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1. Die aufschiebende Wirkung der unter dem Az. 8 K 710/17 anhängigen Klage der Antragstellerin gegen die der Beigeladenen erteilte Genehmigung betreffend die Errichtung von 6 Windenergieanlagen vom 30. Dezember 2016 wird wiederhergestellt.
2. Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte
3. Der Streitwert wird auf 11.250 € festgesetzt.
G r ü n d e:
2I.
3Die Antragstellerin, eine nach dem Bundesnaturschutzgesetz anerkannte Vereinigung, wendet sich gegen die sofortige Vollziehung eines der Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheides. Die Beigeladene beabsichtigt die Errichtung von 6 Windenergieanlagen (WEA) auf den Grundstücken Gemarkung O. G1 bis G3. Die Anlagen sollen baugleich sein; die Höhe der Naben beträgt 149,08 m über Grund und die Rotoren haben einen Durchmesser von 115,71 m; daraus ergibt sich eine Gesamthöhe über Geländeoberkante von 206,93 m. Die geplanten Standorte liegen auf einem Höhenzug, der sich im Wesentlichen von Norden nach Süden erstreckt und jedenfalls überwiegend bewaldet ist. Die Geländehöhen (Quelle: „www.tim-online.nrw.de“ der Bezirksregierung Köln, Abteilung Geobasis, Höhenlinien der DGK5) bewegen sich zwischen 463 m über NN am Standort 6 und 491 m über NN am Standort 4. Der größte Abstand zwischen den geplanten Anlagen (Nr. 1 im Nordwesten und Nr. 6 im Südosten) beträgt etwa 1540 m, die geringste Entfernung besteht zwischen den Anlagen 1 und 2 (287 m). Das Gelände, das unter den Bezeichnungen „O Stadtwald“ und „L1. “ bekannt ist, wird von zahlreichen Wanderwegen des Sauerländischen Gebirgsvereins durchzogen (Quelle: www.tim-online.nrw.de, Freizeitinformationen). Zu den vorhandenen Freizeiteinrichtungen gehört unter anderem der auf das Jahr 1893 zurückgehende und im Jahr 1986 durch die Stadt O. erneuerte R. turm, der sich südlich der geplanten Anlagen auf einer Höhe von 514 m über NN befindet und selbst 14 m hoch ist. Die Entfernung zwischen diesem Aussichtspunkt und dem nächstgelegenen Anlagenstandort (Anlage 5) beträgt etwa 800 m. Von dem L1. aus fällt das Gelände unter anderem in Richtung Westen auf die Ortschaft E. der Stadt Q. hin ab; die Ortsmitte von E. (Kirche/Gemeindehaus) liegt auf einer Höhe von 370 m über NN. Die Entfernung zwischen dieser Örtlichkeit und den Standorten der Anlagen 4 und 5 beträgt etwa 1270 m (Anlage 4) und 1290 m (Anlage 5). Auch die umliegenden Ortschaften liegen deutlich tiefer als das L1. -Gebiet: Die Ortsmitte von Q. -F. (Kirche) im Nordwesten liegt auf einer Höhe von etwa 320 m; der Bahnhof von O. im Südosten liegt auf etwa 300 m über NN.
4Der L1. wird von der Ordnungsbehördlichen Verordnung zur Festsetzung des Landschaftsschutzgebietes „N1. Kreis“ im Regierungsbezirk B. vom 18. August 2006 (Amtsblatt für den Regierungsbezirk B. S. 295 ff.) erfasst, die sich in § 2 näher über ihren Schutzzweck äußert. Danach erfolgt die Unterschutzstellung unter anderem zur Erhaltung, Entwicklung und Wiederherstellung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes einer wald- und wasserreichen Mittelgebirgslandschaft, die unter anderem im Wesentlichen geprägt wird durch ein bewegtes Relief mit einem hohen Anteil an steilen Hanglagen und zahlreichen tief eingeschnitten Flusstälern (§ 2 Abs. 1 Nr. 1), sowie zur Sicherung der Vielfalt, Eigenart und Schönheit des Landschaftsbildes, das vor allem durch die landwirtschaftlich genutzten Offenlandbereiche in der ansonsten weitgehend bewaldeten Mittelgebirgslandschaft sowie das stark bewegte Relief charakterisiert wird; typische Landschaftselemente wie Gewässer, bewaldete Hügelkuppen, Gehölzstrukturen, Terrassenkanten und Quellen schaffen eine abwechslungsreiche und reich strukturierte Landschaft (§ 2 Abs. 1 Nr. 2). Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung bestand auf dem Gebiet der Stadt O. eine Darstellung im Flächennutzungsplan der Stadt zur Nutzung der Windenergie im Sinne von § 35 Abs. 3 S. 3 des Baugesetzbuches (BauGB). Der hiervon betroffene Bereich erstreckte sich südlich der Ortschaft B1. der Stadt O. ; er wird – soweit aus dem Kartenmaterial ersichtlich – überwiegend landwirtschaftlich und in seinem südlichen Teil auch forstwirtschaftlich genutzt.
5Die Beigeladene wirkt jedenfalls seit dem Jahre 2013 darauf hin, die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die geplanten Objekte auf dem L1. herbeizuführen. Einem Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten an die Beigeladene vom 20. Oktober 2016 (Bl. 1095 ff der Beiakte – BA – III) ist zu entnehmen, der Antragsgegner habe sich bereits im Frühjahr 2013 in einer E-Mail zum Umfang der notwendigen Untersuchungen zum Naturschutz und zur Landschaftspflege geäußert. In einem Schreiben der Firma F1. Umweltgutachten GbR aus E1. an die Beigeladene vom 20. Oktober 2016 (Bl. 1106 ff der BA III) heißt es, die Abstimmungen zu den Untersuchungsumfängen seien mit dem Antragsgegner frühzeitig abgestimmt worden; die abgestimmten Erfassungen seien im Oktober 2013 abgeschlossen gewesen. In einem internen Schreiben des Fachdienstes 43 des Antragsgegners an den Fachdienst 46 vom 16. November 2016 (Bl. 1167 ff der BA III) wird festgehalten, es habe am 14. Februar 2013 auf Wunsch der Stadt O. unter anderem mit Vertretern der Beigeladenen und Bediensteten des Antragsgegners ein Gespräch stattgefunden, bei dem die in der Planung befindlichen Vorrangflächen auf dem L1. erörtert worden seien. Gegenstand der Besprechung sei auch der Umfang der erforderlichen faunistischen Untersuchungen gewesen.
6Der Beigeladenen und den mit dem Vorhaben befassten Behörden ist seit langem bewusst, dass die Zulassung von Windenergieanlagen auf dem L1. eine Änderung des geltenden Landschaftsschutzrechts und des gemeindlichen Planungsrechts erfordert. In diesem Zusammenhang fand am 2. Februar 2016 in den Räumen des Bürgermeisters der Stadt O. eine Besprechung statt, an der neben Bediensteten der Stadt und des Antragsgegners ein Vertreter der Bezirksregierung sowie der Geschäftsführer und der Projektleiter der Beigeladenen zugegen waren (Bl. 1183 ff. der BA III). Zum Gegenstand „Landschaftsschutz“ wurde festgestellt, es handele sich hierbei um eine der Planung entgegenstehende gesetzliche Grundlage, die „zunächst einmal ein Bauverbot“ auslöse. Der Bedienstete der Bezirksregierung stellte drei mögliche Szenarien vor, nämlich die Erteilung einer Befreiung seitens des Antragsgegners, die Entlassung des in Rede stehenden Gebiets aus der Landschaftsschutzverordnung durch die Bezirksregierung und schließlich eine Änderung der Verordnung durch Aufnahme von Ausnahmetatbeständen in Bezug auf die Errichtung von Windenergieanlagen. Die Bezirksregierung entschied sich für die dritte Variante und erließ am 11. November 2016 die Ordnungsbehördliche Verordnung zur Änderung der Ordnungsbehördlichen Verordnung vom 18. August 2006 (Amtsblatt für den Regierungsbezirk B. S. 397 f), mit der sie § 5 „Ausnahmen und Befreiungen“ durch den Einschub eines zweiten Absatzes mit folgendem Wortlaut änderte:
7„Innerhalb der in der Landschaftsschutzkarte dargestellten Konzentrationszone für Windenergieanlagen sind von den Verboten des § 3 Abs. 1 von der unteren Landschaftsbehörde Ausnahmen für die Errichtung von Windenergieanlagen sowie der jeweilig erforderlichen Erschließungsanlagen zuzulassen, sofern bei dem entsprechenden Vorhaben vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft unterlassen werden. Beeinträchtigungen sind vermeidbar, wenn zumutbare Alternativen, um den mit dem Eingriff verfolgten Zweck am gleichen Ort ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu erreichen, gegeben sind.“
8Im weiteren Text der Verordnung wird Bezug genommen auf beigefügtes Kartenmaterial, nach welchem zum einen die bisherige Vorrangflächen aus dem Flächennutzungsplan der Stadt O. für Windenergieanlagen südlich der Ortschaft B1. in den Geltungsbereich des Landschaftsschutzgebietes ausgenommen werden und im Übrigen das Gebiet „L1. “ als von dem neuen Ausnahmetatbestand betroffen dargestellt ist. Bereits zuvor hatte die Stadt O. Arbeiten zur Änderung ihres Flächennutzungsplans aufgenommen. Es war beabsichtigt, die Vorrangfläche für die Windkraft im Bereich B1. aufzugeben und eine entsprechende Fläche auf dem L1. darzustellen. Mit Verfügung vom 20. September 2016 (Bl. 91 BA I) genehmigte die Bezirksregierung diese Planänderung.
9Unter dem 18. Mai 2016 beantragte die Beigeladene bei dem Antragsgegner die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die geplanten 6 Windenergieanlagen, wobei sie zunächst nur die für die Luftfahrtbehörden notwendigen Unterlagen vorlegte. In späteren Verfahrensabschnitten wurde der Antrag ergänzt. Im Zuge der Bearbeitung dieses Antrags waren die Fachdienste des Antragsgegners unterschiedlicher Auffassung darüber, ob das Vorhaben genehmigungsfähig sei. Unter anderem deshalb fand am 21. November 2016 eine Besprechung statt, an welcher der Geschäftsführer und der Projektleiter der Beigeladenen sowie der sachbearbeitende Verfahrensbevollmächtigte und auch ein Bediensteter des zuständigen Ministeriums teilnahmen (Bl. 552 BA I). Hierbei wurden auf der Grundlage einer Synopse (Blatt 462 ff BA I; Blatt 1155 ff BA III) die diversen Einwendungen gegen das Vorhaben der Beigeladenen erörtert. Das über diesen Termin errichtete Protokoll wurde der Beigeladenen zugeleitet und von dieser nicht in jeder Hinsicht gebilligt (Blatt 556 BA I). Ende Dezember hatte der Antragsgegner den Entwurf der beantragten Genehmigung erstellt, den er der Beigeladenen unter dem 27. Dezember 2016 zuleitete (Blatt 209 BA I), die sodann einige Änderungswünsche formulierte (Blatt 242 ff BA I). Zuvor, am 22. Dezember 2016, hatte der Antragsgegner eine Allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) vorgenommen (Blatt 190 BA I, Blatt 577 BA II), die sich unter anderem mit dem Landschaftsbild befasst, das von einem „durchschnittlich gebildeten Mitteleuropäer“ als „schön“ empfunden werde.
10Unter dem 30. Dezember 2016 erließ der Antragsgegner den streitigen Genehmigungsbescheid, der noch am gleichen Tage am Sitz des Antragsgegners übergeben wurde. Der Bescheid enthält unter II. eine Vielzahl von Nebenbestimmungen. Der Unterabschnitt A) nennt diverse Bedingungen und bestimmt in Nummer 3., dass für nicht ausgleichbare Eingriffstatbestände nach § 15 Abs. 6 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) eine Ersatzzahlung in Höhe von 199.374,65 € festgesetzt werde, die spätestens 3 Wochen vor Baubeginn auf ein Konto des Antragsgegners einzuzahlen sei.
11Mit Schreiben vom 4. Januar 2017 beantragte die Beigeladene die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Genehmigungsbescheides (Blatt 306 BA I), wobei sie zur Begründung unter anderem ein öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug reklamierte. Mit Entscheid vom 13. Februar 2017 entsprach der Antragsgegner diesem Begehren (Blatt 423 BA I). Unmittelbar zuvor (ebenfalls am 13. Februar 2017) hatte die Beigeladene nach anfänglichem Widerstand eine Risiko- und Haftungsübernahmeerklärung abgegeben (Blatt 421 f BA I).
12Am 30. Januar 2017 hat die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 30. Dezember 2016 erhoben. Zudem hat sie am 20. Februar 2017 den vorliegenden Antrag gestellt, zu dessen Begründung sie eingehend vorträgt und namentlich geltend macht, die angefochtene Entscheidung verstoße gegen artenschutzrechtliche Vorschriften.
13Die Antragstellerin beantragt,
14die aufschiebende Wirkung ihrer unter dem Az. 8 K 710/17 anhängigen Klage gegen den Genehmigungsbescheid des Antragsgegners vom 30. Dezember 2016 wiederherzustellen.
15Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragen,
16den Antrag abzulehnen.
17Sie verteidigen die Rechtmäßigkeit des in Rede stehenden Genehmigungsbescheides, indem sie den Ausführungen des Antragstellers im Einzelnen entgegengetreten.
18Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und der Ausführungen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte 8 K 710/17 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.
19II.
20Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Namentlich fehlt es nicht an der Antragsbefugnis der Antragstellerin. Diese ist eine nach dem Bundesnaturschutzgesetz anerkannte Vereinigung, die nach § 5 Abs. 2 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) gemäß § 2 UmwRG nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen Entscheidungen nach § 1 UmwRG Rechtsbehelfe einlegen kann, ohne die Verletzung eigener Rechte geltend machen zu müssen.
21Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
22Zunächst bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der in der Hauptsache erhobenen Klage. Die Antragstellerin war am Verwaltungsverfahren beteiligt, indem etwa das Landesbüro der Naturschutzverbände NRW seine Eingabe vom 15. September 2016 (Bl. 906 BA III) ausdrücklich auch im Namen der Antragstellerin formuliert hatte. Angesichts dessen ist § 110 Abs. 3 des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen (JustG NRW), nicht einschlägig, wonach die in § 110 Abs. 1 JustG vorgesehene unmittelbare Anfechtungsklage nicht in Betracht kommt, wenn die Klage von einem Dritten erhoben wird, der im Verwaltungsverfahren nicht beteiligt war.
23In materieller Hinsicht beurteilt sich der Erfolg des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO, der grundsätzlich eine Abwägung des Interesses des Antragstellers an der Herbeiführung der aufschiebenden Wirkung gegen das öffentliche Interesse oder das Interesse eines Dritten an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts erfordert. Diese Bestimmung ist allerdings gemäß § 4a Abs. 3 UmwRG mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen oder wiederherstellen kann, wenn im Rahmen einer Gesamtabwägung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. Im vorliegenden Fall kann es dahinstehen, ob Zweifel in diesem Sinne gerade solche Rechtsvorschriften betreffen müssen, die dem Umweltschutz dienen, oder ob der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines anerkannten Umweltverbandes auch Erfolg hat, wenn die angefochtene Genehmigung nur mit solchen Rechtsvorschriften nicht zu vereinbaren ist, die mit Umweltschutz nichts zu tun haben. Denn die „ernstlichen Zweifel“, von denen § 4a Abs. 3 UmwRG spricht, ergeben sich hier gerade aus solchen Vorschriften des materiellen Rechts, die dem Schutz der Umwelt dienen. Nach Auffassung der Kammer bestehen allerdings nicht nur „ernste Zweifel“; aufgrund der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO allein möglichen summarischen Prüfung spricht vielmehr sehr viel für die Rechtswidrigkeit der Genehmigung.
24Der Bescheid vom 30. Dezember 2016 widerspricht der Landschaftsschutzverordnung vom 18. August 2006 (LSchVO 2006). Nach deren § 3 Abs. 1 ist es im Landschaftsschutzgebiet generell untersagt, bauliche Anlagen zu errichten. § 5 LSchVO 2006 lässt unter den dort bezeichneten Voraussetzungen Ausnahmen sowie Befreiungen nach § 69 des (damaligen) Landschaftsgesetzes zu. Eine Ausnahme kommt danach in Betracht, wenn die beabsichtigte Handlung mit dem Schutzzweck nach § 2 LSchVO 2006 vereinbar ist oder wenn ein nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiertes Vorhaben nach Standort und Gestaltung der Landschaft angepasst wird und mit dem Schutzzweck vereinbar ist. Diese Voraussetzungen liegen in Ansehung des Vorhabens der Beigeladenen offensichtlich nicht vor. Weil auch die Beteiligten – abweichend von den Vorstellungen, die anlässlich der Besprechung vom 2. Februar 2016 von dem Antragsgegner und der Beigeladenen erörtert wurden – nicht geltend machen, die Landschaftsschutzverordnung in ihrer Fassung aus dem Jahre 2006 stehe dem Vorhaben nicht entgegen, weil eine Ausnahme/Befreiung in Betracht komme, erübrigen sich hierzu weitere Ausführungen.
25Die Änderungsverordnung vom 11. November 2016, die das Vorhaben der Beigeladenen ermöglichen soll, ist unwirksam. Zwar entspricht es der ständigen Praxis der Verwaltungsgerichte, in einem Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes – sei es nach § 80 Abs. 5 VwGO, sei es nach § 123 VwGO – die Wirksamkeit untergesetzlicher Rechtsvorschriften (Rechtsverordnungen, Satzungen) nicht anzuzweifeln. Dies gilt indessen nicht, wenn bereits die Verfahrensakte der Verwaltungsbehörde, deren Entscheidung dem Gericht zur Prüfung vorliegt, aus sich heraus handgreifliche Zweifel daran erkennen lässt, dass die einschlägigen Vorschriften wirksam sind. Die Änderungsverordnung ist aus zwei selbstständig tragenden Gründen nicht in Kraft getreten.
26Allerdings ist die zuständige Behörde, die eine Landschaftsschutzverordnung erlassen hat, grundsätzlich befugt, diese ganz oder teilweise aufzuheben oder sie zu ändern. Dabei muss sie jedoch das naturschutzrechtliche Abwägungsgebot in § 2 Abs. 1 BNatSchG beachten und sie hat, wenn der Naturschutz hinter gegenläufigen Planungsabsichten einer Gemeinde zurückstehen soll, die Ziele der Bauleitplanung in den Blick zu nehmen und den betroffenen Belangen von Natur und Landschaft „abwägend“ gegenüberzustellen,
27vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 11. Dezember 2003– 4 CN 10.02 –, Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE) Bd. 119 Seite 312 (318f).
28Die hier von der Bezirksregierung B. bei dem Erlass der Änderungsverordnung angestellte Abwägung ist offensichtlich fehlerhaft, weil die Bezirksregierung schon Anfang 2016 angenommen hat, sie müsse dem Vorhaben der Beigeladenen zum Erfolg verhelfen. Zwar ist es seit der Flachglas-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
29vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1974 – IVC 50.72 –, BVerwGE Bd. 45Seite 309 ff.
30anerkannt, dass eine Abwägungsentscheidung nicht zwingend fehlerhaft ist, weil ihr planerische, sich aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen bindend auswirkende Festlegungen vorangegangen sind. Dies setzt indessen voraus, dass die Vorwegnahme der Entscheidung sachlich gerechtfertigt ist, die planungsrechtliche Zuständigkeitsordnung gewahrt bleibt und schließlich die vorgezogene Entscheidung den Anforderungen genügt, denen sie genügen müsste, wenn sie als Bestandteil des abschließenden Abwägungsvorgangs getroffen worden wäre (Seite 321 aaO). Diesen Anforderungen wird die Abwägungsentscheidung, die – sollte überhaupt eine Abwägung stattgefunden haben – der Verordnung vom 11. November 2016 möglicherweise zugrunde liegt, offenkundig nicht gerecht. Die Beigeladene steht – wie unter I. dargestellt – seit dem Jahre 2013 in einem intensiven Kontakt mit den zuständigen Behörden, und sie arbeitete seither auch auf eine Änderung des Flächennutzungsplans der Stadt O. hin. Spätestens im Frühjahr 2016 war eine Vorabentscheidung zu Gunsten des Vorhabens der Beigeladenen getroffen, wie sich zwingend aus dem Protokoll über das Abstimmungsgespräch vom 2. Februar 2016 (Bl. 1183 BA III) ergibt. Zum damaligen Zeitpunkt war es zwischen der Bezirksregierung, dem Antragsgegner, der Verwaltung der Stadt O. und der Beigeladenen überhaupt nicht fraglich, dass auf den L1. die Anlagen der Beigeladenen errichtet werden sollten; die Frage des „Ob“ war längst entschieden. Diskutiert wurde allein die Frage des „Wie“, indem der Vertreter der Bezirksregierung die unter I. dieses Beschlusses wiedergegebenen drei Szenarien vorstellte. Diese Festlegung auf das Ziel, nämlich die Zulassung, genügt nicht den Anforderungen, denen die Festlegung genügen müsste, wenn sie als Bestandteil des abschließenden Abwägungsvorgangs getroffen worden wäre. Denn erst nach dem 2. Februar 2016 wurde namentlich im Hause des Antragsgegners durch die beteiligten Fachdienste erörtert, welche Auswirkungen etwa auf den Landschaftsschutz das Vorhaben der Beigeladenen zeitigen wird. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse gehören indessen zu dem Abwägungsmaterial, das bei dem Vorgang der Abwägung zwingend zu berücksichtigen ist. Im Februar 2016 konnte mithin eine Abwägung der Belange des Landschaftsschutzes mit den Interessen der Beigeladenen überhaupt noch nicht stattfinden, so dass die vorzeitige Festlegung die möglicherweise später im Zusammenhang mit der Änderung der Landschaftsschutzverordnung angestellte Abwägung seitens der Bezirksregierung in eine zur Rechtswidrigkeit der Abwägung führenden Weise infiziert hat.
31Die Änderungsverordnung ist auch deshalb nicht wirksam, weil sie an einem inhaltlichen Fehler leidet. Auf dem Gebiet der Bauleitplanung
32vgl. etwa Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. August 1997 – 11a D 156/93.NE –, Baurechtssammlung (BRS) Bd. 59 Nr. 40; Urteil vom 16. September 2002 – 7a D 4/01.NE – BRS Bd. 65 Nr. 31
33ist es anerkannt, dass ein Bauleitplan unwirksam ist, wenn er – verkürzt gesagt – etwas festsetzt oder ausweist, was der Realität nicht entspricht oder von dem Plangeber in Wirklichkeit gar nicht gewollt ist (Stichwort: „Etikettenschwindel“). Ein solcher Sachverhalt ist hier gegeben. Denn die Änderungsverordnung vom 11. November 2016 hält auch für den von ihr betroffenen Bereich scheinbar an der Landschaftsschutzverordnung 2006 fest, während sie tatsächlich eine komplette Aufhebung des Landschaftsschutzes für das Gebiet L1. bewirkt. Bereits unter I. der Gründe dieses Beschlusses wurden die Schutzzwecke der Landschaftsschutzverordnung näher dargestellt. Diese werden indessen durch die von der Beigeladenen beabsichtigten Windenergieanlagen nicht nur mehr oder weniger weitgehend beeinträchtigt, sondern sie werden vollständig vernichtet. Wenn z.B. § 2 Abs. 1 Nr. 2 LSchVO 2006 davon spricht, es sei die „Vielfalt, Eigenart und Schönheit des Landschaftsbildes“ zu sichern, bleibt im Falle der Errichtung der 6 Anlagen von diesen Schutzgütern auf den L1. und in der Umgebung nichts mehr erhalten. Um es drastisch zu sagen: Die Schönheit des Landschaftsbildes ist dahin! Angesichts dessen stellt es einen Etikettenschwindel im Sinne der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts zum Planungsrecht dar, wenn durch die Änderungsverordnung scheinbar am Landschaftsschutz festgehalten wird, obwohl dieser für den von der Änderung betroffenen Bereich und darüber hinaus komplett aufgegeben wird.
34Welche rechtlichen Konsequenzen sich im Übrigen daraus ergeben, dass die Änderungsverordnung vom 11. November 2016 keine näheren Voraussetzungen für die Zulassung einer Ausnahme normiert und sie überdies anordnet, dass Ausnahmen zuzulassen sind, während es dem Wesen einer Ausnahme üblicherweise zu eigen ist, dass sie nur unter bestimmten Gegebenheiten und zudem nach dem pflichtgemäßen Ermessen der entscheidenden Behörde ausgesprochen wird, braucht an dieser Stelle nicht erörtert zu werden.
35Ausgehend davon, dass die Landschaftsschutzverordnung aus dem Jahre 2006 weiterhin geltendes Recht ist, kann auch die Änderung des Flächennutzungsplans der Stadt O. keinen Bestand haben. Denn sie ist ausdrücklich darauf angelegt, Anlagen zuzulassen, die nach Maßgabe des Landschaftsschutzrechtes unzulässig sind. Im Übrigen liegt insoweit auch ein Abwägungsfehler vor. Denn der Rat der Stadt O. hat sich bei seiner Entscheidung mit Sicherheit von der Vorstellung leiten lassen, aufgrund der Änderung des Landschaftsschutzrechtes sei das Vorhaben der Beigeladenen ohne weiteres zulässig, so dass diesem Sachverhalt mit einer Änderung des Flächennutzungsplans Rechnung getragen werde.
36Im Übrigen dürfte – ohne dass es entscheidend darauf ankommt – auch die Planänderung an einem Abwägungsmangel leiden, weil sie ausschließlich im Interesse der Beigeladenen erfolgt ist, nachdem im Februar 2016 die bereits dargestellte Festlegung stattgefunden hat. Die Stadt O. hatte seit den neunziger Jahren südlich von B1. eine so genannte Vorrangzone in einem Gebiet ausgewiesen, das ausweislich der landwirtschaftlichen Nutzung und auch nach der Topographie gegenüber Störungen durch Windenergieanlagen längst nicht so empfindlich war wie der L1. . Indem sich die Stadt seinerzeit gegen den L1. als Standort für die Windenergie ausgesprochen hatte, hat sie eine Grundsatzentscheidung getroffen, nachdem sie – wozu sie verpflichtet war – ihr gesamtes Gebiet darauf untersucht hatte, welche Flächen für die Aufnahme von Windenergieanlagen geeignet sind. Wenn sie nunmehr meint, den L1. für die Windenergie zu öffnen, um im Gegenzug die Fläche südlich von B1. dem durch die Bezirksregierung festgestellten Landschaftsschutzgebiet zuweisen zu können, beruht dies ausschließlich auf dem Betreiben der Beigeladenen, die – wie bereits dargestellt – seit 2013 bei der Stadt O. vorstellig wurde.
37Ist nach den vorstehenden Erwägungen die aktuelle Änderung des Flächennutzungsplans unwirksam, verbleibt es auf dem Gebiet der Stadt O. bei der bislang dargestellten Vorrangfläche südlich von B1. . In dieser Situation greift allerdings § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB, wonach unter anderem einem Vorhaben zur Nutzung der Windenergie in der Regel öffentliche Belange auch dann entgegenstehen, soweit durch Darstellungen im Flächennutzungsplan eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Ein nach § 35 Abs. 1 BauGB grundsätzlich privilegiertes Vorhaben im Außenbereich ist unzulässig, wenn ihm öffentliche Belange entgegenstehen.
38Es spricht im Übrigen alles dafür, dass die Änderung des Flächennutzungsplans unabhängig von den fehlenden Voraussetzungen nach dem Landschaftsschutzrecht und unabhängig von der spätestens im Februar 2016 erfolgten Festlegung auf das Vorhaben der Beigeladenen abwägungsfehlerhaft erfolgt ist. Die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners enthalten an mehreren Stellen Hinweise auf umfangreiche Einwendungen während des Abänderungsverfahrens, die seitens der Stadt O. nicht unbedingt mit der erforderlichen Gründlichkeit bearbeitet worden sind. Im vorliegenden Verfahren ist kein Raum, dem eingehend nachzugehen; die entsprechende Sachaufklärung muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand lässt sich indessen Folgendes feststellen:
39Der L1. ist nach sämtlichen Erkenntnissen im Hinblick auf die öffentlichen Belange, die § 35 BauGB schützt, in hervorragendem Maße schutzbedürftig und schutzwürdig. Hierbei ist es unerheblich, ob es sich bei dem betreffenden Gebiet ‑ wie es etwa in dem Schreiben des Antragsgegners an eine örtlich tätige Bürgerinitiative vom 5. Oktober 2016 (Bl. 99 BA I) heißt – nach der Einschätzung seitens der staatlichen Landesnaturschutzbehörde um eine Landschaftsbildeinheit mit besonderer Bedeutung oder um eine solche mit herausragender Bedeutung handelt. Das Gericht ist bekanntlich an die Beurteilung der örtlichen Gegebenheiten durch die zuständigen Behörden nicht gebunden. Für die Kammer lassen sich indessen folgende Feststellungen treffen:
40In der „Allgemeinen Vorprüfung“ des Antragsgegners vom 22. Dezember 2016 heißt es in diesem Zusammenhang:
41„Sowohl als Standort für die Forstwirtschaft als auch als Erholungsbereich weisen die betroffenen Flächen eine hohe Qualität auf. Die Flächen zeichnen sich durch eine vielfältige Landschaftsstruktur aus, die typisch für weite Teile der märkischen Region ist. Sie werden in ihrer Gesamtheit von einem ‚durchschnittlich gebildeten Mitteleuropäer‘ als ‚schön‘ empfunden. Damit erlangen sie eine wichtige Funktion als Erholungsgebiet.… Die ästhetische Beeinträchtigung durch die geplanten WEA kann allerdings nicht diesem Maßstab unterworfen werden, da faktisch – außer einer optischen – keine dauerhafte erhebliche Beeinträchtigung z.B. der Erholungsfunktion… erfolgen wird.“
42In einer Stellungnahme des Fachdienstes 43 an den Fachdienste 46 vom 22. September 2016 (Bl. 561 BA II) wird ausgeführt:
43„Die Standorte für die 6 WEA befinden sich im Gebiet des Naturparks Sauerland – Rothaargebirge. Naturparke sind gemäß § 27 BNatSchG Gebiete, die sich wegen ihrer landschaftlichen Voraussetzungen für die Erholung besonders eignen und in denen ein nachhaltiger Tourismus angestrebt wird. So ist das Gebiet um den O. L1. durch ein ausgedehntes Wanderwegenetz mit dem Premium-Wanderweg Höhenflug gekennzeichnet. Naturparke dienen demnach der Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung einer durch vielfältige Nutzung geprägten Landschaft und ihrer Arten – und Biotopvielfalt und dort wird zu diesem Zweck einen dauerhaft umweltgerechte Landnutzung angestrebt. Aus Sicht der Unteren Landschaftsbehörde steht der Bau von Windenergieanlagen durch die erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes, durch Lärmimmissionen und Schattenwurf dem Zweck des Naturparks entgegen.“
44Die Stadt B2. , auf deren Ortsteil E. sich die Vorhaben der Beigeladenen in besonderem Maße auswirken würden, führt in ihrem Schreiben an den Antragsgegner vom 15. September 2016 (Bl. 616 BA II) folgendes aus:
45„Das Gebiet … ist in dieser Region der größte und wichtigste unzerschnittene Naturraum ohne Vorbelastungen des Landschaftsbildes. Er hat eine herausragende Erholungsfunktion und große touristische Bedeutung, die mit der Einrichtung des Premium-Wanderwegs „Sauerland-Höhenflug“ vor wenigen Jahren nochmals gestärkt wurde. Durch das ursprünglich vom Sauerländischen Gewerksverein (SGV) errichtete L1 -haus und das nahegelegene SGV-Ehrenmal hat dieser Naherholungsraum sogar überregionale Bedeutung und Beachtung. Das Gebiet ist unter anderem auch deshalb so beliebt, weil es bisher frei von störenden vertikalen Elementen ist. Dies würde sich mit dem Bau von Windenergieanlagen komplett ins Gegenteil umkehren. Damit würden auch die weiteren eingeleiteten Anstrengungen zur Stärkung der Naherholungsfunktion… konterkariert. Die Planung zerstört das schützenswerte Bild der Kulturlandschaft und ist daher unzulässig. Sie beeinträchtigt die Erholungsfunktion erheblich. Angesichts des durch die Anlagen verursachten erheblichen Lärms ist eine ruhige Erholung in den angrenzenden Naturbereichen nicht mehr möglich. Die Errichtung der Windenergieanlagen schadet damit auch massiv den regionalen Bemühungen um eine Stärkung des Wirtschaftsfaktors Tourismus.“
46In einem Schreiben des Landschaftsverbandes an den Antragsgegner vom 29. November 2016 (Bl. 569 BA II) heißt es schließlich:
47„In dem vom Eingriff betroffenen Kulturlandschaftsbereich befindet sich eine Vielzahl historischer Zeugnisse, die den Charakter dieser historischen Kulturlandschaft maßgeblich prägen.… Die seit Ende des 19. Jh. und bis heute andauernde Bedeutung des L1 für die Erholung veranschaulichen die Zeugnisse des früheren Fremdenverkehrs wie das L1 -haus, das SGV-Ehrenmal und der Standort des Aussichtsturm „R ‑turm“. Der Vorgänger des heutigen Turms wurde bereits 1893 an dieser Stelle errichtet, um den weiten, von technischen Bauwerken ungestörten Blick über die Landschaft zu genießen. Heute führt der Qualitätswanderweg „Sauerland-Höhenflug“ am Fuße des Turms entlang.
48Durch die Errichtung von sechs WEA wird der Charakter dieser historischen Kulturlandschaft in diesem Teil eine starke technische Überprägung erfahren, da die Anlagen aufgrund ihrer Höhe und Anzahl den Charakter und die Eigenart der Landschaft maßgeblich dominieren werden. Hierdurch wird sich die Wahrnehmbarkeit und Erlebbarkeit der historischen Kulturlandschaft mit ihren Baudenkmälern und historischen Kulturlandschaftselementen deutlich negativ verändern. Dies wird letztendlich auch eine erhebliche Beeinträchtigung der Erlebnisqualität der historischen Kulturlandschaft zur Folge haben. Zudem wird die funktionale Vernetzung der angesprochenen Kulturgüter durch die Vorhaben erheblich verringert.“
49Ausgehend von den vorstehenden Äußerungen, die ohne weiteres anhand des vorliegenden Kartenmaterials und einiger weniger Lichtbilder (die Beigeladene hat darauf verzichtet, die Auswirkungen ihres Vorhabens zu visualisieren; die 6 Lichtbilder in dem Landschaftspflegerischen Begleitplan zeigen jeweils einen geplanten Standort aus nur einer Perspektive ohne die dort beabsichtigte Anlage) bestätigt werden können, ist das Gebiet auf den L1. vor dem Hintergrund des § 35 BauGB der Errichtung von Windenergieanlagen der hier geplanten Art schlechterdings verschlossen; die entgegenstehenden Belange können nicht „weggewogen“ werden. In ihrem Beschluss vom 12. August 2012 – 8 L 668/15 – hat die Kammer zum Spannungsverhältnis Landschaftsbild – Windkraftanlagen Folgendes ausgeführt:
50„Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt eine Verunstaltung im Sinne von § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB voraus, dass das Vorhaben dem Orts- oder Landschaftsbild in ästhetischer Hinsicht grob unangemessen ist und auch von einem für ästhetische Eindrücke offenen Betrachter als belastend empfunden wird; dieser Grundsatz gilt auch gegenüber im Außenbereich privilegierten Vorhaben; er gilt auch für Windkraftanlagen,
51vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. März 2003, – 4 B 7.03 –, BRS Bd. 66 Nr. 103 m.w.N. aus der Rechtsprechung des BVerwG.
52Bei dieser Beurteilung ist namentlich der Gebietscharakter zu berücksichtigen, wobei eine Anlage desto eher geeignet ist, eine Störung hervorzurufen, je stärker sie als Blickfang den Gesamteindruck beeinträchtigt. Im vorliegenden Fall gilt hiernach Folgendes:
53Windenergieanlagen der von der Beigeladenen geplanten Art sind grundsätzlich „Blickfänge“ im hier interessierenden Sinne. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sie als vereinzelte Anlagen in die Landschaft gestellt werden. Aber auch wenn mehrere Anlagen auf engerem Raum zusammengefasst werden – hier ist ausweislich der Koordinatenangaben für die Anlagen 3 im Westen und 7 im Osten sowie 1 im Norden und 8 im Süden ein Bereich von 2.286 m von West nach Ost und 1.277 m von Nord nach Süd betroffen ‑, werden die Blicke des Betrachters eingefangen, selbst wenn die einzelne Anlage weniger in Erscheinung tritt. Nach der Fotosimulation zum Landschaftspflegerischen Begleitplan Teil I vom 18. Juli 2013 in der überarbeiteten Fassung vom 31. Januar 2014 stellen die 7 Anlagen, deren Masten und namentlich deren Rotorblätter das umliegende Waldgelände deutlich überragen, geradezu außerordentliche Blickfänge dar, die – wie die Lichtbilder und die zugehörige Kartierung der Fotopunkte veranschaulichen – weit in alle Himmelsrichtungen wirken.
54Allein der Umstand, dass eine bauliche Anlage in der Landschaft als „Blickfang“ wirkt, stellt für sich genommen keine Verunstaltung des Landschaftsbildes dar. Windenergieanlagen sind notwendig auffällig; dennoch hat der Gesetzgeber ihnen eine bauplanungsrechtliche Privilegierung zugestanden. Durch § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB nimmt das Gesetz nachteilige Veränderungen der Landschaft durch Windenergieanlagen in Kauf. Dies bedeutet indessen nach Auffassung der Kammer nicht, dass sich der Betrachter angesichts der gesetzgeberischen Entscheidung generell auf Windräder im Landschaftsbild einstellen müsse, ohne den Eindruck der Verunstaltung gewinnen zu dürfen. § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB erteilt den darin bezeichneten Anlagen keinen „Freibrief“, kraft dessen sie praktisch überall und unabhängig von der konkreten örtlichen Situation ausgeführt werden können, solange die planende Gemeinde von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB keinen Gebrauch gemacht hat. Ob eine privilegierte Anlage, die nach § 35 Abs. 1 BauGB „an sich“ in den Außenbereich gehört, im Einzelfall an entgegenstehenden Belangen scheitert, hängt einerseits von den konkreten Erscheinungsformen der Anlage und andererseits von den konkreten Landschaftsgegebenheiten ab, in welche sie eingebettet werden soll.
55In Ansehung des ersten Merkmals weist der vorliegende Fall keine Besonderheiten auf, weil Windräder nun einmal in einer weitgehend identischen Erscheinungsform auftreten, indem ein schlanker und tendenziell hoher Mast einen Rotor trägt, der je nach Windstärke mit unterschiedlicher Geschwindigkeit rotiert. Diese Bestandteile sind allen Anlagen zu eigen, die sich auf § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB und das dort bezeichnete Merkmal „Windenergie berufen können. Eine Windenergieanlage im Außenbereich mag zwar tendenziell als Beeinträchtigung der Landschaft anzusehen sein, falls nicht – wie in Teilen etwa des Kreises T. – ein sich über mehrere Quadratkilometer erstreckendes Gelände mit landwirtschaftlicher Nutzung und ohne topografische Besonderheiten derart viele Anlagen trägt, dass es auf einige weitere Anlagen nicht mehr ankommt. Von einer generellen Verunstaltung und einem darauf fußenden Entgegenstehen öffentlicher Belange kann indessen nicht ohne Weiteres ausgegangen werden, weil sonst der Privilegierungstatbestand gleichsam leerliefe.
56Der vorliegende Fall weist indessen dadurch eine Besonderheit auf, dass der hier betroffene Bereich zu den beeindruckendsten Gegenden des Wittgensteiner Landes gehört, das den Berufsrichtern der Kammer aufgrund zahlreicher Ortstermine bestens bekannt ist. Zwischen Netphen im Westen, Erndtebrück im Norden, Bad Laasphe im Osten und der Landesgrenze im Süden erstrecken sich ausgedehnte Waldgebiete, die von zahlreichen kleinen Orten durchsetzt sind, die ihrerseits von landwirtschaftlich genutzten Flächen umgeben werden. Das Gelände wird von mehreren Bachtälern inmitten weitgehend ebener Flächen (Neigung kleiner als 10 %) durchzogen, neben denen das Gelände mit Neigungen von mehr als 35 % aufsteigt (Quelle: Karte „Neigungsklassen zur Geländebefahrbarkeit“ der Bezirksregierung Köln, Abteilung Geobasis NRW). Es zeigen sich längere Höhenzüge, aus denen einzelne Erhebungen besonders hervortreten. Es zeigen sich zahlreiche landschaftsprägende Elemente auf dichtem Raum, die das Landschaftsbild in besonderer Weise prägen. Sehr anschaulich sind in diesem Zusammenhang die Lichtbilder, die im Zuge der Erstellung des Landschaftspflegerischen Begleitplanes an den Standorten 1 (östlich der Ansiedlung Fischelbach) und 2 (östlich von Hesselbach) aufgenommen wurden. Beide Fotos zeigen ein nach Westen sanft abfallendes Wiesengelände, in welches die beiden Ortschaften eingebettet sind, die mit einzelnem Baum- und Buschwerk durchzogenen Tallagen und in unterschiedlichen Entfernungen verlaufende Höhenzüge, die keineswegs eine einheitliche Linie bilden, sondern eine durchaus bewegte Geländemorphologie erkennen lassen. Für den Betrachter aus Fischelbach oder Hesselbach stellt sich das räumlich dichte Nebeneinander (der Abstand zwischen den Anlagen 1 im Norden und 8 im Süden beträgt gerade einmal 1.277 m) der 7 Windenergieanlagen angesichts der besonderen Schönheit des gesamten Geländes und des Fehlens jeglichen Bezuges zu der vorgegebenen Bodennutzung nicht nur als Beeinträchtigung des Landschaftsbildes dar, sondern als grobe Verunstaltung, so dass die in § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB genannten Belange dem Vorhaben entgegenstehen.“
57Zwar wurde die Entscheidung, der dieses Zitat entnommen ist, vom Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 22. September 2015 – 8 B 1014/15 – für wirkungslos erklärt, weil die damaligen Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt hatten. Dies ändert indessen nichts daran, dass die Ausführungen der Kammer ihre sachliche Berechtigung hatten und sie weiterhin haben. Sie lassen sich – auch aufgrund der weiter oben teilweise wörtlich wiedergegebenen Stellungnahmen aus dem Verwaltungsverfahren – ohne weiteres auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen: Durch das Vorhaben der Beigeladenen würde der L1. auf Dauer und rettungslos verunstaltet, wobei diese Verunstaltung kilometerweit in die Landschaft hineinwirken würde. Es mag sein, dass einem der zahlreichen Einwender gegen das Vorhaben nicht darin zuzustimmen ist, die Anlagen würden bei klarer Sicht von Duisburg bis Winterberg zu sehen sein. Nach den örtlichen Verhältnissen würden sie jedenfalls aus der Sicht der umliegenden Ortschaften dem L1. ein vollkommen anderes Gepräge geben: Dieser erschiene nicht mehr als imposante Anhöhe innerhalb eines morphologisch äußerst interessanten Landschaftsbildes, sondern in erster Linie gleichsam als technisches und nur zufällig (durch Wald) begrüntes „Fundament“ für die Anlagen der Beigeladenen. Diese extrem negative Folge einer planerischen Abwägung lässt sich weder mit dem politischen Schlagwort „Energiewende“ noch mit der erklärten Absicht des seinerzeit zuständigen Umweltministers, die Windkraft auch und gerade im Wald anzusiedeln, und gewiss nicht mit dem Interesse der Beigeladenen daran rechtfertigen, ihre Anlagen gerade dort zu errichten, wo die Windausbeute den höchsten Gewinn erwarten lässt. Dass in der vorliegenden Situation andere gewichtige öffentliche oder private Belange im Sinne des Abwägungsgebotes (§ 1 Abs. 7 BauGB) abwägend zu berücksichtigen sind, die eine völlige Verunstaltung der Landschaft noch als abwägungsgerecht erscheinen lassen könnten, ist für das Gericht weit und breit nicht ersichtlich.
58Nach alledem erweist sich die Rechtmäßigkeit der von der Antragstellerin angegriffenen Genehmigung als ernstlich zweifelhaft im Sinne von § 4a Abs. 4 UmwRG, so dass dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu entsprechen ist.
59Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154, 162 Abs. 3 VwGO.
60Die Entscheidung über den Streitwert ergeht auf der Grundlage von § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes. Nach Nr. 1.2 des „Streitwertkatalogs 2013 – Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit“ ist der Streitwert für eine Verbandsklage einem Rahmen zu entnehmen, der von 15.000 bis 30.000 € reicht. Bei der Wertbestimmung sind die Auswirkungen der begehrten Entscheidung auf die vertretenen Interessen zu berücksichtigen. Die Kammer erachtet es als sachgerecht, ausgehend von den Einwendungen der Antragstellerin hier mit dem Mittelwert dieses Rahmens (22.500 €) zu arbeiten, der für das Klageverfahren anzunehmen sein wird. Nach der ständigen Praxis der Verwaltungsgerichte ist dieser Betrag in einem Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nur mit der Hälfte zu berücksichtigen. Auf diese Weise errechnet sich der sich in Nr. 3. des Beschlusstenors angegebene Streitwertbetrag.