 2014 noch vom Vorliegen eines vernünftigen Grundes ausgegangen. In die gebotene Abwägung sei auch einzustellen, dass die getöteten Eintagsküken bei der Tierfutterproduktion verwendet würden. Es erschließe sich nicht, dass der Beklagte die Verwendung getöteter Küken zur Verfütterung an Tiere, die auf ganze Tierkörper angewiesen seien, als vernünftigen Grund akzeptiere, während die Verfütterung an Tiere, die nicht auf ganze Tierkörper angewiesen seien, in diesem Sinne unvernünftig sein solle. Auch wenn die Verwendung der getöteten Tiere für Futtermittelzwecke nicht zwingend einen vernünftigen Grund im Sinne des Tierschutzrechts darstelle, müsse doch eine solche sinnvolle Verwendung im Rahmen der gebotenen Abwägung eine Rolle spielen. Das sei von dem Beklagten übersehen worden. Die Praxis der Tötung männlicher Eintagsküken von Legerassen finde im Kern deshalb statt, weil es für diese keine hinreichenden Absatzmöglichkeiten gebe, die Küken für die Mast ungeeignet seien und deren Aufzucht daher zu unvertretbar hohen Kosten und einem unter ressourcenökologischen Aspekten unvertretbaren Verbrauch an Außenbereichsflächen für die Aufstallung, an Futtermitteln und an Energie führe. Dazu kämen vermeidbare Bodenbelastungen und klimaschädliche Emissionen. Es sei nicht überzeugend, einerseits auf die fehlende Nachfrage für diese Küken zu verweisen und andererseits im gleichen Atemzug einen vernünftigen Grund für die Tötung zu vermissen, ohne klarzustellen, was mit den nicht getöteten Küken geschehen solle. Es bestünden im Übrigen erhebliche Zweifel daran, ob der vom Beklagten als Grund angeführte Wandel der Wert- und Gerechtigkeitsvorstellungen in der Bevölkerung tatsächlich stattgefunden habe. Ein solcher Wandel lasse sich verlässlich nur an einem geänderten Nachfrageverhalten der Verbraucher erkennen. Dass diese zur Zahlung eines höheren Verkaufspreises für Eier bereit seien, durch den die Aufzucht der männlichen Küken aus Legehybriden subventioniert werde, sei nicht erkennbar. Ein vernünftiger Grund ergebe sich bereits daraus, dass es für die männlichen Eintagsküken keine hinreichenden Absatzmöglichkeiten gebe, wenn sie entsprechend der Untersagungsverfügung aufgezogen würden.
68Schließlich werde darauf verwiesen, dass zwar auch in Hessen durch Ordnungsverfügung des Landrates des Landkreises E. -E1. die Tötung männlicher Eintagsküken untersagt worden sei, jedoch erst, sobald ein technisches Verfahren zur Geschlechterbestimmung in Hühnereiern ab dem 3. Tag der Bebrütung zur Verfügung stehe, das es ermögliche, im täglichen Betrieb einer Brüterei routinemäßig einsetzbar und am Markt verfügbar zu sein sowie im Praxisbetrieb der konkreten Brüterei anwendbar sei oder sobald ein hiermit vergleichbares Verfahren vorliege. Dies zeige, dass derzeit noch keine Untersagung der Tötung männlicher Eintagsküken rechtlich zulässig sei.
69Die Untersagungsverfügung leide darüber hinaus an erheblichen Ermessensfehlern, weil diese nicht dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung entspreche. Der Beklagte habe bei der Übernahme der Begründung der Musterverfügung des LANUV erkennbar keine eigenen Ermessenserwägungen angestellt. Er habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass er – der Kläger ‑ seinen rechtmäßig aufgenommenen Betrieb über Jahre als im Einklang mit dem geltenden Recht stehend angesehen habe. Das vom Beklagten aufgrund des vermeintlichen Bewusstseinswandels angenommene Fehlen eines vernünftigen Grundes bedeute, dass die Tötung der Eintagsküken grundsätzlich auch als Straftat nach § 17 TierSchG verfolgt werden könne. Bei einem derart dynamischen Verständnis des § 17 TierSchG seien durchgreifende Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit der Vorschrift gerechtfertigt. Wenn schon das zuständige Verbraucherministerium rechtlichen Klärungsbedarf reklamiere und insoweit offensichtlich nicht in der Lage sei, das Vorliegen eines tatsächlichen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz sicher festzustellen, könne eine solche Feststellung auch den Betreibern von Brütereien nicht abverlangt werden.
70Der Beklagte und die anweisende Behörde des LANUV hätten die Gründe, die ihn ‑ den Kläger ‑, alle anderen Brütereien in Deutschland und darüber hinaus zur Tötung der Küken veranlassten, verkannt. Seine wirtschaftlichen Belange seien mit dem gebührenden Gewicht in die Abwägung einzustellen. Irgendwelche Absatzmöglichkeiten der Tiere an Mastbetriebe bestünden derzeit nicht. Für die Aufzucht der männlichen Küken könne er keine hinreichenden Stallkapazitäten vorhalten. Dies sei auch in anderen Betrieben so, sodass die flächendeckende Tötungsuntersagung zur Folge habe, dass sich die Aufzucht von Legehennen in das benachbarte Ausland verlagere. Damit sei dem Tierschutz nicht gedient. Zudem verursache die Aufzucht der männlichen Eintagsküken in erheblichem Umfang Futter und Pflegekosten. Würden diese Kosten über den Verkauf der Legehennen bzw. mittelbar den Verkauf der Eier umgelegt, wäre weder der Absatz der Legehennen noch der Verkauf von Eiern wettbewerbsfähig. Die Brütereien im Ausland, die weiterhin an der bisherigen Praxis festhalten könnten, könnten ihre Produkte ohne Pensionskosten für nicht absetzbare Hähne wesentlich preisgünstiger anbieten. Dies hätte zur Folge, dass die inländischen Brütereien ‑ wie er, der Kläger auch ‑ zur Aufgabe ihrer Betriebe gezwungen wären. Daher bedeute die Untersagungsverfügung für ihn eine Einstellung dieses Betriebszweigs, sofern ihm nicht der Nachweis der Notwendigkeit der Verfütterung sämtlicher Tierkörper an solche Tiere gelinge, deren artgerechte Ernährung die Fütterung ganzer Tierkörper in dieser Größe zwingend erfordere. Der Beklagte verkenne in der Untersagungsverfügung vollständig deren wirtschaftliche Auswirkungen auf seinen Betrieb, weil er das Brutgeschäft insgesamt einschränken oder einstellen zu müsse.
71Bei allen vom Beklagten aufgezeigten Alternativen sollten die Küken nämlich gleichermaßen getötet werden. Dies geschehe allerdings teilweise erst zu einem Zeitpunkt, in dem das Schmerzempfinden der Tiere wegen des höheren Lebens-alters bereits weiter fortentwickelt sei, sodass man kaum von einem weniger intensiven Eingriff in deren Wohlbefinden sprechen könne. Somit benenne der Beklagte keine milderen Mittel, sondern schlage vielmehr eine Tötung der Küken aus anderen Gründen vor. Unabhängig davon stellten die vom Beklagten aufgezeigten Alternativen auch schon aus praktischen Gründen keine Lösung für das aufgezeigte Kapazitätsproblem dar, weil zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine handhabbarer Alternative zu der von ihm ‑ dem Kläger ‑ praktizierten Vorgehensweise existiere. Diese Sichtweise entspreche auch der im Rahmen der Amtschef- und Agrarministerkonferenz vom 2 bis 4. April 2014 getroffenen Feststellung, wonach zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine praxisreifen Alternativen zum Töten männlicher Küken aus Legelinien verfügbar seien. Soweit der Beklagte darauf verweise, dass es sich bei allen in Nordrhein-Westfalen ansässigen Brütern um kleinere Betriebe handele, die Vermarktungsnischen besser besetzen könnten, verkenne dieser, dass dieser pauschale Hinweis eine auf den einzelnen Betrieb bezogene Prüfung nicht entbehrlich mache. Ungeachtet dessen seien die vom Beklagten aufgezeigten Alternativen aber auch für kleinere Betriebe, wie seinen, nicht geeignet, das beschriebene Kapazitätsproblem gegenwärtig und vollständig zu bewältigen. Die Möglichkeiten zur frühzeitigen Geschlechtsbestimmung von Küken im Ei seien derzeit weder für den auf Schnelligkeit angewiesenen Praxisbetrieb hinreichend erprobt noch zu einem vertretbaren Preis am Markt verfügbar. Der Einsatz eines Zweitabnehmers stelle ebenso kein gleich geeignetes Mittel dar, weil für den Einsatz dieser Hühner derzeit keine hinreichende Nachfrage bestehe. Schließlich stelle die Nutzung der Tiere als Stubenküken selbst für kleinere Betriebe zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein marktfähiges Konzept dar. Fraglich sei insbesondere, ob die Verbraucher ein entsprechendes Produkt überhaupt akzeptierten und nachfragten, weil Stubenküken eine rein regionale Delikatesse seien, bei der die Herkunft eine überragende Bedeutung habe. Die Absicht der Verlängerung der Nutzungsdauer von Legehennen sei bezogen auf die Untersagungsverfügung schon deshalb kein gleich geeignetes Mittel zur bisherigen Praxis, weil er ‑ der Kläger ‑ auf die Nutzungsdauer der Legehennen in den Legebetrieben keinen Einfluss habe. Insofern verlange der Beklagte von ihm etwas schon aus tatsächlichen Gründen Unmögliches. Bei der vom Beklagten im Bezug genommenen angeblichen Alternative „Bruder-Hahn-Initiative Deutschland“ übersehe dieser, dass mithilfe der Quersubventionierung in Form eines Zuschlags i.H.v. 4 Cent pro Ei allenfalls in kleineren Nischen ein Absatz für solche Bruderhähne gesichert werden könne. Der Beklagte habe es schließlich auch versäumt, sich mit den Konsequenzen der Untersagungsverfügung näher auseinanderzusetzen. Angesichts einer Verlagerung des Brutgeschäftes und des damit verbundenen Tötens männlicher Eintagsküken in benachbarte Bundesländer und das europäische Ausland sei für den Tierschutz in Nordrhein-Westfalen nichts gewonnen. Umgekehrt führe die Untersagung zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des Wettbewerbs. Während er – der Kläger – verpflichtet werde, seine bisherige Praxis einzustellen, könnten andere Wettbewerber in anderen Bundesländern und im benachbarten Ausland die Tätigkeit fortsetzen. Dies sei vom Beklagten im Rahmen seiner Ermessensausübung nicht hinreichend bedacht worden. Insbesondere habe der Beklagte auch im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 VwVfG NRW die wirtschaftlichen Folgen der Untersagungsverfügung für ihn – den Kläger – nicht hinreichend ermittelt. Er ‑ der Kläger – sei davon ausgegangen, dass dem Beklagten Informationen über die wirtschaftliche Situation seines Betriebes aus der bisherigen Überwachungstätigkeit vorlägen. Es könne ihm nicht vorgeworfen werden, dass er angesichts des auch vom Verbraucherministerium anerkannten rechtlichen Klärungsbedarfs die für die Interessenabwägung des Beklagten bei der Untersagungsverfügung erforderlichen Informationen nicht selbst habe abschätzen können. Vielmehr sei von dem Beklagten vor Erlass einer Untersagungsverfügung zu fordern, den betroffenen Unternehmen mitzuteilen, welche Informationen für eine ordnungsgemäße Interessenabwägung zur Auslegung des Verbotstatbestandes einerseits und zur Ausübung des Ermessens andererseits noch erforderlich seien. Eine solche Sachverhaltsaufklärung sei aus Sicht des Beklagten schon aus Zeitgründen nicht möglich gewesen. Dieser sei nämlich vom LANUV im Wege einer Weisung dazu verpflichtet worden sei, zu bestimmten Zeitpunkten zunächst das Anhörungsschreiben und dann die Ordnungsverfügung zuzustellen. Die in dem Untersagungsbescheid eingeräumte Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2015 reiche nicht im Ansatz aus, dem Vertrauensschutz Rechnung zu tragen, der sich aus der jahrelangen aktiven Duldung der bisherigen Praxis ableite. Dies gelte umso mehr, als auch der Beklagte die Tötung von Eintagsküken über einen langen Zeitraum nicht nur als rechtswidrig geduldet, sondern vielmehr als rechtmäßig anerkannt habe. Selbst wenn man sich der Auffassung des Beklagten anschließe, wonach die Tötung der Eintagsküken § 1 S. 2 TierSchG widerspreche, sei der ihm – dem Kläger – eingeräumte Übergangszeitraum zu kurz. Dies gelte umso mehr vor dem Hintergrund, dass das Verbraucherministerium in der mehrfach erwähnten Weisung keinen Hehl daraus gemacht habe, dass die Untersagungsverfügung zur Klärung einer nach Auffassung des Ministeriums unklaren Rechtslage dienen solle. Der Übergangszeitraum von einem Jahr verschaffe ihm – dem Kläger – nicht die Möglichkeit die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung vor einer Änderung der Betriebsweise klären zu lassen. Vor einer Einstellung des Brutgeschäftes bedürfe es eines zeitlichen Vorlaufs von etwa 21 Monaten, weil die zu bebrütenden Eier mit einem derzeitigen Vorlauf vorbestellt werden müssten. Für den Fall, dass die Klage abgewiesen würde, müsse er seine Betriebspraxis nach Rechtskraft des Urteils einstellen. Angesichts seiner vertraglichen Verpflichtungen zur Abnahme der bestellten Bruteier einerseits und der Notwendigkeit, für die Unterbringung und Pflege der zwar weiterlebenden, aber nicht absetzbaren männliche Küken sorgen zu müssen, entstehe dadurch ein unzumutbarer wirtschaftlicher Schaden. Im Wirtschaftsjahr 2013/2014 habe er ein Betriebsergebnis (Umsatzerlöse abzüglich der Betriebskosten) in Höhe von 89.000,00 erzielt, der Anteil der Brüterei daran habe bei 79.000 € gelegen. Rechne man zusätzliche Erträge hinzu, die sich im Wesentlichen aus der EG-Agrar-Flächenprämie, Anlagenverkäufen landwirtschaftlicher Maschinen und Finanzerträgen in diesem Jahr ergäben, habe er ein Ergebnis vor Steuern in Höhe von 237.000 € erzielt. Bei Aufgabe der Brüterei verliere er mindestens ca. 1/3 seines Einkommens. Auch die Vermarktungsgesellschaft seiner Ehefrau könne dann weder die Bruteier an ihn verkaufen noch die ausgebrüteten Eier weiter vermarkten, wodurch dieser ebenfalls ein erheblicher Schaden entstehe. Schließlich habe ihm das Unternehmen für Legehennenvermehrung G. , das ein regionales Vermarktungskonzept verfolge und an dem er über eine Besitzgesellschaft als Minderheitsgesellschafter beteiligt sei, mit Schreiben aus Dezember 2014 mitgeteilt, dass es Küken und Junghennen zu weit über 90 % in Nordrhein-Westfalen vermarkte und eine Aufzucht von Hahnenküken wegen nicht vorhandener doppelter Aufzuchtskapazitäten derzeit ebenso wenig in Frage komme, wie eine Vermarktung von Schlachthähnen oder Stubenküken. Müsse er seinen Betrieb aufgeben, trete auch für die Firma G. ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden ein.
72Im Übrigen sei darauf zu verweisen, dass das Bundeslandwirtschaftsministerium unter Berücksichtigung der Forschungsaktivitäten und anderer Maßnahmen zur Vermeidung des Tötens männlicher Küken zu dem Fazit komme, für den flächendeckenden Einsatz seien zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine praxisreifen Alternativen zum Töten männlicher Küken aus Legelinien verfügbar. Vielmehr sei danach diese Praxis derzeit mangels praxisreifer Alternativen für den flächendeckenden Einsatz derzeit noch unverzichtbar. Danach sei im Falle des Tötens von Tieren in jedem Einzelfall vor Ort von der zuständigen Behörde zu entscheiden, ob ein vernünftiger Grund vorliege. Eine solche Einzelfallentscheidung durch den Beklagten habe es nicht gegeben, weil er durch die Untersagungsverfügung nur die landesweite Weisung des zuständigen Ministeriums umgesetzt habe. Das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 EUR für jeden Tag, an dem entgegen der Untersagungsverfügung noch männliche Küken getötet würden, sei unverhältnismäßig hoch. Eine tragfähige Begründung für die Höhe des Zwangsgeldes habe der Beklagte nicht. Insofern sei das Ermessen nicht ordnungsgemäß begründet. Hinzu komme, dass es angesichts der Strafandrohung des § 17 TierSchG einer zusätzlichen Zwangsgeldandrohung nicht bedürfe. Da Mitarbeiter seines Betriebes bei der Fortsetzung der bisherigen Betriebspraxis mit einer Anklageerhebung wegen eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz rechnen müssten, bedürfe es hinsichtlich der Klärung der Frage des vernünftigen Grundes für die Tötung männlicher Eintragsküken der begehrten Feststellung. Auch für die weitere Ausübung seiner Betriebsorganisation im Hinblick auf etwaige zukünftige Maßnahmen des Beklagten müsse er wissen, ob für die Tötung männlicher Eintagsküken in seinem Betrieb ein vernünftiger Grund im Sinne des § 1 Satz 2 TierSchG vorliege.
73Der Kläger beantragt,
741. die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 18. Dezember 2013 aufzuheben,
2. festzustellen, dass die in dieser Verfügung des Beklagten untersagte Tötung männlicher Eintagsküken nicht gegen § 17 TierSchG und auch nicht gegen § 1 Satz 2 TierSchG verstößt.
Der Beklagte beantragt,
79die Klage abzuweisen.
80Zur Begründung erwidert er: Die Untersagungsverfügung sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten.
81Für die Untersagungsverfügung sei eine spezielle gesetzliche Grundlage nicht erforderlich, sodass er diese zu Recht auf §§ 16 a Abs. 1 Satz 1, 1 Satz 2 TierSchG gestützt habe. In der tierschutzrechtlichen Literatur werde nicht nur vereinzelt die Auffassung vertreten, dass die genannten Rechtsvorschriften eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Untersagung der Tötung der männlichen Eintagsküken bilde, die einer darüber hinaus erforderlichen speziellen gesetzlichen Regelung nicht bedürfte.
82Die Anordnungen der Ordnungsverfügung seien auch hinreichend bestimmt im Sinne des § 37 Abs. 1 VwVfG NRW. Soweit er in Ziffer 1 des Tenors der Verfügung die Tötung männlicher Küken untersage, sei der Begriff des Kükens in § 2 Nr. 3 der Tierschutzschlachtverordnung legal definiert, worauf er in der Begründung der Untersagungsverfügung auch abstelle. Im fachlich üblichen Sprachgebrauch würden die darin genannten Küken in einem Alter von bis zu 60 Stunden regelmäßig als „Eintagsküken“ bezeichnet. Der Tenor werde auch nicht dadurch unbestimmt, dass durch die Verordnung Nr. 1099/2009 das Verfahren der Zerstückelung für Küken mit einem Höchstalter von 72 Stunden vorgesehen sei, weil die nationale Tierschutz-Schlachtverordnung als strengere Vorschrift vorgehe. Die Beschränkung auf Küken, die nicht zur Schlachtung geeignet seien, lege fest, dass nur solche Küken Gegenstand der Untersagungsverfügung seien, deren Schlachtbarkeit aufgrund ihrer physischen Konstitution schon nicht gegeben sei. Für die vom Kläger der Tötung zugeführten Küken bestehe schon in rein praktischer Hinsicht keine Einrichtung zum „Schlachten“ weil die Küken nicht ‑ worauf es ankomme ‑ für den menschlichen Verzehr bestimmt und damit nicht zur Schlachtung geeignet seien. Eintagsküken entwickelten sich aber erst ab einer gewissen Dauer der Aufzucht und Mast zu „Stubenküken“. Die bei den Eintagsküken verwendeten Methoden zur Tötung in Form der Begasung oder der Zerkleinerung nach Anhang I Kap. 1 Tabelle 1 Z. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1099 / 2009 stelle eine reine Beschreibung tierschutzrechtlichen zugelassener Tötungsverfahren, nicht als Schlachtverfahren dar. Entgegen der Ansicht des Klägers sei auch die in Nr. 2 c der Verfügung genannte Ausnahme von dem Verbot hinreichend bestimmt. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Verfügung sei es erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Küken zum Zeitpunkt ihrer Tötung zum Beispiel aufgrund vertraglicher Beziehungen bereits zur Fütterung der näher beschriebenen Tiere bestimmt seien. Die Behauptung des Klägers, wonach die Erforderlichkeit der Fütterung ganzer Tierkörper für eine artgerechte Ernährung zu belegen sei, sei unzutreffend, weil manche Tierarten, wie etwa Schlangen, anatomisch auf die Nahrungsaufnahme ganzer Tierkörper angewiesen seien.
83Für die Tötung der Eintagsküken fehle es auch am vernünftigen Grund. Dieser werde weder durch die Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 noch durch die Tierschutz-Schlachtverordnung vorausgesetzt, weil darin nur die Art und Weise der Tötung geregelt werde, nicht aber die Frage, ob diese überhaupt durchgeführt werden dürfe.
84Zwar erfolge die Tötung der Eintagsküken objektiv aus einem legitimen Zweck. Diese sei jedoch nicht erforderlich, weil verschiedene Alternativmethoden zur Verfügung stünden, mit denen der vom Kläger allein verfolge Zweck der Vermeidung wirtschaftlicher Verluste bei der Legehennenproduktion ebenso erreicht werden könne. Eine mögliche Alternative sei die frühzeitige Geschlechtsbestimmung der Küken im Ei anhand der DNA mittels Infrarot-Spektroskopie, die anschließende Aussortierung der Eier und deren industrielle Weiterverarbeitung.
85Auch sei ab dem neunten Bruttag eine hormonelle Geschlechterbestimmung durch die Punktierung der embryonalen Harnblase, eine Entnahme von Allantoisflüssigkeit und im Anschluss daran die Tötung der männlichen Küken in den Eiern möglich, zumal die Schmerzempfindlichkeit der Küken erst ab dem zehnten Tag der Bebrütung einsetze. Die Mehrkosten dieser Methode lägen bei wenigen Cent. Eine weitere Möglichkeit zur Vermeidung der Tötung männlicher Eintagsküken sei die Zucht eines so genannten „Zweinutzungshuhnes“. Bei dieser Rasse, für die das so genannte „M. -Dual-Huhn“ ein Beispiel sei, würden die weiblichen Hennen zur Eierproduktion und die Hähne zur Mast genutzt. Die Legeleistung der Hühner liege mit 250 Eiern pro Jahr bei rund 65 Eiern weniger als die Legeleistung einer reinen Legehenne. Zwar setze das „M. -Dual-Huhn“ bereits nach 56 Tagen ein Gewicht von 2300 g an, brauche hierfür allerdings 50 % mehr Futter als die Tiere aus spezialisierten Linien. Dass auch eine Mast der männlichen Küken durchaus möglich sei, werde durch die „Bruder Hahn Initiative Deutschland“ belegt. Dabei werde für jedes von den weiblichen Tieren gelegte Ei im Verkauf ein Zuschlag von vier Cent veranschlagt, die zu 100 % für die Aufzucht und Vermarktung der männlichen Tiere verwendet würden. Auch bestehe die Möglichkeit, das Fleisch männlicher Küken nach kurzer Mast als so genannte „Stubenküken“ zu nutzen. Unabhängig von diesen Alternativen bestehe auch die Möglichkeit, die bereits im Einsatz befindlichen Legehennen länger zu nutzen, um die benötigte Anzahl der Legehennen und damit auch der männlichen Küken zu reduzieren.
86Der Hinweis des Klägers auf die Auffassung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft in seinem Bericht zur Amtschef- und Agrarministerkonferenz, wonach für den flächendeckenden Einsatz derzeit keine praxisreifen Alternativen zur Tötung männlicher Eintagsküken verfügbar seien, könne im Hinblick auf den Betrieb des Klägers nicht herangezogen werden. Zwar möge die Auffassung hinsichtlich der Produktion großer Stückzahlen zutreffend sein. Der Betrieb des Klägers zähle jedoch ebenso wie die weiteren in Nordrhein-Westfalen ansässigen Brütereien zu den kleinen Betrieben, die insgesamt nur ca. 5 % des gesamtdeutschen Vermarktungssegmentes ausmachten. Gerade für seinen Betrieb biete sich daher die stärkere Besetzung der so genannten Vermarktungsnischen an.
87Der Hinweis des Klägers auf das Entstehen klimaschädlicher Immissionen durch die Aufzucht der männlichen Küken sei unsubstantiiert. Soweit dieser eine Verlagerung des Brutgeschäftes in andere Bundesländer befürchte, sei darauf hinzuweisen, dass es sowohl in anderen Bundesländern als auch auf Bundesebene Bestrebungen gebe, eine Untersagung der Tötung männlicher Eintragsküken zu veranlassen. Eine Verlagerung des Brutgeschäftes ins Ausland könne und dürfe nicht zu seiner ‑ des Beklagten ‑ Untätigkeit führen, zumal die geltende Praxis gegen geltendes Recht verstoße. Aus § 7 Buchst. a Abs. 2 Nr. 4 TierSchG ergebe sich im Kontext der Durchführung von Tierversuchen, dass Tieren Schmerzen, Leiden oder Schäden nur in dem Maße zugefügt werden dürften, wie es für den verfolgten Zweck unerlässlich sei. Im Ergebnis ergebe sich aus den in der Gesellschaft mehrheitlich konsensfähigen Wert- und Gerechtigkeitsvorstellungen, dass die genannten wirtschaftlichen und ökologischen Gründe sowie eine Verlagerung des Brutgeschäfts in andere Länder und Bundesländer nicht ausreichten, um die Tötung der Eintagsküken zu rechtfertigten.
88Die Untersagung sei auch ermessensfehlerfrei erfolgt, weil alle relevanten Umstände berücksichtigt, sorgfältig geprüft und abgewogen worden seien. Sofern der Kläger einwende, er ‑ der Beklagte ‑ habe sich nicht mit den Besonderheiten seines Betriebes auseinandergesetzt, greife dies schon deshalb nicht, weil es in allen elf durch denselben Prozessbevollmächtigten koordinierten Gerichtsverfahren im Kern um dieselbe Rechtsfrage gehe und auch die Klagebegründungen mit marginalen Ausnahmen inhalts- und wortgleich seien. Aufgrund nicht vorgelegter Zahlen zu der Höhe der wirtschaftlichen Einbußen lägen daher keine Umstände vor, die bezogen auf dem Betrieb des Klägers eine eingehende Differenzierung erforderten. Das Zwangsgeld sei vor dem Hintergrund der Schwere des Eingriffs und der großen Anzahl der betroffenen Tiere verhältnismäßig.
89Ob und unter welchen Voraussetzungen die Tötung von Tieren zulässig sei, beurteile sich nach den allgemeinen Regelungen des Tierschutzgesetzes. Eine Jahre lange „Duldung“ der Vorgehensweise des Klägers führe nicht zur Zulässigkeit der Kükentötung. Mit dem Zeitpunkt, in dem er – der Beklagte – den Einstellungswandel in der Gesellschaft hin zu mehr Tierschutz erkannt und die Tötung der Küken aus tierschutzrechtlichen Gründen als rechtswidrig angesehen habe, seien die Voraussetzungen für eine Untersagungsverfügung erfüllt gewesen.
90Die Tötung männlicher Eintagsküken sei jedenfalls nicht verhältnismäßig im engeren Sinn, da die damit verfolgten Interessen die Schäden an den Tieren nicht überwögen. Selbst weniger effektiven Nutzungsarten der männlichen Küken die mit höheren Kosten oder einem höheren Arbeits- und Zeitaufwand verbunden seien, komme aus den schwer wiegenderen Tierschutzgründen der Vorrang vor deren Tötung zu.
91Aus § 7 Buchst. a Abs. 2 Nr. 4 TierSchG ergebe sich im Kontext der Durchführung von Tierversuchen, dass Tieren Schmerzen, Leiden oder Schäden nur in dem Maße zugefügt werden dürften, wie es für den verfolgten Zweck unerlässlich sei. Im Ergebnis folge aus den in der Gesellschaft mehrheitlich konsensfähigen Wert- und Gerechtigkeitsvorstellungen, dass die genannten wirtschaftlichen und ökologischen Belange sowie eine Verlagerung des Brutgeschäfts in andere Länder und Bundesländer nicht ausreichten, um die Tötung der Eintagsküken zu rechtfertigten. Der formelhafte Rückzug des Klägers auf das langsamere Wachstum und den höheren Futteraufwand der Legehybriden sei unerheblich. Entgegen der durch diesen vertretenen Auffassung spreche für eine Mast und Vermarktung der männlichen Tiere als Stubenküken, dass das Fleisch sehr zart sei und ‑ bisher nur regional ‑ als Delikatesse gelte. Es zeigten sich aber immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher offen für nicht-konventionelle tierische Produkte. Der Kläger habe die behaupteten erfolglosen Bemühungen der Vermarktung von Eintagsküken nicht substantiiert. Sein Einwand, eine deutlich verminderte Fleischqualität mache eine Veräußerung der Tiere an den Lebensmittelhandel unmöglich, stehe entgegen, dass seit März 2014 im Rahmen der „Initiative Bruder Hahn“ Fleisch der männlichen Legehybriden in Gläschen der Bio-Babynahrung der Firma I. erhältlich sei. Auch sei eine Aufzucht der Tiere entgegen der vom Kläger vertretenen Ansicht in den bisher vorhandenen Stallungen möglich und nicht mit dem Erfordernis neuer Stallungen verbunden. Allerdings würde dies mit einer geringeren Anzahl der produzierten Ware Legehennen einhergehen. Auch wenn die mit einer Haltung und Aufzucht verbundenen Kosten und Einbußen ohne die Errichtung weiterer Ställe nicht unerheblich seien, rechtfertige dies nicht den schweren Eingriff in das Leben der männlichen Eintagsküken. Allerdings substantiiere der Kläger seine Behauptung nicht, dass er seinen Betrieb oder den „Betriebszweig“ aufgeben müsse. Auch könne die Weiterentwicklung der Werteordnung, wozu eine zunehmende Sensibilisierung der Gesellschaft für Tierschutzbelange gehöre, dazu führen, dass früher kritiklos hingenommene Nutzungsarten und Umgangsformen mit Tieren heute nicht mehr als vernünftig bzw. rechtfertigend angesehen würden. In diesem Zusammenhang sei auch darauf zu verweisen, dass deutsche Verbraucher im europäischen Vergleich als besonders tierschutzbewusst gelten.
92Das erkennende Gericht hat am 9. Februar 2015 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Auf Antrag der Prozessparteien hat es vor dem Hintergrund, dass das Verwaltungsgericht Minden auf die Klagen gegen gleichlautende Ordnungsverfügungen vom 18. Dezember 2013 diese mit Urteilen vom 30. Januar 2015 ‑ 2 K 80/14 und 2 K 83/14 aufgehoben hat und der zu erwartenden Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen das Ruhen des Verfahrens beschlossen.
93Nachdem der Kläger beantragt hat, das zum Ruhen gebrachte Verfahren wieder aufzunehmen und der Beklagte erklärt hat, auch im vorliegenden Verfahren bedürfe es einer gerichtlichen Entscheidung, hat es die Kammer das Verfahren wieder aufgenommen.
94Der Deutsche Bundestag lehnte am 17. März 2016 den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen ab, wonach gesetzlich klargestellt werden sollte, dass das Töten männlicher Küken spezialisierter Legerassen aus wirtschaftlichen Erwägungen kein „vernünftiger Grund“ im Sinne des Tierschutzgesetzes sei. Außerdem sollte danach die Bundesregierung Forschungsprogramme zur Züchtung eines „Zweinutzungshuhns“ intensivieren und mittelständischen Brütereien die Investition in technische Anlagen erleichtern.
95Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
96E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
97Die Klage hat, in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
98Mit dem Antrag zu 1. ist sie als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 1. Alt. der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig und auch begründet. Denn die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 18. Dezember 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
99Die Voraussetzungen des § 16 a Abs. 1 S. 1 TierSchG für die Untersagung der Tötung männlicher Eintragsküken im Betrieb des Klägers ab dem 1. Januar 2015 liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Voraussetzung für ein Einschreiten der Tierschutzbehörde als zuständiger Behörde in diesem Sinne ist ein Verstoß gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen.
100Die Vorschrift des § 16 a Abs. 1 Satz 1 TierSchG stellt keine hinreichende Eingriffsbefugnisnorm für die erlassene Ordnungsverfügung dar, sofern die seit mindestens 1960 praktizierte Tötung männlicher Eintagsküken nunmehr durch den Beklagten als Verstoß gegen die hier in Bezug genommene Vorschrift des § 1 Satz 2 TierSchG angesehen wird. Maßgebend hierfür sind folgende Erwägungen:
101Gemäß § 1 Satz 2 TierSchG darf niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Dabei handelt es sich zwar um ein unmittelbar geltendes Verbot, das gleichermaßen staatliche Organe wie Bürger bindet. Als Auffangtatbestand erfasst die Vorschrift damit grundsätzlich auch solche tierschädigenden Handlungen, die nicht unter eine der speziellen Gebots- oder Verbotsvorschriften des Tierschutzrechts fallen, gleichwohl aber Schmerzen, Leiden oder Schäden bei Tieren verursachen.
102Vgl. Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, Kommentar, 3. Auflage 2016,Rdnr. 9 zu § 1 TierSchG.
103Damit ist ein Rückgriff auf die Generalklausel des § 1 Satz 2 TierSchG möglich, wenn eine spezialgesetzliche Regelung fehlt, bzw. wenn sich aus einer spezialgesetzlichen Verbots- oder Gebotsvorschrift nichts anderes ergibt.
104Vgl. Caspar, Der vernünftige Grund im Tierschutzgesetz, NuR 1999, 577;Kluge, Tierschutzgesetz, Kommentar 2002, Rdnr. 5 zu § 1 TierSchG.
105Eine spezialgesetzliche Regelung hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen für das Töten von Tieren ‑ wie männlicher Eintagsküken ‑ aus wirtschaftlichen Gründen existiert nicht. Zwar enthält das Tierschutzgesetz zur Frage des „Ob“, also aus welchem Grund ein Tier getötet werden kann, einige Regelungen. Soweit § 16 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG die Befugnis der Tierschutzbehörde zum Töten eines Tieres regelt, bezieht sich dies nur auf Tiere, die dem Halter fortgenommen wurden. § 4 Abs. 1 TierSchG bezieht sich auf die Tötung von Wirbeltieren ohne Betäubung im Rahmen der waidgerechten Ausübung der Jagd oder im Rahmen zulässiger Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen. Durch § 4 Abs. 3 TierSchG werden die Voraussetzungen für das Töten von Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken geregelt. Die übrigen Tatbestände in der Vorschrift des § 4 TierSchG, die mit „Tötung“ betitelt ist, beziehen sich nicht auf die Frage des „Ob“ der Tötung, sondern regeln, wie dies zu geschehen hat. § 4 a TierSchG, betitelt mit dem Begriff „Schlachten“, fordert grundsätzlich das Betäubungserfordernis vor dem Schlachten und setzt somit die Zulässigkeit des Schlachtens voraus. Unter einer Schlachtung versteht man gemäß §§ 1, 4 Abs. 1 Nr. 3 des Fleischhygienegesetzes das Töten von Nutztieren unter Blutentzug, um deren Fleisch für den menschlichen Verzehr zu gewinnen. Um eine Schlachtung handelt es sich bei der Tötung von Eintagsküken indes nicht, weil deren Fleisch nicht für den menschlichen Verzehr gewonnen wird.
106Auch enthält das Tierschutzgesetz ansonsten keine spezialgesetzliche Regelung der Voraussetzungen für die Tötung von Tieren in anderen Fällen. Dazu bedarf es grundsätzlich auch keiner speziellen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Einzelfälle von Tötungen von Tieren ohne vernünftigen Grund dürfen auf der Grundlage der §§ 16 a Abs. 1 Satz 1 Satz 2 TierSchG ohne weiteres untersagt werden.
107Anders verhält es sich aber im vorliegenden Fall, weil es hier nicht um die Tötung von Tieren im Einzelfall geht, sondern um eine in der Geflügelproduktion seit Jahrzehnten mit Wissen und Billigung des Gesetzgebers gängige Praxis. Der im Rechtsstaatsprinzip und im Demokratiegebot wurzelnde Parlamentsvorbehalt gebietet es, in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich sind, alle wesentlichen Entscheidungen durch den Gesetzgeber zu treffen und diese nicht der Verwaltung zu überlassen.
108Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 24. September 2002
109- 2 BvR 1436/02 -, Amtliche Entscheidungen des Bundesverfassungs-gerichts (BVerfGE) 108, S. 282, 311; Urteil vom 6. Juli 1999‑ 2 BvF 3/90 - (Hennenhaltungsverordnung), BVerfGE 101, 1 ff.;Natur und Recht (NuR) 1999, 687 ff. = Neue Juristische Wochen-schrift (NJW) 1999, 3253 ff. = Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl.)1999, 1266 ff: = Juris.
110Zwar hat der Gesetzgeber für Fälle der Tötung von Tieren eine grundsätzliche Regelung in § 1 Satz 2 TierSchG vorgenommen, wonach niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf. Es mag auch vertretbar sei, der streitgegenständlichen Praxis der Tötung von Eintagsküken einen „vernünftigen Grund“ abzusprechen.
111Vgl. zum Meinungsstand: Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, a.a.O., Rdnr. 70 a zu § 17 TierSchG; Köpernik, Das Töten von Eintagsküken auf dem Prüfstand, Agrar- und Umweltrecht (AUR) 2015, 7 ff.; Ort, Zur Tötung unerwünschter neonater und juveniler Tiere, Natur und Recht (NuR) 2010, 853 ff.; Kluge, Tierschutzgesetz, Kommentar, 1. Auflage 2002 Rdnr. 168 zu § 17 TierSchG (Fehlen eines vernünftigen Grundes); anders: Steiling, Zu der Tötung von Eintagsküken – Fehlt es an einem vernünftigen Grund -, AUR 2015, 7 ff.
112Jedenfalls ist derzeit aber eine Untersagung der Tötung von Eintagsküken im Rückgriff auf die Generalermächtigung des § 16 a Abs. 1 Satz 1 TierSchG unzulässig.
113Vgl. VG Minden, Urteile vom 30. Januar 2015 ‑ 2 K 80/14 ‑ und 2 K 83/14, juris; Steiling, a.a.O.; Bender, Lebensschutz im Tierschutzrecht und der Vorbehalt des Parlaments, Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (NWVBl.) 2015, 212 ff.; anders: Hager, Die tierschutzrechtliche Generalklausel als Ermächtigungsgrundlage für ein Tötungsverbot, NuR 2016, 108 ff.
114Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Die Untersagungsverfügung der Beklagten, die auf die genannten Vorschriften gestützt ist, regelt die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte und seit Jahrzehnten tierschutzrechtlich unbeanstandet gebliebene Berufsausübung des Klägers und dessen durch Art. 14 GG geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Der Kläger betreibt die Brüterei mit der damit in Zusammenhang stehenden Tötung von ca. 90.000 männlichen Eintagsküken bereits seit mehreren Jahrzehnten mit Wissen und Billigung sowohl des Beklagten als auch dessen Aufsichtsbehörden. Gleich organisierte Betriebe, in denen ebenfalls männliche Eintagsküken getötet werden, weil sich Aufzucht und Vermarktung der Tiere in der Vergangenheit für die Betriebe ‑ ebenso wie für den Betrieb des Klägers ‑ als unwirtschaftlich darstellten, wurden und werden im Zuständigkeitsbereich und in Kenntnis anderer Tierschutzbehörden landes- und bundesweit betrieben. Die Praxis der Tötung männlicher Eintagsküken in Brüterei-betrieben ist ebenso dem Landes- und Bundesgesetzgeber und der Europäischen Kommission nicht nur bekannt, sondern sogar Gegenstand verordnungsrechtlicher Regelungen. Zunächst darf nach Nr. 3 der Anlage I zu § 12 Abs. 3 und 10 der Tierschutz-Schlachtverordnung – TierSchlV ‑ die Zerkleinerung bei Küken und bei nicht schlupffähigen Küken angewendet werden. Da damit die Art der Tötung von Küken geregelt wird, setzt dies voraus, dass der Verordnungsgeber insoweit einen Regelungsbedarf sah, was die Tatsache der Tötung von Küken und die Kenntnis hierüber voraussetzt. Auch Anhang I, Kapitel 1 Nr. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates vom 24. September 2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung sieht eine Zerkleinerung in Form der unmittelbaren Zerstückelung des gesamten Tieres für Küken mit einem Höchstalter von 72 Stunden vor und setzt damit einen Regelungsbedarf für die Art der Tötung dieser Küken voraus. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG schützt mit dem Gesetzesvorbehalt die Freiheit der Berufsausübung. Nach der auch im vorliegenden Fall zu beachtenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich das erkennende Gericht anschließt, ruft der Verfassungsgeber damit zugleich die Gesetzgebungsorgane auf, geboten erscheinende Regelungen der Berufsausübung mit Hilfe von Gesetzen zu treffen, und zwar nach Möglichkeit entsprechend den Belangen der jeweils berührten Lebensgebiete durch fachlich orientierte Gesetze . Danach kann und muss angesichts der unvorhersehbaren Vielgestaltigkeit aller Lebenserscheinungen zwar auch eine ordnungsrechtliche Generalklausel Geltung als ein die Berufsausübung regelndes Gesetz beanspruchen, soweit ihre Anwendung auf den Einzelfall durch die vollziehende Gewalt mit der Grundforderung des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar bleibt. Es muss aber der Gesetzgeber selbst sein, der unmittelbar durch die Generalklausel die Berufsausübung bereits geregelt hat. Das trifft zu, soweit die Generalklausel inhaltlich den Einzelfall hinreichend klar erfasst oder soweit sie zur unabweisbar notwendigen Regelung eines solchen Einzelfalls herangezogen wird, den die einzelnen Fachgesetze bei dem füglich zu erwartenden Perfektionsgrad der Gesetzgebung nicht zu erfassen vermögen. Dem Sinne des Gesetzesvorbehaltes in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG widerstreitet es aber, eine weit gespannte polizeiliche Generalklausel schlechthin als stets ausreichende Grundlage eines Eingriffs der Exekutive in die Berufsausübung zu verwenden. Hängt die Subsumtion eines Sachverhalts unter die gesetzliche Generalklausel von einer verwickelten, in das Gebiet der Weltanschauungen hineinreichenden, abwägenden Wertung einer Mehrzahl verschiedener Schutzinteressen ab und tritt die inhaltliche Anwendbarkeit der Generalklausel hierauf nicht klar zutage, so kann die Generalklausel nicht auf Einzelfälle angewendet werden, um der Sache nach das zu tun, was die Gesetzgebung bisher nicht getan hat. Dies folgt auch daraus, dass aus Gründen des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) die Maßnahme nicht auf einige Einzelfälle beschränkt bleiben kann, sondern für alle Fälle eine gesetzliche Regelung getroffen werden muss.
115Vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Juli 1999 – 2 BvF 3/90 , juris, Bundesver-waltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 25. Juli 2007 – 6 C 39.06 - Amtliche Entscheidungen des Bundesverwaltungsge-richts (BVerwGE) 129, S. 142, 149; Urteil vom 23. Februar 1960- I C 240.58 -, BVerwGE10, 164 ff. = NJW 1960, 1407 = DVBl. 1960, 482 = Die öffentliche Verwaltung (DÖV) 1960, 426 = Juris; Beschluss vom 24. Oktober 2001 – 6 C 3/01-, BVerwGE 115, 189 ff = Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2002, 598 ff. = DÖV 2002, 479 ff. = Juris.
116Eine vergleichbare Fallkonstellation ist hier aber gegeben, auch wenn die Tötung männlicher Eintagsküken bei dem Betrieb von Brütereien und der Produktion von Legehennen bereits seit Jahren praktiziert wird. Zu berücksichtigen ist zunächst, dass es sich dabei um eine Vorgehensweise in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung handelt, die dem Bundesgesetzgeber schon seit Jahrzehnten und somit schon seit dem Zeitpunkt vor Inkrafttreten des Tierschutzgesetzes vom 24. Juli 1972 bekannt war und ist. So wird etwa in der Unterrichtung des Deutschen Bundestages durch die Bundesregierung im Tierschutzbericht vom 1999 ausgeführt, auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung stelle sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Tötung von Eintagsküken aufgrund ihres Geschlechts. Durch die extreme Spezialisierung in der Hühnerzucht, auf Legelinien einerseits und Mastlinien andererseits, bestehe für den ganz überwiegenden Anteil der männlichen Tiere der Legelinien in der Geflügelwirtschaft keine Verwendung; sie würden bisher aus ökonomischen Gründen trotz bestehender ethischer Bedenken als Eintagsküken getötet. Um diese unbefriedigende Situation zu ändern, habe das Bundesministerium für Landwirtschaft ein Forschungsvorhaben in Auftrag gegeben, dessen Ziel die Entwicklung einer praxisreifen Methode zur Früherkennung „männlicher Leger“ bereits in Bruteiern sei. Bei diesem Verfahren solle ermöglicht werden „männlich determinierte Eier“ noch vor der Bebrütung auszusortieren. Erste Ergebnisse deuteten darauf hin, dass ein praktikables Verfahren zur Früherkennung männlicher Leger“ in Brütereien möglich sei.
117Vgl. Bundestag-Drucksache 14/600 vom 11. März 1999.
118Auch in jüngerer Vergangenheit ist die Tötung männlicher Eintagsküken auf bundespolitischer Ebene thematisiert worden. Dies zeigt das Aufgreifen der Thematik auf der Agrarministerkonferenz und den dort unter TOP 30 am 4. April 2014 in Cottbus gefassten Beschluss, den Bund zu bitten, die Forschungsaktivitäten für bessere Alternativen auch weiterhin intensiv zu unterstützen und schnellstmöglich Ergebnisse vorzulegen, mit dem Ziel, auf das Töten männlicher Eintagsküken zu verzichten.
119Bereits diese Äußerungen zeigen, dass das Problem der Tötung männlicher Eintagsküken aus wirtschaftlichen Gründen durchaus politisch erkannt wird, bis zur Verfügepraxis tauglicher Alternativen aber hingenommen werden soll.
120Auch die oben in Bezug genommenen verordnungsrechtlichen Regelungen verdeutlichen, dass die Tötung männlicher Eintagsküken keinen Tatbestand darstellt, der bislang vom Gesetz- und Verordnungsgeber noch nicht als regelungsbedürftig erkannt wurde, wodurch ein Rückgriff auf die Generalermächtigung eröffnet sein könnte. Hierfür spricht letztlich auch, dass die Fraktionen von CDU/CSU und SPD am 17. März 2016 im Bundestag der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft vom 26. Februar 2016 gefolgt sind und einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ausdrücklich abgelehnt haben, wonach das Töten von Eintagsküken mit einer angemessenen Übergangsfrist gesetzlich zu verbieten ist, die Bundesregierung aufgefordert wird, Forschungsprogramme zur Züchtung eines Zweinutzungshuhns zu intensivierten und ihre Entwicklungsbemühungen und Hilfen zur kurzfristigen Markteinführung des Verfahrens zur Geschlechter-Früherkennung im Ei mittels Infrarot-Spektroskopie zu verstärken sowie Förderprogramme aufzulegen, die kleinen und mittelständischen Brütereien die Investition in technische Anlagen erleichtern.
121Vgl. www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2016/kw11-angenommen-abgelehnt/...; Bundestag-Drucksache 18/7726 vom 26. Februar 2016 und Bundestag-Drucksache 18/4328 vom 18. März 2015.
122Dies alles belegt, dass dem Bundesgesetzgeber die Problematik ‑ insbesondere auch im Hinblick auf das Vorliegen eines vernünftigen Grundes für die Tötung der Küken ‑ bereits seit langem bekannt ist und auch zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Ordnungsverfügung bekannt war. Auch ist das Tierschutzgesetz in Kenntnis dieses Tatbestandes reformiert worden, zuletzt aufgrund des Dritten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom 4. Juli 2013, ohne dass eine klarstellende Regelung bezogen auf die Tötung männlicher Eintagsküken Eingang in das Tierschutzgesetz oder entsprechende Verordnungen gefunden hat. Demgegenüber ist es vielmehr so, dass der Gesetzgeber bislang in Kenntnis der Problematik keinen Anlass gesehen, eine konkretisierende gesetzliche Regelung zu treffen oder aber dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ‑ wie für andere Bereiche an die Tierhaltung oder den Transport erfolgt ‑ eine entsprechende Verordnungsermächtigung in § 2 a TierSchG einzuräumen, in der die Voraussetzungen für das Töten von Eintagsküken geregelt wird.
123Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich dabei auch nicht um eine bewusst vom Gesetzgeber in der Annahme der Anwendbarkeit des § 1 Satz 2 TierSchG auf die Tötung männlicher Eintagsküken unterbliebene gesetzliche Regelung. Zunächst belegt dies schon die genannte Ablehnung der jüngsten Gesetzesinitiative. Sodann betont auch der bereits erwähnte Tierschutzbericht, dass die vielfältigen Umstände, die Anlass zur Tötung eines Tieres sein können, einer allgemeinen Einteilung in rechtswidrige oder rechtmäßige Fälle nicht zugänglich sind, sondern nur das Abstellen auf den Einzelfall unter Einbeziehung aller für das Tier und seinen Halter wichtigen Faktoren zu einer der Situation des in der Obhut des Menschen lebenden Tieres angemessenen Entscheidung führen kann. (s. Bl. 52 des Berichts). Die nachfolgenden Ausführungen zur speziellen Problematik der Eintagsküken und das in Auftrag gegebene Forschungsvorhaben zeigen aber, dass die Praxis der Küken-tötung kein Anlass zu einer Regelung gegeben hat, diese offenbar damals als (noch) im Einklang mit dem geltenden Recht stehend angesehen wurde. Das dies auch aktuell noch der Fall ist, belegt besonders deutlich die jüngste Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grüne im Bundestag am 17. März 2016. Insbesondere verdeutlichen der dem Beschluss zugrunde liegende Beratungsverlauf und die Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, dass der Gesetzgeber sich des Problems der Tötung der männlichen Eintagsküken zwar bewusst ist, mehrheitlich jedoch ein gesetzliches Verbot desselben wegen der damit verbundenen „massiven Einschränkung der Berufswahlfreiheit der Brüterei-Betreiber“ als verfassungsrechtlich problematisch erachtet und das zügige Tötungsverbot männlicher Küken „die Gefahr in sich berge, dass sich die Tierschutzproblematik ins Ausland verlagere“.
124Vgl. Bundestag-Drucksache 18/7726 vom 26. Februar 2016.
125Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Gesetzgeber es derzeit auch nicht für erforderlich zu erachten scheint, die Voraussetzungen für die Abschaffung dieser Praxis mittels finanzieller Intensivierung entsprechender Forschungsvorhaben zum Zwecke des Erreichens der Umsetzbarkeit im praktischen Betriebsablauf der Brütereien zu fördern.
126All dies zeigt, dass die tierschutzrechtliche Wertung der Tötung männlicher Eintagsküken unter Berücksichtigung der verschiedensten Schutzinteressen ein komplexer Vorgang ist, der weder im Bewusstsein der Bevölkerung noch im politischen Raum mit dem erforderlichen Maß an Eindeutigkeit für die Anwendung der Generalklausel beantwortet werden kann. Dass die derzeitigen, demokratisch gewählten und damit den Meinungsstand in der Bevölkerung abbildenden politischen Mehrheiten im Deutschen Bundestag ein gesetzliches Verbot ganz offenkundig ablehnen, zeigt gerade, dass diese einen deutlichen Wertewandel in der Bevölkerung bezogen auf die Akzeptanz der Tötung männlicher Eintagsküken im Sinne eines günstigen Marktpreises für Eier trotz der bereits jahrelang andauernden Thematisierung in der Öffentlichkeit und den politischen Gremien noch nicht erkannt und für regelungsbedürftig befunden haben.
127Selbst wenn das Gericht ungeachtet der vorangegangenen Ausführungen die tierschutzrechtliche Generalklausel des § 16 a Absatz 1 Satz 1 TierSchG in Verbindung mit § 1 Satz 2 TierSchG als ausreichende gesetzliche Ermächtigung für die streitgegenständliche Untersagungsverfügung ansieht, ist die darauf verfügte Untersagung der Tötung männlicher Eintagsküken ab dem 1. Januar 2015, sofern nicht die in Nr. 2 der Ordnungsverfügung vom 18. Dezember 2013 geregelten Ausnahmen vorliegen, jedenfalls rechtswidrig. Dies gilt auch für den Fall eines unterstellten fehlenden vernünftigen Grundes für die Tötung der männlichen Eintagsküken, weil die Untersagungsverfügung ermessensfehlerhaft ist.
128Bei dem „vernünftigen Grund“ im Sinne der Vorschrift handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Dieser bedarf einer ausfüllenden Konkretisierung durch die Rechtsprechung. Aus dem in § 1 Satz 2 TierSchG niedergelegten Grundsatz des ethisch begründeten Tierschutzes folgt, dass nicht jede Erwägung der Wirtschaftlichkeit der Tierhaltung aus sich heraus ein „vernünftiger Grund“ im Sinne des § 1 Satz 2 TierSchG sein kann. Notwendig ist vielmehr auch insoweit ein Ausgleich zwischen den rechtlich geschützten Interessen der Tierhalter einerseits und den Belangen des Tierschutzes andererseits. Dem Gedanken der Güterabwägung entsprechend stellt sich der vernünftige Grund als eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar.
129Vgl. Caspar, Der vernünftige Grund im Tierschutzgesetz, a.a.O., s. 579.
130Die Prüfung umfasst damit ‑ neben der Frage, ob mit der Handlung überhaupt ein nachvollziehbarer, billigenswerter Zweck mit einem zulässigen Mittel verfolgt worden ist ‑ die einzelnen Elemente des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, nämlich die Geeignetheit, Erforderlichkeit und die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne als eine Nutzen-Schaden-Abwägung. Soweit sich aus einer Abwägung der widerstreitenden Güter und Belange, wobei die Wertungen des Staatsschutzziels Tierschutz aus Art. 20 a GG mit anderen grundrechtlich geschützten Belangen zu berücksichtigen sind, noch kein eindeutiges Ergebnis ergibt, sind auch die mehrheitlichen Wert- und Gerechtigkeitsvorstellungen als Maßstab heranzuziehen.
131Vgl. Hirt / Maisack / Moritz, a.a.O. Rdnrn. 49 ff. zu § 1 TierSchG, 9 zu § 17 TierSchG.
132Ausgehend davon liegt ein vernünftiger Grund für das Töten von Tieren jedenfalls dann vor, wenn sie zu dem Zweck der Nahrungsgewinnung für Mensch und Tier getötet werden. Für die Tötung zur Nahrungsgewinnung für den Menschen ergibt sich dies daraus, dass das Tierschutzgesetz selbst das Schlachten von Tieren, also das Töten zur Nahrungsgewinnung voraussetzt. Auch dürfen Tiere dann getötet werden, wenn dies zur Vermeidung von Leiden dient. Eine Tötung von Tieren aus wirtschaftlichen Gründen sieht das Tierschutzgesetz indes grundsätzlich nicht als vernünftigen Grund an. Allerdings ist in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die Tötung etwa eines kranken oder verletzten (Fund-)tieres auch in Betracht kommen kann, wenn die tierärztlichen Behandlungskosten unverhältnismäßig hoch sind, womit letztlich wirtschaftliche Gründe vorliegen.
133Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2013 – 8 B 60/12 -, Juris;Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 23. April 2012– 11 LB 267/11 ‑, Juris; Sächsisches Oberverwaltungsgericht,Beschluss vom 13. August 2012 - 3 A 419/11 -, Juris.
134Auch wenn die Kommentarliteratur die wirtschaftlichen Interessen, die zur Tötung der männlichen Eintagsküken führen, nicht als vernünftigen Grund anerkennt und als Verstoß gegen die mehrheitlichen Wert- und Gerechtigkeitsvorstellungen sowie einen Widerspruch zum Grad der Sensibilisierung, der in der bundesdeutschen Gesellschaft zur Mensch-Tier-Beziehung erreicht worden sei, ansieht,
135vgl. Hirt/Maisack/Moritz, a.a.O. Rdnr. 70 zu § 17 TierSchG; Lorz/Metzger,Tierschutzgesetz, Kommentar, 2008, Rdnr. 17 Anhang 1 zu § 1TierSchG; Kluge, Tierschutzgesetz, Kommentar 2002, Rdnr. 168 zu§ 17 TierSchG, Caspar a.a.O.,
136zumal das unternehmerische Konzept von vornherein von „50 % Tierabfall“ ausgehe, erscheint ein Bewusstseinswandel in großen Teilen der Gesellschaft zu dieser Frage jedoch zumindest fraglich. Nach wie vor werden von den Verbrauchern in erster Linie konventionelle Eier zu einem günstigen Preis konsumiert. Der Anteil an Bio-Eiern am gesamten Eierverbrauch in Deutschland lag im Jahr 2012 bei fast 9 %; der ÖKO-Anteil bei Masthähnchen allerdings nur bei knapp 1 %(vgl. „Marktchancen für ökologische Legehennenhalter und Mastgeflügelerzeuger, Internetseite der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft( www.lfl.bayern.de/iem/oekolandbau). Zudem ist es bislang so, dass selbst die überwiegende Mehrheit der 5,5 Millionen Bio-Legehennen aus konventionellen Züchtereien kommt. Ab Anfang September 2014 bot die G1. Brüterei in N3. -W. als erste große Bio-Brüterei in Deutschland Bio-Küken an, deren Eltern ebenfalls aus einer Bio-Haltung stammen. Diese Brüterei will langfristig dafür sorgen, dass männliche Küken von Legehennen ebenfalls aufgezogen und nicht getötet werden. (www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/erste-bio-brueterei-deutschlands-startet-im -september-a-980542.html). Im Jahr 2013 gab es in Deutschland etwa 38,4 Millionen Legehennen, davon rund 3,3 Millionen Biohennen. Parallel wurden ca. 10. 000 Bruderhähne aufgezogen (vgl. Antwort der Niedersächsischen Landesregierung vom 2. Juni 2014, Drucksache 17/1604). Diese Zahlen belegen indes, dass zwar im Hinblick auf den tierschutzrechtlichen Aspekt theoretisch ein Umdenkungsprozess in großen Teilen der Bevölkerung eingesetzt haben mag, dieser jedoch nach außen durch ein verändertes Konsumverhalten bezogen auf den Eier- und Geflügelfleischkauf noch nicht objektiv belastbar in Erscheinung tritt. Darauf, wie diese Umstände im Rahmen des Begriffs des vernünftigen Grundes letztlich zu gewichten sind, kommt es jedoch im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich an, weil die Untersagungsverfügung jedenfalls ermessensfehlerhaft ist.
137Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie das Ermessen gemäß § 40 VwVfG NRW entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung auszuüben und die Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung einzuhalten. Die Untersagung der Tötung männlicher Eintagsküken ab dem 1. Januar 2015 auf der Grundlage des § 16 a Abs. 1 Satz 1 TierSchG ist zwar geeignet, eine Tötung der Tiere ohne vernünftigen Grund im Sinne des § 1 Satz 2 TierSchG zu verhindern. Sie ist wohl auch erforderlich, weil derzeit kein für den Kläger weniger belastendes, aber ebenso effektives Mittel zur Vermeidung der Tötung männlicher Eintagsküken zur Verfügung steht. Allerdings stellt sich die Untersagungsverfügung als unverhältnismäßig im engeren Sinne dar: Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist vorliegend der Zweck der tierschutzrechtlichen Ordnungsverfügung, die Tötung von männlichen Eintagsküken ab dem 1. Januar 2015 im Betrieb des Klägers zu verhindern, gegen die berechtigten Interessen des Klägers abzuwägen. Die Untersagung darf den Kläger dabei nicht unzumutbar in grundrechtlich geschützten Positionen beeinträchtigen. Das ist jedoch derzeit noch der Fall.
138Der Beklagte hat dem Kläger keine realistischen Alternativen aufgezeigt, wie er die mit der Untersagung der Tötung der männlichen Eintagsküken verbundenen ganz erheblichen wirtschaftlichen Einbußen, bzw. eine wirtschaftlich vertretbare Umstrukturierung seines Betriebes in einem realistischen Zeitraum bewältigen kann.
139Bereits seit Jahren betreibt der Kläger mit Wissen und Billigung des Beklagten seine Brüterei. Ebenso tötet er seit Jahren, sein Rechtvorgänger ca. seit 1951, mit Wissen und Billigung des Beklagten die dabei ausgebrüteten männlichen Eintagsküken, ohne dass dies durch den Beklagten bislang tierschutzrechtlich beanstandet worden wäre. Dies ergibt sich auch aus der Stellungnahme der Beklagten, wonach die Praxis der Verbringung der Tiere in einen mit CO2 gefüllten Behälter, wo sie innerhalb kurzer Zeit verendeten, bisher nicht zu Beanstandungen geführt habe. Auch ist die Praxis der Kükentötungen in Brütereien in Deutschland und im Ausland, wie bereits oben ausgeführt, bisher üblich gewesen, ohne dass eine Tierschutzbehörde hiergegen eingeschritten wäre oder der Gesetz- oder Verordnungsgeber einen Anlass für deren Untersagung gesehen hat. Dementsprechend ist der Betrieb des Klägers seit Jahrzehnten auf diese Produktionsweise ausgerichtet, sodass die Untersagung dieser Praxis derzeit einer Aufgabe der Brüterei des Kläger gleichkommt oder doch zumindest umfangreiche Umstrukturierungen seines Betriebes erfordert, soll er zukünftig die männlichen Legehybriden aufziehen. Der Tierschutz ist ein wichtiger Gemeinwohlbelang, was durch die verfassungsrechtliche Verankerung in Art. 20 a GG verdeutlicht wird. Ihm kommt jedoch kein einseitiger Vorrang zu. Tierschutzrechtliche Regelungen müssen in ausgewogener Weise sowohl den betroffenen Grundrechten als auch den Zielen des ethischen Tierschutzes Rechnung tragen.
140Vgl. BVerfG, Urteile vom 15.01.2002 - 1 BvR 1783/99 -, BVerfGE 104,337, vom 6. Juli 1999 – 2 BvF 3/90 -, Neue Juristische Wochenschrift(NJW) 1999, 3253; OVG NRW, Beschluss vom 28. Februar 2013– 20 B 90/13 –.
141Dies gilt auch hinsichtlich tierschutzrechtlicher Einzelanordnungen, die sich stets an einer Abwägung der sich widerstreitenden verfassungsrechtlich geschützten Positionen messen lassen müssen. Danach gilt hier Folgendes: Den gewichtigen tierschutzrechtlichen Belangen, zukünftig auf eine Tötung männlicher Eintagsküken in der Legehennenproduktion in Form der Brüterei des Kläger zu untersagen, steht die nach Art. 12, 14 GG eigentums- und berufsrechtlich geschützte Position gegenüber, seine Jahrzehnte ausgeübte Betriebspraxis unter Beibehaltung der Tötung männlicher Eintagsküken fortzusetzen, bis eine für ihn bei Ausübung des Brütereibetriebs praktisch und wirtschaftlich umsetzbare Alternative besteht. Dass eine solche Alternative ab dem 1. Januar 2015 zur Verfügung steht, hat der Beklagte in seiner Interessenabwägung jedenfalls nicht hinreichend dargelegt.
142Dabei verweist er nämlich lediglich auf den bestehenden betrieblichen Umstellungsbedarf und die Möglichkeit, die Erzeugung weiblicher Küken sei für den Kläger weiterhin möglich. Was mit den männlichen Küken zu geschehen hat, lässt der Beklagte in seiner Ermessensausübung indes offen. Insoweit verweist der Beklagte lediglich darauf, der Kläger könne auch die männlichen Tiere zu Mastzecken verwenden, wenn auch mit weniger Mastleistung als die weiblichen. Wie der Kläger dies in seinem Betriebsablauf verwirklichen soll und welcher finanzielle Aufwand damit verbunden sein wird, legt der Beklagte in seinem Bescheid nicht dar. Gerade angesichts der bekannten Schwierigkeiten, die in nicht hinreichend nachgewiesenen Vermarktungsmöglichkeiten der männlichen Tiere der Legelinien bestehen und bislang, soweit aus der allgemeinen Presseberichterstattung ersichtlich, nicht vor Ende 2017 mit Hilfe in der Praxis verwendbarer Spektrometer zur Geschlechterfrüherkennung im Ei lösbar wären, wäre dies jedoch erforderlich gewesen. Soweit er darauf verweist, der Kläger habe die von ihm behauptete Gefährdung wirtschaftlicher Grundlagen seines Betriebes ebenso wenig weiter dargelegt wie deren Gefährdung, reicht dies für eine ausreichende Berücksichtigung der Belange des Klägers nicht aus. Dabei verkennt der Beklagte die Darlegungs- und Beweislast im Untersagungsverfahren auf der Grundlage des § 16 a Abs. 1 Satz 1 TierSchG mit den hiermit verbundenen weitreichenden Folgen. Mit Anhörungsschreiben vom 14. Oktober 2013 hat der Beklagte dem Kläger lediglich mitgeteilt, die Untersagung der Tötung zu beabsichtigen, weil diese einen Verstoß gegen § 1 Satz 2 TierSchG darstelle und ihm Gelegenheit gegeben, sich zu der beabsichtigen Maßnahme zu äußern. Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 4. November 2013 auf seine wirtschaftliche und existentielle Situation hingewiesen hat, hat der Beklagte dies nicht zum Anlass genommen, den Sachverhalt insoweit weiter aufzuklären. Dies wäre jedoch nach § 24 Abs. 1 VwVfG NRW erforderlich gewesen, weil die Behörde danach den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt. Dazu gehören aber auch die wirtschaftlichen Folgen einer Untersagungsverfügung, wenn ‑ wie hier ‑ der Erlass eines erheblich in die Rechte des Betroffenen eingreifenden Verwaltungsaktes beabsichtigt ist. Zu diesem Zweck formuliert das Tierschutzgesetz in § 16 TierSchG als die den Untersuchungsgrundsatz konkretisierende Vorschrift zahlreiche Rechte der Tierschutzbehörde und damit korrespondierende Pflichten des Tierhalters.
143Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. November 2012 ‑ 20 B 505/12 ‑.
144Der Beklagte hat seine Ermessenserwägungen insoweit auch nicht in zulässigem Rahmen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzt. Gemäß § 114 Satz 2 VwGO kann die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsakts auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen. Hier hat der Beklagte zwar im verwaltungsgerichtlichen Verfahren seine Ermessenserwägungen vertieft. Mit der wirtschaftlichen Bedeutung der Untersagung der Tötung männlicher Küken und für den Kläger realistisch und wirtschaftlich umsetzbarer Alternativen hat der Beklagte sich dabei jedoch im Einzelnen nicht beschäftigt. Letztlich verweist er in seinem Schriftsatz vom 5. Januar 2015 auf die Fortschritte bei den Forschungsansätzen zur Geschlechterbestimmung im Ei, die jedoch nach einhelliger Auffassung noch keine Praxistauglichkeit für Brütereien erreicht haben. Es ist derzeit auch noch nicht absehbar, ob und wann eine Methode für den breiten Einsatz in der Praxis reif sein wird. Auch die Aufzucht der männlichen Küken und deren Vermarktung als Stubenküken werden derzeit als sehr kritisch eingeschätzt, zumal es sich um ein Erzeugnis für den Nischenmarkt mit sehr geringem Anteil an der Gesamtzahl jährlich schlüpfender Küken handeln würde. Bei der sogenannten Bruderhahninitiative des Landes Niedersachen ergaben sich Kosten von ca. 10 €/je kg Jungmasthahn, die daher derzeit ebenfalls als Nischenprodukt insbesondere im Bereich Delikatesse/Feinkost einzustufen sind. Hinsichtlich der durch die Kreuzung von Mast- und Legelinien gezüchteten „Doppelnutzungstiere“ mit rentabler Mast- und Legeleistung gibt es derzeit noch keine „Zweinutzungslinien“, die sich unter ökonomischen Gesichtspunkten für den breiten Einsatz für die Mast und Eierproduktion eignen würden. Auch der Versuch, eine längere Legehennenhaltung mit der Folge einer geringeren Ausbrütungsfrequenz weiblicher und männlicher Küken und einer um 10 % reduzierten Legeleistung muss die allgemeine Praxistauglichkeit dieser Methode noch in größeren Betrieben getestet werden.
145Vgl. TOP 30 des Protokolls der Amtschef- und Agrarministerkonferenzvom 2. bis 4. April 2014 in Cottbus, Seiten 2 – 6.
146Diese ‑ allgemein anerkannten ‑ Erkenntnisse hat der Beklagte weder in dem angefochtenen Bescheid noch in seinen klageerwidernden Stellungnahmen mit gewichtigen Gründen in Zweifel gezogen bzw. entkräftet. Daher lassen seine Ermessenserwägungen vermissen, wie diese Alternativen in der Betriebsorganisation der Brüterei des Klägers so umgesetzt werden können, dass diesem nicht ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden bzw. eine Betriebsaufgabe drohen wird. Insbesondere verfängt der Hinweis des Beklagten auf eine mögliche längere Nutzungsdauer der Legehennen nicht, weil der Kläger nach seinem unwidersprochen gebliebenen Vortrag gar keine Legehennen aufzieht.
147Dies gilt umso mehr, als es sich bei der Kükentötung nicht nur um eine in Nordrhein-Westfalen, sondern weltweit praktizierte Verfahrensweise handelt, so dass der Wettbewerb mit außerstaatlichen Eierproduktionen, insbesondere im europäischen Ausland, in die Ermessenserwägungen hätte mit einbezogen werden müssen.
148Da bereits die Untersagung der Tötung männlicher Eintagsküken ab dem 1. Januar 2015 damit rechtswidrig ist, bedarf es keiner weiteren Ausführungen zu den in Nummer 2 der Verfügung dazu formulierten Ausnahmen. Auch die Zwangsgeldandrohung ist mangels Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung gleichfalls rechtswidrig.
149Mit dem zu 2. gestellten Antrag, festzustellen, dass die in dieser Verfügung des Beklagten untersagte Tötung männlicher Eintagsküken nicht gegen § 17 TierSchG und auch nicht gegen § 1 Satz 2 TierSchG verstößt, ist die Klage als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft, bleibt jedoch im Ergebnis ohne Erfolg.
150Nach dieser Vorschrift kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.
151Als feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO werden rechtliche Beziehungen angesehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben.
152Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 21. Auflage 2015, Rdnr. 24zu § 43 VwGO.
153Die streitige Beziehung muss sich weiter durch ein dem öffentlichen Recht zuzurechnendes Verhalten zu einer konkreten Rechtsbeziehung verdichtet haben. Dies setzt voraus, dass die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist. Das Erfordernis einer Verdichtung der Rechtsbeziehung zu einem konkreten Rechtsverhältnis rechtfertigt sich aus dem Anliegen, den Verwaltungsgerichten nicht die Beantwortung abstrakter Rechtsfragen aufzubürden.
154Vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Januar 2010 – 8 C 19.09 -, juris; vom23. Januar 1992 - 3 C 50.89 -, BVerwGE 89, S. 327; OVG NRW,Urteil vom 25. November 2009 – 13 A 1536/09 -, juris; Beschlussvom 8. Dezember 2014 - 13 A 1505/14 -, juris.
155Betrifft die Feststellungsklage jedoch schwerpunktmäßig die Frage, ob der Kläger sich strafbar macht, etwa wegen Verstoßes gegen Bestimmungen des Nebenstrafrechts, betrifft dies ein auf Sanktionierung mit Mitteln des Strafrechts betreffendes Verfahren, das auf eine andere Rechtsfolge gerichtet ist, als das verwaltungsrechtliche Verfahren.
156Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. Dezember 2014 – 13 A 1505/14 -, a.a.O..
157So liegt der Fall hier, soweit der Feststellungsantrag auf die Frage gerichtet, dass die Tötung männlicher Eintagsküken nicht gegen § 17 TierSchG verstößt. § 17 TierSchG, der jedoch schon mit der Normüberschrift „Straftaten“ tituliert ist, enthält ausschließlich Straftatbestände. Damit zielt der vom Kläger gestellte Antrag jedoch darauf, dass das Töten männlicher Eintagsküken keinen Straftatbestand erfüllt. Dies betrifft indes nicht die Frage, was verwaltungsrechtlich erlaubt ist und was nicht. Das tierschutzrechtliche Verfahren hat die Vermeidung von Gefahren für das Wohl der Tiere zum Gegenstand. Zweck des Gesetzes ist nach § 1 Satz 1 TierSchG die umfassende Bewahrung des Lebens und Wohlbefindens des Tieres.
158Vgl. Hirt/Maisack/Moritz, a.a.O., Rdnr. 1 zu § 1 TierSchG.
159Mit den Mitteln des Verwaltungsrechts, etwa des Erlasses von Ordnungsverfügungen gemäß § 16 a TierSchG oder Erlaubnissen nach § 11 TierSchG sollen Gefahren für dieses Ziel verhindert bzw. beseitigt werden. Demgegenüber handelt es sich bei der Vorschrift des § 17 TierSchG um eine reine Strafvorschrift. Danach wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer unter anderem ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet. Die Vorschrift ist allein auf eine Sanktionierung dieses Verhaltes gerichtet.
160Dass ein Verstoß gegen verwaltungsrechtliche Vorschriften einen Teilaspekt der strafrechtlichen Prüfung bildet, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn ein zwischen den Beteiligten des Verwaltungsverfahrens bestehendes Rechtsverhältnis wird schon deshalb nicht begründet, weil nicht der Beklagte als überwachende Tierschutzbehörde, sondern die Staatsanwaltschaft zur Strafverfolgung berufen ist.
161Vgl. dazu, insbesondere zur Abgrenzung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens zum Strafverfahren: OVG NRW, Beschluss vom 8. Dezember 2014, a.a.O..
162Im Übrigen verfügt der Kläger ‑ das Vorliegen eines Rechtsverhältnisses unterstellt ‑ nicht über das für die Zulässigkeit der Feststellungsklage darüber hinaus erforderliche Feststellungsinteresse. Das Vorliegen des Feststellungsinteresses ist vom Kläger nachzuweisen.
163Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung kann zwar auch vorliegen, wenn dem Kläger ohne die Klärung der zur Feststellung beantragten Zweifelsfragen eine Strafanzeige droht. Denn es ist dem Betroffenen nicht zuzumuten, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen auf der Anklagebank erleben zu müssen. Zulässig ist insoweit jedoch grundsätzlich nur eine Feststellungsklage hinsichtlich der Frage, was dem Kläger verwaltungsrechtlich erlaubt oder verboten ist.
164Vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., Rdnr. 24 zu § 43 VwGO.
165Auf die Klärung einer verwaltungsrechtlichen Zweifelsfrage bezieht sich der angekündigte Feststellungsantrag jedoch nicht. Denn die Staatsanwaltschaft bzw. das Strafgericht nimmt eine eigenständige Prüfung der Frage vor, ob für das Töten von Eintagsküken ein vernünftiger Grund im Sinne des § 17 TierSchG vorliegt oder nicht.
166Vgl. Landgericht N1. , Beschluss vom 7. März 2016– 2 KLs-540 Js 290/15-7/15.
167Soweit der Kläger mit dem Antrag des Weiteren die Feststellung beantragt, dass für die Tötung der männlichen Eintagsküken nicht gegen § 1 Satz 2 TierSchG verstößt, steht dem Feststellungsantrag die Vorschrift des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO entgegen. Danach kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Das ist hier der Fall. Gegen die Ordnungsverfügung des Beklagten, durch die ihm die Tötung der Eintagsküken mangels vernünftigen Grundes untersagt wurde, hat der Kläger mit Erfolg Anfechtungsklage erhoben. Sollte der Beklagte zukünftig noch einmal gegenüber dem Kläger eine Ordnungsverfügung erlassen, durch die diesem die Tötung männlicher Eintagsküken mangels vernünftigen Grundes untersagt werden soll, steht dem Kläger dagegen wiederum die Möglichkeit der Anfechtungsklage offen.
168Welches spezielle Interesse der Kläger darüber hinaus an der begehrten Feststellung hat, insbesondere welchen Maßnahmen des Beklagten er sich in Zukunft im Hinblick auf seine Betriebsführung ausgesetzt sieht, die nicht in Form einer tierschutzrechtlichen Ordnungsverfügung mit Anfechtungsmöglichkeit erlassen werden, hat der Kläger weder dargelegt, noch sind solche ansonsten ersichtlich.
169Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Da der Kläger mit der vorliegenden Klage teilweise obsiegt hat und teilweise unterlegen ist, ist es entsprechend des Umfangs des Obsiegens bzw. Unterliegens angemessen, ihm 1/3 und dem Beklagten 2/3 der Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
170Die Berufung gegen das Urteil wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen.