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Die Datenschutz-Grundverordnung ist auf nach altem Datenschutzrecht abgeschlossene Verfahren nicht anwendbar, wenn zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens am 25. Mai 2018 keine Klage anhängig war.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt von der beklagten Landesbauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (LDI) als datenschutzrechtlicher Aufsichtsbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen die Ergreifung von Maßnahmen gegenüber dem Landgericht C. .
3Der Kläger war über Jahrzehnte als ziviler Mitarbeiter für Polizeibehörden und Geheimdienste tätig. Im Jahr 2016 wurde gegen ihn Anklage zum Landgericht C. mit dem Vorwurf der Steuerhinterziehung erhoben (Az. II-0 Kls 000/12-0/16). Das Landgericht C. beendete das Verfahren durch eine Verurteilung mit Bewährungsauflage. Die Revision zum Bundesgerichtshof führte zur Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung durch eine andere Strafkammer beim Landgericht C. . Das Verfahren ist dort noch anhängig und zur Zeit ausgesetzt.
4Mit Schreiben vom 15. Dezember 2017 wandte sich der Kläger „wegen: Datenschutzverstoß (Landgericht C. )“ an die beklagte LDI mit dem Begehren, alle datenschutzrechtlich veranlassten Maßnahmen zu ergreifen. Er trug vor: Offenbar sei die beim Landgericht C. mitsamt der Anklageschrift im Juli 2016 eingegangene Ermittlungsakte vollständig oder jedenfalls umfassend vervielfältigt und Dritten gegenüber – unter anderem Journalisten der T. Zeitung (Z) – verbreitet worden. Diese wiederum hätten Inhalte der Akte zum Gegenstand ihrer Berichterstattung genommen. So habe die Z bereits am 13. Juli 2016 über die zu diesem Zeitpunkt in der Öffentlichkeit noch völlig unbekannte Anklage gegen ihn berichtet. Ferner sei einen Tag vor Eröffnung der Hauptverhandlung in der Z erneut umfangreich unter Verwendung von persönlichen Details berichtet worden, die der Anklageschrift entnommen worden seien. Auch aus weiteren Schreiben ergebe sich, dass die Z Kenntnis vom Inhalt der Strafakte habe. Aufgrund der rechtswidrig entwendeten Daten bzw. rechtswidrig entwendeten bzw. vervielfältigten Akte habe die Staatsanwaltschaft I. ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, das allerdings bislang ohne Ergebnis geblieben sei.
5Unter dem 23. Januar 2018 teilte die LDI mit, dass die Vorschriften des Landesdatenschutzgesetzes NRW einschließlich der Bestimmungen über die Kontrollzuständigkeit auf Gerichte nur insoweit Anwendung fänden, wie diese Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Dadurch seien die Gerichte weitgehend der Kontrolle durch die LDI entzogen. Die unzulässige Weitergabe von Gerichtsakten unterfalle dem Bereich der Rechtsprechung bzw. Rechtspflege, nicht jedoch dem Bereich der Justizverwaltungsangelegenheiten. Folglich vermöge sie im Rahmen ihrer Zuständigkeit nicht weiterzuhelfen. Eine Rechtsmittelbelehrung war dem Schreiben nicht beigefügt.
6Der Kläger hat am 24. September 2019 Klage erhoben, mit der er die Durchsetzung der Datenschutzgrundverordnung durch die beklagte LDI begehrt, nämlich ein Verbot der vollständigen oder teilweisen Übermittlung der ihn betreffenden Gerichtsakten durch das Landgericht C. an Presseorgane bzw. eine entsprechende Vervielfältigung der Strafakte zu diesem Zweck. Zur Begründung führt der Kläger aus: Er mache einen Rechtsbehelf gegen eine Aufsichtsbehörde nach Art. 78 der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) geltend. Die Durchsetzung der DS-GVO sei eine Pflichtaufgabe der Aufsichtsbehörde, sodass kein Ermessensspielraum bestehe. Die beklagte LDI sei verpflichtet gegen das Landgericht C. das Verbot der Übermittlung personenbezogener Daten an Presseorgane bzw. der zu diesem Zweck erfolgten Vervielfältigung auszusprechen. Die Übermittlung bzw. Vervielfältigung verletze den Kläger in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Der streitgegenständliche Sachverhalt falle in die Zuständigkeit der Beklagten, weil die Datenschutzbeschwerde des Klägers und sein Rechtsschutzziel die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben betreffe. Die Publikation von Gerichtsentscheidungen sei Aufgabe der Gerichtsverwaltung. Ein Datenschutzverstoß liege offenkundig vor, denn die Aufgabenerfüllung der Gerichtsverwaltung umfasse insbesondere die Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten, des Datenschutzes und des Steuergeheimnisses. Der Datenschutzverstoß sei im Verantwortungsbereich des Landgerichts C. erfolgt, andere Quellen seien ausgeschlossen. Der geltend gemachte Anspruch beurteile sich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung.
7Mit einem mit „Aufsicht nach § 26 gegebenenfalls i.V.m. § 60 Abs. 1 Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen (DSG NRW)“ überschriebenen Schreiben vom 4. November 2019 wandte sich die LDI an das Landgericht C. und bat darum zu der Vermutung einer Vervielfältigung und Überlassung der Prozessakte durch das Landgericht C. an Vertreter der Presse Stellung zu nehmen.
8Der Präsident des Landgerichts C. teilte mit Schreiben vom 3. Dezember 2019 mit, dass er in dem strafrechtlichen Verfahren gegen den Kläger Verwaltungsaufgaben nur im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit durch Pressemitteilungen durch den Pressesprecher des Landgerichts C. wahrgenommen habe. Der Pressesprecher habe weder die Prozessakte noch Teile hiervon Vertretern der Presse zugänglich gemacht. Vorsorglich sei auch mit dem Vorsitzenden Richter des Strafverfahrens Rücksprache gehalten worden. Auch dieser habe mitgeteilt, die Prozessakte oder Auszüge aus dieser seien Vertretern der Presse nicht zugänglich gemacht worden.
9Der Kläger beantragt,
10die Beklagte zu verpflichten, gegen den jeweiligen Rechtsträger des Landgerichts C. das Verbot zu verhängen, Presseorganen personenbezogene Daten des Klägers aus den Kläger betreffenden Gerichtsakten zu übermitteln, solange diese nicht in der Hauptverhandlung verlesen wurden, und/oder die den Kläger betreffenden Gerichtsakten vollständig oder teilweise zu diesem Zweck zu vervielfältigen, wenn dies geschieht wie im Juli 2016 an die Journalisten der „T. Zeitung“ und im Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 15. Dezember 2017 gemäß Anl. K 1 beschrieben,
11hilfsweise,
12die Beklagte zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
13Der Beklagte,
14die Klage abzuweisen.
15Zur Begründung trägt die LDI vor: Sie sei zum Antrags- und Bearbeitungszeitraum für derartige Fälle nicht zuständig gewesen, da es keine datenschutzrechtliche Kontrollbefugnis gegeben habe. Nach dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Datenschutzrecht habe sie eine Kontrollzuständigkeit über Gerichte nur gehabt, soweit diese Verwaltungsaufgaben wahrgenommen hätten. Die Weiterleitung von Anklageschriften durch den in der Sache zuständigen Spruchkörper an Vertreter der Presse stelle keine Verwaltungsaufgabe des Gerichts dar. Eingaben von Personen, die sich in Bezug auf Datenschutzverstöße an die Datenschutzaufsichtsbehörden gewendet hätten, seien zum Zeitpunkt der Antragstellung als Petitionsverfahren nach Art. 17 Grundgesetz (GG) angesehen worden. Damit hätten sich die Rechte des Bürgers darauf beschränkt, dass das Anliegen entgegengenommen, sachlich geprüft und eine Antwort zum Ergebnis der Prüfung erfolgt sei. Dieser Pflicht sei sie umfassend nachgekommen. Die nunmehr geltende DS-GVO i.V.m. dem DSG NRW finde erst seit dem 25. Mai 2018 Anwendung. Auch auf Basis dieses neuen Datenschutzrechts bestehe die Kontrollkompetenz der LDI bezüglich Gerichten nicht, soweit diese justizielle Tätigkeiten wahrnähmen. Ungeachtet dessen bestünden jedenfalls die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche nicht. Es sei umstritten, ob aus der DS-GVO ein Anspruch auf ggf. konkretes Tätigwerden der Aufsichtsbehörden in Form eines subjektiven öffentlichen Rechts abgeleitet werden könne. Jedenfalls liege keine Beschwerde des Klägers im Sinne des Art. 57 Abs. 1 lit. f DS-GVO vor. Die Eingabe von Dezember 2017 sei nicht als Beschwerde in diesem Sinne zu betrachten, da die DS-GVO zu diesem Zeitpunkt und zum Zeitpunkt der abschließenden Bearbeitung dieser Eingabe noch nicht anzuwenden gewesen sei. Ein Anspruch gegen die LDI könne allenfalls auf pflichtgemäße Ausübung ihres Ermessens gerichtet sein. Weder sei der Sachverhalt derart feststehend bzw. aufgeklärt, noch sei das Ermessen der LDI derart eingeengt, dass eine Anordnung, wie sie mit der Klage begehrt werde, zwingend geboten sei. Es sei keinesfalls gesicherte Erkenntnis, dass eine Weitergabe der Ermittlungsakte inklusive Anklageschrift durch das Landgericht C. erfolgt sei. Mit ihrem Auskunftsersuchen an das Landgericht C. vom 4. November 2019 sei sie ihrem Ermessen pflichtgemäß nachgekommen. Die Klage sei als Beschwerde im Sinne der DS-GVO ausgelegt worden. Dieses Vorgehen hätte der Kläger auch ohne Einreichung einer Klage erreichen können, indem er sich nach Inkrafttreten der DS-GVO erneut an sie gewendet hätte.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe
18Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist bereits unzulässig.
19Der Kläger macht, wie sich aus dem Klageantrag in Verbindung mit der Klagebegründung ergibt, einen Rechtsbehelf nach Art. 78 DS-GVO geltend. Mit dem gegen die beklagte LDI als für das Land Nordrhein-Westfalen zuständiger Datenschutzaufsichtsbehörde gerichteten Antrag, ein Verbot gegenüber dem Landgericht C. zu verhängen, begehrt der Kläger auf der Grundlage der DS-GVO die Verurteilung zum Erlass eines Verwaltungsakts durch die Aufsichtsbehörde, hilfsweise die Neubescheidung. Dieses Begehren ist im Wege der Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1, 2. Alt. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu verfolgen.
20Dabei kann Ausgangspunkt für ein Tätigwerden des Beklagten allein die Eingabe des Klägers vom 15. Dezember 2017 sein, die die LDI mit Schreiben vom 23. Januar 2018 beantwortet hat. Danach hat sich der Kläger nicht mehr an die Aufsichtsbehörde gewendet.
21Unabhängig von der Frage, welche Ansprüche der Beschwerdeführer gegen die Aufsichtsbehörde nach Art. 77, 57 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO hat und ob die ablehnende Entscheidung der Aufsichtsbehörde inhaltlich auf dem Verwaltungsrechtsweg überprüft werden kann,
22vgl. zum Streitstand: Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Urteil vom 1 S 3001/19, juris Rn. 51 ff.; Oberverwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 7. Oktober 2019 – 5 Bf 291/17 –, juris Rn. 63 ff.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. Oktober 2020 – 10 A 10613/20 –, juris Rn. 31 ff.; VG Ansbach, Urteil vom 8. August 2019 - AN 14. K 19.00272 –, juris Rn 42 ff.; VG Wiesbaden, Urteil vom 7. Juni 2021 – 6 K 307/20.WI –, juris Rn. 36 ff.; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 23. Juni 2021 – 29 K 7710/19 –, n.v.,
23ist dem Kläger im Zusammenhang mit seiner Eingabe vom 15. Dezember 2017 ein Rückgriff auf die DS-GVO verwehrt. Der mit der Eingabe des Klägers eingeleitete Vorgang war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Datenschutzgrundverordnung abgeschlossen, so dass das neue Recht hierauf keine Anwendung findet. Jedenfalls wäre die erhobene Verpflichtungs- und Bescheidungsklage verfristet. Eine (neue) Beschwerde nach Art. 77 DS-GVO hat der Kläger vor Klageerhebung nicht eingereicht, sodass es an einer Sachurteilsvoraussetzung fehlt.
24Maßgeblich bei der Entscheidung über Verpflichtungs- und Bescheidungsklagen ist grundsätzlich die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung geltende Sach- und Rechtslage.
25Vgl. W.-R. Schenke/R.P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 113 Rn. 217 m.w.N.
26Eine Weiterbehandlung des nach altem Recht gestellten Antrags vom 15. Dezember 2017 nach dem Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Juni 2000 kommt daher nicht in Betracht, weil es gemäß § 72 DSG NRW bereits am 25. Mai 2018 außer Kraft getreten ist. Abgesehen davon, dass der Betroffene nach dem DSG NRW a.F. keinen Rechtsanspruch auf bestimmte tatsächliche oder rechtliche Feststellungen, wie etwa auf die Vornahme einer Beanstandung, hatte,
27vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 1993 – 25 A 2307/91 –, CR 1994,117,
28stützt der Kläger seinen Anspruch auf Einschreiten der Aufsichtsbehörden dementsprechend auch nicht auf altes Datenschutzrecht.
29Rechtsschutz nach Art. 78 DS-GVO gegen die Mitteilung der LDI vom 30. Januar 2018 kann der Kläger nicht in Anspruch nehmen. Denn die am 25. Mai 2018 in Kraft getretene Datenschutzgrundverordnung findet auf den Vorgang im Zusammenhang mit der Eingabe vom 15. Dezember 2017 keine Anwendung.
30Nach allgemeinen Grundsätzen erfasst neues Verfahrensrecht vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an regelmäßig auch anhängige Verfahren, weshalb jeder Beteiligte während des Verfahrensverlaufes mit einer Änderung der hierfür geltenden Regeln rechnen muss.
31Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 26. März 1985 – 9 C 47/84 –, juris Rn. 13, m.w.N.
32Beim Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung war ein datenschutzrechtliches Verfahren des Klägers jedoch nicht mehr anhängig.
33Die zum Zeitpunkt der Eingabe vom 15. Dezember 2017 geltende Vorschrift des § 25 Abs. 1 DSG NRW a.F., in der das Recht, den Landesbeauftragten für den Datenschutz anzurufen, geregelt war, gab dem Betroffenen einen Anspruch darauf, dass seine Eingabe erledigt wird. Dazu gehörte die Entgegennahme, die sachliche Prüfung sowie Bescheidung,
34Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW, Urteil vom 2. Juni 1993 – 25 A 2307/91 –, CR 1994,117,
35wobei es sich bei letzterer mangels Regelungswirkung nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um sogenanntes schlicht hoheitliches Handeln handelte.
36VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. September 2013 – 26 K 7148/12 –, juris Rn. 7.
37Diesen Anspruch hat der Beklagte mit seinem Schreiben vom 23. Januar 2018, mit dem dem Kläger das Ergebnis der Prüfung seiner Eingabe mitgeteilt worden war, vollumfänglich erfüllt. Mit der Bekanntgabe des Schreibens war das durch die Anrufung der LDI eingeleitete Verwaltungsverfahren abgeschlossen. Die Datenschutzgrundverordnung sowie die aktuellen nationalen Datenschutzgesetze traten jedoch erst danach, nämlich am 25. Mai 2018 in Kraft.
38Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Datenschutzvorschriften war der Vorgang auch nicht bei Gericht anhängig. Hinsichtlich eines durch Klageerhebung entstandenen Prozessrechtsverhältnisses gilt in gleicher Weise der oben genannte allgemeine Grundsatz, dass neues Recht vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an regelmäßig auch anhängige Verfahren erfasst.
39Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Dezember 1982 - 9 B 3520/82 - juris Rn. 8.
40Dies unterscheidet den vorliegenden Fall von den Fallkonstellationen, über die das OVG Hamburg zu entscheiden hatte. Dort war die Entscheidung der Aufsichtsbehörde zwar ebenfalls jeweils noch auf der Grundlage alten Datenschutzrechts ergangen. In beiden Fällen hatten die Kläger aber bereits im Jahr 2016, also deutlich vor Inkrafttreten des neuen Rechts Klage erhoben.
41Vgl. OVG Hamburg, Urteile vom 7. Oktober 2019 – 5 Bf 279/17 und 5 Bf 291/17 –, beide juris,
42Das hatte zur Folge, dass die anhängigen Verfahren vom neuen Verfahrensrecht erfasst wurden. Nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung waren für die im Wege der Verpflichtungsklage geltend gemachten datenschutzrechtlichen Ansprüche daher die seit dem 25. Mai 2018 geltende DS-GVO und die auf nationaler Ebene neugefassten Datenschutzbestimmungen maßgeblich.
43Vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 7. Oktober 2019 – 5 Bf 291/17 –, juris Rn. 45.
44Eine solche Weiterbehandlung eines laufenden Klageverfahrens nach neuem Recht kommt hier mangels am 25. Mai 2018 anhängiger Klage nicht in Betracht.
45Aus dem materiellen Recht ergibt sich nichts anderes. Weder die DS-GVO noch das DSG NRW enthalten Übergangsregelungen, die auch abgeschlossene Altfälle einer nachträglichen Bewertung durch die Aufsichtsbehörde unterwerfen. Eine solche (echte) Rückwirkung der neuen Datenschutzgesetze hätte ausdrücklicher Geltungsanordnung des Gesetzgebers bedurft.
46Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. März 1985 – 9 C 47/84 –, juris Rn. 14.
47Aus der allgemeinen Zielsetzung der Datenschutzgrundverordnung, die Grundrechte und Grundfreiheiten und insbesondere das Recht auf Schutz personenbezogener Daten zu wahren,
48Hornung/Spiecker gen. Döhmann, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Datenschutzrecht, Einl. Rn. 312,
49und einheitliche Maßstäbe bei der Anwendung und Durchsetzung des Datenschutzrechts zu schaffen,
50vgl. Körffer, in: Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG, 2. Aufl., Art. 55 DS-GVO Rn 1;
51lässt sich nicht ableiten, dass nach altem Recht gestellte und entschiedene Eingaben bei der Aufsichtsbehörde einer erneuten Überprüfung nach den neuen Datenschutzbestimmungen unterliegen sollen. Das bedeutet, dass der Bestand der nach altem Recht abgeschlossenen Anrufungsverfahren von der Gesetzesänderung unberührt bleibt.
52Selbst wenn zugunsten des Klägers die Anwendbarkeit der DS-GVO unterstellt wird, wäre seine Klage unzulässig. Denn dann wäre die Klagefrist versäumt. Mit der Verhängung eines Verbots gegenüber dem Landgericht C. begehrt der Kläger den Erlass eines Verwaltungsakts durch die beklagte LDI. Für die Verpflichtungsklage gilt die Klagefrist von einem Monat nach Zustellung des Bescheids nach § 74 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes abgelehnt worden ist. Das Schreiben vom 23. Januar 2018, mit dem die - im Sinne der DS-GVO als Beschwerde zu wertende - Eingabe des Klägers abschlägig beschieden wurde, enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung. Daher gilt nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO die Jahresfrist. Zwischen dem dem Kläger bekannt gegebenen Schreiben vom 23. September 2018 und der Klageerhebung am 24. September 2019 lagen jedoch über anderthalb Jahre.
53Einen neuen Antrag auf datenschutzrechtliches Einschreiten des Beklagten nach Art. 77 DS-GVO hat der Kläger vor Klageerhebung nicht gestellt. Für die Verpflichtungsklage ist anerkannt, dass ihre Zulässigkeit grundsätzlich von einem vorher im Verwaltungsverfahren erfolglos gestellten Antrag auf Vornahme des eingeklagten Verwaltungsaktes abhängt.
54Vgl. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage 2021, Vorb. § 40, Rn. 11.
55Diese Zulässigkeitsvoraussetzung folgt aus den §§ 68 Abs. 2, 75 Satz 1 VwGO („Antrag auf Vornahme“) und zusätzlich aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, nachdem es zunächst Sache der Verwaltung ist, sich mit Ansprüchen zu befassen, die an sie gerichtet werden. Der Antrag muss grundsätzlich bereits vor der Erhebung der Verpflichtungsklage gestellt worden sein und beinhaltet insofern eine Zugangsvoraussetzung.
56R. P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage 2021, § 42, Rn. 6.
57Der Kläger hat vor Klageerhebung keine Beschwerde im Sinne der DS-GVO erhoben. Soweit der Beklagte die Klageschrift als Beschwerde im Sinne der DS-GVO aufgefasst und eine Stellungnahme des Landgerichts C. eingeholt hat, vermag dies das Fehlen eines vorherigen Antrags nicht zu heilen.
58Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124a Abs. 1 S. 1 VwGO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch weicht das Urteil von einer Entscheidung eines Obergerichts ab.
59Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 Zivilprozessordnung.
60Rechtsmittelbelehrung:
61Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Berufung eingelegt werden. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
62Die Berufung kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingelegt werden.
63Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen.
64Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).
65Im Berufungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
66Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründungsschrift sollen möglichst 3-fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
67Beschluss
68Der Streitwert wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt.
69Gründe:
70Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 2 GKG erfolgt.
71Rechtsmittelbelehrung:
72Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.
73Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
74Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
75Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
76Die Beschwerdeschrift soll möglichst 3-fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
77War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.