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Der Anwendbarkeit der Vorschriften des Jugendmedienschutzstaatsvertrages a.F. steht nicht der Umstand entgegen, dass die Antragstellerin ihren Sitz nicht im Bundesgebiet, sondern auf Zypern hat. Insbesondere ist das sog. Herkunftslandprinzip der Richtlinie 2000/31/EG (E-Commerce-Richtlinie) nicht als Kollisionsregel einzuordnen.
Die Vorschrift des § 20 Abs. 6 Satz 2 JMStV a.F., die gerade eine Sonderregelung für den Fall trifft, dass der Anbieter keine Niederlassung im Inland hat, setzt implizit die Möglichkeit des Vorgehens gegen einen im Ausland ansässigen Anbieter voraus.
Weder Art. 3 Abs. 1 GG noch Art. 12 Abs. 1 GG gebieten die Aufstellung eines behördlichen Eingriffskonzepts für die zeitliche Reihenfolge des Einschreitens gegen Anbieter von Telemedienangeboten im Unionsgebiet außerhalb Deutschlands, die pornografische Inhalte frei zugänglich anbieten.
Das frei zugängliche Angebot pornografischer Inhalte im Internet durch Anbieter mit Sitz im Unionsgebiet außerhalb Deutschlands dürfte eine Ausnahme vom Herkunftslandprinzip aus Art. 3 Abs. 2 TMG a.F. i.V.m. Art. 3 Abs. 2 E-Commerce-Richtlinie begründen:
a) Der Jugendschutz in Gestalt von § 4 Abs. 2 JMStV a.F. stellt ein Schutzgut dar, das ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
b) Dieses Schutzgut ist bei frei zugänglicher Pornografie im Internet ernsthaft und schwerwiegend gefährdet.
c) Die streitbefangenen Maßnahmen - die Beanstandung und die Untersagung der Verbreitung des Angebots in Deutschland, soweit es frei zugängliche Pornografie enthält - dürften im Sinne von § 3 Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz TMG a.F. und der gleichlautenden Vorgabe in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a iii) E-Commerce-Richtlinie auch in einem angemessenen Verhältnis zu diesem Schutzgut stehen, mithin auch nach Rechtsprechung des EuGH verhältnismäßig sein. Dies gilt insbesondere angesichts dessen, dass es der Antragstellerin freigestellt ist, den Anforderungen durch Implementierung eines Altersverifikationssystems nachzukommen.
d) Der Umfang der von Art. 3 Abs. 4 b) E-Commerce-Richtlinie geforderten Konsultations- und Informationspflichten gegenüber dem EU-Mitgliedstaat, in dem der Anbieter seinen Sitz hat, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls, u.a. auch danach, ob das in Rede stehende Verhalten im Sitzland der dortigen Rechtsordnung entspricht.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe:
2Der wörtlich gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage vom 9. Juli 2020 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Juni 2020 anzuordnen, „soweit der Antragstellerin darin Verstöße gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 JMStV zur Last gelegt werden“, war dahingehend auszulegen,
3die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 27 K 3906/20 erhobenen Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Juni 2020 anzuordnen, soweit dort das Telemedienangebot der Antragstellerin de.1.com wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 JMStV beanstandet und die Verbreitung des Angebots in dieser Form zukünftig untersagt worden ist.
4Denn die Antragstellerin ist nicht allein durch den in Ziffer 1 des Bescheidtenors festgestellten Verstoß gegen § 4 JMStV beschwert, sondern darüber hinaus durch die auf diese Vorschrift gestützte und von ihr gemäß ihrem Vortrag angegriffene Beanstandung und Untersagung in Ziffer 2.
5In Ziffer 1 des in der Hauptsache angefochtenen Bescheides vom 16. Juni 2020 wird festgestellt, dass die Antragstellerin als Anbieterin des Telemedienangebotes de.1.com gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 JMStV, § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 JMStV sowie gegen § 7 JMStV verstößt. In Ziffer 2 Satz 1 des Bescheidtenors wird eine Beanstandung gegenüber der Anbieterin gemäß § 20 Abs. 1 JMStV i.V.m. § 59 Abs. 3 RStV ausgesprochen. Mit Ziffer 2 Satz 2 wird zukünftig die Verbreitung des Angebotes in dieser Form untersagt. Im Weiteren werden Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt, wie die Verstöße in Zukunft abgestellt werden können.
6Der so ausgelegte Antrag hat keinen Erfolg. Er ist zulässig (A.), aber unbegründet (B.).
7A. Der Antrag ist zulässig. Er ist insbesondere nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthaft, da der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 20 Abs. 5 Satz 3 JMStV keine aufschiebende Wirkung zukommt, soweit die Beanstandung und Untersagung auf einen Verstoß gegen § 4 JMStV gestützt werden. Die Klage gegen die darüber hinaus erfolgte Beanstandung und Untersagung gestützt auf § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 JMStV und § 7 Abs. 1 Satz 2 JMStV hat dagegen aufschiebende Wirkung. Eine getrennte Beurteilung von dem auf §§ 5 und 7 JMStV gestützten Teil der Beanstandung und Untersagung ist auch möglich, weil der Bescheid insoweit teilbar ist. Die Maßnahme besteht aus mehreren objektiv abgrenzbaren und benennbaren Teilen. Durch eine Aufhebung der auf § 4 JMStV gestützten Beanstandung und Untersagung in der Hauptsache würden die auf §§ 5 und 7 JMStV gestützten Maßnahmen auch nicht ihren Regelungsgehalt verlieren.
8Vgl. zur Teilbarkeit eines Verwaltungsakts: BVerwG, Beschluss vom 1. Juli 2020 - 3 B 1/20 -, juris, Rn. 14 m.w.N.
9B. Der Antrag ist aber unbegründet. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht auf Antrag im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung die aufschiebende Wirkung einer Klage anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt. Die dabei vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem privaten Aussetzungsinteresse hat sich maßgeblich - wenn auch nicht ausschließlich - an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren. Zu beachten ist im Rahmen der Abwägung auch die Wertung des Gesetzgebers. Hat dieser - wie hier durch § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 20 Abs. 5 Satz 3 JMStV - bestimmt, dass Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung entfalten, ist daraus der grundsätzliche Vorrang des Vollzugsinteresses herzuleiten.
10Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10. Oktober 2003 - 1 BvR 2025/03 -, juris, Rn. 21.
11Hiernach fällt die Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin aus. Es spricht Überwiegendes dafür, dass die in der Hauptsache angefochtene Feststellung und die Beanstandung eines Verstoßes des von der Antragstellerin verbreiteten Internetangebotes gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 JMStV sowie die darauf beruhende Untersagung der künftigen Verbreitung des Internetangebotes in dieser Form rechtmäßig sind und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzen.
12Maßgeblich für die Überprüfung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides vom 16. Juni 2020.
13Vgl. hierzu: Für die Überprüfung einer der Beanstandung und Untersagung angefügten Zwangsgeldandrohung BVerwG, Urteil vom 20. April 2021 - 6 C 6/20 -, juris, Rn. 11; ferner Bayerischer VGH, Beschluss vom 26. November 2020 - 7 ZB 18.708 -, juris, Rn. 14; VG Cottbus, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 8 K 2831/17 -, juris, Rn. 34 m.w.N.; VG Berlin, Urteil vom 21. Mai 2019 - 27 K 93/16 -, juris, Rn. 49; VG Regenburg, Urteil vom 18. Oktober 2016 - RO 3 K 14.1177 -, juris, Rn. 71; VG Düsseldorf, Urteil vom 20. März 2012 - 27 K 603/11 -, juris, Rn. 23 f.; VG Hamburg, Urteile vom 21. August 2013 - 9 K 507/11 -, juris, Rn. 26 und vom 4. Januar 2012 - 4 K 262/11 -, juris, Rn. 48; VG Münster, Urteil vom 12. Februar 2010 - 1 K 1608/09 -, juris, Rn. 38; offen gelassen hingegen: VG Minden, Urteil vom 18. August 2010 - 7 K 721/10 -, juris, Rn. 17.
14Anwendbar sind mithin die Bestimmungen des Staatsvertrages über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag) vom 28. Februar 2003 (GV. NRW. S. 84), zuletzt geändert durch Art. 5 des Neunzehnten Rundfunkänderungstaatsvertrags vom 14. Juni 2016 (GV. NRW. S. 452) - im Folgenden JMStV a.F. - sowie die Bestimmungen des Telemediengesetzes vom 26. Februar 2007 (BGBl. I S. 179, 251), zuletzt geändert durch Art. 11 des Gesetzes gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch vom 11. Juli 2019 (BGBl. I S. 1066) - im Folgenden TMG a.F. -. Wegen der Rechtsfolgenverweisung in § 20 Abs. 4 JMStV a.F. ist darüber hinaus auch die - inzwischen durch Art. 2 Nr. 1 des Staatsvertrages zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland (Bekanntmachung vom 30. Juni 2020 (GV. NRW. S. 524) - im Folgenden MOModStV -) mit Wirkung zum 7. November 2020 aufgehobene - Bestimmung des § 59 des Rundfunkstaatsvertrages vom 21. November 1995 (GV. NRW. S. 1196) in der Fassung des Zweiundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 26. Oktober 2019 (GV. NRW. S. 134) - im Folgenden RStV a.F. - anzuwenden. Die in der Folgezeit erfolgten Änderungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages durch Art. 3 MOModStV - im Folgenden JMStV n.F. - und des Telemediengesetzes durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes und weiterer Gesetze vom 19. November 2020 (BGBl. I S. 2456) sind vor diesem Hintergrund auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Unmittelbar anwendbar ist auch nicht die Richtlinie (EU) 2018/1808 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über Audiovisuelle Mediendienste) im Hinblick auf sich verändernde Marktgegebenheiten, ABl. L 303/69 vom 28. November 2018 - im Folgenden AVMD-RL 2018 -, die zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses noch nicht in deutsches Recht umgesetzt war und deren Umsetzungsfrist erst mit dem 19. September 2020 ablief.
15Ausgehend davon ist Rechtsgrundlage des angegriffenen Bescheides § 20 Abs. 1 und Abs. 4 JMStV a.F. i.V.m. § 59 Abs. 3 RStV a.F.. Hiernach trifft die zuständige Landesmedienanstalt die erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter, wenn sie feststellt, dass ein Anbieter gegen die Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages verstoßen hat. Für Anbieter von Telemedien trifft nach § 20 Abs. 4 JMStV a.F. die zuständige Landesmedienanstalt die jeweilige Entscheidung durch die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) entsprechend § 59 Abs. 2 bis 4 RStV a.F. unter Beachtung der Regelungen zur Verantwortlichkeit nach den §§ 7 bis 10 TMG a.F.. Nach § 59 Abs. 3 RStV a.F. trifft die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde, wenn sie - vorbehaltlich hier nicht einschlägiger Ausnahmen - einen Verstoß gegen die Bestimmungen feststellt, die zur Beseitigung des Verstoßes erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter (Satz 1). Sie kann nach Satz 2 insbesondere Angebote untersagen und deren Sperrung anordnen.
16In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die hier streitgegenständliche Feststellung und Beanstandung eines Verstoßes, die als einheitliche Maßnahme der Beanstandung zu verstehen ist, sowie die damit einhergehende Untersagung der weiteren Verbreitung des Angebotes dem Grunde nach auf die genannten Vorschriften gestützt werden können. Dem steht nicht entgegen, dass die Beanstandung, anders als die Untersagung oder Sperrung von Angeboten, weder in § 20 Abs. 1, Abs. 4 JMStV a.F. noch in § 59 Abs. 2 bis 4 RStV a.F. ausdrücklich erwähnt ist.
17Vgl. OVG NRW, Urteile vom 17. Juni 2015 - 13 A 1072/12 - und - 13 A 1215/12 -, jeweils m.w.N., jeweils juris.
18Es spricht Überwiegendes dafür, dass die Voraussetzungen von § 20 Abs. 1, Abs. 4 JMStV a.F. i.V.m. § 59 Abs. 3 RStV a.F. vorliegen. Zunächst ist die Anwendbarkeit dieser Rechtsgrundlage auf Auslandssachverhalte nicht grundsätzlich ausgeschlossen. (I.). Die auf diese Vorschriften gestützte Feststellung und die Beanstandung eines Verstoßes des von der Antragstellerin verbreiteten Internetangebotes gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 JMStV a.F. sowie die darauf beruhende Untersagung der künftigen Verbreitung des Internetangebotes in dieser Form dürften zudem weder in formeller (II.) noch in materieller Hinsicht (III.) durchgreifenden Bedenken begegnen.
19I. Der Anwendbarkeit der genannten Vorschriften steht nicht der Umstand entgegen, dass die Antragstellerin ihren Sitz nicht im Bundesgebiet, sondern auf Zypern hat.
20Dies betrifft ausschließlich die Frage nach der Regelungsgewalt der Antragsgegnerin, nicht hingegen nach dem von der Regelungsgewalt abzugrenzenden, unzweifelhaft ohne Genehmigung des Fremdstaates unzulässigen Vollzugs durch die Ausübung von Hoheitsgewalt im Ausland.
21Vgl. hierzu bereits: VG Düsseldorf, Urteil vom 13. September 2011 - 27 K 2813/09 -, juris, Rn. 44; vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 6. Dezember 2007 - 10 ME 241/07 -, juris, Rn. 12; siehe ferner Altenhain in Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, Stand 52. EL August 2020, Teil 20 Jugendschutz, Rn. 12.
22Für die Anwendung einer deutschen Verwaltungsrechtsnorm auf Auslandssachverhalte bedarf es keiner gesetzlichen Normierung, die diese ausdrücklich in ihren Anwendungsbereich miteinbezieht.
23Vgl. hierzu auch: Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 22. August 2012 - GmS-OGB 1/10 -, juris, Rn. 31 ff.
24Der Anwendbarkeit der § 20 Abs. 1, Abs. 4 JMStV a.F. i.V.m. § 59 Abs. 3 RStV a.F. steht auch kein „Kollisionsrecht“ entgegen. Insbesondere ist das Herkunftslandprinzip aus der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr), ABl. L 178/1 vom 17. Juli 2000 - im Folgenden ECRL - entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht als Kollisionsrecht einzuordnen. Diese Frage hat der EuGH auf Vorlage des BGH bereits für das Internationale Privatrecht dahingehend beantwortet, dass das Herkunftslandprinzip aus Art. 3 ECRL gerade keine Umsetzung in Form einer Kollisionsregel verlangt, sondern ein Korrektiv auf materiell-rechtlicher Ebene darstellt (dazu ausführlich unter III. 5.),
25EuGH, Urteil vom 25. Oktober 2011 - C-509/09 -, eDate Advertising, juris, Rn. 53 ff.; vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08 -, juris, Rn. 25 - 30.
26Für einen öffentlich-rechtlichen Sachverhalt kann erst Recht nichts anderes gelten. Ob verwaltungsrechtliche Regelungen auf Auslandssachverhalte Anwendung finden, ist eine Frage des Internationalen Verwaltungsrechts. Anders als im Bereich des Internationalen Privatrechts stellt sich dabei nicht die Frage nach der Bestimmung des anwendbaren Sachrechts, also ob im Einzelfall deutsches oder ausländisches Verwaltungsrecht anwendbar ist. Es gilt vielmehr der Grundsatz, dass Behörden eines Staates dessen eigenes Verwaltungsrecht anwenden. Die Anwendung des nationalen Verwaltungsrechts findet dabei ihre Grenze im Völkerrecht. Der Anwendung des nationalen Rechts steht dabei das Völkergewohnheitsrechts jedenfalls dann nicht entgegen, wenn zwischen dem normierenden Staat und dem normierten Sachverhalt eine „sinnvolle Verknüpfung“ (sog. genuine link) besteht. Fehlt es dagegen an einer solchen Verknüpfung und schreitet der Staat dennoch ein, verstößt er gegen das Nichteinmischungsgebot in die inneren Angelegenheiten des anderen Staates, welches als allgemeine Regel des Völkergewohnheitsrechts gemäß Art. 25 Satz 1 GG Bestandteil des Bundesrechts ist.
27Vgl. Looschelders in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, Stand 1. Juni 2021, Einleitung IPR, Rn. 340 f.; vgl. VG Düsseldorf, Urteile vom 10. Mai 2005 - 27 K 5968/02 -, juris, Rn. 34 ff., und vom 13. September 2011 - 27 K 2813/09 -, juris, Rn. 45 ff.; siehe auch BSG, Urteil vom 11. Oktober 1973 - 8/2 RU 42/69 -, juris, Rn. 25 ff., vgl. zu diesem Themenkomplex ausführlich: Ohler, Die Kollisionsordnung des Allgemeinen Verwaltungsrechts, Tübingen 2005, S. 327 ff. m.w.N.
28Ob die Maßnahme der Antragsgegnerin im konkreten Einzelfall völkergewohnheitsrechtlich legitimiert ist bzw. ob ein hinreichender völkerrechtlicher Anknüpfungspunkt gegeben ist, ist indes eine Frage der materiellen Rechtsmäßigkeit (siehe dazu unter III. 4.).
29II. Es spricht Überwiegendes dafür, dass der Bescheid formell rechtmäßig ergangen ist. Die Antragsgegnerin hat insbesondere als zuständige Behörde gehandelt (1.), der ihrer Entscheidung zugrunde liegende Beschluss der KJM dürfte im Einklang mit den Vorschriften des JMStV a.F., an dessen Verfassungsmäßigkeit keine Zweifel bestehen, gefasst worden sein (2.) und die Antragsgegnerin dürfte in Umsetzung dieses Beschlusses ein ordnungsgemäßes Verfahren durchgeführt haben (3.).
301. Die Antragsgegnerin war gemäß § 20 Abs. 6 Satz 2 JMStV a.F. für ein Vorgehen gegen die Antragstellerin, die ihren Sitz nicht in der Bundesrepublik Deutschland hat, die jedenfalls auch örtlich zuständige Behörde. Nach § 20 Abs. 6 Satz 1 JMStV a.F. ist für die Maßnahmen nach § 20 Abs. 1 JMStV a.F. grundsätzlich die Landesmedienanstalt des Landes zuständig, in dem der Anbieter von Telemedien seinen Sitz hat. Sofern sich danach keine Zuständigkeit ergibt, ist nach Satz 2 diejenige Landesmedienanstalt zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt. Diese Vorschrift, die gerade eine Sonderregelung für den Fall trifft, dass der Anbieter keine Niederlassung im Inland hat, setzt implizit die Möglichkeit des Vorgehens gegen einen im Ausland ansässigen Anbieter voraus.
31Vgl. Altenhain in Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, Stand 52. EL April 2020, Teil 20 Jugendschutz, Rn. 11 ff.; Schapiro in Bräutigam/Rücker, E-Commerce, 1. Aufl. 2017, 6. Teil Media-Commerce, H. Jugendschutz, Rn. 28; Erdemir in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, JMStV, § 20 Rn. 36; siehe auch Liesching in BeckOK JMStV, 18. Ed. Stand 1. Januar 2020, § 20 Rn. 31; Schutz/Held in Binder/Vesting, Beck RundfunkR, 4. Auf. 2018, JMStV, § 20 Rn. 54 f.; Bornemann in Bornemann/Erdemir, JMStV, 1. Auflage 2017, § 20 Rn. 47; siehe hierzu ferner VG Gelsenkirchen, Urteil vom 16. Dezember 2009 - 14 K 4086/07 -, juris, Rn. 34; zur mit der Neufassung lediglich erfolgten Klarstellung siehe auch Hopf/Braml, Die Entwicklung des Jugendmedienschutzes 2019, ZUM 2020, 312, 313 f.
32Nichts anderes folgt aus § 2 Abs. 1 JMStV n.F., der nunmehr ausdrücklich (bestimmte) Auslandssachverhalte miteinbezieht. Dort heißt es in dem neu eingefügten Satz 2, die Vorschriften des Staatsvertrages gälten auch für Anbieter, die ihren Sitz nach den Vorschriften des Telemediengesetzes sowie des Medienstaatsvertrages nicht in Deutschland hätten, soweit die Angebote zur Nutzung in Deutschland bestimmt seien und die Vorgaben der Art. 3 und 4 AVMD-RL 2018 sowie des Art. 3 ECRL beachtet würden. Aus dieser Ergänzung lässt sich vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen - entgegen der Ansicht der Antragstellerin - nicht etwa folgern, dass der Gesetzgeber eine - bislang fehlende - Ermächtigungsrundlage und Zuständigkeitsbestimmung für Auslandssachverhalte erstmalig hätte schaffen wollen. Es handelt sich ausweislich der Gesetzesbegründung vielmehr um eine Klarstellung in Bezug auf die bisherige Rechtslage bzw. mit Satz 3 um eine Konkretisierung der Voraussetzungen, wie ein solcher Auslandsbezug ausgestaltet sein muss, damit der JMStV n.F. Anwendung findet.
33LT-Drs. 17/9052 vom 21. April 2020 (Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland), S. 177: „Der neue Absatz 1 Satz 2 stellt klar, dass Bestimmungen des JMStV auch für solche Anbieter gelten, die ihren Sitz […] nicht in Deutschland haben, deren Angebote aber zur Nutzung in Deutschland bestimmt sind“; „Bisher war ein Vorgehen gegen ausländische Anbieter bereits über § 20 Abs. 6 S. 2 möglich“.
34Aus der Vorschrift des § 20 Abs. 6 Satz 2 JMStV a.F. folgt im Fall eines im Ausland ansässigen Diensteanbieters, der seine Telemedien bundesweit anbietet, zugleich die (subsidiäre) örtliche Zuständigkeit einer jeden Landesanstalt für Medien im Bundesgebiet, deren sachliche Zuständigkeit sich grundsätzlich aus § 14 Abs. 1 JMStV a.F. ableitet. § 20 Abs. 6 Satz 2 JMStV a.F. enthält für diesen Fall eine Auffangzuständigkeit, die nicht ausschließt, dass mehrere Landesmedienanstalten zuständig sind.
35Vgl. Bornemann in Bornemann/Erdemir, JMStV, 1. Auflage 2017, § 20 Rn. 47.
36Es steht einer jeden Landesmedienanstalt frei, ein Verfahren auf der Grundlage der Vorschriften des JMStV a.F. einzuleiten, wobei nicht zuletzt im Sinne einer einheitlichen Entscheidungsfindung, aber auch aus verfahrensökonomischen Aspekten, eine interne Abstimmung zwischen den einzelnen Landesmedienanstalten sinnvoll erscheinen dürfte - wie hier auch geschehen. Dabei stellt sich nicht die Frage, ob - wie die Antragstellerin einwendet - die Übertragung einzelner Verwaltungsaufgaben von den übrigen Bundesländern auf eine allein „federführende“ und nach außen hin tätig werdende Landesmedienanstalt zulässigerweise in Gestalt einer informellen Absprache erfolgen durfte oder ob es hierfür nicht einer gesetzlichen oder staatsvertraglichen Grundlage bedurft hätte. Denn mit dieser internen (formlosen) Abstimmung ist den anderen Landesmedienanstalten nicht ihre durch § 20 Abs. 6 JMStV a.F. begründete Zuständigkeit zum (länderübergreifenden) Tätigwerden für alle Bundesländer entzogen worden. Dem rechtsstaatlichen Erfordernis der Zuständigkeits- und Verantwortungsklarheit ist dabei genügt. Mit der Entscheidung zum Tätigwerden einer Landesmedienanstalt eines Bundeslandes steht fest, dass diese staatliche Aufgabenwahrnehmung im Außenverhältnis einem einzelnen Land zugerechnet werden kann, sodass sich eindeutig bestimmen lässt, welches Landesrecht jeweils anwendbar ist und wer für die getroffenen Entscheidungen im Verhältnis zu Dritten einzustehen hat.
37Vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 20. Dezember 2007 - 2 BvR 2433/04 -, juris, Rn. 155 ff.; BVerwG, Urteil vom 15. Juli 2020 - 6 C 6/19 -, juris, Rn 40; vgl. auch zum Glücksspielrecht: Bayerischer VerfGH, Entscheidung vom 25. September 2015 - Vf. 9-VII-13 -, juris, Rn. 141 ff.
382. Es spricht auch Überwiegendes dafür, dass der der Entscheidung der Antragsgegnerin zugrunde liegende Beschluss der KJM im Einklang mit den Vorschriften des JMStV a.F. (a), an dessen Verfassungsmäßigkeit keine Zweifel bestehen (b), gefasst worden ist.
39a) Die Beschlussfassung der KJM erfolgte letztlich im schriftlichen Verfahren gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 der Geschäfts- und Verfahrensordnung der Kommission für Jugendmedienschutz vom 25. November 2003, in der Fassung vom 9. Oktober 2019 (GVO-KJM), nachdem eine Informationsvorlage der Antragsgegnerin bereits Gegenstand der Diskussion im Plenum der KJM in der Sitzung am 11. März 2020 war und der Prüffall nachfolgend auf der Grundlage einer Beschlussempfehlung der Antragsgegnerin vom 20. Mai 2020 in der - im Rahmen einer Videokonferenz abgehaltenen - KJM-Sitzung vom 27. Mai 2020 beraten worden war. Ausweislich des Protokolls dieser Sitzung vom 27. Mai 2020 war entschieden worden, dass die Abstimmung über die Beschlussempfehlung im schriftlichen Verfahren erfolgen solle. Nachfolgend haben ausweislich der beigezogenen Akte der KJM alle zwölf Mitglieder der KJM eine schriftliche Erklärung abgegeben, der zufolge sie im Nachgang zur KJM-Sitzung vom 27. Mai 2020 „der Beschlussempfehlung einschließlich der Begründung im schriftlichen Verfahren“ zustimmen. Diese Vorgehensweise begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Entscheidung im schriftlichen Verfahren der KJM ist in § 5 Abs. 1 Satz 3 GVO-KJM ausdrücklich vorgesehen. Bedenken bestehen auch nicht vor dem Hintergrund einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren ohne Einschaltung einer Prüfgruppe (vgl. § 9 GVO-KJM). Angesichts der zuvor ausweislich der Sitzungsprotokolle mündlich erfolgten Erörterung im Plenum am 11. März 2020 und insbesondere der Diskussion in der Sitzung vom 27. Mai 2020 im Rahmen der Videokonferenz, in der alle Mitglieder durch Handzeichen bestätigt haben, dass die verfahrensrelevanten Mitschnitte und Unterlagen zum Prüffall vollumfänglich gesichtet worden waren, ist von der entsprechenden Information und einem unbeeinflussten kollegialen Entscheidungsprozess der Mitglieder der KJM auszugehen.
40Siehe dazu Liesching in BeckOK JMStV, 18. Ed. Stand 1. Januar 2020, § 17 Rn. 6, der im Fall eines schriftlichen Verfahrens davon ausgeht, es dürfe nicht mehr als zulässig und mithin als rechtswidrig anzusehen sein, wenn diese „Beeinflussung“ des Entscheidungsprozesses durch Beschlussvorlagen nicht von der gesetzlich für angebotsinhaltliche Jugendschutzbewertungen zuständigen Stelle - hier der KJM bzw. ihrer eingerichteten Gremien und Prüfgruppen -, sondern von einer unzuständigen Stelle - z.B. einer Landesmedienanstalt - erfolgt. Siehe hierzu auch Hopf in Bornemann/Erdemir, JMStV, 2. Auflage 2021, § 17 Rn. 9 (Fn. 23) und allgemein zur Intensität der Befassung, Rn. 16, 17.
41Auch dürfte mit dieser Vorgehensweise den Anforderungen der Sätze 3 und 4 des § 17 Abs. 1 JMStV a.F. an die Begründung der Entscheidung der KJM genügt sein.
42Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 JMStV a.F. sind die Beschlüsse der KJM zu begründen. In dieser Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen (Satz 4). Die Beschlüsse der KJM sind gegenüber den anderen Organen der zuständigen Landesmedienanstalt bindend und deren Entscheidungen zu Grunde zu legen (Sätze 5 und 6).
43Diese im Gesetz normierte Begründungspflicht der KJM hat das OVG NRW,
44unter Berücksichtigung der Aufgabe der KJM, das Angebot selbst sachverständig zu bewerten, des spezifisch ausgestalteten Verhältnisses der Landesmedienanstalten und der KJM, insbesondere der Bindungswirkungen der Entscheidungen der KJM für die Landesmedienanstalten sowie des Zwecks des Begründungserfordernisses des § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV a.F., auch im Hinblick auf die (Grund-) Rechte der Betroffenen und unter Berücksichtigung der Bedingungen der Praxis der Medienaufsicht, des vielfach komplexen und umfangreichen Charakters dieser Prüfungsverfahren sowie der Gegebenheiten einer Gremienentscheidung für die Begründung des Beschlusses der KJM, vgl. zur Begründung im Einzelnen Urteil vom 17. Juni 2015 - 13 A 1215/12 -, juris, Rn. 38 ff., auch mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung,
45ausgelegt und präzisiert. Das Gericht hat es als ausreichend angesehen, wenn die KJM der von der zuständigen Landesmedienanstalt vorgelegten Beschlussvorlage einschließlich einer darin enthaltenen Begründung des vorgeschlagenen Beschlusses durch Bezugnahme zustimmt. Dann müssen, so das Gericht, eine solche Bezugnahme bzw. Verweisung und der Wille, sich die Begründung der Beschlussvorlage zu eigen zu machen, aus der Niederschrift über den Beschluss der KJM oder aus sonstigen Unterlagen klar und unmissverständlich hervorgehen. Allein der Umstand, dass der Beschluss seinem Inhalt nach der in der Beschlussvorlage vorgeschlagenen Entscheidung entspricht, reiche nicht aus.
46Ausgehend von dieser Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, dürfte in Bezug auf den angenommenen Verstoß gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 JMStV a.F. eine den Anforderungen des § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV a.F. genügende Begründung der KJM vorliegen. Die Mitglieder der KJM haben - wenn auch durch Ankreuzen in einem Formularschreiben - nicht nur erklärt, dass sie der Beschlussempfehlung, sondern, dass sie der Beschlussempfehlung einschließlich der Begründung zustimmen. Zwar bezieht sich diese Zustimmung nicht ausdrücklich auf die Beschlussempfehlung der Antragsgegnerin vom 20. Mai 2020. Da diese Beschlussempfehlung aber Grundlage der Sitzung der KJM am 27. Mai 2020 war und das der Sitzung nachfolgende Anschreiben an die Mitglieder der KJM vom 28. Mai 2020 mit der Übersendung der Faxvordrucke zur Abstimmung im schriftlichen Verfahren darauf hinwies, dass für den Fall einer von der Beschlussempfehlung der Antragsgegnerin abweichenden Entscheidung diese zu begründen sei, ergibt sich die Bezugnahme ohne weiteres. Dem steht auch nicht entgegen, dass das Protokoll der Sitzung vom 27. Mai 2020 zu diesem Tagesordnungspunkt (S. 14 des Protokolls) eine „nachstehende Beschlussempfehlung“ zur Abstimmung im schriftlichen Verfahren stellt, denn diese gibt lediglich die Beschlussempfehlung der Antragsgegnerin wieder, die Grundlage der Beratung war. Soweit die Zustimmungserklärungen der Mitglieder der KJM auf dem Vordruck den Zusatz „Unterschrift des Prüfungsausschussmitglieds“ tragen, kommt dem keine Bedeutung zu.
47Die in Bezug genommene Beschlussempfehlung der Antragsgegnerin enthielt auch eine ausreichende Begründung für den Beschlussvorschlag in Bezug auf den Verstoß gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 JMStV a.F.. Die Begründung war zudem klar und unmissverständlich, weil sie nach der Darstellung des Verfahrensgangs hinsichtlich der entscheidungserheblichen Erwägungen nicht etwa im Sinne einer Kettenverweisung auf weitere und ggf. abweichende Begründungen - etwa früherer Vorlagen - verwies, sondern eigenständig eine rechtliche Bewertung und damit Begründung der getroffenen Entscheidung enthielt.
48Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2015 - 13 A 1215/12 -, juris, Rn. 38 f.
49Ob die gegebenen Begründungen die getroffenen Entscheidungen inhaltlich tragen, ist keine Frage des formellen, sondern des materiellen Rechts.
50b) Die Bestimmungen im JMStV a.F. zum hier durchgeführten Verfahren verstoßen auch nicht gegen Verfassungsrecht. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen das Bundesstaats- und Demokratieprinzip vor.
51Die von der Antragstellerin zum früheren Glücksspielstaatsvertrag und dem darin geregelten Glücksspielkollegium zitierte Rechtsprechung und Literatur,
52vgl. insbesondere Hessischer VGH, Beschluss vom 16. Oktober 2015 - 8 B 1028/15 -, juris; G. Kirchhof, Das Glücksspielkollegium und die grundgesetzlichen Grenzen von Länderkooperation, 2016,
53und die Schlussfolgerung, die dort aufgeführten verfassungsrechtlichen Bedenken gälten auch für die KJM, da das Glücksspielkollegium dieser nachempfunden sei, tragen nicht.
54Denn ungeachtet der Nachvollziehbarkeit dieser Einwände
55- es werden in der Rechtsprechung durchaus auch andere Auffassungen vertreten, vgl. etwa Hamburgisches OVG, Urteil vom 22. Juni 2017 - 4 Bf 160/14 -, juris; Bayerischer VerfGH, Entscheidung vom 25. September 2015 - Vf. 9-VII-13 -, juris -
56hat die obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung für das hier betroffene Rechtsgebiet des Rundfunk- und Telemedienrechts verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der KJM bislang nicht geäußert, so dass die Kammer jedenfalls im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keine Veranlassung sieht, den von der Antragstellerin umfangreich aufgeworfenen Problemstellungen nachzugehen.
57Neben der erstinstanzlichen hat sich auch die obergerichtliche Rechtsprechung mit der Aufsicht gegenüber den Anbietern von Telemedien gemäß §§ 14 ff. JMStV a.F. und der Organzuständigkeit der KJM sowie des bindenden Charakters ihrer Beschlüsse gegenüber anderen Organen der zuständigen Landesmedienanstalt wiederholt befasst, indes verfassungsrechtliche Probleme in Bezug auf die Beachtung des Bundesstaats- und Demokratieprinzips nicht geäußert.
58Vgl. z.B. zur obergerichtlichen Rechtsprechung OVG NRW, Urteile vom 17. Juni 2015 - 13 A 1215/12 - und - 13 A 1072/12 -, jeweils juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. November 2014 - OVG 11 B 10.12 -, juris; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 20. Oktober 2008 - 10 LA 101/07 -, juris; Bayerischer VGH, Beschlüsse vom 1. September 2020 - 7 ZB 18.1183 -, vom 19. September 2013 - 7 BV 13.196 - und vom 25. Oktober 2011 - 7 CS 11.1070 -, jeweils juris, ferner Urteil vom 14. Februar 2020 - 7 B 18.56 -, juris, nachfolgend abgeändert durch Urteil des BVerwG vom 20. April 2021 - 6 C 6/20 -, juris.
59Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 15. Juli 2020,
60- 6 C 6/19 -, juris, Rn. 29 ff.,
61zwar nicht unmittelbar zur KJM (vgl. § 35 Abs. 2 Nr. 4 RStV a.F.), aber zu einem weiteren der in § 35 Abs. 2 RStV a.F. aufgeführten Organe der Landesmedienanstalten, und zwar zu der Kommission für Zulassung und Aufsicht - ZAK - (vgl. § 35 Abs. 2 Nr. 1 RStV a.F.), festgestellt, dass die im Rundfunkstaatsvertrag vorgesehene materielle Entscheidungsbefugnis der ZAK für die Zulassung bundesweiter Programme keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt.
62Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt:
63„Trotz dieser umfassenden Verlagerung materieller Entscheidungsbefugnisse von den pluralistisch zusammengesetzten Kollegialorganen der Landesmedienanstalten auf die ZAK und damit auf ein Gremium, in dem lediglich die - insoweit weisungsfreien und zur Verschwiegenheit verpflichteten - monokratischen Exekutivorgane der Landesmedienanstalten vertreten sind und für dessen Beschlüsse das Mehrheitsprinzip gilt, ist die einfach-rechtliche Ausgestaltung des Verfahrens für die Zulassung bundesweiter Programme im Rundfunkstaatsvertrag sowohl mit den Vorgaben aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (aa) als auch mit dem Bundesstaatsprinzip (bb), dem Demokratieprinzip (cc) und dem Rechtsstaatsprinzip (dd) vereinbar.“
64Zu dem hier vorgetragenen Verstoß gegen das Bundesstaatsprinzip hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt:
65„bb) Die eine Letztverantwortung der einzelnen Landesmedienanstalten ausschließende Verlagerung von Aufgaben und Zuständigkeiten auf die ZAK durch den Rundfunkstaatsvertrag ist entgegen der Ansicht der Revision auch mit dem Bundesstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) vereinbar. Sie berührt weder den Kern der Eigenstaatlichkeit der Länder noch läuft sie dem Grundsatz der Unabdingbarkeit von Verwaltungskompetenzen zuwider.
66Da den Ländern nach Art. 30 GG die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben - jedenfalls dem Grundsatz nach - zusteht, haben sie die Kompetenz zum Abschluss von Verträgen und zur Errichtung gemeinsamer Einrichtungen (BVerwG, Urteil vom 5. November 1965 - 7 C 119.64 - BVerwGE 22, 299 <306>; vgl. auch Rudolf, in: Isensee/Kirchhof <Hrsg.>, Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 3. Aufl. 2008, § 141 Rn. 54; März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck/Huber/Voßkuhle <Hrsg.>, GG-Kommentar, Band 2, 7. Aufl. 2018, Art. 30 Rn. 38). Eine unzulässige Aufgabe oder Übertragung von Hoheitsrechten liegt im Verhältnis der Länder untereinander jedenfalls dann nicht vor, wenn in dem zugrunde liegenden Vertrag ausdrücklich vereinbart worden ist, dass dieser innerhalb bestimmter Fristen gekündigt werden kann (BVerwG, Urteil vom 28. Januar 1966 - 7 C 128.64 - BVerwGE 23, 194 <197 f.>) und wenn die Abweichung von der Regel der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung durch Gründe gerechtfertigt ist, die in der Aufgabenmaterie und ihren rechtlichen wie faktischen Anforderungen liegen (Isensee, in: Isensee/Kirchhof <Hrsg.>, Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 3. Aufl. 2008, § 126 Rn. 187).
67Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf die im Rundfunkstaatsvertrag vorgesehene Errichtung, organisatorische Ausgestaltung und Entscheidungszuständigkeit der ZAK erfüllt. Nach § 62 Abs. 1 Satz 2 RStV kann der Staatsvertrag von jedem der vertragschließenden Länder zum Schluss des Kalenderjahres mit einer Frist von einem Jahr gekündigt werden. Die Regelung einer abschließenden Entscheidungsbefugnis der ZAK im Bereich der Zulassung bundesweiter Rundfunkangebote und der Aufsicht über solche Angebote ist auch durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Gerade im Bereich des Rundfunks sind die faktischen Grenzen einer isolierten Aufgabenerfüllung der Länder offensichtlich. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Urteil zum Niedersächsischen Landesrundfunkgesetz ausgeführt, dass die Verfügung über die Ausstrahlung von in allen Ländern direkt empfangbaren Rundfunkprogrammen nur allen Ländern gemeinsam zukommen kann, und in diesem Zusammenhang sogar eine Pflicht zur Kooperation der Länder angenommen, soweit das für ein funktionierendes System erforderlich ist (BVerfG, Urteil vom 4. November 1986 - 1 BvF 1/84 - BVerfGE 73, 118 <196 f.>).“
68Zum Demokratieprinzip hat das Bundesverwaltungsgericht weiter ausgeführt:
69„cc) Das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) steht der Regelung einer abschließenden Entscheidungsbefugnis der ZAK im Bereich der Zulassung von und der Aufsicht über bundesweite(n) private(n) Rundfunkangebote(n) ebenfalls nicht entgegen.“
70„ […] Die Revision weist zu Recht darauf hin, dass die demokratische Legitimation der ZAK nach diesen Grundsätzen tendenziell schwach ausgeprägt ist. Da sich die Besetzung der ZAK ohne Mitwirkung der Landesparlamente oder Landesregierungen unmittelbar aus dem Rundfunkstaatsvertrag ergibt (§ 35 Abs. 3 Satz 1 RStV), betrifft dies zum einen die personelle Legitimation. Wegen der Weisungsfreiheit ihrer Mitglieder (§ 35 Abs. 8 Satz 1 RStV), die eine Einflussnahme der Volksvertretungen - gegebenenfalls über die zuständigen Ressortminister - auf das Abstimmungsverhalten ausschließt, ist zum anderen auch die sachlich-inhaltliche Legitimation zurückgenommen. Sie wird letztlich vor allem durch die strikte Gesetzesbindung vermittelt, die eine Prüfung von Programminhalten bei der Entscheidung über die Zulassung bundesweiter Rundfunkangebote - wie ausgeführt - ausschließt.
71Die beschriebenen Lockerungen des parlamentarischen Verantwortungszusammenhangs sind jedoch wegen der sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergebenden Vorgaben verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Denn wie bereits ausgeführt, muss der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit dem Gebot der Staatsferne Rechnung tragen und Vorkehrungen dagegen treffen, dass der Staat bestimmenden Einfluss auf das Programm der von ihm unabhängigen Veranstalter gewinnt. Wegen dieses verfassungsrechtlichen Erfordernisses, dem bei der landesrechtlichen Ausformung der Rechtsstellung der Rundfunkaufsichtsbehörden Rechnung zu tragen ist, betrifft die von der Revision beanstandete Absenkung des demokratischen Legitimationsniveaus nicht nur die ZAK als gemeinsames Organ, sondern in vergleichbarer Weise auch die Landesmedienanstalten und damit die Klägerin selbst, auf deren Entscheidungen das Landesparlament oder die Landesregierung ebenfalls keinen Einfluss nehmen können. Anders als die Revision suggeriert, kann diese Abschwächung demokratischer Legitimation nicht durch die landesrechtlich vorgesehene Zusammensetzung des Beschlussorgans der Klägerin aus Vertretern der gesellschaftlich relevanten Gruppen kompensiert werden. Denn die pluralistische Zusammensetzung ist weder geeignet noch bestimmt, die Rückbindung an das Staatsvolk sicherzustellen. Die Einbindung von "Sachwaltern der Allgemeinheit", die unabhängig von den Staatsorganen sind und Erfahrungen aus den unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen einbringen, dient allein dem Zweck, der Gefahr einseitiger Einflussnahme und Programmgestaltung entgegenzuwirken und zu gewährleisten, dass die Vielfalt der Anschauungen und Aktivitäten in allen Lebensbereichen im Programm Ausdruck findet (BVerfG, Urteil vom 5. Februar 1991 - 1 BvF 1/85, 1/88 - BVerfGE 83, 238 <333 f.>).“
72Dass diese Bewertung gleichermaßen für die KJM (§ 35 Abs. 2 Nr. 4 RStV a.F.) gilt, wird von der Antragstellerin zwar mit ihrer weiteren Begründung umfassend in Zweifel gezogen. Indes hat sich das Bundesverwaltungsgericht nachfolgend im Urteil vom 20. April 2021,
73- 6 C 6/20 -, juris,
74in einem Verfahren betreffend ein aufsichtsbehördliches Einschreiten gegen einen Anbieter von Telemedien konkret mit Aufgaben und Organzuständigkeit der KJM auseinandergesetzt und diesbezüglich keine verfassungsrechtlichen Bedenken geäußert. Vielmehr hat das Gericht lediglich der Aufgabenzuweisung an die KJM Grenzen aufgezeigt. Nach diesem Urteil unterfällt die Androhung eines Zwangsgeldes als Vollstreckungsmaßnahme zur Durchsetzung einer im Rahmen der Aufsicht nach dem JMStV getroffenen Sachentscheidung nicht der Organzuständigkeit der KJM. Das Gericht hat sich in der Entscheidung mit der organisatorischen Ausgestaltung der KJM befasst und sowohl aus der Bezeichnung als „Sachverständige“ als auch aus der Zusammensetzung (§ 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 JMStV a.F.) geschlossen, dass die Organzuständigkeit der KJM auf Sachentscheidungen zu begrenzen sei, bei denen die Bewertung von Sachverhalten unter jugendschutzrechtlichen Aspekten im Vordergrund stehe.
75Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. April 2021 - 6 C 6/20 -, juris, Rn. 21, 25 ff.
76Das Bundesverwaltungsgericht hat u.a. festgestellt:
77„bb) Zu einem anderen Ergebnis der teleologischen Auslegung führt auch nicht die Berücksichtigung weiterer Ziele des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages. Aus Absatz 7 der Präambel des Rundfunkstaatsvertrages ergibt sich zwar, dass die Landesgesetzgeber die verstärkte Zusammenarbeit der Landesmedienanstalten nicht nur im Hinblick auf die bessere Durchsetzbarkeit von Entscheidungen, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung privater Veranstalter für erforderlich gehalten haben. Diesem Ziel ist jedoch dadurch hinreichend genügt, dass die KJM als gemeinsames Gremium der Landesmedienanstalten sowohl über die Feststellung von Verstößen gegen die staatsvertraglichen Bestimmungen als auch über die Auswahl der Rechtsfolgen zu entscheiden hat. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Landesgesetzgeber von einer abschließenden Regelung oder gar der Schaffung einer länderübergreifenden Einrichtung für den Jugendschutz im Bereich des Rundfunks und der Telemedien bewusst abgesehen haben. Vielmehr haben sie auch in Bezug auf länderübergreifende Angebote an dem Grundsatz der Zuständigkeit der Landesmedienanstalten festgehalten (vgl. § 14 Abs. 1 JMStV), die die erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter treffen (§ 20 Abs. 1 JMStV). Die Schaffung der KJM als einheitliches Organ, durch das die Landesmedienanstalten für Veranstalter von Rundfunk (§ 20 Abs. 2 JMStV) bzw. Anbieter von Telemedien (§ 20 Abs. 4 JMStV) die jeweiligen Entscheidungen im Bereich der Aufsicht treffen, stellt damit ersichtlich einen Kompromiss dar zwischen dem Ziel eines möglichst einheitlichen Rechtsrahmens einerseits und dem Fortbestand dezentraler Landesmedienanstalten mit eigenen Kompetenzen andererseits.“
783. Schließlich hat die Antragsgegnerin - unter Beachtung der Pflicht zur Anhörung der Antragstellerin - ein ordnungsgemäßes Verfahren im Einklang mit den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes NRW (VwVfG NRW) durchgeführt. Der angegriffene Bescheid dürfte auch den weiteren im Gesetz aufgestellten Anforderungen zur Umsetzung des Beschlusses der KJM genügen. Insbesondere dürfte nicht festgestellt werden können, dass die Antragsgegnerin gegen den Grundgedanken ihrer Bindung an die Beschlüsse der KJM sowie deren Begründung gemäß § 17 Absatz 1 JMStV a.F. unter dem Gesichtspunkt verstoßen hätte, das sie den angegriffenen Bescheid am 16. Juni 2020 erlassen hätte, ohne die Begründung der KJM, an die sie gebunden ist, positiv zu kennen.
79Vgl. zu einem hieraus folgenden Verfahrensverstoß OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2015 - 13 A 1215/12 -, juris, Rn. 52 („Ein solches Vorgehen widerspricht grundlegend dem im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag vorgesehenen Verhältnis von KJM und Landesmedienanstalten“).
80Zwar war der Antragsgegnerin mit Anschreiben der KJM vom 12. Juni 2020 über die Beschlussfassung der KJM im schriftlichen Verfahren lediglich der Beschluss mitgeteilt worden und ebenso das Abstimmungsergebnis 12:0, nicht jedoch deren Begründung. Allerdings hatte die KJM die Antragsgegnerin zuvor mit E-Mail am 5. Juni 2020 darüber informiert, dass bis zu diesem Zeitpunkt sieben KJM-Mitglieder der KJM-Beschlussvorlage zugestimmt hätten, sodass die Beschlussempfehlung der Antragsgegnerin mit der Mehrheit der Stimmen beschlossen worden sei. In der Anlage waren die sieben schriftlichen Erklärungen der KJM-Mitglieder, die bis zu diesem Zeitpunkt ihre Zustimmung zur „Beschlussempfehlung einschließlich der Begründung“ erklärt hatten, übermittelt worden. Durch diese Mitteilung dürfte die Antragsgegnerin auch über die mit der erforderlichen Mehrheit (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 2 JMStV a.F.) gefasste Begründung des Beschlusses der KJM - ungeachtet dessen, dass ihr zu diesem Zeitpunkt die weiteren Zustimmungserklärungen der KJM-Mitglieder noch nicht vorlagen - informiert gewesen sein, die sie sodann in ihrem Bescheid vom 16. Juni 2020 wiedergegeben hat.
81III. Auch in materieller Hinsicht dürften die in Rede stehenden auf § 20 Abs. 1, Abs. 4 JMStV a.F. i.V.m. § 59 Abs. 3 RStV a.F. gestützten Regelungen im angefochtenen Bescheid rechtmäßig sein. Es spricht Überwiegendes dafür, dass sie, soweit sie hier angegriffen werden, hinreichend bestimmt sind (1.), dass die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage vorliegen (2.) und die hierauf gestützten Maßnahmen der Antragsgegnerin weder gegen Verfassungsrecht verstoßen noch ermessensfehlerhaft sind (3.). Schließlich dürften die Maßnahmen im Einklang mit völkerrechtlichen Grundsätzen stehen (4.) und auch nicht unter Verstoß gegen das Herkunftslandprinzip gemäß § 3 Abs. 2 TMG a.F. ergangen sein (5.).
821. Gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG NRW muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung hinreichend klar, verständlich und in sich widerspruchsfrei ist. Davon ist auszugehen, wenn der Adressat und die mit dem Vollzug befasste Behörde und deren Organe aufgrund der Entscheidungssätze und der Begründung des Verwaltungsakts sowie der sonst für die Betroffenen erkennbaren Umstände ersehen können, was genau durch den Verwaltungsakt gefordert wird und gegebenenfalls zu vollstrecken ist. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts.
83Vgl. z.B. OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2015 - 13 A 1215/12 -, juris, Rn. 57 m.w.N.
84Nach diesen Grundsätzen dürfte die in Ziffern 1 und 2 Satz 1 des Bescheides geregelte Beanstandung von Verstößen des von der Antragstellerin verbreiteten Internetangebotes de.1.com gegen Vorschriften des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages ebenso wie die in Ziffer 2 Satz 2 ausgesprochene Untersagung hinreichend bestimmt sein.
85Bei Auslegung unter Berücksichtigung des sonstigen Bescheidinhalts, der Begründung,
86zur Auslegung unter Berücksichtigung des Tenors und Bescheidinhalts vgl. OVG NRW, Urteile vom 17. Juni 2015 - 13 A 1215/12 -, juris, Rn. 67 f. und - 13 A 1072/12 -, juris, Rn. 93 ff., sowie Beschluss vom 30. Oktober 2009 - 13 B 744/09 -, juris, Rn. 16,
87sowie des Empfängerhorizontes der Antragstellerin dürfte für diese erkennbar sein, dass die Beanstandung und Untersagung sich nur auf Teile ihres Angebots de.1.com beziehen - nämlich auf das Angebot, soweit es gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 JMStV (und § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 JMStV) verstoßen hat. Dies entspricht auch den medienrechtlichen Vorgaben gemäß § 20 Abs. 1, Abs. 4 JMStV a.F. i.V.m. § 59 Abs. 3 RStV a.F., denen zufolge medienrechtliche Maßnahmen auf die Teile des Angebots zu beschränken sind, die tatsächlich gegen Vorschriften des JMStV verstoßen, soweit nicht die Beschränkung aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen oder wegen des damit verbundenen Aufwandes unzumutbar ist.
88Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2015 - 13 A 1215/12 -, juris, Rn. 64 f.; VG Berlin, Urteil vom 21. Mai 2019 - 27 K 93.16 -, juris, Rn. 73.
89Zwar dürfte der die Beanstandung enthaltende Verfügungssatz in Ziffern 1 und 2 Satz 1 des Bescheides, die Antragstellerin als Anbieterin des Telemedienangebot de.1.com verstoße gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 JMStV (und § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 JMStV sowie § 7 Abs. 1 Satz 2 JMStV) und dies werde medienrechtlich beanstandet, ausgehend vom Wortlaut noch offen lassen, ob sich die Beanstandung auf das gesamte Internetangebot unter der Domain de.1.com bezieht oder nur auf Teile des Angebots.
90Für ein umfassendes Verständnis siehe OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2015 - 13 A 1072/12 -, juris, Rn. 93 f. zu einer Formulierung, die den Verstoß nicht auf die Anbieterin, sondern auf das Internetangebot bezieht; siehe auch Urteil vom gleichen Tag - 13 A 1215/12 -, Rn. 64 ff. für die Frage der Auslegung im Fall einer Beanstandung und Untersagung.
91Die Formulierung der Untersagung („Die Verbreitung des Angebots in dieser Form wird zukünftig untersagt") knüpft wiederum an die zuvor festgestellte Beanstandung der Verstöße gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 JMStV a.F. (und § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 JMStV a.F.) an. Zwar folgt hieraus noch keine hinreichende Eingrenzung des Umfangs der Beanstandung und Untersagung, diese dürfte sich aber aus den im Weiteren in den nachfolgenden Sätzen der Ziffer 2 aufgezeigten Handlungsmöglichkeiten ergeben, die Verstöße abzustellen. Denn soweit die Antragsgegnerin die Antragstellerin darauf hinweist, dass sie mit diesen Maßnahmen ihre Verpflichtungen nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 JMStV a.F. (und § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 JMStV a.F.) erfüllt,
92„Die Anbieterin erfüllt ihre Verpflichtung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V.m. Satz 2 JMStV, wenn sie die pornografischen Inhalte von ihrem Angebot entfernt oder eine geschlossene Benutzergruppe einrichtet, durch die sichergestellt wird, dass nur Erwachsene Zugang zu den pornografischen Inhalten erhalten. Zukünftig erfüllt die Anbieterin ihre Verpflichtung nach § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 JMStV, wenn sie dafür Sorge trägt, dass Kinder oder Jugendliche unter 18 Jahren die entwicklungsbeeinträchtigen Inhalte üblicherweise nicht wahrnehmen“,
93bringt sie zugleich zum Ausdruck, dass sie ihre medienrechtlichen Maßnahmen auf die gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 JMStV a.F. (und § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 JMStV a.F.) verstoßenden Teile des Angebots beschränkt wissen will - ungeachtet dessen, dass diese Ausführungen keinen eigenen Regelungsgehalt haben dürften.
94Offen lassend: OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2015 - 13 A 1215/12 -, juris, Rn. 72.
95Anderes ergibt sich auch nicht aus der Begründung des angegriffenen Bescheides, die gerade nicht auf die entgegengesetzte Absicht einer umfassenden Untersagung schließen lässt. Dort heißt es vielmehr u.a., die inhaltliche Ausrichtung fokussiere dabei die Verbreitung sexueller (also nicht nur pornografischer) Inhalte (S. 2), es handele sich um ein populäres deutschsprachiges Sex-Angebot, das in zahlreichen Userprofilen pornographische (sowie entwicklungsbeeinträchtigende) Inhalte frei zugänglich anbiete (S. 2) und das Telemedienangebot „enthalte“ Darstellungen, die pornografisch seien. Unter den anhand von Beispielen angeführten Verstößen gegen jene Vorschriften heißt es jeweils erneut, das Angebot „enthalte“ (S. 7) pornografische Darstellungen (und „enthalte zahlreiche Darstellungen“ bzw. „weise“ Inhalte „auf“, die entwicklungsbeeinträchtigend seien, S. 11). Wiederholt wird auch die bereits im Tenor aufgezeigte Handlungsmöglichkeit, wie zukünftig die Verstöße gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 JMStV a.F. (und § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 JMStV a.F.) verhindert werden können (S. 13).
96Der angegriffene Bescheid genügt auch den Anforderungen an die Bestimmtheit, soweit er den im Gesetz verwendeten unbestimmten Rechtsbegriff „pornografisch“ aufgreift. Der Begriff der Pornografie im JMStV a.F. entspricht dem strafrechtlichen Pornografie-Begriff. Was als pornografisch anzusehen ist, wird zudem in der Bescheidbegründung anhand von Beispielen veranschaulicht und zusätzlich abstrakt beschrieben und damit konkretisiert. Einer weiteren Konkretisierung im jeweiligen Bescheidtenor bedurfte es daher hier nicht.
97Vgl. VG Berlin, Beschluss vom 20. Februar 2018 - 27 L 546.17 -, juris, Rn. 63 m.w.N.
98Auch hat die Antragsgegnerin offensichtlich nicht etwa das Angebot der Antragstellerin weltweit in der gerügten Form beanstandet und untersagt, sondern lediglich das gegen Normen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages verstoßende Angebot im Bundesgebiet. Dies ergibt sich bereits aus dem Bescheidtenor, in dem das Angebot mit dem Länderpräfix „de.[…]“ genannt wird. Zudem folgt dies erkennbar aus der Begründung des Bescheides. So heißt es dort etwa, es gehe der Antragsgegnerin um die Rechtskonformität von Angeboten, die aus dem Ausland betrieben würden, jedoch an das deutsche Publikum gerichtet seien und so offenkundig eine Gefährdung für Kinder und Jugendliche in Deutschland darstellten. Das an das deutsche Publikum gerichtete und in Deutschland verfügbare Angebot sei mit Blick auf den Schutz von Kindern und Jugendlichen rechtskonform zu gestalten (S. 8,9 des Bescheides).
992. Die Antragstellerin hat gegen das Verbot des § 4 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 2 JMStV a.F. (a) als Anbieterin von Telemedien (b) verstoßen.
100a) Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JMStV a.F. i. V. m § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV a.F. sind unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit Angebote in Telemedien unzulässig, wenn sie in sonstiger Weise pornografisch sind und von Seiten des Anbieters nicht sichergestellt ist, dass sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden.
101Diese Voraussetzungen sind gegeben. Bei den von der Antragsgegnerin in den Gründen des Bescheides vom 16. Juni 2020 beispielhaft aufgezeigten Inhalten der Domain de.1.com handelt es sich - was von der Antragstellerin auch nicht in Abrede gestellt wird - um einfache Pornografie im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JMStV a.F..
102Vgl. zum Pornografiebegriff und Prüfungsumfang: OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2015 - 13 A 1072/12 -, juris, Rn. 59 ff.; Erdemir in Bornemann/Erdemir, JMStV, 2. Auflage 2021, § 4 Rn. 207 ff. m.w.N.; Erdemir, Neue Paradigmen der Pornografie? - Ein unbestimmter Rechtsbegriff auf dem Prüfstand, MMR 2003, 628; vgl. zu Text-Bild-Kombinationen: VG Cottbus, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 8 K 2831/17 -, juris, Rn. 39.
103Ein Altersverifikationssystem zum Ausschluss des Zugriffs von Kindern und Jugendlichen im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV a.F. war nicht vorhanden.
104b) Die Antragstellerin ist auch Anbieterin der Inhalte im Bereich der Telemedien.
105Bei dem Angebot de.1.com handelt es sich um ein Angebot im Bereich der Telemedien im Sinne der §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 2 Nr. 1 JMStV a.F. in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG a.F.. Gewöhnliche, an die Öffentlichkeit gerichtete und für jedermann zum Abruf bereitstehende Internetseiten stellen Telemedien-Angebote in diesem Sinne dar.
106Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2015 - 13 A 1072/12 -, juris, Rn. 58.
107Die Antragstellerin ist als Anbietern auch die richtige Adressatin der Beanstandung und Untersagung des Angebotes de.1.com.
108Eine Definition des Begriffs „Anbieter" findet sich im JMStV a.F. nicht. In der Begriffsbestimmung des § 3 Abs. 2 Nr. 2 JMStV a.F. beschränkt sich der Gesetzgeber auf die Definition des Begriffs „Anbieter" als Rundfunkveranstalter oder Anbieter von Telemedien. Der Zweck des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags, Kinder und Jugendliche vor jugendgefährdenden Angeboten in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien wirksam zu schützen, erfordert eine weite Auslegung des Anbieterbegriffs in § 3 Abs. 2 Nr. 3 JMStV a.F..
109Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 20. März 2012 - 27 K 6228/10 -, juris, Rn. 35 m.w.N.
110Vor diesem Hintergrund ist die weite Definition des Diensteanbieters von Telemedien aus § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG a.F. auf den JMStV a.F. unmittelbar anzuwenden.
111Vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 - I ZR 102/05 -, juris, Rn. 16; Bayerischer VGH, Beschluss vom 2. Februar 2009 - 7 CS 08.2310 -, juris, Rn. 30; VG Düsseldorf, Urteil vom 20. März 2012 - 27 K 6228/10 -, juris, Rn. 34 ff.; Held/Schulz in Binder/Vesting, Beck RundfunkR, 4. Aufl. 2018, JMStV, § 3 Rn. 28 m.v.w.N.
112Diensteanbieter von Telemedien ist gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG a.F. jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt. Diese Voraussetzungen erfüllt die Antragstellerin. Sie hält im Rahmen des Angebots eigene, im Schwerpunkt aber fremde - von ihren registrierten Nutzern hochgeladene - Inhalte bereit. Konkret dürfte es sich bei dem in Rede stehenden Angebot um Telemedien in Gestalt einer Video-Sharing-Plattform handeln. Eine Video-Sharing Plattform ist - wie inzwischen auch ausdrücklich in § 2 Abs. 2 Nr. 22 des durch Art. 1 des MOModStV am 7. November 2020 in Kraft getretenen Medienstaatsvertrages normiert - ein Telemedium, bei dem der Hauptzweck des Dienstes oder eines trennbaren Teils des Dienstes oder eine wesentliche Funktion des Dienstes darin besteht, Sendungen mit bewegten Bildern oder nutzergenerierte Videos, für die der Diensteanbieter keine redaktionelle Verantwortung trägt, der Allgemeinheit bereitzustellen, wobei der Diensteanbieter die Organisation der Sendungen oder der nutzergenerierten Videos, auch mit automatischen Mitteln oder Algorithmen, bestimmt.
113Vgl. Lamprecht-Weißendorn in Bornemann/Erdemir, JMStV, 2. Auflage 2021, § 5a Rn. 3.
114Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Soweit ersichtlich, dient das Angebot gerade dazu, dass Nutzer Foto- und Videomaterial auf das Angebot hochladen. Es spricht dabei alles dafür, dass die Antragstellerin - insbesondere hinsichtlich der Inhalte der Beiträge - keine redaktionelle Verantwortung trägt, sondern diese allenfalls vor Veröffentlichung sichtet und in Kategorien einordnet.
115Für das Angebot dürfte die Antragstellerin darüber hinaus auch verantwortlich im Sinne von § 20 Abs. 4 JMStV a.F. i.V.m. §§ 7 bis 10 TMG a.F. sein. In § 7 Abs. 1 TMG a.F. ist der allgemeine Grundsatz niedergelegt, dass Diensteanbieter für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich sind (Verantwortlichkeit des Content-Providers). Geringere Anforderungen werden nach § 7 Abs. 2 TMG a.F. an die in §§ 8 bis 10 TMG a.F. geregelten anderen Anbieter (u.a. Access-Provider, Host-Provider) gestellt.
116Vgl. hierzu auch: OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2015 - 13 A 1072/12 -, juris, Rn. 70 ff.
117Insbesondere bei Video-Sharing-Plattformen dürfte die Frage, ob deren Betreiber als Content- oder bloßer Host-Provider auftritt, nur im Einzelfall zu beantworten sein. Der EuGH stellt in diesem Zusammenhang darauf ab, ob der Anbieter sich darauf beschränkt, seinen Dienst mittels rein technischer und automatischer Verarbeitungen der von einem Dritten eingegebenen Daten neutral zu erbringen. Verlässt der Anbieter dagegen seine neutrale Vermittlerposition und spielt er eine aktive Rolle, die ihm eine Kenntnis von bestimmten Daten oder eine Kontrolle über sie verschaffen konnte, wird er hinsichtlich dieser Daten nicht von dem Anwendungsgebiet des Art. 14 ECRL erfasst und kann sich deshalb insoweit auch nicht auf das Haftungsprivileg der Art. 14 f. ECRL sowie des § 7 Abs. 2 TMG a.F. berufen.
118Vgl. etwa EuGH, Urteil vom 12. Juli 2011 - C-324/09 -, L’Oréal u.a., juris Rn. 111 ff. m.w.N.
119Im Falle eines „Sich-zu-Eigen-Machens“ ursprünglich fremder Inhalte ist der Diensteanbieter unabhängig davon verantwortlich, ob es sich um fremde rechtswidrige Äußerungen oder um fremde rechtswidrige wie z.B. urheberrechtswidrige sonstige Inhalte handelt. Entscheidend ist allein, ob bei wertender Betrachtung der Diensteanbieter aus Sicht eines objektiven Nutzers für die Information die Verantwortung tragen will. Erforderlich sind konkrete Tatsachen, die aus objektiver Sicht zu dem Schluss führen, dass der Diensteanbieter sich die fremde - bzw. im Sprachgebrauch von Art. 12 bis 14 ECRL: die von dem Nutzer eingegebene - Information wie eine eigene zurechnen lassen will.
120Vgl. Hoffmann/Volkmann in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, TMG, § 7 Rn. 18 m.w.N.
121Hier spricht alles dafür, dass die Antragstellerin - wie sie auch selbst vorträgt - Content-Providerin des Angebots ist, weil sie sich die von ihren Nutzern ggf. hochgeladenen Inhalte im Rahmen ihres Geschäftsmodells des Betriebs einer Erotikhomepage mit - jedenfalls größtenteils - pornografischen Inhalten zu eigen macht.
122Unabhängig davon dürfte sich auch bei einer Einordnung der Antragstellerin als Host-Providerin kein Haftungsprivileg im Sinne von § 10 TMG a.F. ergeben, weil die Antragstellerin jedenfalls seit der Anhörung durch die Antragsgegnerin Kenntnis von den in Rede stehenden Verstößen hatte und diese nicht abgestellt hat.
1233. Es spricht auch Überwiegendes dafür, dass die im Bescheid angeordnete Rechtsfolge - die auf einen Verstoß gegen § 4 JMStV a.F. gestützte Beanstandung und Untersagung - von der Rechtsgrundlage gedeckt ist. Besagte Maßnahmen dürften nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG oder Art. 12 Abs. 1 GG verstoßen und auch im Übrigen verhältnismäßig sein (a). Von ihrem hinsichtlich der Auswahl der Aufsichtsmittel eröffneten Ermessen hat die Antragsgegnerin ohne Rechtsfehler Gebrauch gemacht (b).
124a) Die angefochtene Verfügung dürfte sich nicht im Hinblick auf den von der Antragstellerin geltend gemachten Verstoß gegen Art. 3 GG oder auch Art. 12 GG als rechtswidrig darstellen. Ein solcher Verstoß folgt nicht - wie von der Antragstellerin gerügt - aus dem Fehlen eines Art. 3 Abs. 1 GG umsetzenden sachlich vertretbaren Konzepts für das aufsichtsbehördliche Einschreiten und eines entsprechenden flächendeckenden Vorgehens. Denn die Antragsgegnerin, bzw. ihr Organ, die KJM, waren weder unter Berücksichtigung der Rechte aus Art. 3 Abs. 1 GG noch Art. 12 Abs. 1 GG verpflichtet, vor ihrem gesetzlich gebotenen Handeln ein behördliches Eingriffskonzept für die zeitliche Reihenfolge ihres Einschreitens gegen Anbieter von Telemedienangeboten im Unionsgebiet außerhalb Deutschlands zu erstellen, die pornografische Inhalte frei zugänglich anbieten. Ihre Entscheidung zum Einschreiten gegenüber der Antragstellerin dürfte auch nicht gegen das Willkürverbot verstoßen haben.
125Das Bundesverwaltungsgericht,
126Urteile vom 26. Oktober 2017 - 8 C 14/16 - und - 8 C 18/16 -, jeweils juris,
127hat für den Fall, dass die Behörde aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null zum Einschreiten verpflichtet ist, entschieden, dass die gleichheitsrechtliche Rechtfertigung eines zeitlich gestaffelten Vorgehens in Fällen der Ermessensreduzierung auf Null nach Art. 3 Abs. 1 GG nur vom Vorliegen zureichender sachlicher Gründe für etwaige Differenzierungen und nicht zusätzlich davon abhängt, dass die Behörde vor dem ersten Zugriff ein Eingriffskonzept erstellt hat und auf dessen Grundlage vorgegangen ist. Die Behörde hat in diesem Fall keine Handlungsalternativen mehr, zwischen denen sie nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten auswählen kann. Sie muss vielmehr in allen Fällen, in denen eine Reduzierung des Entschließungsermessens eingetreten ist, einschreiten. Daher muss sie für ihr Einschreiten gegen einen Ordnungspflichtigen regelmäßig keinen - weiteren - Sachgrund anführen. Begründungsbedürftig ist vielmehr allenfalls ein vorübergehendes Absehen von einem Einschreiten. Sachgründe, die geeignet sind, ein vorübergehendes Absehen von einem an sich sofort gebotenen Einschreiten zu rechtfertigen, können mangelnde personelle Ressourcen, aber auch der Wunsch der Behörde sein, zunächst ein Musterverfahren durchzuführen, um ihre Rechtsansicht gerichtlich überprüfen zu lassen. Entscheidet eine Behörde sich, den Einsatz ihrer begrenzten Ressourcen, die kein gleichzeitiges Einschreiten gegen alle Störungen ermöglichen, an einem Plan auszurichten, muss sie sich, um Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu verletzen, an ihn halten. Fehlt es an einem Plan, so genügt es, dass sich ein Einschreiten der Behörde nicht als willkürlich darstellt. Dafür reicht es beispielsweise aus, wenn die Behörde Anhaltspunkten für Gesetzesverstöße nachgeht und einschreitet, sobald sie im regulären Gang der Verwaltung die Überzeugung gewonnen hat, dass die Voraussetzungen für ein Einschreiten gegeben sind. Sie ist vor dem Gleichheitsgebot nicht gehalten, ein Handlungskonzept für die zeitliche Reihenfolge des Einschreitens gegen mehrere Störungen aufzustellen oder gar Störungen, für die ein Einschreiten in Betracht kommt, zu ermitteln, um dann gestuft nach der Schwere der Verstöße einzuschreiten.
128Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - 8 C 14/16 -, juris, Rn. 21 f.
129Diese Grundsätze gelten hier entsprechend, da sich, wie ausgeführt, die Handlungspflicht der Antragsgegnerin schon aus dem Gesetz ergibt (§ 20 Abs. 1 JMStV a.F.), ohne dass ihr bei der Frage des Einschreitens ein Ermessen eingeräumt wäre.
130Das Aufstellen eines Zeitplans für das ordnungsbehördliche Einschreiten ist für die vorliegende Konstellation nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im vorgenannten Urteil auch nicht unter dem Aspekt des Konkurrenzschutzes durch Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG,
131vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - 8 C 14/16 -, juris, Rn. 24,
132geboten. Auf die Frage, wie sich die europarechtlich gebotene Anwendung der Schutzgehalte des Deutschengrundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG auf juristische Personen mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat dogmatisch begründet, kommt es vor diesem Hintergrund nicht an.
133Die vom Bundesverwaltungsgericht für den Bereich des unerlaubten Glücksspiels in diesem Urteil aufgestellten Grundsätze gelten hier gleichermaßen. Wird ein Konkurrent erst später als die Antragstellerin mit einer Beanstandungs- und Untersagungsverfügung belegt, obwohl die Voraussetzungen dafür auch ihm gegenüber schon zum Zeitpunkt des Einschreitens gegen die Antragstellerin vorlagen, mag er zwar daraus einen faktischen Wettbewerbsvorteil ziehen können. Daraus folgt jedoch kein Recht der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 GG, die eigene Tätigkeit bis zum Einschreiten - auch - gegen den Konkurrenten fortsetzen zu dürfen. Die Berufsfreiheit schützt nämlich keine Tätigkeiten, die der Gesetzgeber grundrechtskonform als unerlaubt eingestuft hat. Sie vermittelt keinen Anspruch darauf, aus wirtschaftlichen Gründen die mit dem Internetverbot bekämpften Gefahren für wichtige Rechtsgüter, wie hier den Jugendschutz, herbeiführen zu dürfen.
134Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - 8 C 14/16 -, juris, Rn. 24, m.w.N..
135Ist damit nach den vorstehenden Ausführungen das Einschreiten der Antragsgegnerin allein am Maßstab der Willkür zu messen, dürften Rechtsfehler nicht zu erkennen sein.
136Abgestellt auf das Vorgehen gegen Anbieter mit Sitz im Unionsgebiet außerhalb Deutschlands - hieran knüpfen die Einwände der Antragstellerin an - hat die Antragsgegnerin Gründe für ihr Einschreiten gegen die Antragstellerin angeführt, die nicht sachwidrig erscheinen dürften. Sie hat ausgehend von ihren begrenzten Ressourcen ihre Auswahl damit begründet, dass von reichweitenstarken und auch stark verlinkten Angeboten aufgrund der erhöhten Wahrscheinlichkeit eines Kontakts von einer größeren Jugendgefährdung auszugehen sei, so dass es eine logische Konsequenz sei, diese vor dem Hintergrund des Jugendmedienschutzes prioritär zu behandeln. Handele es sich zudem um Angebote, die, wie im Fall des Angebots der Antragstellerin, mit zahlreichen Beispielen fortwährend Verstöße gegen jugendmedienschutzrechtliche Bestimmungen begründeten, so müssten diese entsprechend verfolgt werden. Zu den reichweitenstarken Angeboten zählt sie das hier in Rede stehende Angebot der Antragstellerin, was von dieser auch nicht in Abrede gestellt wird und was angesichts der Verbreitung und der Berichterstattung im Netz auch nicht ernstlich in Zweifel gezogen werden können dürfte. Die von der Antragstellerin gegen diese Vorgehensweise vorgebrachten Einwände dürften nicht durchgreifen. Um Willkür auszuschließen, bedarf es nicht, wie von der Antragstellerin mit ihrer Argumentation im Kern gefordert, der Erstellung eines statistisch belegten sog. Rankings, welches das Angebot der Antragstellerin in Verhältnis zu den entsprechenden anderen Angeboten auf dem deutschen Markt setzt. Ebenso würden die Anforderungen überzogen, würde eine qualitative Bewertung der einzelnen Verstöße im Angebot der Antragstellerin im Vergleich zu der Schwere der Verstöße der jeweiligen Konkurrenzangebote gefordert.
137Ferner ist die Antragsgegnerin nicht nur gegen das Angebot de.1.com der Antragstellerin vorgegangen. Ausweislich der Verwaltungsvorgänge, der gerichtlichen Verfahren sowie der Presseberichterstattung hat sie eine entsprechende Verfügung auch in Bezug auf das weitere Angebot der Antragstellerin de.2.com (27 L 1415/20, 27 K 3905/20) sowie Verfügungen gegen die ebenfalls zum Konzern der Antragstellerin zählende Anbieterin des Angebots de.3.com (27 L 1416/20, 27 K 3904/20) und schließlich gegen eine weitere in Irland ansässige Anbieterin eines Angebotes (27 L 1985/20, 27 K 5891/20) erlassen. Des Weiteren ist - wie aus den Medien bekannt - eine entsprechende Beanstandungs- und Untersagungsverfügung gegen das Angebot y.com (Anbieterin mit Sitz in Zypern) ergangen, ohne dass gegen diese Klage erhoben worden wäre. Ausweislich der Informationsvorlage der Antragsgegnerin vom 2. März 2020 für die KJM-Sitzung am 11. März 2020 haben ferner beim Fall m.com eines Anbieters mit Sitz in Luxemburg informelle Maßnahmen (E-Mail und telefonischer Austausch) zur Implementierung eines Altersverifikationssystem sowie eines Labels „ab 18“ und so zu einer jugendschutzkonformen Gestaltung des Angebots für Neukunden geführt. Zudem ist die Antragsgegnerin - wie aus den Medien bekannt - mit sechs Verfügungen gegen die Twitter International Company mit Sitz in Irland bezüglich Profilen auf der Plattform Twitter, die auch dazu genutzt wurden, pornografische Inhalte zugänglich zu machen, vorgegangen.
138Unabhängig davon lag zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses auch ein hinreichender Sachgrund für ein vorübergehendes Absehen von einem an sich gebotenen Einschreiten gegenüber weiteren Anbietern mit Sitz im Gebiet der Europäischen Union außerhalb Deutschlands vor. Der Wunsch der Behörde, wie hier offenkundig der Fall, Musterverfahren durchzuführen und mit einem weiteren Vorgehen abzuwarten bzw. erst danach gegen andere Anbieter vorzugehen, ist ein anerkannter Sachgrund, im Besonderen angesichts der in den nachfolgenden Ausführungen des Gerichts diskutierten und bislang ungeklärten europarechtlichen Fragestellungen.
139Zur Rechtsprechung im Glücksspielrecht, wonach es keine strukturell defizitäre oder willkürliche Vollzugspraxis darstellt, wenn die Aufsichtsbehörde zunächst nur gegen wenige große Anbieter von Glücksspielen im Internet vorgeht, vgl. z.B. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. August 2019 - OVG 1 N 46.18 -, juris; zur sachgerechten Überlegung eines Musterverfahrens auch OVG des Saarlandes, Urteil vom 29. März 2019 - 1 A 398/17 -, juris und Beschluss vom 7. Februar 2019 - 1 B 8/19 -, juris; VG Berlin, Urteil vom 6. Juni 2018 - 4 K 213.17 -, juris.
140Schließlich ist der Antragsgegnerin auch bei Einbeziehung ihres Vorgehens gegen inländische Anbieter kein willkürliches Vorgehen vorzuhalten. Denn die Antragsgegnerin geht auch gegen inländische Anbieter von Telemedienangeboten, die pornografische Inhalte frei zugänglich anbieten, vor - was von der Antragstellerin auch nicht in Abrede gestellt wird.
141Vgl. hierzu die Internetseite der Antragsgegnerin https://www.medienanstalt-nrw.de/zum-nachlesen/recht-und-aufsicht/rechtsverstoesse-im-internet.html: Danach wurden insgesamt rund 639 Rechtsverstöße auf Webseiten, in Social Media-Posts und bei weiteren Online-Angeboten im Jahr 2020 von der Antragsgegnerin festgestellt. 63 Verfahren wurden im Jahr 2020 im Zusammenhang mit Verstößen gegen den Jugendmedienschutz geführt. Neben Verfahren mit entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten ging es dabei insbesondere auch um unzulässige Inhalte und frei zugängliche Pornografie.
142Die Beanstandungs- und Untersagungsverfügung ist - soweit hier angegriffen - auch im Übrigen verhältnismäßig. Insbesondere ist die Antragstellerin - auch über die obigen Ausführungen hinaus - nicht in ihrer Berufsausübungsfreiheit,
143unabhängig davon, ob sie diese aus Art. 12 Abs. 1 oder Art. 2 Abs. 1 GG herleiten kann,
144verletzt. Die hier allein vorliegende Berufsausübungsregelung steht nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung des Angebotes für die Antragstellerin und die Allgemeinheit, vgl. § 59 Abs. 3 Satz 3 RStV a.F.. Die Antragsgegnerin hat das Internetangebot der Antragstellerin nicht etwa vollständig untersagt, sondern vielmehr die Möglichkeit belassen, die Internetseite unter Einhaltung des § 4 JMStV a.F. weiter zu betreiben. Etwaige finanzielle Einbußen, die aus der Einrichtung des Altersverifikationssystems folgen könnten, beeinträchtigen die Antragstellerin nicht unzumutbar und sind angesichts der Bedeutung des Jugendschutzes hinzunehmen. Der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme stehen - wie noch auszuführen sein wird - auch die Vorschriften des TMG a.F. nicht entgegen (siehe dazu unter 5.).
145b) Schließlich sind auch keine Ermessensfehler erkennbar. Die Antragsgegnerin hat von dem ihr - allein hinsichtlich der Auswahl der Aufsichtsmittel - eröffneten Ermessen ohne Rechtsfehler Gebrauch gemacht. Es begegnet mit Blick auf die obigen Ausführungen keinen Bedenken, dass sie die Beanstandung als mildestes aufsichtsrechtliches Mittel nicht für ausreichend erachtet hat, sondern darüber hinaus das Mittel der Untersagung gewählt hat, um der Antragstellerin - die bereits mit Schreiben vom 30. Oktober 2019 auf Verstöße gegen den JMStV a.F. hingewiesen worden war und ihr Angebot dennoch insofern unverändert weiter betrieben hat - nicht nur die Verstöße gegen den JMStV vor Augen zu führen, sondern auch der Wiederholung gleichartiger Verstöße entgegenzuwirken.
1464. Die in Rede stehende Maßnahme steht ferner im Einklang mit völkerrechtlichen Grundsätzen.
147Die Erstreckung des innerstaatlichen Rechts auf einen Sachverhalt mit Auslandsbezug kommt - wie eingangs bereits angesprochen - dann in Betracht, wenn ein hinreichender völkerrechtlicher Anknüpfungspunkt („genuine link“) vorliegt.
148Vgl. zur Anwendbarkeit des JMStV auf Angebote aus dem Ausland: BGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 - I ZR 102/05 -, juris, Rn. 44, wonach die Regelungen des JMStV grundsätzlich auch die Angebote aus dem Ausland, die im Inland abgerufen werden können, erfassen; laut Niedersächsischem OVG, Beschluss vom 6. Dezember 2007 - 10 ME 241/07 -, juris, Rn.12, richtet sich die Frage der Zulässigkeit eines Medienangebotes nicht nach seiner Herkunft und der Geltungsbereich des JMStV ist nicht auf deutsche Anbieter von Telemedien beschränkt; nach VG Gelsenkirchen, Urteil vom 16. Dezember 2009 - 14 K 4086/07 -, juris, Rn. 34, gelten die Regelungen des JMStV für alle pornografischen Angebote in Deutschland und erfassen grundsätzlich auch Angebote aus dem Ausland, die im Inland abgerufen werden können und gelten nach § 3 Abs. 1 und Abs. 5 Nr. 1 TMG insbesondere auch für Angebote aus anderen Mitgliedstaaten der EU; siehe ferner: Altenhain in Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, Stand 53. EL August 2020, Teil 20 Jugendschutz, Rn. 12, der die Anwendbarkeit des JMStV auf ausländische Angebote als von dem anerkannten Grundsatz gedeckt sieht, dass der Staat zur Abwehr von Gefahren berechtigt ist, die inländischen Rechtsgüter vom Ausland her drohen.
149Ein solcher Anknüpfungspunkt ist für die streitgegenständliche Maßnahme in Gestalt des sogenannten Wirkungsprinzips („effects doctrine“) gegeben. Dieses Prinzip knüpft an die Auswirkung einer vom Ausland ausgehenden Handlung an und erlaubt auslandsbezogene Rechtssetzung auch dann, wenn der zu regelnde, im Ausland lokalisierte Sachverhalt Auswirkungen im Inland hat. Neben dem „eng“ verstandenen Territorialitätsprinzip, das eingreift, wenn sich ein Geschehen ganz oder teilweise auf dem Staatsgebiet des regelnden Staates vollzieht, ist auch das Wirkungsprinzip völkerrechtlich als legitimer Anknüpfungspunkt anerkannt.
150Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 13. September 2011 - 27 K 2813/09 -, juris, Rn. 49; Ohler, Die Kollisionsordnung des Allgemeinen Verwaltungsrechts, Tübingen 2005, S. 339; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2020, Rn. 169a.
151Solche Auswirkungen des im Ausland lokalisierten Sachverhalts im Inland sind vorliegend gegeben.
152Das in Rede stehende Internetangebot war zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt im Bundesgebiet abrufbar. Wenngleich es sich um eine „.com-Domain“ handelt, war es in der im Bundesgebiet abrufbaren Form in der Gesamtschau erkennbar an Deutsche gerichtet. Dies ergibt sich aus der automatischen Weiterleitung auf das Angebot mit dem Präfix „de“, den Spracheinstellungen der Website sowie der dort geschalteten Werbung und geht aus den erkennbar auf deutsche Nutzer ausgerichteten Inhalten hervor.
153Vgl. auch die neuerdings ausdrücklich normierten Anforderungen des § 2 Abs. 1 S. 3 JMStV n.F.
154Ohne Belang ist es insofern, wenn sich das Angebot nicht ausschließlich an Nutzer in Deutschland richtet, sondern darüber hinaus an Deutschsprachige in aller Welt.
1555. Der Bescheid dürfte schließlich auch nicht unter Verstoß gegen das Herkunftslandprinzip des § 3 Abs. 2 TMG a.F. ergangen sein. Zwar findet das in § 3 Abs. 2 TMG a.F. normierte Herkunftslandprinzip auf den vorliegenden Sachverhalt Anwendung (a). Es spricht jedoch Überwiegendes für das Eingreifen einer Ausnahme nach § 3 Abs. 5 TMG a.F. (b).
156a) Nach § 3 Abs. 2 TMG a.F. wird der freie Dienstleistungsverkehr von Telemedien, die innerhalb des Geltungsbereichs der ECRL und der Richtlinie 2010/13/EU vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste, ABl. 95/1 vom 15. April 2010 - AVMD-RL a.F. - in Deutschland von Diensteanbietern, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind, geschäftsmäßig angeboten oder verbreitet werden, vorbehaltlich der Absätze 5 und 6 der Vorschrift nicht eingeschränkt. Die Voraussetzungen der Norm sind vorliegend gegeben.
157Bei dem Angebot de.1.com handelt sich um ein Telemedium - wie bereits ausgeführt in Gestalt einer Video-Sharing-Plattform - innerhalb des Geltungsbereichs der ECRL. Dieses Telemedium wurde auch in Deutschland von einem Diensteanbieter, der in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist, angeboten oder verbreitet. Die Antragstellerin ist nach eigenem - unwidersprochenem - Vortrag in Levkosia (Republik Zypern) niedergelassen und beim zypriotischen „Department of the Registrar of Campanies and Official Receiver“ registriert. Über eine Niederlassung in der Bundesrepublik Deutschland verfügt sie nicht.
158Das Angebot erfolgte auch geschäftsmäßig. Dies setzt eine dauerhafte und planmäßige Erbringung gegen Entgelt voraus. Die Voraussetzung der Geschäftsmäßigkeit erfüllen nach Erwägungsgrund 18 ECRL auch drittfinanzierte Dienste, wie etwa Werbebanner, die der Telemedienanbieter gegen Entgelt von Dritten auf seiner Homepage integriert. Der deutsche Gesetzgeber verlangt im Übrigen lediglich eine „nachhaltige Tätigkeit mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht“,
159Vgl. Nordmeier in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, TMG, § 3 Rn. 7 m.w.N.
160Hier zeigen schon die im Rahmen der Sichtung durch die Antragsgegnerin angeführten Beispiele, dass die Antragstellerin in erheblichem Umfang Werbefläche im Rahmen des Angebots zur Verfügung stellt.
161b) Es dürfte jedoch der Ausnahmetatbestand von § 3 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 TMG a.F. eingreifen. Nach Satz 1 Nr. 1 dieser Vorschrift unterliegen das Angebot und die Erbringung von Telemedien abweichend von Absatz 2 den Einschränkungen des innerstaatlichen Rechts, soweit dieses dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vor Beeinträchtigungen oder ernsthaften und schwerwiegenden Gefahren dient. Dies gilt auch insbesondere im Hinblick auf die Verhütung, Ermittlung, Aufklärung, Verfolgung und Vollstreckung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, einschließlich des Jugendschutzes. Die auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts in Betracht kommenden Maßnahmen müssen dabei in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Schutzzielen stehen und es müssen gemäß Satz 2 der Vorschrift die Konsultations- und Informationspflichten gemäß Artikel 3 Abs. 4 und 5 ECRL eingehalten worden sein .
162Vorliegend spricht Überwiegendes dafür, dass die Voraussetzungen von § 3 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 TMG a.F. gegeben sind. Die angegriffenen Regelungen dienen dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung insbesondere im Hinblick auf den Jugendschutz - konkret dem Schutz von Minderjährigen vor unzulässiger Pornografie (aa). Diesem Schutzziel dürften ernsthafte und schwerwiegende Gefahren drohen (bb). Die Maßnahmen dürften auch in einem angemessenen Verhältnis zu diesem Schutzziel stehen (cc) und die Antragsgegnerin dürfte die ihr obliegenden Konsultations- und Informationspflichten gemäß den Vorgaben der ECRL erfüllt haben (dd).
163aa) Das Schutzgut des Jugendschutzes in Gestalt von § 4 Abs. 2 JMStV a.F. unterfällt jedenfalls dem Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von § 3 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 TMG a.F..
164Vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 - I ZR 102/05 -, juris, Rn. 44; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 16. Dezember 2009 - 14 K 4086/07 -, juris, Rn. 34; allgemein zum Schutzgut Jugendschutz: Altenhain in MüKoStGB, 3. Aufl. 2019, TMG, § 3 Rn. 54; Spindler in Spindler/Schmitz, TMG, 2. Auflage 2018, § 3 Rn. 59, ähnlich: Liesching in BeckOK JMStV, 18. Ed. Stand 1. Januar 2020, § 3 Rn. 12; Weller in BeckOK InfoMedienR, 33. Ed. Stand 1. Februar 2021, TMG, § 3 Rn. 30; Erdemir, Neue Paradigmen der Pornografie? - Ein unbestimmter Rechtsbegriff auf dem Prüfstand, MMR 2003, 628, 632, m.w.N.; Hopf/Braml, Die Entwicklung des Jugendmedienschutzes 2019, ZUM 2020, 312, 314 m.w.N.
165Soweit darüber hinaus in der Literatur im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH zur Einschränkung von Grundfreiheiten auf Grundlage der öffentlichen Ordnung gefordert wird, dass ein Schutzgut in Rede stehen müsse, das ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt,
166vgl. etwa EuGH, Urteil vom 26. April 1988 - C-352/85 -, Bond van Adverteerders, juris; EuGH, Urteil vom 1. Oktober 2020 - C-649/18 -, Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln, juris, Rn. 64; Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und die Europäische Zentralbank, Anwendung von Artikel 3 Absätze 4 bis 6 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr auf Finanzdienstleistungen, Brüssel, den 14. Mai 2003, KOM(2003) 259, S. 6; Müller-Broich, TMG, 1. Auflage 2012, § 3 Rn. 26 m.w.N.,
167ergibt sich nichts anderes.
168Bereits aus den Vorschriften des europäischen Primärrechts, insbesondere Art. 3 Abs. 3 UAbs. 2 a.E. EUV, Art. 24 der EU-Grundrechte-Charta und der in das Primärrecht inkorporierten Europäischen Menschenrechtskonvention, vgl. Art. 6 Abs. 2 EUV i.V.m. Art. 6 Abs. 1 EMRK, ergibt sich die überragende Bedeutung des Jugendschutzes.
169Auch im europäischen Sekundärrecht ist der Jugendschutz - insbesondere auch vor unzulässiger Pornografie - als Grundinteresse der Gesellschaft anerkannt. Das Europäische Parlament und der Rat haben bereits in ihren Empfehlungen vom 20. Dezember 2006 über den Schutz Minderjähriger und den Schutz der Menschenwürde (2006/952/EG) darauf hingewiesen, dass gesetzgeberische Maßnahmen zum Schutz der körperlichen, geistigen und sittlichen Entwicklung Minderjähriger im Zusammenhang mit den Inhalten sämtlicher audiovisuellen Dienste und Informationsdienste und zum Schutz Minderjähriger vor dem Zugang zu für sie ungeeigneten Sendungen oder Diensten, die für Erwachsene bestimmt sind, vorgesehen werden müssen.
170Vgl. ABl. L 378 vom 27.12.2006, S. 72.
171Dementsprechend sieht auch nicht nur die ECRL in Art. 3 Abs. 4 den Jugendschutz als ein taugliches Schutzgut an, das eine Ausnahme vom Herkunftslandprinzip rechtfertigen kann. Weitere Verpflichtungen fanden sich bereits in Art. 12 AVMD-RL a.F.. Auch in der neuen Fassung der AVMD-RL 2018 - auf die im Folgenden noch einzugehen sein wird - findet sich das eindeutige Bekenntnis des europäischen Gesetzgebers zur überragenden Bedeutung des Jugendschutzes.
172In der Rechtsprechung des EuGH ist die Bedeutung des Jugendschutzes als Grundinteresse der Gesellschaft gleichfalls anerkannt. Mehrfach hat der Gerichtshof bereits darauf hingewiesen, dass der Schutz der Rechte des Kindes durch verschiedene internationale Verträge anerkannt ist, an deren Abschluss die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind.
173Vgl. EuGH, Urteil vom 14. Februar 2008 - C-244/06 -, Dynamic Medien, juris, Rn. 39 f. m.w.N.
174bb) Diesem Schutzziel des Jugendschutzes drohen ernsthafte und schwerwiegende Gefahren im Sinne von § 3 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 TMG a.F..
175Die Vorschrift ist als dessen direkte Umsetzung entsprechend Art. 3 Abs. 4 ECRL auszulegen,
176vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08 -, juris, Rn. 30 m.w.N.; Nordmeier in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, TMG, § 3 Rn. 1,
177so dass es im vorliegenden Zusammenhang weder auf die im deutschen Recht tradierten und von den Beteiligten diskutierten gefahrenabwehrrechtlichen Begrifflichkeiten oder deren Dogmatik - wie etwa die hier ohnedies nicht gegebene sog. latente Gefahr - noch auf strafrechtliche Kategorien wie konkrete oder abstrakte Gefährdungsdelikte ankommt.
178Unabhängig davon sei angemerkt, dass die drohende Erfüllung der Tatbestandsmerkmale eines abstrakten Gefährdungsdeliktes im Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht durchaus eine konkrete Gefahr im Rahmen des Gefahrenabwehrrechts darstellen kann.
179Eine europarechtliche Definition oder Konkretisierung des Gefahrenbegriffs in Art. 3 Abs. 4 a ii ECRL nimmt auch der EuGH in seiner neueren Rechtsprechung zu den Einzelfallausnahmen zum Herkunftslandprinzip gemäß Art. 3 Abs. 4 ECRL nicht vor. Er richtet vielmehr seine Prüfung nach der Zielsetzung der Maßnahme, ihrer Eignung zur Zielerreichung sowie der Frage aus, ob sie über das hinausgeht, was zur Zielerreichung erforderlich ist.
180Vgl. EuGH, Urteil vom 1. Oktober 2020 - C-649/18 -, Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln, juris, s. u.a. Rn. 68, 71, 78, 91ff., 106.
181Ob und ggf. wie der Gefahrbegriff in Art. 3 Abs. 4 a ii ECRL bzw. § 3 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 TMG a.F. allgemeingültig zu definieren ist, mag letztlich offenbleiben. Denn jedenfalls im hier konkret zur Entscheidung stehenden Fall liegt nach Auffassung der Kammer eine ernsthafte und schwerwiegende Gefahr im Sinne der Vorschriften vor.
182Ausweislich mehrerer in den letzten Jahren durchgeführten repräsentativen Studien haben grundsätzlich alle Jugendlichen Zugang zum Internet.
183Vgl. Quandt/Vogelsang, Jugend, Internet und Pornografie, in Rossler/Rossman, Kumulierte Evidenzen, S. 95 m.w.N.
184Im Durchschnitt verbringen 9 bis 17-jährige Kinder und Jugendliche an einem Werktag 2,4 Stunden online, an einem Wochenende 3 Stunden. Die meisten nutzten dabei das Smartphone.
185Vgl. Hasebrink/Lampert/Thiel: Online-Erfahrungen von 9- bis 17-Jährigen. Ergebnisse der EU Kids Online-Befragung in Deutschland 2019, Hamburg 2019, https://www.hans-bredow-institut.de/uploads/media/Publikationen/cms/media/s3lt3j7_EUKO_Bericht_DE_190917.pdf, S. 7 ff.
186Mehrere zwischen 2008 und 2016 veröffentlichte Studien,
187vgl. insoweit u.a. zu Pastötters Sexualreport 2008, zur Schülerbefragung Niedersachsen 2008, der JIM-Studie 2009, der Dr. Sommer-Studie 2009 und der Überblicksdarstellung von Starke 2010 sowie von Lemke und Weber 2016: Klein, Die Wirkung von Internet-Pornografie auf Kinder und Jugendliche, 2021, S. 62 ff.,
188decken sich im Ergebnis mit den Ergebnissen der jüngsten veröffentlichen Studien zum Thema Pornografiekonsum bei Kindern und Jugendlichen: So ergab die im Jahr 2018 veröffentlichte repräsentative Studie der Universitäten Hohenheim und Münster, in deren Rahmen in Deutschland 1048 Jugendliche im Alter zwischen 14 und 20 Jahren befragt wurden, dass 46 % aller befragten Jugendlichen schon einmal mit pornografischen Inhalten in Kontakt gewesen sind. Als zentrale Kanäle wurden hierbei Smartphone und Computer benannt. Die Hälfte der befragten Jugendlichen gab an, dass der erste Kontakt mit Pornografie willentlich zu Stande kam. Darüber hinaus gaben 31 % der männlichen Jugendlichen an, täglich oder mehrmals pro Woche Pornografie zu konsumieren.
189Vgl. Quandt/Vogelsang, Jugend, Internet und Pornografie, in Rossler/Rossman, Kumulierte Evidenzen, S. 91 ff.
190Dies entspricht den Ergebnissen der Studie des Leibniz-Instituts für Medienforschung - Hans-Bredow-Institut Hamburg aus dem Jahr 2019. Dabei wurde eine repräsentative Befragung von 1044 Kindern und Jugendlichen im Alter von 9-17 Jahren sowie einem Elternteil durchgeführt. Im Rahmen dieser Studie gaben 54 % der Befragten 12 bis 17-jährigen an, in den letzten 12 Monaten mit sexuellen Darstellungen in Form von Texten, Fotos oder Videos in Berührung gekommen zu sein, meistens über das Internet. Der Kontakt mit entsprechenden Inhalten stieg mit zunehmendem Alter. Während 42 % der 12 bis 14-jährigen angaben, schon einmal sexuelle Inhalte gesehen zu haben, lag der Anteil in der Altersgruppe zwischen 15 und 17-jährigen bei knapp 2/3 (65 %). 37 % der Heranwachsenden, die mit sexuellen Inhalten in Berührung gekommen sind, haben gezielt danach gesucht. Jeder fünfte (21 %) männliche Befragte sah nach eigenen Angaben fast täglich sexuelle Dienstleistungen auf Handy oder Laptop.
191Die Befragung der Eltern ergab, dass nur knapp 1/4 der Eltern Geräte oder Programme nutzte, um bestimmte Webseiten oder Inhalte zu blockieren bzw. zu filtern. Vergleichbare Programme, die Apps auf dem Smartphone entsprechend filtern, nahmen Eltern noch weniger in Anspruch (15 %). In der jüngeren Altersgruppe der Jugendlichen berichteten 24 %, dass sie wüssten, wie sie Privatsphäreeinstellungen ändern könnten, in der ältesten Gruppe waren dies sogar 87 %.
192Vgl. Hasebrink/Lampert/Thiel: Online-Erfahrungen von 9- bis 17-Jährigen. Ergebnisse der EU Kids Online-Befragung in Deutschland 2019, Hamburg 2019, https://www.hans-bredow-institut.de/uploads/media/Publikationen/cms/media/s3lt3j7_EUKO_Bericht_DE_190917.pdf.
193Ausgehend von dieser Datengrundlage dürfte aus Sicht der Kammer die Einschätzung der Antragsgegnerin nicht zu beanstanden sein, dass hinreichend wahrscheinlich ist, dass zumindest diejenigen Kinder und Jugendlichen, die gezielt Pornografie konsumieren, jedenfalls auch das Angebot der Antragstellerin in Anspruch nehmen.
194Ausweislich der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Sichtungen war dieses Angebot auch für jedermann frei zugänglich und enthielt an verschiedenen Stellen pornografische Darstellungen - was die Antragstellerin auch nicht in Abrede stellt.
195Bei dieser Einschätzung dürfte es auch ohne Bedeutung sein, ob das in Rede stehende Angebot der Antragstellerin über ein sogenanntes RTA-Label verfügt, das von einer entsprechenden Jugendschutzsoftware ausgelesen werden kann. Die Antragstellerin trägt dieses vor, die Sichtungen der Antragsgegnerin haben hierfür aber keinen Nachweis erbracht. Wie bereits ausgeführt, ergibt die Studienlage, dass nur 15-25 % der Eltern überhaupt eine entsprechende Software nutzen. Das bedeutet, dass selbst wenn unterstellt würde, dass hierdurch effektiv vor dem Zugang zu entsprechenden Angeboten - wie dem vorliegenden - geschützt wird, mithin die offensichtlich bestehenden Umgehungsmöglichkeiten außer Betracht blieben, trotzdem ein großer Teil der betreffenden Kinder und Jugendlichen ungeschützt wäre.
196Der Einschätzung einer ernsthaften und schwerwiegenden Gefahr dürfte schließlich auch nicht entgegenstehen, dass wissenschaftlich teilweise umstritten ist, welcher tatsächliche Schaden für Kinder und Jugendliche infolge des Konsums unzulässiger Pornografie entstehen kann.
197Vgl. hierzu etwa Klein, Die Wirkung von Internet-Pornografie auf Kinder und Jugendliche, 2021, S. 62 ff.; Kostenwein, „Generation Porno“ - Das Drama einer Gesellschaft oder Schlagwort eines Generationenkonflikts, 2018; Hajok, JMS-Report 10/2009, 1; Pornografie im Netz, https://www.klicksafe.de/themen/problematische-inhalte/pornografienutzung/pornografie-im-netz.
198In Bezug auf Gesundheitsgefahren, die gemäß § 3 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 TMG a.F. ebenfalls Ausnahmen vom Herkunftslandprinzip begründen können, betont der EuGH u.a. im Kontext mit Gefahren für die sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung regelmäßig, dass ein Mitgliedstaat, wenn eine Ungewissheit hinsichtlich des Vorliegens oder der Bedeutung der Gefahren für die menschliche Gesundheit bleibt, Schutzmaßnahmen treffen kann, ohne warten zu müssen, bis der Beweis für das tatsächliche Bestehen dieser Gefahren vollständig erbracht ist. Außerdem kann der Mitgliedstaat diejenigen Maßnahmen treffen, die eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung weitestmöglich verringern.
199Im hier betroffenen Bereich des Jugendschutzes, der zudem im weitesten Sinne auch dem Gesundheitsschutz dient, kann nichts anderes gelten. Demnach muss weder der deutsche Gesetzgeber noch die Antragsgegnerin warten, bis nachweislich in erheblichem Umfang Schädigungen bei jungen Erwachsenen auf den Konsum unzulässiger Pornografie in ihrer Kindheit und Jugend wissenschaftlich zurückgeführt werden können.
200Vgl. hierzu auch: BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24. September 2009 - 1 BvR 1231/04 -, juris, Rn. 5 ff.
201Der Einordnung als ernsthafte und schwerwiegende Gefahr steht auch nicht entgegen, dass ein bestimmtes Verhalten von Kindern und Jugendlichen bei der Nutzung des Internets hinzutreten muss, damit sie die betreffenden Inhalte tatsächlich konsumieren. Denn der EuGH hat verschiedentlich anerkannt, dass eine Gefahr im Sinne der ECRL besteht, auch wenn naturgemäß erhebliche Zwischenakte seitens des Betroffenen erforderlich sind. So hat der Gerichtshof etwa ein Verbot der Werbung für den grenzüberschreitenden Onlineverkauf selbst nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel, mit deren Einnahme grundsätzlich keine Gefahren verbunden sind, als geeignete Maßnahme angesehen, weil sich nicht ausschließen lasse, dass auch mit der Verwendung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel „gewisse Risiken“ verbunden seien. Ebenso hat der EuGH das Verbot eines Preisnachlasses auf Online-Arzneimittelbestellungen für geeignet im Sinne von Art. 3 Abs. 4 Buchst. a ECRL gehalten, weil hierdurch Personen dazu veranlasst werden könnten, Arzneimittel in größeren Mengen zu kaufen und ggf. in höherem Umfang einzunehmen als angezeigt.
202Vgl. EuGH, Urteil vom 1. Oktober 2020 - C-649/18 -, Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln, juris, Rn. 81 und 94.
203Nach alldem kann auch offenbleiben, inwieweit bereits angesichts der tatbestandlichen Erfüllung von § 4 Abs. 2 JMStV a.F. und der entsprechenden Ordnungswidrigkeitenvorschrift des § 24 Abs. 1 Nummer 2 JMStV a.F.
204- unabhängig von der Verfolgbarkeit der Ordnungswidrigkeit, vgl. hierzu ausführlich: Schwiddessen, CR 2017, 443 -
205eine Beeinträchtigung des Schutzgutes vorliegt.
206cc) Die streitbefangenen Maßnahmen dürften im Sinne von § 3 Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz TMG a.F. und der gleichlautenden Vorgabe in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a iii) ECRL auch in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Schutzzielen stehen, mithin auch nach Rechtsprechung des EuGH verhältnismäßig sein.
207Der EuGH betont im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung, dass sich die Voraussetzungen der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gemäß Art. 3 Abs. 4 Buchst. a ECRL weitgehend mit denen decken, die für jede Beschränkung der durch die Art. 34 und 56 AEUV garantierten Grundfreiheiten gelten. Deshalb ist bei der Beurteilung der Unionsrechtmäßigkeit der in Rede stehenden innerstaatlichen Regelung die zu diesen Vorschriften des AEU-Vertrags ergangene Rechtsprechung zu berücksichtigen.
208Vgl. EuGH, Urteil vom 1. Oktober 2020 - C-649/18 -, Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln, juris, Rn. 64.
209Die Beanstandung und Untersagung der unzulässigen pornografischen Inhalte des Angebots de.1.com dürfte zur Abwehr der erheblichen schwerwiegenden Gefahr für den Jugendschutz geeignet, erforderlich und angemessen sein.
210Soweit die Antragstellerin vorträgt, mit Blick auf die Vielzahl frei verfügbarer pornografischer Angebote im Internet sei die Maßnahme bereits ungeeignet, um Kinder und Jugendliche vor negativen Einflüssen derartiger Darstellung zu schützen, ist darauf hinzuweisen, dass die Eignung eines Gesetzes zur Erreichung des von ihm angestrebten Zwecks bereits dann zu bejahen ist, wenn dieser durch die Regelung wenigstens gefördert wird.
211Vgl. zum nationalen Recht: BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24. September 2009 - 1 BvR 1231/04 -, juris, Rn. 5 ff. m.w.N.
212Konkret in Bezug auf Altersverifikationspflichten im Hinblick auf die Vielzahl frei verfügbarer pornografischer Angebote im Internet hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt:
213„Es liegt vielmehr auf der Hand, dass die Verfügbarkeit pornografischer Angebote im Internet - zumal für nur der deutschen Sprache mächtige Minderjährige - durch die gesetzlich vorgeschriebene Sicherstellung des ausschließlichen Erwachsenenzugangs zumindest verringert werden kann.“
214Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24. September 2009 - 1 BvR 1231/04 -, juris, Rn. 5 ff.
215Nichts anderes dürfte auch unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben gelten.
216Die Maßnahme dürfte auch erforderlich und angemessen sein.
217Insbesondere dürfte der Erforderlichkeit nicht entgegenstehen, dass der EU-Mitgliedstaat Zypern ein eigenes Eingreifen beabsichtigt hätte, welches die Antragsgegnerin hätte abwarten müssen. Zum maßgeblichen Zeitpunkt dürfte vielmehr jedenfalls im vorliegenden Eilverfahren davon auszugehen sein, dass das in Rede stehende Angebot nach zypriotischem Recht zulässig gewesen ist. Denn dieses trägt die Antragstellerin selbst unwidersprochen vor und auch der Antragsgegnerin lagen ausweislich des mit den zypriotischen Behörden gewechselten Schriftverkehrs, auf den nachfolgend noch einzugehen sein wird, keine anderweitigen Anhaltspunkte vor. Dies dürfte einem etwaigen Einschreiten des zypriotischen Staates schon grundsätzlich entgegengestanden haben. Vor dem Hintergrund der, wie ausgeführt, überragenden Bedeutung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor unzulässiger Pornografie kam - ungeachtet des Ablaufs der Umsetzungsfrist der neuen AVMD-RL 2018 drei Monate nach Erlass des angegriffenen Bescheides - ein Zuwarten auf den ungewissen Abschluss eines Gesetzgebungsverfahrens in Zypern oder gar ein Abwarten eines hierauf gestützten behördlichen Einschreitens nicht in Betracht.
218Die Ausnahme vom Herkunftslandprinzip dürfte im vorliegenden Einzelfall auch angemessen sein. Der EuGH hat bereits verschiedentlich entschieden, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen und auf welche Art und Weise dieses erreicht werden soll. Da sich dieses Niveau von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheiden könne, sei den Mitgliedstaaten ein Wertungsspielraum zuzuerkennen.
219Vgl. EuGH, Urteile vom 1. Oktober 2020 - C-649/18 -, Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln juris, Rn. 71, vom 18. September 2019 - C-222/18 -, VIPA, juris, Rn. 71 m.w.N., vom 8. Juni 2017 - C-296/15 -, Medisanus, juris‚ Rn. 82 m.w.N., und vom 19. Mai 2009 - C-171/07 - und - C-172/07-, Apothekerkammer des Saarlandes u. a., juris‚ Rn. 19 m.w.N.
220Folglich bedeutet der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Vorschriften erlässt, die weniger streng sind als die in einem anderen Mitgliedstaat erlassenen, nicht, dass Letztere unverhältnismäßig wären.
221Vgl. EuGH, Urteile vom 18. September 2019 - C-222/18 -, VIPA, juris, Rn. 71 m.w.N, vom 9. Dezember 2010 - C-421/09 -, Humanplasma, juris‚ Rn. 40, und vom 11. September 2008 - C-141/07 -, Kommission/Deutschland, juris‚ Rn. 51 m.w.N.
222Diese Rechtsprechung dürfte auf den Bereich des Jugendschutzes - der deutliche Bezüge zum Schutz der Gesundheit aufweist und, wie bereits ausgeführt, europarechtlich ein ähnlich bedeutendes Rechtsgut darstellt - mit der Maßgabe zu übertragen sein, dass das europäische Sekundärrecht in Bezug auf den Jugendschutz einen Mindeststandard und Regelungsrahmen vorgibt.
223Dieser ergibt sich zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt insbesondere aus den Regelungen der AVMD-RL 2018. Diese Regelungen hat das Gericht auch bei seiner Auslegung heranzuziehen, obwohl zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses die neue AVMD-RL 2018 weder in Deutschland bereits umgesetzt noch deren Umsetzungsfrist abgelaufen war. Dies ändert aber nichts daran, dass der Willensbildungsprozess auf Ebene der europäischen Gesetzgebung bereits abgeschlossen war, so dass die bereits verabschiedete Richtlinie zur Ermittlung des gesetzgeberischen Willens des EU-Normgebers im Sekundärrecht heranzuziehen ist. So ist auch in der deutschen Rechtsprechung anerkannt, dass Gerichte bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist zu einer richtlinienkonformen Auslegung befugt sind.
224Vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 1998 - I ZR 211/95 -, juris, Rn. 43; VG Berlin, Beschluss vom 28. August 2019 - 27 L 164.19 -, juris, Rn. 48.
225In Erwägungsgrund 20 der AVMD-RL 2018 heißt es, der Mindestharmonisierungsansatz ermögliche es den Mitgliedstaaten, ein höheres Schutzniveau für Inhalte einzuführen, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen könnten. Die schädlichsten Inhalte, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen könnten, die aber nicht notwendigerweise eine Straftat darstellten, sollten den strengsten Maßnahmen, wie Verschlüsselung und wirksamen Systemen zur elterlichen Kontrolle, unterliegen; dies hindere die Mitgliedstaaten nicht daran, strengere Maßnahmen zu erlassen.
226Auf dieser Grundlage setzt Art. 28b AVMD-RL 2018 den Rahmen für mögliche Maßnahmen gegen Anbieter von Video-Sharing-Plattformen zum Schutz von Minderjährigen vor Sendungen, nutzergenerierten Videos und audiovisueller kommerzieller Kommunikation, die ihre körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung beeinträchtigen können, wobei die schädlichsten Inhalte den strengsten Maßnahmen der Zugangskontrolle unterliegen sollen. Dieser Regelungsrahmen reicht gemäß Art. 28b Abs. 3 AVMD-RL 2018 u.a. von der Aufnahme der Anforderungen in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der betreffenden Dienste (Art. 28b Abs. 3 UAbs. 3 a)) über Melde- und Anzeigemöglichkeiten unzulässiger Inhalte (Art. 28b Abs. 3 UAbs. 3 d)), der Bereitstellung von Systemen zur Kontrolle durch Eltern (Art. 28b Abs. 3 UAbs. 3 h)) bis zur Einrichtung von Systemen zur Altersverifikation (Art. 28b Abs. 3 UAbs. 3 f)).
227Vor diesem Hintergrund stellen die streitgegenständlichen Maßnahmen keine unangemessene Abweichung vom Herkunftslandprinzip dar. Denn die Maßnahmen, die auf den entsprechenden Vorgaben des deutschen Gesetzgebers beruhen, halten sich in diesem Regelungsrahmen, was für deren Verhältnismäßigkeit spricht.
228Vgl. in diesem Zusammenhang: BGH, Urteil vom 30. März 2006 - I ZR 24/03 -, juris, Rn. 30.
229Eines umfassenden Vergleichs entsprechender Regelungen in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union bedarf es aus Sicht der Kammer damit nicht.
230Der deutsche Gesetzgeber hat sich in § 4 Abs. 2 JMStV a.F. dafür entschieden, auch einfache Pornografie mit der strikten Forderung eines wirksamen Altersverifikationssystems zu verbinden, mit dem Ziel, dass diese von Minderjährigen gar nicht rezipiert werden kann, während allein entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte nur regelmäßig nicht wahrgenommen werden sollen. Diese Entscheidung ist nicht etwa lediglich von der durch die AVMD-RL 2018 eingeräumten Befugnis gedeckt, ausführlichere oder strengere Maßnahmen (als die in Art. 28b Abs. 3 AVMD-RL 2018 genannten) zu erlassen, vgl. Art. 28b Abs. 6 Satz 2 AVMD-RL 2018 und Erwägungsgrund 20. Vielmehr bewegt sich der deutsche Gesetzgeber gerade im Rahmen der von der Richtlinie ausdrücklich vorgesehenen und in Art. 28b Abs. 3 AVMD-RL benannten Maßnahmen. Insoweit fordert der europäische Gesetzgeber in Art. 28b Abs. 1a i.V.m. Art. 6a Abs. 1 UAbs. 2 AVMD-RL 2018 gerade für schädlichste Inhalte, „wie grundlose Gewalttätigkeiten und Pornografie“ strengste Maßnahmen. Als strengste Maßnahmen nennt er in Erwägungsgrund 20 insbesondere die „Verschlüsselung und wirksame Systeme zur elterlichen Kontrolle“. Bietet die Jugendschutzsoftware als System zur elterlichen Kontrolle indes - wie bereits ausgeführt - schon in der Breite keinen vergleichbaren Schutz, ist die für die Antragsgegnerin bindende Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, im Rahmen seiner staatlichen Schutzpflichten durch die Forderung nach einer Altersverifikation auch die Kinder und Jugendlichen einzubeziehen, die andernfalls in ihrem Umfeld keine den Jugendschutz absichernde Unterstützung finden würden, nicht unangemessen.
231Schließlich wird der Antragstellerin ein Gebrauchmachen von ihrer Dienstleistungsfreiheit durch die angefochtene Maßnahme der Antragsgegnerin auch nicht schlechthin unmöglich gemacht.
232Vgl. zu diesem Kriterium: EuGH, Urteil vom 1. Oktober 2020 - C-649/18 -, Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln, juris, Rn. 72 m.w.N.
233Insofern ist festzuhalten, dass - wie bereits ausgeführt - nicht das gesamte Geschäftsmodell der Antragstellerin in Gestalt des Betriebs der Internetseite de.1.com untersagt wurde. Gegenstand der – sofort vollziehbaren - Beanstandung und Untersagung ist allein der Teil des Angebotes, der gegen § 4 Abs. 2 JMStV a.F. verstößt. Die Antragstellerin ist also infolge des streitgegenständlichen Bescheides nicht gehindert, ihr Angebot grundsätzlich weiter zu betreiben. Den Umstand, dass die Antragstellerin auf diejenigen Nutzer verzichten muss, die nicht bereit sind, eine Altersverifikation durchzuführen, hat sie hinzunehmen.
234dd) Schließlich dürfte die Antragsgegnerin auch die ihr obliegenden Konsultations- und Informationspflichten gemäß § 3 Abs. 5 Satz 2 TMG a.F. i.V.m. Art. 3 Abs. 4 Buchst. b ECRL hinreichend erfüllt haben.
235Nach diesen Vorschriften hat der Mitgliedstaat vor Ergreifen der betreffenden Maßnahme
236unbeschadet etwaiger Gerichtsverfahren, einschließlich Vorverfahren und Schritten im Rahmen einer strafrechtlichen Ermittlung,
237- den in Absatz 1 genannten Mitgliedstaat aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, und dieser hat dem nicht Folge geleistet oder die von ihm getroffenen Maßnahmen sind unzulänglich;
238- die Kommission und den in Absatz 1 genannten Mitgliedstaat über seine Absicht, derartige Maßnahmen zu ergreifen, unterrichtet.
239Auf einen etwaigen Verstoß gegen diese Vorschriften kann sich auch die Antragstellerin berufen. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH stellt (jedenfalls) die Pflicht zur vorherigen Unterrichtung - nach dem Zweiten Spiegelstrich der Norm - nicht eine bloße Mitteilungspflicht dar, sondern eine wesentliche Verfahrensvorschrift, die es rechtfertigt, dass nicht mitgeteilte Maßnahmen, die den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft beschränken, dem Einzelnen nicht entgegengehalten werden dürfen.
240Vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2019 - C-390/18 -, Airbnb Ireland, juris, Rn. 94; vgl. auch EuGH, Urteil vom 30. April 1996 - C-194/94 -, CIA Security International, juris, Rn. 49 f.
241Nichts anderes dürfte vor diesem Hintergrund für Verstöße gegen die im Ersten Spiegelstrich normierte Pflicht zur Aufforderung des Mitgliedstaates der Niederlassung gelten.
242(1) Die Antragsgegnerin hat ihre Pflicht gemäß gem. Art. 4 Abs. 3 Buchst. b Zweiter Spiegelstrich ECRL erfüllt. Sie hat die EU-Kommission ordnungsgemäß unter dem 14. November 2019 über ihre Absicht unterrichtet, rechtliche Schritte gegen bestimmte Video-Sharing-Plattformen - unter anderem die der Antragstellerin - einzuleiten. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2019 hat die EU-Kommission den Erhalt des Schreibens bestätigt und die weitere Bearbeitung angekündigt.
243Im Umkehrschluss aus Art. 3 Abs. 6 ECRL, wonach die EU-Kommission „unbeschadet der Möglichkeit des Mitgliedstaates, die betreffenden Maßnahmen durchzuführen“, innerhalb kürzestmöglicher Zeit prüfen muss, ob die mitgeteilten Maßnahmen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind, ergibt sich, dass die Antragsgegnerin die Maßnahme ergreifen konnte, ohne das Ergebnis der Prüfung durch die EU-Kommission - welches im Übrigen wohl bis heute nicht vorliegt - abzuwarten. Die Unterrichtungspflicht sieht keine Stillhalteverpflichtung zulasten des Mitgliedstaates vor, der den Erlass der Maßnahme beabsichtigt.
244Vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2019 - C-390/18 -, Airbnb Ireland, juris, Rn. 93; vgl. auch Mitteilung der Kommission vom 14. Mai 2003, KOM (2003), 259, S. 8.
245(2) Ferner spricht Überwiegendes dafür, dass die Antragsgegnerin auch den Anforderungen an die Informations- und Konsultationspflichten nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. b Erster Spiegelstrich ECRL gegenüber Zypern genügt hat.
246Welche inhaltlichen Anforderungen an die Konsultation des Mitgliedstaates konkret zu stellen sind, hat der EuGH bislang nicht präzisiert. Nach dem Wortlaut der Vorschrift hat der Mitgliedstaat den Mitgliedstaat der Niederlassung aufzufordern, Maßnahmen zu ergreifen (englische Fassung: „ask the Member State to take measures“; französische Fassung: „demandé à l’État membre de prendre des mesures“).
247Nach der Rechtsprechung des EuGH dient jedenfalls die im Zweiten Spiegelstrich vorgesehene Unterrichtungspflicht des Mitgliedstaates und der EU-Kommission nicht dazu, den Erlass von Maßnahmen durch einen Mitgliedstaat zu verhindern, sondern einen Eingriff eines Mitgliedstaates in die grundsätzliche Zuständigkeit des Mitgliedstaats des Sitzes des betreffenden Anbieters des Dienstes der Informationsgesellschaft.
248EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2019 - C-390/18 -, Airbnb Ireland, juris, Rn. 95.
249Nach ihrem Sinn und Zweck dienen auch die Informations- und Konsultationspflichten gegenüber dem Mitgliedstaat im Sinne des Ersten Spiegelstrichs, die in zeitlicher Hinsicht früher ansetzen, der konsequenten Weiterverfolgung der in Art. 3 Abs. 1 ECRL vorgegebenen Primärzuständigkeit des Staates der Niederlassung. Das Vorgehen des auffordernden Mitgliedstaates soll nachrangig und nur dann zulässig sein, wenn das System der Primärzuständigkeit versagt. Die Vorschrift zielt mithin auf die Wahrung des Prinzips der Erstverantwortlichkeit des betroffenen Niederlassungsstaates, dem das Recht des ersten Zugriffs vorbehalten bleiben soll. Nur bei dringenden Maßnahmen, also bei Bestehen von dringendem Handlungsbedarf, soll es dem betroffenen Mitgliedstaat nicht zumutbar sein, den Niederlassungsstaat zunächst zum Ergreifen von Maßnahmen aufzufordern und dessen Aktivitäten abzuwarten.
250Vgl. Marly in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, 40. Auflage 2009, Sekundärrecht, A. 4. Elektronischer Geschäftsverkehr (E-Commerce), Kapitel I, Art. 3 Rn. 43; Gitter in Roßnagel, Beck TelemediendiensteR, 1. Aufl. 2013, TMG, § 3 Rn. 42; vgl. BT-Drs 14/6098 vom 17. Mai 2001, S. 20.
251So hat auch die EU-Kommission in ihren Anwendungshinweisen konkretisiert, die Voraussetzung der Aufforderung zur Maßnahmeergreifung bedeute, dass der Mitgliedstaat der Niederlassung zuvor über die Schwierigkeiten unterrichtet worden sei und die Möglichkeit gehabt haben müsse, selbst eine Lösung zu finden.
252Vgl. Mitteilung der Kommission vom 14. Mai 2003, KOM(2003) 259, S. 7.
253Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Verfahrensvorschrift hängt der erforderliche Umfang der Informations- und Konsultationspflicht von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei dürfte unter anderem von Bedeutung sein, ob das betreffende Verhalten in dem Mitgliedstaat der Niederlassung einen Gesetzesverstoß darstellt und ihm ein Einschreiten nach der Gesetzeslage überhaupt möglich ist oder nicht. Ist ein Einschreiten rechtlich bereits nicht zulässig, weil sich das Verhalten in jenem Mitgliedstaat als gesetzeskonform darstellt, dürften auch die Anforderungen an die Konsultation geringer ausfallen. Kommt der Mitgliedstaat dagegen seinen nach nationalem Recht bestehenden Pflichten oder geltendem Unionsrecht nicht nach, dürften an die Qualität der „Aufforderung“ zum Tätigwerden höhere Anforderungen zu stellen sein.
254Nach diesen Maßstäben dürfte der Schriftverkehr der Antragsgegnerin mit der zypriotischen Behörde inhaltlich den Anforderungen an die Konsultationspflicht genügen.
255Ein erst nach Erlass der Maßnahme - hier im August bzw. September 2020 - erfolgter Schriftverkehr zwischen den Behörden hat dabei außer Betracht zu bleiben. Denn der Mitgliedstaat hat den Konsultations- und Informationspflichten nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift „vor Ergreifen“ der betreffenden Maßnahme nachzukommen, vgl. Marly in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, 40. Auflage 2009, Sekundärrecht, A. 4. Elektronischer Geschäftsverkehr (E-Commerce), Kapitel I, Art. 3 Rn. 41.
256Die Antragsgegnerin durfte sich insbesondere an die Cyprus Radio Television Authority (CRTA) wenden und dürfte nach deren Rückmeldung nicht gehalten gewesen sein, Nachforschungen hinsichtlich einer anderen, möglicherweise zuständigen Behörde anzustellen.
257Die an die CRTA gerichteten Schreiben dürften den inhaltlichen Anforderungen des Art. 3 Abs. 4 Buchst. b Erster Spiegelstrich ECRL genügen.
258Zwar fehlt es an einer ausdrücklichen Aufforderung im Sinne einer mit Nachdruck vorgebrachten Bitte der Antragsgegnerin an die zypriotischen Behörden, selbst tätig zu werden. Eine solche war indes auch nicht erforderlich, um Sinn und Zweck der Vorschrift Genüge zu tun. Denn die zypriotischen Behörden dürften hinreichend zum Ausdruck gebracht haben, dass mit einem Einschreiten ihrerseits nicht - vor allem nicht zeitnah - zu rechnen war.
259Der Einwand der Antragstellerin, die Antragsgegnerin habe an einem Dialog mit den zypriotischen Behörden bzw. an deren Einschreiten niemals ernsthaftes Interesse gehabt und sei allein „pro forma“ an diese herangetreten, vermag nicht zu überzeugen. Das Ersuchen der Antragsgegnerin an die CRTA erschöpfte sich insbesondere nicht darin, lediglich über ihr beabsichtigtes Vorgehen zu informieren. Im Gegenteil hatte die Antragsgegnerin bereits am 11. Juli 2019 in Bezug auf das im Parallelverfahren gegen die N. Ltd streitgegenständliche Angebot de.3.com
260- auf jenes Schreiben hatte die Antragstellerin auch in ihrem Vortrag im hier zur Entscheidung stehenden Verfahren Bezug genommen –
261unter dem Betreff „Request for Assistance: Violation of German law by video-sharing-platform based in Cyprus“ („Amtshilfeersuchen: Verstoß gegen deutsches Recht durch Video-Sharing-Plattform mit Sitz in Zypern“) ausdrücklich angefragt, ob es rechtliche Schritte gebe, die die CRTA einleiten könne („Is there any legal action CRTA can take?“). Gleichzeitig hatte die Antragsgegnerin ihrer Annahme Ausdruck verliehen, dass die CRTA nur für Radio und Fernsehen zuständig sei und daher möglicherweise nicht für Angebote wie de.3.com in ihrer Eigenschaft als Video-Sharing Plattform oder Host-Provider. Diese Annahme stellte auch keine bloße Mutmaßung dar. Denn die - soweit ersichtlich auch zutreffende - Information, dass in Zypern derzeit keine Eingriffskompetenz gegenüber dem in Rede stehenden Angebot bestehe, stammte nach Angabe der Antragsgegnerin aus einem Gespräch im Rahmen der European Regulators Group for Audiovisual Media Services (ERGA), einem von der EU-Kommission im Jahr 2014 gegründetem und aus den Regulierungsbehörden der 27 Mitgliedstaaten zusammengesetztem Gremium der Europäischen Union mit Beratungsfunktion. Ferner hat sich die Antragsgegnerin auch nicht auf eine entsprechende Unterstellung beschränkt, sondern ausdrücklich nachgefragt, ob ihre Annahme korrekt sei und ob es zudem richtig sei, dass es auch keine andere für diesen Bereich zuständige Behörde in Zypern gebe („We also understood that no other authority in Cyprus is competent in this regard - is this right?“).
262Die CRTA bestätigte mit E-Mail vom 2. August 2019 ausdrücklich, dass sie derzeit nur für Radio und Fernsehen zuständig sei, aber keine Kompetenz für Video-Sharing Plattformen habe. Zypern sei - wie andere Mitgliedstaaten - gerade dabei, die nationale Gesetzgebung an die neue AVMD-RL - deren Umsetzungsfrist zum damaligen Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war - anzupassen. Infolgedessen durfte die Antragsgegnerin davon ausgehen, dass Zypern seinerzeit tatsächlich keine hinreichende Rechtsgrundlage im Hinblick auf das erwünschte Einschreiten zur Verfügung stand. Vor diesem Hintergrund wäre es bloße Förmelei, die Antragsgegnerin auf eine ausdrückliche Aufforderung der zypriotischen Behörden zum Einschreiten zu verweisen.
263Angesichts dessen musste die Antragsgegnerin hinsichtlich des hier streitgegenständlichen Angebotes nicht erneut nach entsprechenden Befugnissen bzw. der Einleitung von rechtlichen Schritten fragen. Der Hinweis in der E-Mail vom 24. Oktober 2019, dass nunmehr auch ein Vorgehen gegen das streitbefangene Angebot beabsichtigt sei („We are herewith notifiying you of our intended proceedings“) und davon ausgegangen werde, dass die Informationen aus der E-Mail vom 2. August 2019 auch diesbezüglich gelten würden („We assume that the same applies to the following services…“), war vor dem Hintergrund des vorigen - ausdrücklich in Bezug genommenen und ein vergleichbares Angebot betreffenden - Informationsaustausches ausreichend. In diesem Zusammenhang genügte die Frage der Antragsgegnerin, ob Bedenken bestünden. Mit der Antwort der CRTA vom 25. Oktober 2019, der zufolge es keine Vorbehalte gab, teilte die CRTA der Sache nach mit, eigene Maßnahmen insofern nicht zu beabsichtigen. Sie hatte im Übrigen auch zu keinem Zeitpunkt gegenteilige Angaben gemacht, etwa ein Einschreiten von zypriotischer Seite zu einem künftigen Zeitpunkt in Aussicht gestellt oder eine entsprechende Absicht auch nur angedeutet.
264Es ist ferner nicht zu beanstanden, dass sich die Antragsgegnerin gerade an die CRTA, die zypriotische Medienaufsichtsbehörde für Radio und Fernsehen, gewandt hat. Nichts anderes ergab sich aus der Antwort der CRTA vom 2. August 2019. Die Antragsgegnerin war infolge der dortigen Ausführungen insbesondere nicht gehalten, sich stattdessen an den Industry and Technology Service (ITS) als vermeintlich zuständige Behörde zu wenden. Denn entgegen der Einschätzung der Antragstellerin hat die CRTA diese Stelle nicht als zuständige Behörde für ein potentielles Einschreiten gegen die Antragstellerin benannt. Vielmehr hat die CRTA nach ihrer Mitteilung, derzeit keine Kompetenz für Video-Sharing-Plattformen zu haben, lediglich im Kontext der Umsetzung des Unionsrechts ins nationale Recht angegeben, dass der beim Ministerium für Energie, Handel und Industrie angesiedelte ITS für die Umsetzung der E-Commerce Richtlinie zuständig sei. Die CRTA beabsichtige, in naher Zukunft ein Treffen mit diesem zu arrangieren, um bestimmte Fragen rund um Video-Sharing-Plattformen zu besprechen. Sofern gewünscht, könne der ITS (unter einer angegebenen E-Mail-Adresse) kontaktiert werden. Dieser Mitteilung war indes nicht zu entnehmen, dass der ITS seinerzeit befugt gewesen sein sollte, gegen das streitgegenständliche Angebot vorzugehen, zumal die Information über dessen Zuständigkeit speziell für die Umsetzung der ECRL darauf nicht schließen ließ.
265Schließlich war die Antragsgegnerin auch nicht gehalten, weitere Ermittlungen anzustellen. Sie konnte davon ausgehen, dass die CTRA sie im Rahmen der vom Unionsrecht allgemein vorausgesetzten loyalen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten,
266vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV, aus dem sich Kooperations- und Rücksichtnahmepflichten auch im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander ergeben, vgl. Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, EUV, Art. 4 Rn. 116,
267unterstützen würde und sie im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten gegebenenfalls auch - über die Mitteilung der eigenen Unzuständigkeit hinaus - über die bestehende Zuständigkeit einer anderen Behörde in Kenntnis gesetzt hätte.
268So sieht Art. 19 Abs. 3 ECRL auch konkret vor, dass die Mitgliedstaaten Amtshilfe- und Auskunftsbegehren - unter anderem - anderer Mitgliedstaaten (so rasch wie möglich) nachzukommen haben.
269Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
270Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG und entspricht in der Höhe der Hälfte des Regelstreitwerts.
271Rechtsmittelbelehrung:
272(1) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.
273Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingelegt werden.
274Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) eingeht.
275Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
276Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen Prozessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
277Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
278(2) Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.
279Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
280Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
281Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
282Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
283War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
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