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Einzelfall zur Verhängung einer Schulordnungsmaßnahme wegen Verhaltens außerhalb des Unterrichts - Beleidigung eines Mitschülers im Internet; hier Schulbezug verneint
Der Bescheid der Beklagten vom 29. November 2007 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung B. vom 10. April 2008 werden aufgehoben, soweit darin für die Klägerin ein schriftlicher Verweis ausgesprochen worden ist.
Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 29. November 2007 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung B. vom 10. April 2008 rechtswidrig gewesen sind, soweit darin eine Überweisung der Klägerin in eine parallele Lerngruppe ausgesprochen worden ist.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung entsprechend Sicherheit leistet.
Tatbestand:
2Die Klägerin besuchte im Schuljahr 2007/08 die Jahrgangsstufe 7 der X. -C. -Gesamtschule. Zwischen ihr und der Mitschülerin K. G. bestand Streit, zu dessen Beilegung die Schülerinnen am 17. Oktober 2007 in der Schule eine schriftliche Vereinbarung trafen, bzgl. deren Einzelheiten auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen wird.
3Am 13. November 2007 wurde vom Computer der Klägerin im ICQ-Internetforum ein Account mit dem Anzeigenamen "L. beleidigen" und dem Namen "fick die L. , L. is ne mißgeburt" eröffnet und darüber mit der Schülerin K.G. zwischen 16.27 und 16.37 Uhr Kontakt aufgenommen. Dabei fiel - ausweislich des Chatprotokolls - u.a. der Satz: "du fickst jeden assi in C1. ".
4Der Vater der betroffenen Mitschülerin erstattete am 14. November 2007 Strafanzeige. Es fanden polizeiliche Anhörungen des Mitschülers und damaligen Freundes der Klägerin (Th. Sch.) und dessen Freundes (R. I.) statt, die zugaben, mit dem Laptop der Klägerin sowohl gemeinsam den o. g. Account erstellt als auch die beleidigenden Texte an K. G. verfasst zu haben. Die Schüler gaben an, die Klägerin habe von ihrem Vorhaben keine Kenntnis gehabt. Weiterhin hätte die Klägerin sie mehrfach aufgefordert, mit den Beleidigungen usw. aufzuhören.
5Anlässlich eines Vortrags des sachbearbeitenden Polizeibeamten in der Klasse der Klägerin am 19. November 2007 sollen die Klägerin und ihr Freund (Th. Sch.) gemäß dem darüber erstellten Vermerk vom gleichen Tag erklärt haben, für die Tatbestände im Internet verantwortlich zu sein. Th. Sch. habe die Ansprachen über den Computer der Klägerin ausgeführt. Entsprechend einem weiteren Vermerk des Polizeibeamten vom 21. November 2007 soll die Klägerin am 20. November 2007 erklärt haben, nur zwischen 15.51 und 15.53 Uhr unter dem Account "M. 13" mit K. G. gechattet zu haben. Am 21. November 2007 distanzierte sie sich wiederum von dieser Aussage und gab an, von den Beleidigungen erst nach der Tat erfahren zu haben.
6Mit Schreiben vom 21. November 2007 teilte die Abteilungsleiterin für die Klassen 5 bis 7 den Eltern der Klägerin mit, dass die Klägerin gegen das Schulgesetz verstoßen habe. Dem Anschreiben war eine Anlage beigefügt, auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Auszugsweise heißt es darin, dass in Gesprächen mit den Beteiligten festgestellt worden sei, dass die Klägerin "insofern Anteil an dem schwerwiegenden Verstoß gegen die Schulordnung habe, weil die Aktion von ihrem Computer aus und unter teilweiser aktiver Beteiligung von ihr" stattgefunden habe. Die Abteilungsleiterin lud die Eltern zum 28. November 2007 in die Schule ein, um ggf. Stellung nehmen zu können mit dem Hinweis, dass die Schulleitung nach der Anhörung über eine Schulordnungsmaßnahme entscheiden werde. - Der dem Gericht vorliegende Verwaltungsvorgang lässt nichts dazu erkennen, ob und ggf. mit welcher Beteiligung die Anhörung erfolgt ist.
7Jedenfalls teilte die Abteilungsleiterin Kreis den Erziehungsberechtigten der Klägerin mit Bescheid vom 29. November 2007 mit, dass die Teilkonferenz am 28. November 2007 beschlossen habe, der Klägerin einen schriftlichen Verweis zu erteilen und
8die Klägerin ab dem 29. November 2007 in eine Parallelklasse zu überweisen.
9Zur Begründung wird folgendes ausgeführt: Die Klägerin habe durch ihre Mitwisserschaft des Internetmobbings, das von ihrem Computer aus gestartet worden sei, einer Schülerin Schaden zugefügt, wobei es über das Ausmaß ihrer Kenntnis unterschiedlicher Angaben gebe. Da sie - die Klägerin - den beleidigenden Charakter des neuen Accounts gekannt habe und es ihr Computer gewesen sei, hätte sie unstreitig eingreifen müssen.
10Unter dem 21. Dezember 2007 erhob die Klägerin Widerspruch, wegen dessen Begründung auf das Widerspruchsschreiben verwiesen wird.
11Die Bezirksregierung B. wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. April 2008 als unbegründet zurück. Auszugsweise heißte es darin zur Begründung: Die Nichtbeteiligung der Klägerin an der Mobbingaktion sei nicht zweifelsfrei zu beweisen gewesen. Die betroffenen Jungen hätten in ihren Anhörungen die Ausführung der stark beleidigenden Passagen im Chat-Protokoll eingeräumt, aber auch zu Protokoll gegeben, dass die Klägerin nach ihrer Rückkehr vom Arzt Kenntnis von der ablaufenden Aktion genommen habe.
12Auf dem im Verwaltungsvorgang der Bezirksregierung B. befindlichen Anschreiben des Schulleiters der Beklagten vom 13. Februar 2008 ist ein handschriftlicher Vermerk verfasst, wonach nach telefonischer Mitteilung der Abteilungsleiterin die Entscheidung über die Ordnungsmaßnahme und den Widerspruch durch den Schulleiter getroffen wurde.
13Am 9. Mai 2008 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Zum Sachverhalt macht sie im Wesentlichen Folgendes geltend: Während sie mit ihrer Mutter am 13. November 2007- laut ärztlicher Bescheinigung zwischen 15.46 Uhr und 16.05 Uhr - beim Arzt gewesen sei, hätten Th. Sch. und R. I. ihren - der Klägerin - Account (M. 13) benutzt, um die Mitschülerin K. G. zu kontaktieren. Nach ihrer - der Klägerin - Rückkehr hätten die beiden dann heimlich mit ihrem Computer den - besagten - neuen Account erstellt und Th. Sch. habe, während sie und R. I. Fernsehen geschaut hätten, die K. G. entsprechend angesprochen. Als sie zufällig einen Blick auf das Laptop geworfen und den Anzeigenamen gesehen habe, habe sie Th. Sch. aufgefordert, den Dialog abzubrechen, ohne dessen Inhalt zu kennen.
14Verfahrensmäßig rügt die Klägerin insbesondere, dass die Teilkonferenz nicht für die getroffenen Schulordnungsmaßnahmen zuständig gewesen sei. Materiell-rechtlich rügt sie einen fehlenden Schulbezug.
15Nachdem die Klägerin zunächst eine Aufhebung beider Ordnungsmaßnahmen angestrebt hat, hält sie die Rückgängigmachung des vollzogenen Klassenwechsels aufgrund Zeitablaufs und ihrer Integration in den neuen Klassenverband nicht mehr für erstrebenswert und begehrt lediglich die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Schulordnungsmaßnahme.
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Die Klägerin beantragt,
18den Bescheid der Beklagten vom 29. November 2007 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung B. vom 10. April 2008 aufzuheben, soweit darin ein schriftlicher Verweis ausgesprochen worden ist.
19festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 29. November 2007 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung B. vom 10. April 2008 rechtswidrig gewesen sind, soweit darin ihr - der Klägerin - gegenüber eine Überweisung in eine parallele Lerngruppe ausgesprochen worden ist.
20Die Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Auf gerichtliche Nachfrage teilte der Schulleiter der Beklagten mit Schriftsatz vom 23. Juni 2010 mit, dass die Klägerin und ihre Eltern mit Schreiben vom 21. November 2007 zur Sitzung des "Ausschusses" bestehend aus den Lehrkräften T. , L1. und G. und der Abteilungsleiterin Kreis als Schulleitungsmitglied, eingeladen worden seien. Die Eltern- und Schülervertreter hätten entschuldigt gefehlt.
23Mit weiterem Schriftsatz vom 6. Juli 2010 teilte der Schulleiter mit, dass keine Teilkonferenz stattgefunden habe, sondern dass er als Schulleiter für die Ordnungsmaßnahme zuständig gewesen sei und diese Aufgabe auf die zuständige Abteilungsleiterin Kreis übertragen worden sei.
24Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, den Verwaltungsvorgang der Bezirksregierung B. (BA Heft 2) und die auszugsweise gefertigten Kopien aus der polizeilichen Ermittlungsakte (BA Heft 3) Bezug genommen.
26E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
27Über die Klage kann gemäß § 106 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.
28A. Die zulässige Anfechtungsklage hinsichtlich des schriftlichen Verweises ist begründet. Der als Schulordnungsmaßnahme gemäß § 53 Abs. 3 Nr. 1 SchulG ausgesprochene Verweis ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.
29I. In formeller Hinsicht war nicht verlässlich aufzuklären, wer den "schriftlichen Verweis" letztlich erlassen hat. Zuständig ist gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 SchulG grundsätzlich der Schulleiter. Entsprechend erweckt die an die Klägerin und ihre Eltern gerichtete Einladung vom 21. November 2007 den Eindruck einer Einladung zu einer Anhörung durch den Schulleiter gemäß § 53 Abs. 6 SchulG, während der Bescheid vom 29. November 2007 und der Schriftsatz des Schulleiters vom 23. Juni 2010 auf die Anwesenheit von vier Personen hinweist, was - abgesehen von den entschuldigt fehlenden Eltern- und Schülervertretern auf eine - wenn auch hinsichtlich eines Lehrers unvollständige - Teilkonferenz hindeutet. Entsprechend hat der Schulleiter in seinem Anschreiben vom 13. Februar 2008 auch die Bezirksregierung B. informiert, wo allerdings diese Angaben durch die Abteilungsleiterin wiederum revidiert worden sind. Im vorliegenden Klageverfahren hat der Schulleiter sodann mit Schriftsatz vom 6. Juli 2010 mitgeteilt, dass keine Teilkonferenz stattgefunden habe, sondern nur eine Entscheidung seitens der Abteilungsleiterin erfolgt sei.
30Die Kammer lässt diese verfahrensmäßigen Ungereimtheiten ebenso offen wie die Entscheidung über die Frage, ob der Schulleiter seine Zuständigkeit zum Erlass bestimmter Schulordnungsmaßnahmen überhaupt auf andere Personen übertragen durfte. Denn jedenfalls ist die Ordnungsmaßnahme aus den nachfolgend darzustellenden materiellen Gründen rechtswidrig. II. Materiell-rechtlich setzt der schriftliche Verweis - wie alle erzieherischen Einwirkungen und Schulordnungsmaßnahmen - gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 SchulG voraus, dass der betreffende Schüler "Pflichten verletzt hat". Aus dem Kontext mit Satz 1 der Vorschrift, wonach erzieherische Einwirkungen und Ordnungsmaßnahmen der geordneten Unterrichts- und Erziehungsarbeit der Schule sowie dem Schutz von Personen und Sachen dienen, folgt, dass die Pflichtverletzung Schulbezug haben muss.
311. Davon ausgehend ist bereits festzustellen, dass weder die Sachverhaltsaufklärung der Beklagten noch das polizeiliche Ermittlungsverfahren eine relevante Pflichtverletzung der Klägerin ergeben haben. Der Bescheid der Beklagten wird maßgeblich darauf gestützt, dass die Klägerin durch "ihre Mitwisserschaft des Internetmobbings ... einer Mitschülerin Schaden zugefügt" habe. Die bloße Mitwisserschaft von einem Fehlverhalten kann als solche unmittelbar keinen Schaden herbeiführen. "Mitwisserschaft" kann nur dann den Tatbestand einer Pflichtverletzung erfüllen, wenn der Mitwisser auch die Pflicht hat, das Fehlverhalten des anderen zu unterbinden, um einen Schaden abzuwenden. Von einer solchen Verhaltenspflicht kann bei verständiger Würdigung - ungeachtet, ob überhaupt eine Garantenstellung vorliegt - wiederum nur ausgegangen werden, wenn diese Mitwisserschaft zu einem Zeitpunkt vorliegt, in dem noch ein Einschreiten zwecks Verhinderung eines etwaigen Rechtsverstoßes möglich wäre. Entsprechend hätte die Beklagte im Rahmen der ihr obliegenden Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung ermitteln müssen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Einrichtung des Accounts, zumindest zum Zeitpunkt der über diesen Account geäußerten Beleidigung "du fickst jeden assi in C2. " (laut Chatprotokoll ab 16.27 Uhr) über das Verhalten von Th. Sch. und R. I. in der beschriebenen Weise Kenntnis hatte. Insoweit kann weder aufgrund der Feststellungen der Polizei, geschweige denn aufgrund der eigenen Ermittlungen der Beklagten angenommen werden, dass die Klägerin zu einem Zeitpunkt von der Internetaktion von Th. Sch. und R. I. Kenntnis erlangt hatte, dass ein Einschreiten der Klägerin sinnvoller Weise noch erfolgen konnte. Die Klägerin hat sich vielmehr bislang nicht widerlegt dahingehend eingelassen, durch einen zufälligen Blick den beleidigenden Namen des bereits installierten Accounts gesehen zu haben; insoweit hat Th. Sch. gegenüber der Polizei angegeben, die Klägerin habe sie mehrfach aufgefordert, mit den Beleidigungen aufzuhören.
32Soweit die Klägerin und Th. Sch. am 19. November 2007 sinngemäß erklärt haben sollen, sie seien für die Tatbestände verantwortlich, widerspricht das den späteren Angaben der Klägerin nicht. Denn die Klägerin hat z. B. niemals in Abrede gestellt, dass sie ihrem damaligen Freund Th. Sch. erlaubt hat, ihren Computer zu benutzen; ebenso wenig, dass ihr wohl auch bekannt war, dass Th. Sch. und R. I., nachdem sie - die Klägerin - mit K. G. gechattet und sich verabschiedet hatte, den Chat mit K. G. unter ihrem Account fortsetzte. Daraus lässt sich durchaus das Gefühl von "Verantwortlichkeit" erklären, ohne dass darin - ohne Hinzutreten weiterer Umstände - das Eingeständnis einer konkreten Beteiligung an einem Chat unter einem anderen Account gesehen werden kann.
33Die Bezirksregierung B. geht im Widerspruchsbescheid vom 10. April 2008 diesbezüglich davon aus "Die Nichtbeteiligung M1. an der Mobbingaktion ist nicht zweifelsfrei zu beweisen gewesen." Damit räumt sie einerseits einen unaufgeklärten Sachverhalt ein, übersieht andererseits jedoch den auch für Schulordnungsmaßnahmen geltenden Grundsatz, dass die Schule das Fehlverhalten eines Schülers nachzuweisen hat, und dass ein nicht ausreichender Nachweis des Fehlverhaltens der Anwendung einer Schulordnungsmaßnahme entgegensteht.
342. Ungeachtet der unzureichenden Feststellung eines Pflichtverstoßes der Klägerin ist die Verhängung einer Schulordnungsmaßnahme jedoch in erster Linie auch deshalb rechtswidrig, weil selbst die "Haupttat", nämlich die gesamte Internetaktion gegen die Mitschülerin K. G., nicht den erforderlichen schulischen Bezug aufweist, selbst wenn man sie vollumfänglich der Klägerin zurechnen würde. Die Beleidigungen der K. G. erfolgten insbesondere nicht etwa im Intranet der Schule, also gleichsam im virtuellen Klassenzimmer, und waren mithin den Schülerinnen und Schülern und den Lehrerinnen und Lehrern im Schulbetrieb nicht zugänglich, was andernfalls dem Grunde nach geeignet gewesen wäre, die schulischen Belange aller am Schulleben Beteiligen zu tangieren. Letztlich können die Beleidigungen der K. G. mittels des Mediums Internet deshalb nicht anders beurteilt werden als eine entsprechende verbale Beleidigung außerhalb der Schule.
35Allerdings kann auch außerschulisches Verhalten im Einzelfall einen Schulbezug haben. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat mit Beschluss vom 21. Juli 1998 - 19 E 391/98 - unter Auswertung von Literatur und Rechtsprechung auszugsweise folgende Grundsätze aufgestellt:
36"Ordnungsmaßnahmen können auch bei pflichtverletzendem Fehlverhalten ... außerhalb des Schulgeländes verhängt werden, wenn ein direkter Zusammenhang zum Schulverhältnis besteht, insbesondere wenn das Fehlverhalten unmittelbar in den schulischen Bereich hineinwirkt. Das ist der Fall, wenn das Zusammenleben der am Schulleben Beteiligten durch das Fehlverhalten gestört oder gefährdet wird....".
37Auch nach diesen Grundsätzen ist ein Schulbezug zu verneinen. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Internetbeleidigungen unmittelbar auf den Schulbetrieb auswirken. Sie stehen weder räumlich noch zeitlich in einer Beziehung zur Schule. Die Schülerin K.G. wird in ihren Ansprüchen aus dem Schulverhältnis, insbesondere auf ein angst- und gewaltfreies Lernen in der Schule nicht verletzt. Die Äußerungen im Chatroom enthalten keine Drohungen, die bei der Schülerin K. G. Angst vor dem Schulbesuch erzeugen könnten. Soweit die Äußerungen neben ihrem beleidigenden Charakter geeignet sind, den Ruf der Schülerin zu gefährden, kann ihnen wiederum wegen der fehlenden Schulöffentlichkeit kein Schulbezug beigemessen werden. Auch der Schulbetrieb, d. h. der Unterrichts- und Erziehungsauftrag wird nicht unmittelbar gestört.
38Selbst wenn man berücksichtigt, dass zwischen der Klägerin und K. G. wohl seit Langem Probleme bestanden und in einem polizeilichen Vermerk vom 14. November 2007 u.a. von einer Mobbingproblematik an der beklagten Schule die Rede ist und die Klägerin sogar als sich abzeichnende Drahtzieherin erwähnt wird, rechtfertigt das keine andere Beurteilung. Selbst wenn es eine Mobbingproblematik zwischen der Klägerin und der Schülerin K. G. gäbe, worauf die Beklagte selbst nicht abgestellt hat, kann mangels Unmittelbarkeit der Wirkung auf den schulischen Bereich nicht jeder Streit und nicht jede Beleidigung außerhalb der Schule einem Mobbing in der Schule gleichgestellt werden.
39Soweit die Klägerin und die Schülerin K. G. am 17. Oktober 2007 eine "Vereinbarung" getroffen haben, handelt es sich um einen Verhaltenskodex, der das Verhalten der Schülerinnen und ein etwaiges Konfliktverhalten in der Schule regeln soll. Dass die Vereinbarung auf einem Papierbogen mit dem Logo der Schule verfasst ist, verstärkt den Eindruck, dass es sich im weitesten Sinne um eine pädagogische Maßnahme der Schule handelt, um ein etwaiges Mobbingproblem an der Schule zu lösen. Dadurch erlangt jedoch nicht jeder Verstoß gegen die vereinbarten Verhaltensregeln außerhalb der Schule automatisch unmittelbaren Schulbezug.
40B. Hinsichtlich der Überweisung der Klägerin in eine parallele Lerngruppe gemäß § 53 Abs. 3 Nr. 2 SchulG ist die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig und begründet.
41I. Die Überweisung der Klägerin in die parallele Lerngruppe hat dadurch ihre Erledigung gefunden, dass der Klägerin eine Rückkehr in ihre ursprüngliche Klasse als rechtliche Folge einer etwaigen gerichtlichen Aufhebung der Schulordnungsmaßnahme nicht mehr zugemutet werden kann. Die Klägerin wird seit nunmehr ca. drei Jahren in dem neuen Klassenverband beschult und ist dort voll integriert. Ein erneuter Klassenwechsel mit seinen multiplen Auswirkungen könnte die - wohl sehr guten - schulischen Leistungen der Klägerin negativ beeinflussen. Die Klägerin hat jedoch gleichwohl ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Schulordnungsmaßnahme unter dem allgemein anerkannten Aspekt der Rehabilitierung. Denn ungeachtet der Schwere der konkreten Maßnahme steht diese als Folge des Vorwurfs, die Klägerin habe einer Mitschülerin im schulischen Bereich Schaden zugefügt.
42II. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch begründet. Für die Rechtswidrigkeit der Überweisung in die Parallelklasse gilt das zu I. ausgeführte entsprechend. Das heißt, dass weder ein schulordnungswidriges Verhalten festgestellt worden ist, das eine Schulordnungsmaßnahme rechtfertigt und nicht einmal die "Haupttat", um deren Mitwisserschaft es bei der Klägerin geht, den erforderlichen Schulbezug hat.
43Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO -:
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