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6 Abs. 1 Nr. 1 lit. y) StVG a.F. ist mit dem Grundgesetz vereinbar, insbesondere hinreichend bestimmt.
3 Abs. 1 FeV stellt sich als verhältnismäßig und hinreichend bestimmt dar.
Im Falle des Alkoholmissbrauchs gelten sowohl bei der Beurteilung der Kraftfahreignung als auch bei der Beurteilung der Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge im Grundsatz dieselben Maßstäbe der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung. Vor dem Hintergrund des auch von einem alkoholisierten Führer fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ausgehenden Gefährdungspotentials für den öffentlichen Straßenverkehr ist die Bewertung der Begutachtungsleitlinien übertragbar, strenge Maßstäbe an eine positive Prognose anzulegen.
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
2. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.
Gründe:
21. Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung seiner Klage 7 K 4317/23 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 21. August 2023 hinsichtlich Ziffer 1 wiederherzustellen,
4hat keinen Erfolg.
5Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2, Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig, allerdings unbegründet.
6Der Antragsgegner hat zunächst in formeller Hinsicht die Anordnung der sofortigen Vollziehung in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO genügenden Weise begründet. Die Behörde hat sich nicht auf eine den Wortlaut der zur Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge berechtigenden Normen lediglich wiederholende oder bloß formelhafte Begründung beschränkt, sondern bezogen auf den Einzelfall das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung hinreichend begründet. Insbesondere hat sie ausgeführt, bei einer weiteren Teilnahme des Antragstellers am öffentlichen Straßenverkehr wären Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer einer akuten Gefährdung ausgesetzt. Es sei nicht auszuschließen, dass bis zum Ablauf eines möglichen Rechtsmittelverfahrens von ihm weitere schwerwiegende Verkehrsverstöße unter Alkoholeinfluss begangen werden. Das öffentliche Interesse überwiege eindeutig das berufliche und private Interesse, von der Wirksamkeit der Untersagungsverfügung bis zur Entscheidung über ein Rechtmittel verschont zu bleiben. Nur durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung könne sichergestellt werden, dass der Zweck der Untersagung des Führens von Fahrzeugen aller Art als Maßnahme der Gefahrenabwehr im Straßenverkehr tatsächlich erreicht werde. Damit wird deutlich, dass der Behörde der Ausnahmecharakter der Anordnung der sofortigen Vollziehung vor Augen stand und sie aufgrund der besonderen Umstände des Falles einen solchen Ausnahmetatbestand als gegeben angesehen hat. Mehr verlangt das Gesetz nicht; insbesondere kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die Begründung inhaltlich zutrifft.
7Die in materieller Hinsicht im gerichtlichen Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO zu treffende selbständige Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer zügigen Durchsetzung der getroffenen Anordnung einerseits und dem privaten Interesse des Antragstellers, von der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung bis zum Abschluss des Klageverfahrens verschont zu bleiben, andererseits fällt hier zu Lasten des Antragstellers aus. Das öffentliche Vollziehungsinteresse überwiegt, da sich der angegriffene Verwaltungsakt bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen und nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als offensichtlich rechtmäßig darstellt und auch ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht.
8a) Die Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen auf öffentlichen Straßen findet ihre Grundlage im für die gerichtliche Überprüfung maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung,
9vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 4. Dezember 2020 – 3 C 5.20 –, juris, Rn. 10 ff.,
10in §§ 3 Abs. 1 S. 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung − FeV −). Hiernach hat die Fahrerlaubnisbehörde das Führen von Fahrzeugen oder Tieren zu untersagen, wenn sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet dafür erweist.
11Diese Vorschrift gilt für Personen, die kein fahrerlaubnispflichtiges Kraftfahrzeug führen, sondern in anderer Weise am Straßenverkehr teilnehmen, z. B. für Fahrrad- und Mofafahrer und Lenker von Fuhrwerken.
12Vgl. BR-Drucks. 443/98, S. 237; BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2020 – 3 C 5.20 –, juris, Rn. 10 ff.; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (Bay. VGH), Beschlüsse vom 8. Juni 2021 – 11 CS 21.968 –, juris, Rn. 12; vom 19. August 2019 – 11 ZB 19.1256 –, juris Rn. 17; Hentschel/König/Dauer, Kommentar zum Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 3 FeV, Rn. 10.
13Geeignet zum Führen von Fahrzeugen ist nach entsprechender Anwendung des § 2 Abs. 4 StVG,
14vgl. BR-Drucks. 443/98, S. 237; Hentschel/König/Dauer, a.a.O., Rn. 11,
15wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat. Konkretisiert wird der Eignungsbegriff durch §§ 11 bis 14 FeV, welche gemäß § 3 Abs. 2 FeV entsprechend Anwendung finden, soweit sie ihrem Inhalt nach nicht das Führen eines fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugs voraussetzen.
16Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 – 3 B 102.12 –, juris, Rn. 6.
17Entsprechend anwendbar ist damit auch die Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV, mit der Einschränkung, dass mit Blick auf Sinn und Zweck der Regelung nur solche Mängel relevant sind, die sich auf das Führen von nicht fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen oder Tieren beziehen.
18Vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 2. Februar 2012 – 12 ME 274/11 –, juris, Rn. 5; Geiger, SVR 2007, 161 (162).
19Steht der Eignungsmangel fest, ist die Fahrerlaubnisbehörde zum Einschreiten nach § 3 Abs. 1 S. 1 FeV verpflichtet. Ein Entschließungsermessen steht ihr nicht zu.
20Vgl. Nieders. OVG, Beschluss vom 1. April 2008 – 12 ME 35/08 –, juris, Rn. 9; Verwaltungsgericht (VG) Augsburg, Beschluss vom 11. März 2013 – Au 7 K 13.249 –, juris, Rn. 45; Hentschel/König/Dauer, a.a.O., Rn. 16.
21Die Fahrerlaubnisbehörde hat aber Auswahlermessen bezüglich Art und Umfang der zu treffenden Maßnahme auszuüben. Es liegt in ihrem Ermessen, ob sie der Gefahr durch Untersagung oder Beschränkung des Führens von Fahrzeugen begegnet oder geeignete Auflagen anordnet, wobei sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Vorrang des jeweils geeigneten milderen Mittels zu beachten hat.
22Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 27. März 2006 – 11 ZB 06.41 u.a. –, juris, Rn. 26; Nieders. OVG, Beschluss vom 1. April 2008 – 12 ME 35/08 –, juris, Rn. 9; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. August 2012 – 10 A 10284/ 12 – juris, Rn. 31; Hentschel/König/Dauer, a.a.O., Rn. 16; Geiger, SVR 2007, 161 (163).
23b) § 3 FeV findet seine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage in § 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. y) des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in der bis zum 27. Juli 2021 gültigen Fassung. Danach ist das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur ermächtigt, Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen über Maßnahmen, um die sichere Teilnahme sonstiger Personen am Straßenverkehr zu gewährleisten, sowie über Maßnahmen, wenn diese Personen bedingt geeignet oder ungeeignet oder nicht befähigt zur Teilnahme am Straßenverkehr sind.
24Die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof aufgeworfene und vom Bundverwaltungsgericht aufgegriffene, aber letztlich offen gelassenen Frage, ob die Regelung des § 3 FeV in § 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. y) StVG eine hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage findet,
25Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 17. Januar 2020 ‒ 11 B 19.1274 ‒, juris, Rn. 22 ff.; BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2020 – 3 C 5.20 –, juris, Rn. 32 ff.; offenlassend ebenfalls OVG Saarland, Beschluss vom 3. Mai 2021 – 1 B 30/21 –, juris, Rn. 33 ff.; Bay. VGH, Beschluss vom 8. Juni 2021 ‒ 11 CS 21.968 –, juris, Rn. 14 ff.; kritisch auch Rebler/Müller, DAR 2014, 690 (694 ff.),
26hat sich zwar nicht durch die Neufassung des § 6 StVG durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 12. Juli 2021 (BGBl. I S. 3091) erledigt.
27Nach der zum 28. Juli 2021 in Kraft getretenen Neufassung des § 6 StVG wird das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur ermächtigt, soweit es zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen erforderlich ist, Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen unter anderem über die erforderliche Befähigung und Eignung von Personen für ihre Teilnahme am Straßenverkehr, das Mindestalter und die sonstigen Anforderungen und Voraussetzungen zur Teilnahme am Straßenverkehr (§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. b) StVG n. F.).
28Denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung, ob die – hier unveränderte – Verordnung auf einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage beruht, ist der Zeitpunkt ihres Erlasses.
29Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. November 2005 – 8 C 14.04 –, juris, Rn. 12; Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 15. Februar 1979 – III ZR 172/77 –, juris, Rn. 19; Maunz/ Dürig, Grundgesetzkommentar, 94. EL Januar 2021, Art. 80 Rn. 55; Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 47. Ed. Stand: 15.05.2021, Art. 80 Rn. 29.
30Die Kammer erachtet § 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. y) StVG nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung als Ermächtigungsnorm aber mit dem Grundgesetz vereinbar, insbesondere für hinreichend bestimmt.
31§ 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. y) StVG genügt dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG. Danach müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Dem Gesetzgeber wird damit aufgegeben, die Tendenz und das Programm der Rechtsverordnung so weit zu umreißen, dass deren Zweck und möglicher Inhalt feststehen. Dabei genügt, dass sie sich mithilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen.
32Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 4. Februar 1975 – 2 BvL 5/74 –, juris, Rn. 38, und vom 7. November 1991 – 1 BvR 1469/86 –, juris, Rn. 29; BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2020 – 3 C 5.20 –, juris, Rn. 34; Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 94. EL Januar 2021, Art. 80 Rn. 65.
33Für die Prüfung, ob eine Verordnungsermächtigung dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG genügt, sind nicht nur die Ermächtigungsnorm selbst und deren Begründung, sondern auch die weiteren Vorschriften des Gesetzeswerkes in den Blick zu nehmen.
34Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 1991 ‒ 1 BvR 1469/86 –, juris; BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2020 – 3 C 5.20 –, juris, Rn. 36; Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 94. EL Januar 2021, Art. 80 Rn. 65; Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 47 Ed. Stand: 15.05.2021, Art. 80 Rn. 24.
35Hier sind Regelungsgegenstand und Regelungsinhalt der Verordnungsermächtigung hinreichend deutlich. Zwar lässt sich der Ermächtigungsgrundlage selbst nicht entnehmen, welche Maßnahmen aus Sicht des Gesetzgebers der Verordnungsgeber unter welchen Voraussetzungen vorsehen darf, wenn Personen bedingt geeignet oder ungeeignet oder nicht befähigt zur Teilnahme am Straßenverkehr sind. Auch finden sich hierzu keine Ausführungen in der Gesetzesbegründung (BR-Drucks. 821/96, S. 74 f.).
36Vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2020 – 3 C 5.20 –, juris, Rn. 36.
37Diese Frage lässt sich aber nach den allgemeinen Auslegungsregeln unter Berücksichtigung des der Regelung zugrundeliegenden Zwecks und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hinreichend beantworten.
38Der Zweck der Regelung geht dahin, den Fahrerlaubnisbehörden eine Ermächtigung an die Hand zu geben, im Sinne der Gefahrenabwehr präventiv beschränkend eingreifen zu können, wenn Personen, die nicht der Fahrerlaubnispflicht unterliegen, am Straßenverkehr teilnehmen, obwohl sie hierzu nur bedingt geeignet, ungeeignet oder nicht befähigt sind. Das schließt ein, in diesem Sinne ungeeigneten Personen, wenn eine mildere Maßnahme nicht in Betracht kommt, generell das Führen eines Fahrzeugs zu untersagen, andernfalls das Führen zu beschränken oder erforderliche Auflagen anzuordnen.
39Vgl. Nieders. OVG, Beschluss vom 1. April 2008 – 12 ME 35/08 –, juris, Rn. 6; OVG NRW, Beschluss vom 23. April 2015 – 16 B 259/15 –, juris, Rn. 6.
40Der Gesetzgeber selbst setzt die Möglichkeit solcher Maßnahmen voraus. So hat er in § 28 Abs. 3 Nr. 4 StVG geregelt, dass im Fahreignungsregister Daten über unanfechtbare oder sofort vollziehbare Verbote oder Beschränkungen, ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug zu führen, gespeichert werden können. § 29 Abs. 5 S. 2 StVG regelt den Beginn der Tilgungsfrist bei von der nach Landesrecht zuständigen Behörde verhängten Verboten oder Beschränkungen, ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug zu führen. Und schließlich dürfen nach § 50 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) StVG im örtlichen Fahrerlaubnisregister Daten über Verbote und Beschränkungen, ein Fahrzeug zu führen, gespeichert werden.
41Hierauf hinweisend auch BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2020 – 3 C 5.20 –, juris, Rn. 36.
42Es mangelt der Verordnungsermächtigung auch nicht an der erforderlichen Regelungsdichte im Hinblick auf mögliche Gründe für Zweifel an der Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge und Maßnahmen, die von der Fahrerlaubnisbehörde zur Aufklärung von Eignungszweifeln zu treffen sind oder im Ermessenswege getroffen werden können. Zwar fehlt es insofern an Anknüpfungspunkten im Straßenverkehrsgesetz. Die Verordnungsermächtigung ist in § 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. y) StVG deutlich allgemeiner und zudem knapper gehalten als das in § 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) StVG (Anforderung an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen, die Begutachtung der Eignung und Überprüfung der Eignung durch die Fahrerlaubnisbehörde), § 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. q) StVG (Maßnahmen bei bedingt geeigneten oder ungeeigneten oder bei nicht befähigten Fahrerlaubnisinhabern oder bei Zweifeln an der Eignung oder Befähigung) und § 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. r) StVG (Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung oder vorangegangenem Verzicht) in Bezug auf das Führen von Kraftfahrzeugen der Fall ist.
43Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2020 – 3 C 5.20 –, juris, Rn. 37.
44Auch kann der Verordnungsgeber in Bezug auf das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge – anders als das aufgrund von § 2 StVG hinsichtlich des Führens von Kraftfahrzeugen der Fall ist – nicht unmittelbar an eine gesetzliche Regelung und Eingriffsgrundlage anknüpfen, die – wenn auch nur in recht allgemeiner Form – selbst Vorgaben für die Eignung und Befähigung zum Führen solcher Fahrzeuge (vgl. § 2 Abs. 4 und 5 StVG) und zur Anordnung der Beibringung von Gutachten bei Zweifeln an der Eignung oder Befähigung zum Führen (vgl. § 2 Abs. 8 StVG) enthält.
45Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2020 – 3 C 5.20 –, juris, Rn. 37.
46Ebenso fehlt es für die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge an vergleichbaren Regelungen wie denen des § 3 StVG zur Entziehung der Fahrerlaubnis bei fehlender Eignung oder Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Das Straßenverkehrsgesetz regelt schließlich nicht – auch nicht im Wege einer Verordnungsermächtigung (vgl. § 3 Abs. 7 StVG) – für welche Dauer das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge verboten werden darf und/oder unter welchen Voraussetzungen ein solches Verbot wieder aufzuheben ist.
47Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2020 – 3 C 5.20 –, juris, Rn. 37.
48Hieraus allein kann im Umkehrschluss aber nicht gefolgert werden, dass die Verordnungsermächtigung hierzu kein den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG genügendes Regelungsprogramm erkennen lässt. Im Hinblick auf die gebotene Regelungsdichte gilt grundsätzlich, dass Art. 80 Abs. 1 S. 2 VwGO den ermächtigenden Gesetzgeber dazu verpflichtet, die der Exekutive überlassenen Einzelregelungen nach sachlichem Gehalt und nach Regelungstendenz so weit vorzuprägen, dass der mögliche Inhalt der zu erlassenden Verordnung deutlich wird. Die Anforderungen sind als Ausprägung des allgemeinen Gesetzesvorbehalts dabei umso höher, je schwerwiegender die Auswirkungen sind. Letztlich aber kann insofern nicht auf allgemein gültige Voraussetzungen zurückgegriffen werden. Es bedarf vielmehr einer Beurteilung im konkreten Einzelfall.
49Vgl. Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 94. EL Januar 2021, Art. 80 Rn. 68; Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 47. Ed. Stand: 15.05.2021, Art. 80 Rn. 21, 25, jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung.
50Die Kammer verkennt nicht, dass Maßnahmen das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen betreffend einen erheblichen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) des Betroffenen darstellen können.
51Hierauf eingehend insbesondere Rebler/Müller, DAR 2014, 690 (694 ff.).
52Das Regelungsprogramm, welches verordnungsrechtlich im Hinblick auf mögliche Gründe für Zweifel an der Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge und diesbezüglicher Aufklärungsmaßnahmen umgesetzt werden soll, lässt sich aber in hinreichender Weise bestimmen. Die Notwendigkeit differenzierter Vorgaben hierzu in der Verordnungsermächtigung – wie sie im Hinblick auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen in § 6 Abs. 1 StVG erfolgt ist – drängt sich aus Sicht der Kammer nicht auf. Es liegt im Hinblick auf die Gründe für Zweifel an der Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge auf der Hand, dass nur solche Eignungsmängel relevant sein können, die sich auf das Führen von nicht fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen beziehen. Ebenso eindeutig verhält es sich in Bezug auf Maßnahmen, die von der Fahrerlaubnisbehörde zur Aufklärung von Eignungszweifeln zu treffen sind oder im Ermessenswege getroffen werden können. Auch hier sind dem Verordnungsgeber unter Berücksichtigung des der Regelung zugrundeliegenden Zwecks und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bereits hinreichend Grenzen gesetzt, ohne dass es erforderlich wäre, dass der Gesetzgeber in der Verordnungsermächtigung selbst den Eignungsbegriff legaldefinieren und das „Wie“ der Aufklärungsmaßnahmen im Einzelnen regeln müsste. Hinzu kommt, dass die von dem Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen in § 6 Abs. 1 Nr. 1 StVG im Einzelnen aufgeführten Maßnahmen sowie die vorgenannten Normen im Straßenverkehrsgesetz entsprechend herangezogen werden können. Danach beinhaltet der Begriff der „Maßnahme“ in § 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. y) StVG die Ermächtigung des Verordnungsgebers, durch Verordnung zu konkretisieren, was die Anforderungen an die Eignung zur Teilnahme am Straßenverkehr mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen, an die Beurteilung der Eignung durch Gutachten sowie die Feststellung und Überprüfung der Eignung durch die Fahrerlaubnisbehörde sind, welche Maßnahmen bei bedingt geeigneten oder ungeeigneten Teilnehmern am sonstigen Straßenverkehr oder bei Zweifeln an der Eignung oder Befähigung zur Teilnahme am sonstigen Straßenverkehr ergriffen werden sollen.
53Dieses Auslegungsergebnis wird bestätigt durch die Entstehungsgeschichte des § 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. y) StVG. Die Ermächtigungsgrundlagen zur Ausführung der Regelungen des StVG auf dem Gebiet des Fahrerlaubnisrechts wurden erstmals durch Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze vom 24. April 1998 (BGBl I 1998, S. 747) neugefasst. Zuvor ermächtigte § 6 Abs. 1 Nr. 1 StVG – ohne weitere Differenzierungen – zum Erlass von Rechtsverordnungen und allgemeinen Verwaltungsvorschriften insbesondere über Mindestbedingungen und zeitliche Befristung der Fahrerlaubnis und über Gesundheitsprüfungen zum Zweck der Feststellung mangelnder Eignung zur Führung von Kraftfahrzeugen. Die Neufassung im Jahr 1998 führte zu einer deutlich differenzierteren Regelung. Dabei war der Gesetzgeber offensichtlich schon zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen, dass auch die ursprüngliche Ermächtigungsgrundlage die Regelung von Maßnahmen umfasste, um die sichere Teilnahme von Personen am Straßenverkehr mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen zu gewährleisten, sowie der Regelung der Maßnahmen, wenn sie bedingt geeignet oder ungeeignet oder nicht befähigt zur Teilnahme am Straßenverkehr sind. Denn als „Neuerungen“ wurde in der Gesetzesbegründung lediglich auf Buchstabe d (Maßnahmen zur Beseitigung von Eignungsmängeln), Buchstabe k (Anerkennung oder Beauftragung von Stellen oder Personen, die die Eignung oder Befähigung zur Teilnahme am Straßenverkehr oder Ortskenntnisse zwecks Vorbereitung einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung beurteilen oder prüfen oder die in der Versorgung Unfallverletzter im Straßenverkehr oder Erster Hilfe ausbilden), Buchstabe p (Regelungen zu Fahranfängern) und Buchstabe x (Inhalt und Gültigkeit einer bisher erteilten Fahrerlaubnis) hingewiesen, nicht hingegen auf die Ermächtigung zur Regelung des fahrerlaubnisfreien Führens von Fahrzeugen in Buchstabe y. Dem fügt sich, dass der Gesetzgeber die Ermächtigungsgrundlage im Rahmen der jüngsten Neufassung deutlich knapper gefasst hat mit dem Ziel, § 6 Abs. 1 Nr. 1 StVG wieder auf eine höhere Abstraktionsebene zurückzuholen, den bisherigen Ermächtigungsumfang und Anwendungsbereich zugleich aber zu erhalten. Die alte Fassung sei nach und nach durch kleinschrittige Aufzählungen und die Verwendung von Beispielen und Details ausdifferenziert worden, um anlassbezogen einzelne Regelungsinhalte herauszustellen und abzusichern. Dies sei allerdings vielfach ohne Anspruch auf ein systematisches Gesamtkonzept im Hinblick auf die anderen Ermächtigungsinhalte des § 6 StVG erfolgt. Daher komme den – in der alten Fassung vorhandenen – einzelnen Aufzählungen nicht etwa der vermeintliche Charakter von Regelbeispielen zu, die im Umkehrschluss den Inhalt der Ermächtigung negativ begrenzen würden.
54Vgl. BT-Drucks. 19/28684, S. 41.
55§ 3 Abs. 1 S. 1 FeV selbst begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere stellt sich die Norm zunächst als verhältnismäßig dar. Auch mit Blick auf das gegenüber Kraftfahrzeugen in der Regel geringere Gefährdungspotenzial des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ist es aus Sicht der Kammer mit den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vereinbar, dass § 3 Abs. 2 FeV für die Klärung von Eignungszweifeln ohne weitere Differenzierung umfassend auf die strengen Anforderungen der §§ 11 ff. FeV verweist, die auf die Prüfung der Eignung und Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgerichtet sind. Insofern teilt die Kammer zunächst die Ansicht des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts,
56Vgl. Nieders. OVG, Beschluss vom 1. April 2008 – 12 ME 35/08 –, juris, Rn. 7,
57wonach die Gefahren, die von dem Führer eines erlaubnisfreien Fahrzeugs ausgehen, zwar geringer einzustufen sein mögen als diejenigen, die ungeeignete Kraftfahrer verursachen, die erlaubnispflichtige Fahrzeuge führen. Sie sind aber erheblich genug, um die entsprechende Anwendung der Vorschriften der §§ 11 bis 14 FeV für gerechtfertigt zu halten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Führer eines Fahrzeugs zum Führen ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet ist (§ 3 Abs. 2 FeV). Ebenso wenig unterliegt es Bedenken, dass die Fahrerlaubnisbehörde das Führen von Fahrzeugen untersagen, beschränken oder die erforderlichen Auflagen anordnen kann, wenn sich der Betreffende als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet zum Führen von Fahrzeugen erweist (§ 3 Abs. 1 FeV). Denn Verkehrsunfälle, die ungeeignete Fahrer erlaubnisfreier Fahrzeuge verursachen, können ebenfalls mit schwerwiegenden Folgen für Gesundheit und Leben anderer Verkehrsteilnehmer verbunden sein. Motorisierte Verkehrsteilnehmer, die sich schneller als Fahrradfahrer im Straßenverkehr bewegen, können sich und andere erheblich gefährden, wenn sie wegen der unvorhersehbaren Fahrweise eines etwa unter Alkohol oder Betäubungsmitteln fahrenden Radfahrers zu riskanten und folgenschweren Ausweichmanövern verleitet werden. Die Folgen eines auf solche Art verursachten Unfalls können dabei genauso schwerwiegend sein wie die Folgen eines Verkehrsunfalls, die durch einen ungeeigneten Pkw-Fahrer entstehen.
58Zum Gefährdungsrisiko siehe auch Bay. VGH, Beschluss vom 22. Oktober 2009 – 11 ZB 09.832 –, juris, Rn. 15; Hess. VGH, Beschluss vom 6. Oktober 2010 – 2 B 1076/10 –, juris, Rn. 10 ff.
59Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die §§ 11 ff. FeV – wie eingangs bereits dargestellt – nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 3 Abs. 2 FeV lediglich entsprechend Anwendung finden. Die Einschränkung betrifft zunächst den Anwendungsbereich der Norm, der nur dann eröffnet ist, wenn die Regelung ihrem Inhalt nach nicht das Führen eines fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugs voraussetzt. Mit Blick auf Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV ist eine entsprechende Anwendung zudem nur möglich, soweit sich die Mängel auch auf das Führen von nicht fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen oder Tieren beziehen. Den bestehenden Unterschieden hat die Fahrerlaubnisbehörde ferner im Rahmen des ihr eingeräumten Auswahlermessens Rechnung zu tragen.
60Die Regelung des § 3 Abs. 1 S. 1 FeV erweist sich schließlich auch nicht deshalb als unverhältnismäßig, weil sie die Fahrerlaubnisbehörde lediglich ermächtigt, Maßnahmen zu ergreifen, wenn sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnisverordnung selbst aber keine Regelung dazu trifft, in welchen Fällen eine solche Maßnahme wieder aufzuheben ist.
61Kritisch hierzu: Rebler/Müller, DAR 2014, 690 (695)
62Das Fehlen einer solchen Regelung hat nicht zur Folge, dass etwa die bestandskräftige Untersagung des Führens eines fahrerlaubnisfreien Fahrzeuges als Dauerverwaltungsakt,
63vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2020 – 3 C 5.20 –, juris, Rn. 11,
64auf Ewigkeit Wirkung entfaltet, ohne dass ein Anspruch auf Aufhebung bestünde. Die ursprünglich rechtmäßige Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge wird nachträglich rechtswidrig, wenn die Voraussetzungen für ihren Erlass nachträglich nicht mehr vorliegen, insbesondere also dann, wenn der Betroffene seine Eignung zur fahrerlaubnisfreien Teilnahme am Straßenverkehr wiedererlangt hat.
65Mangels abschließender spezialgesetzlicher Regelung ist in diesem Fall auf die im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) getroffene allgemeine Regelung des § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG bzw. auf die entsprechenden landesrechtlichen Regelungen ‒ hier § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG NRW – zurückzugreifen. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
66Vgl. zum Verhältnis §§ 48, 49 VwVfG bei nachträglicher Rechtswidrigkeit von Dauerverwaltungsakten: Schoch/ Schneider, Verwaltungsverfahrensgesetz, Werkstand: Juli 2020, § 48 Rn. 90 ff.
67Das nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG der Behörde eingeräumte Rücknahmeermessen (§ 40 VwVfG) ist in diesem Fall regelmäßig auf Null reduziert. Zwar besteht nicht automatisch eine Rücknahmepflicht, wenn ein belastender Dauerverwaltungsakt rechtswidrig ist. Die zur Rechtswidrigkeit führende veränderte Rechts- oder Sachlage ist als solche grundsätzlich noch kein ausreichender Grund für eine Ermessensreduzierung auf Null. Denn die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Bestandskraft von Verwaltungsakten stehen (im Ausgangspunkt) gleichberechtigt nebeneinander.
68Vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 – 2 BvR 669/04 –, juris, Rn. 80; BVerwG, Urteile vom 24. Februar 2011 – 2 C 50.09 –, juris, Rn. 14, und vom 9. Mai 2012 ‒ 6 C 3.11 –, juris, Rn. 51; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28. März 2017 – 2 L 34/15 –, juris, Rn. 16; Schoch/Schneider, Verwaltungsverfahrensgesetz, Werk-stand: Juli 2020, § 48 Rn. 114
69Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit aber ausnahmsweise dann ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Dauerverwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung „schlechthin unerträglich“ ist, was von den Umständen des Einzelfalles und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt.
70Vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Februar 2011 – 2 C 50.09 –, juris, Rn. 11, und vom 9. Mai 2012 – 6 C 3.11 –, juris, Rn. 51, jeweils m. w. N.
71Unbeschadet der insoweit stets gebotenen Betrachtung des Einzelfalls haben sich in der Rechtsprechung bestimmte Fallgruppen herausgebildet, in denen die geforderte Unerträglichkeit einer Aufrechterhaltung des Verwaltungsakts im Allgemeinen zu bejahen sein wird. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn in dem einschlägigen Fachrecht eine bestimmte Richtung der zu treffenden Entscheidung in der Weise vorgegeben ist, dass das Ermessen im Regelfall nur durch die Entscheidung für die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtmäßig ausgeübt werden kann, so dass sich das Ermessen in diesem Sinne als intendiert erweist.
72Vgl. hierzu und zu den weiteren Fallgruppen BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2012 – 6 C 3.11 –, juris, Rn. 51.
73So liegen die Dinge hier. Gemäß § 1 FeV ist zum Verkehr auf öffentlichen Straßen jeder zugelassen, soweit nicht für die Zulassung zu einzelnen Verkehrsarten eine Erlaubnis vorgeschrieben ist. Nur ausnahmsweise, wenn sich jemand als ungeeignet zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge erweist, kann sich eine Untersagung nach § 3 Abs. 1 S. 1 FeV als gerechtfertigt erweisen. Im Hinblick auf die grundsätzliche Erlaubnisfreiheit der Teilnahme am Straßenverkehr im Sinne des § 1 FeV und unter Berücksichtigung der mit der Untersagungsverfügung einhergehenden, nicht unerheblichen Einschränkung der Mobilität des Betroffenen würde sich eine andere Entscheidung als die Rücknahme der Untersagungsverfügung bei Wiedererlangung der Eignung zur Teilnahme am fahrerlaubnisfreien Straßenverkehr als schlechthin unerträglich erweisen.
74Angesichts der vorstehenden Ausführungen begegnet es auch keinen rechtlichen Bedenken, dass der Verordnungsgeber die Aufhebung der nach § 3 Abs. 1 S. 1 FeV getroffenen Maßnahmen bei Wiedererlangung der Eignung zur Teilnahme am fahrerlaubnisfreien Straßenverkehr nicht in der Fahrerlaubnisverordnung selbst speziell geregelt hat. Das besondere Verwaltungsrecht kennt spezialgesetzliche Regelungen insbesondere zum Widerruf rechtswidriger, begünstigender Verwaltungsakte. Dies betrifft vor allem Bereiche, in denen ein bestimmtes Tun des Bürgers unter Erlaubnisvorbehalt steht,
75eine Übersicht hierzu findet sich etwa bei Stelkens/Bonk/ Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 49 Rn. 10; Schoch/Schneider, Verwaltungsverfahrensgesetz, Werkstand: Juli 2020, § 48 Rn. 21 ff.,
76und begründet regelmäßig – abweichend von den Ermessensnormen der §§ 48, 49 VwVfG – eine sog. Widerrufspflicht. Entsprechend finden sich in den Spezialgesetzen regelmäßig auch Regelungen dazu, wie der Betroffene nach dem Widerruf einer Erlaubnis diese erneut erlangen kann.
77Vgl. im Fahrerlaubnisrecht § 20 FeV.
78Hier bedarf es einer solchen Regelung nicht. Im Falle der Wiedererlangung der Eignung zur Teilnahme am Straßenverkehr mit erlaubnisfreien Fahrzeug ist lediglich die Untersagung aufzuheben. Damit ist dem Betroffenen die Teilnahme am Straßenverkehr von Gesetzes wegen wieder gestattet. Es bedarf gerade keiner (Wieder-) Gestattung oder ausdrücklichen Zulassung zur Teilnahme am erlaubnisfreien Straßenverkehr.
79Begrifflich jdf. irreführend daher Rebler/Müller, DAR 2014, 690 (695), die einen Kriterienkatalog fordern, bei deren Einhaltung ein Betroffener nach Wiedergewinnung seiner Eignung zum Straßenverkehr wieder zuzulassen ist.
80Ebenso wenig bedarf es einer ausdrücklichen Regelung, wann die Eignung zur Teilnahme am Straßenverkehr mit erlaubnisfreien Fahrzeugen wieder gegeben ist – also die Voraussetzungen für den Erlass etwa einer Untersagungsverfügung nach § 3 Abs. 1 S. 1 FeV nachträglich entfallen und ein Anspruch auf Rücknahme entstanden ist. Denn der Eignungsbegriff im Rahmen der Überprüfung, ob die Voraussetzungen einer Rücknahme wegen Wiedererlangung der Fahreignung vorliegen, ist identisch mit dem Eignungsbegriff im Untersagungsverfahren. Soweit insofern Aufklärungsmaßnahmen – wie etwa die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung – erforderlich erscheinen, kann sich die Behörde zur Anordnung eben solcher auf § 3 Abs. 2 i. V. m. §§ 11 ff. FeV stützen.
81§ 3 FeV stellt sich auch als hinreichend bestimmt dar.
82Vgl. im Ergebnis auch: Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 23. August 2023 – 12 ME 93/23 –, juris, Rn. 8 (Bestimmtheit jedenfalls bei der „typischen Fallgestaltung des im Anschluss an eine Trunkenheitsfahrt [mit mehr als 1,6 ‰ BAK] mit dem Fahrrad ausgesprochenen Verbots, [fahrerlaubnisfreie] Fahrzeuge zu führen“).
83Nach dem im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gründenden Bestimmtheitsgebot müssen gesetzliche Regelungen – und daher ebenso Rechtsverordnungen – so gefasst sein, dass der Betroffene seine Normunterworfenheit und die Rechtslage so konkret erkennen kann, dass er sein Verhalten daran auszurichten vermag. Die Anforderungen an die Normenklarheit sind dann erhöht, wenn die Unsicherheit bei der Beurteilung der Gesetzeslage die Betätigung von Grundrechten erschwert. Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs müssen hinreichend bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt sein. Die konkreten Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit der Ermächtigung richten sich nach der Art und Schwere des Eingriffs. Je intensiver der Grundrechtseingriff ist, desto strenger sind die Anforderungen. Das Gebot hinreichender Bestimmtheit zwingt den Gesetzgeber indes nicht dazu, den Tatbestand mit genau fassbaren Maßstäben zu umschreiben. Es liegt in der ihm bei der Normsetzung eingeräumten Gestaltungsfreiheit, auch unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden. Dies kann notwendig werden, um der sonst nicht zu bewältigenden Vielgestaltigkeit des Lebens Herr zu werden. Umgekehrt ist der Normgeber gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Die Notwendigkeit der Auslegung einer gesetzlichen Begriffsbestimmung nimmt ihr noch nicht die Bestimmtheit, die der Rechtsstaat fordert; die Ausfüllung ist eine herkömmliche und anerkannte Aufgabe der Rechtsanwendungsorgane.
84Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Januar 2019 – 3 C 7.17 –, juris, Rn. 23, m.w.N.; BVerfG, Beschluss vom 9. August 1995 – 1 BvR 2263/94 –, juris, Rn. 55, und Urteil vom 11. März 2008 – 1 BvR 2074/05 –, juris, Rn. 94 f.;
85Diesen Anforderungen wird § 3 FeV gerecht. Insbesondere hat der Verordnungsgeber Anlass und Grenzen des Eingriffs in die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG in hinreichender Weise festgelegt. Dies gilt zunächst für den in § 3 Abs. 1 S. 1 FeV beschriebenen Fall, dass die mangelnde bzw. bedingte Eignung des Betroffenen feststeht. Der Begriff der „Eignung“ stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der – wie bereits ausgeführt – durch die allgemeinen Auslegungsmethoden ausreichend konkretisiert wird. Diese Auslegung erfolgt nicht allein am Maßstab der in den §§ 11 bis 14 FeV i.V.m. den Anlagen 4 bis 6 zur FeV näher geregelten Kraftfahreignung, sondern – wie auch in § 3 Abs. 2 FeV dargestellt – lediglich unter entsprechender Anwendung dieses Maßstabs. Hiermit ist zum einen hinreichend klargestellt, dass im Falle der Einschränkung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen nicht die Kraftfahreignung allein zu überprüfen ist. Zum anderen wird auch deutlich, dass die Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge an die Kraftfahreignung unter Ausschluss der speziellen Erfordernisse zum Führen eines Kraftfahrzeuges geknüpft ist. Die Behörden (ebenso wie nachfolgend die Gerichte) haben daher im Grundsatz den Maßstab der Kraftfahreignung zugrunde zu legen und diesen im Einzelfall im Hinblick auf seinen Aussagegehalt zur Eignung fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ggf. zu reduzieren. Dies ist bei entsprechender Einzelfallwürdigung auch mittels der allgemeinen Auslegungsmethoden möglich, da die wissenschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich des Ausschlusses der Kraftfahreignung (insbesondere in charakterlicher und geistiger Hinsicht) ebenfalls für die Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge – auch unter Berücksichtigung ihres geringeren Gefährdungspotentials – relevant sein können. Weiterhin kommt die Behörde gerade im Falle der (positiven) Feststellung der mangelnden bzw. bedingten Eignung im Regelfall aufgrund eines entsprechenden Sachverständigengutachtens zu ihrer Erkenntnis. Dies gilt nach der Vorbemerkung Nr. 2 der Anlage 4 zur FeV ebenfalls im Falle der Kraftfahreignung. Ein solches Gutachten muss nachvollziehbar und nachprüfbar sein. Hierbei stellt § 3 Abs. 1 S. 1 FeV ausreichend klar, dass Maßstab der Beurteilung eines solchen Gutachtens nicht (allein) die Kraftfahreignung, sondern die Eignung zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen ist. Insofern kann sich die Behörde zur Verdeutlichung und Auslegung der unterschiedlichen Eignungsmaßstäbe sachverständiger Hilfe bedienen.
86§ 3 FeV stellt vor diesem Hintergrund eine hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage auch für den Fall dar, dass die Behörde nach den §§ 3 Abs. 2, 11 Abs. 8 S. 1 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließt. Auch insofern werden durch die entsprechende Anwendbarkeit der §§ 11 bis 14 FeV ausreichend Anlass und Grenzen der zulässigen Maßnahmen festgelegt. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass die Regelungen der §§ 11 bis 14 FeV grundsätzlich lediglich die Tatbestände regeln, die Anlass zu Zweifeln an der Eignung geben, nicht jedoch die mangelnde Eignung unmittelbar festlegen. Der Verordnungsgeber normierte also Sachverhalte, bei denen die Eignung oder Nichteignung im Einzelfall noch nicht feststeht und die weiter aufgeklärt werden können bzw. müssen. Wenngleich die Anordnung einer Begutachtung – mitsamt dem möglichen Schluss auf die Nichteignung nach § 11 Abs. 8 S. 1 FeV – einen nicht nur unerheblichen Grundrechtseingriff darstellen kann, ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass die Regelung des 3 FeV der Wahrung der Straßenverkehrssicherheit und damit dem Schutze von Leben, Leib und Eigentum dient. Die Anforderungen an die Bestimmtheit der gesetzlichen Regelungen zur Erforschung dieser Gefahren dürfen vor diesem Hintergrund nicht überspannt werden. Die Regelungen zur Gefahrerforschung müssen auch im Zweifel diejenigen Gefahrentatbestände erfassen, die der Verordnungsgeber (noch) nicht vor Augen hatte. Insofern genügt hier der entsprechende Verweis des Verordnungsgebers auf die strukturell und zielgerichtet ähnlichen Vorschriften der §§ 11 bis 14 FeV. So wird deutlich, dass auch im Rahmen der Gefahrerforschungsmaßnahmen lediglich diejenigen kraftfahreignungsrelevanten Tatsachen Anlass zu Zweifeln an der Eignung des Betroffenen geben können, die ebenfalls Relevanz für das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge haben. Der Verordnungsgeber musste die Regelung nicht weiter konkretisieren und konnte die Konkretisierung im Einzelfall den Rechtsanwendungsorganen überlassen. So ist es auch im Rahmen der Aufklärung der Kraftfahreignung mit dem Bestimmtheitsgrundsatz vereinbar, wenn der Verordnungsgeber in § 11 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 FeV mit der Formulierung „insbesondere“ weitere, ungeschriebene Sachverhalte für die Beurteilung der Eignung zulässt. Ein weiterer Auffangtatbestand besteht auch in § 13 S. 1 Nr. 2 lit. a) Alt. 2 FeV („sonst Tatsachen“).
87c) Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 S. 1 FeV liegen hier vor. Der Antragsteller hat sich bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage als ungeeignet zum Führen von Fahrzeugen erwiesen.
88Vorliegend hat die Behörde aufgrund der Ausführungen in dem Gutachten der TÜV NORD Mobilität GmbH & Co.KG vom 4. Juli 2023 (medizinisch-psychologisches Gutachten) rechtsfehlerfrei die mangelnde Eignung des Antragstellers als erwiesen angesehen. Das Gutachten kommt zu der Bewertung, es sei zu erwarten, dass der Antragsteller auch zukünftig ein Fahrzeug aller Art unter Alkoholeinfluss führen wird. Diese Bewertung ist nachvollziehbar und nachprüfbar i.S.d. §§ 3 Abs. 2, 11 Abs. 5 FeV i.V.m. Nr. 2 lit. a) der Anlage 4a zur FeV.
89Nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV schließt der Alkoholmissbrauch (das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum kann nicht hinreichend sicher getrennt werden) die Kraftfahreignung aus. Die Eignung kann erst dann als wiederhergestellt angesehen werden, wenn der Missbrauch beendet wurde und die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist, vgl. Nr. 8.2 der Anlage 4 zur FeV.
90Die Gutachter haben entgegen der Auffassung des Antragstellers zunächst beanstandungsfrei die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vom 27. Januar 2014 in der Fassung vom 17. Februar 2021 – die die in Anlage 4 zur FeV aufgeführten Erkrankungen und Mängel weiter konkretisieren – als Beurteilungsgrundlage herangezogen. Dabei ist zunächst abstrakt festzustellen, dass es den Gutachtern nicht verwehrt ist, die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung als Grundlage ihrer Untersuchung und Beurteilung heranzuziehen. § 3 Abs. 2 FeV stellt insofern klar, dass die Vorschriften der §§ 11 bis 14 FeV (und damit nach § 11 Abs. 5 FeV i.V.m. der Vorbemerkung in Anlage 4a zur FeV ebenfalls die Begutachtungsleitlinien) entsprechend anwendbar sind. Die Gutachter dürfen demnach die Leitlinien heranziehen und müssen diese (nur) auf ihre Relevanz hinsichtlich der Eignung zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen überprüfen und gegebenenfalls anpassen.
91Vorliegend haben die Gutachter im streitgegenständlichen Gutachten lediglich die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung als Beurteilungsmaßstab herangezogen und diesen Maßstab nicht (ausdrücklich) an die Eignung hinsichtlich fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge angepasst. Dies war zum einen aus gutachterlicher Sicht nachvollziehbar, da die Fragestellung der Behörde ebenfalls die Kraftfahreignung umfasste („Fahrzeug aller Art“) und nach den Verwaltungsvorgängen des Antragstellers (Bl. 1 und 7) ebenfalls noch ein Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis offen war bzw. ist. Zum anderen war eine weitere Differenzierung oder Anpassung der Beurteilungsmaßstäbe nicht erforderlich, da im vorliegenden Fall des Alkoholmissbrauchs sowohl bei der Beurteilung Kraftfahreignung als auch bei der Beurteilung der Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge im Grundsatz dieselben Maßstäbe gelten.
92Die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung führen für den Fall eines Alkoholmissbrauchs u.a. Folgendes aus:
93„Bereits Blutalkoholkonzentrationen mit Werten ab 0,3 %o können zu einer Herabsetzung der Reaktionsfähigkeit und zur Veränderung der Stimmungslage mit Kritikminderung führen, so dass ein erhöhtes Verkehrsrisiko von derart beeinflussten Kraftfahrern ausgeht. Bei 0,8 %o liegt das Risiko in der Regel um das Vierfache höher als bei nüchternen Verkehrsteilnehmern. Fahruntüchtigkeit liegt bei jedem Kraftfahrzeugfahrer mit Werten höher als 1 %o vor. Werden Werte um oder über 1,5 %o bei Kraftfahrern im Straßenverkehr angetroffen, so ist die Annahme eines chronischen Alkoholkonsums mit besonderer Gewöhnung und Verlust der kritischen Einschätzung des Verkehrsrisikos anzunehmen. Bei solchen Menschen pflegt in der Regel ein Alkoholproblem vorzuliegen, das die Gefahr weiterer Alkoholauffälligkeit im Straßenverkehr in sich birgt. Auch wiederholte Auffälligkeiten unter Alkohol im Straßenverkehr innerhalb weniger Jahre begründen einen solchen Verdacht, selbst wenn die Werte wesentlich geringer sind. Ferner besteht, wegen der allgemeinen Verfügbarkeit des Alkohols, bei Alkoholabhängigkeit und -missbrauch generell eine hohe Rückfallgefahr, so dass im Einzelfall strenge Maßstäbe anzulegen sind, bevor eine positive Prognose zum Führen von Kraftfahrzeugen gestellt werden kann. Diese erfordert tragfähige Strategien für die Entwicklung der Kontrolle über den Alkoholkonsum als Voraussetzung zur Trennung von Alkoholkonsum und Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr, wie sie z. B. in geeigneten Kursen oder Therapien vermittelt werden. In der Regel hat in solchen Fällen eine sorgfältige Auseinandersetzung mit den Ursachen und der Entwicklung des früheren Alkoholmissbrauchs zu erfolgen. Häufiger Alkoholmissbrauch führt zur Gewöhnung an die Giftwirkung und damit zur Unfähigkeit einer realistischen Einschätzung der eigenen Alkoholisierung und des hierdurch ausgelösten Verkehrsrisikos. Im Spätstadium des chronischen Missbrauchs kann es insbesondere zu Störungen fast aller Organsysteme, und zwar vorwiegend zu hepatischen, gastrointestinalen und kardialen Manifestationen kommen. In der Regel erweisen sich jedoch bei der Begutachtung die psychischen und psychosozialen Ursachen und Folgen des chronischen Alkoholmissbrauchs als weit bedeutsamer. Es kann zu krankhaften Persönlichkeitsveränderungen mit abnormer Entwicklung der affektiven und emotionalen Einstellung gegenüber der Umwelt kommen, wobei Selbstüberschätzung, Gleichgültigkeit, Nachlässigkeit, Erregbarkeit, Reizbarkeit etc. zu beobachten sind.“
94Vgl. Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vom 27. Januar 2014 in der Fassung vom 17. Februar 2021, Stand: 1. Juni 2022, S. 77, https://bast.opus.hbz-nrw.de/opus45-bast/frontdoor/deliver/index/docId/2664/file/ Begutachtungsleitlinien+2022.pdf, zuletzt abgerufen am Tag der Entscheidung.
95Davon ausgehend ist die Grundthese der Begutachtungsleitlinien – die Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss führt zur Herabsetzung der Reaktionsfähigkeit und Veränderung der Stimmungslage mit Kritikminderung – ohne weiteres ebenfalls auf die Führer fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge übertragbar. Auch im Falle z.B. des Fahrens eines Fahrrades kann insbesondere die Herabsetzung der Reaktionsfähigkeit eine erhebliche Gefährdung des Straßenverkehrs bedeuten. Wenngleich das unmittelbar von einem Fahrradfahrer ausgehende Gefährdungspotential möglicherweise nicht so hoch ist wie bei einem Kraftfahrzeugführer, können jedoch – wie bereits dargestellt – durch Ausweichmanöver der übrigen motorisierten Verkehrsteilnehmer beträchtliche Schäden verursacht werden. Auch hinsichtlich der weiteren These der Begutachtungsleitlinien – der chronische Alkoholkonsum berge regelmäßig ein Alkoholproblem und hiermit auch wegen der allgemeinen Verfügbarkeit von Alkohol verbunden die Gefahr einer weiteren alkoholisierten Teilnahme im Straßenverkehr – ist nicht ersichtlich, warum diese auf Kraftfahrzeugführer allein beschränkt sein sollte. Vor dem Hintergrund des auch von einem alkoholisierten Führer fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ausgehenden Gefährdungspotentials für den öffentlichen Straßenverkehr ist auch die Bewertung der Begutachtungsleitlinien übertragbar, strenge Maßstäbe an eine positive Prognose anzulegen. Jedenfalls soweit die Begutachtungsleitlinien für den Fall des Alkoholmissbrauchs für eine positive Prognose fordern, dass der Betroffene sein Trinkverhalten – welches, wie dargelegt, auch im Falle z.B. des Fahrens eines Fahrrades im öffentlichen Straßenverkehr ein erhebliches Gefährdungspotential schafft – ausreichend geändert hat und diese Änderung stabil und motivational gefestigt ist, gilt dies ohne weiteres auch für Führer fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge.
96Weiterhin ist das Gutachten auch inhaltlich schlüssig. Insbesondere ist die Bewertung nachvollziehbar, dass der Antragsteller bei der Untersuchung nicht ausreichend mitgewirkt habe, indem er keine plausiblen Angaben zu seinem Alkoholkonsum am 22. Oktober 2022 gemacht hat. Die bei ihm festgestellte Blutalkoholkonzentration (BAK) von 2,03 Promille lässt sich nach wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht mit den Ausführungen zu seinem Alkoholkonsum – 8 Flaschen Bier zu je 0,5 Liter in der Zeit von ca. 18 bis ca. 23 Uhr – in Einklang bringen. Nach der Widmark-Formel, die auch im Verwaltungsgerichtsverfahren zur Berechnung der Blutalkoholkonzentration anhand der Trinkmenge herangezogen werden kann,
97vgl. Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 26. Februar 2021 – 5 Bf 475/19.Z –, juris, Rn. 68, m.w.N.,
98kann der Antragsteller höchstens eine BAK von 1,89 Promille erreicht haben.
99Die Widmark-Formel (w = A / m / r) besagt, dass der Massenanteil des Alkohols im Körper in Promille (w) gleich der aufgenommenen Masse des Alkohols (A) in Gramm geteilt durch die Masse (m) der Person in Kilogramm und geteilt durch den Reduktions- oder Verteilungsfaktor im Körper (r) ist. Bei Männern beträgt der Reduktionsfaktor regelmäßig 0,7. Um bei einem Getränk die Masse des Alkohols herauszufinden, muss das Volumen des Getränks mit dem Alkoholvolumenanteil (vorliegend wohl ca. 5 %) und der Dichte von Alkohol von 0,8 g/ml multipliziert werden. 4 Liter Bier (8 x 0,5 l) mit einem Volumenanteil von 5 % Alkohol haben eine Alkoholmenge von 200 ml (4000 ml x 0,05) mit einem Gewicht von 160 g (200 ml x 0,8 g/ml). Dies führt bei dem Antragsteller, der nach dem Inhalt des medizinisch-psychologischen Gutachtens ein Gewicht von 121 kg hat, zu einem Promille-Wert von 1,89 (160 g / 121 kg / 0,7). Hierbei ist erschwerend ebenfalls zu berücksichtigen, dass der Antragsteller den Alkohol bei lebensnaher Betrachtung verteilt über den Abend zu sich genommen und sich der Promille-Wert damit noch weiter verringert haben wird.
100Weiterhin ist ebenfalls die gutachterliche Darstellung schlüssig, dass der Antragsteller insofern nicht ausreichend an der Untersuchung mitgewirkt habe, als er keine relevanten Angaben hinsichtlich der Hintergründe für seinen Alkoholkonsum in seiner Biografie bzw. Lebenssituation tätigte. Insofern ist unter Berücksichtigung der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung nachvollziehbar, dass bei dem Antragsteller allein aufgrund des Erreichens einer BAK von 2,03 Promille in der Regel vom Vorliegen einer ausgeprägten Alkoholproblematik auszugehen ist. Die individuellen Gründe dieser Problematik bleiben jedoch im Dunkeln. So gibt der Antragsteller lediglich unsubstantiiert an, dass er wegen Stresses im Betrieb, aus Langeweile und zur Beruhigung bzw. als Mittel zum Vergessen der Sorgen Alkohol getrunken habe. Weitergehende Angaben, die eine sachgerechte Erfassung der konkreten individuellen Alkoholproblematik und der dadurch zu fordernden Änderung des Trinkverhaltens sowie der Voraussetzungen für die Stabilität der Änderung ermöglichen, machte der Antragsteller nicht.
101Die dargestellten Mitwirkungspflichten im Rahmen der Untersuchung bestehen auch für die Beurteilung der Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge, da sonst für die Gutachter insbesondere nicht erkennbar wird, ob die Änderung im Umgang mit Alkohol stabil und motivational gefestigt ist. Insofern ist die gutachterliche Bewertung, die Annahme eines erhöhten Risikos bzgl. zukünftiger Auffälligkeiten lasse sich (im Falle des Antragstellers) weder abschwächen noch widerlegen, schlüssig. Aufgrund der mangelnden Mitwirkung des Antragstellers an der Begutachtung ist schließlich der von den Gutachtern gezogene Schluss auf seine mangelnde Eignung nachvollziehbar.
102Soweit der Antragsteller vorträgt, er lebe seit nunmehr ca. einem Jahr abstinent und habe damit sein Verhalten ausreichend geändert, verfängt dies nicht. Wenngleich im Falle des Alkoholmissbrauchs – wie bereits ausgeführt – eine Veränderung des Trinkverhaltens gefordert ist, muss diese Änderung auch stabil und motivational gefestigt sein. Dies erfordert nach den, hier ebenfalls für die Überprüfung der Eignung zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen anwendbaren, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung u.a.:
103„Die Änderung erfolgte aus einem angemessenen Problembewusstsein heraus. Die Änderung ist nach genügend langer Erprobung und der Erfahrensbildung (in der Regel ein Jahr, mindestens jedoch 6 Monate) bereits in das Gesamtverhalten integriert. Die mit der Verhaltensänderung erzielten Wirkungen werden positiv erlebt. Der Änderungsprozess kann nachvollziehbar aufgezeigt werden. Eine den Alkoholmissbrauch eventuell bedingende Persönlichkeitsproblematik wurde erkannt und entscheidend korrigiert. Neben den inneren stehen auch die äußeren Bedingungen (Lebensverhältnisse, berufliche Situation, soziales Umfeld) einer Stabilisierung des geänderten Verhaltens nicht entgegen.“
104Vgl. Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vom 27. Januar 2014 in der Fassung vom 17. Februar 2021, S. 74 f., a.a.O., zuletzt abgerufen am Tag der Entscheidung.
105Den Nachweis einer derart gefestigten Abstinenz – der in der Regel nur mittels der Vorlage eines entsprechenden medizinisch-psychologischen Gutachtens erbracht wird – hat der Antragsteller nicht beigebracht. Allein die Vorlage eines Befundberichts über Leberwerte reicht hierfür nicht aus.
106Als Rechtsfolge durfte die Behörde dem Antragsteller untersagen, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Bei feststehender Ungeeignetheit steht dem Antragsgegner für die Untersagung des Führens erlaubnisfreier Fahrzeuge kein Ermessen zu. § 3 Abs. 1 S. 1 FeV räumt der Fahrerlaubnisbehörde in einem solchen Fall kein Entschließungsermessen, aber ein Auswahlermessen bezüglich Art und Umfang der Maßnahme ein. In der Regel wird allerdings bei erwiesener Ungeeignetheit eine Beschränkung des Führens von Fahrzeugen oder die Anordnung von Auflagen nicht ausreichend sein, um den Verkehr in hinreichendem Maße vor Gefahren zu schützen, weil sich mit der Feststellung der Nichteignung ‒ anders als bei der bedingten Fahreignung ‒ grundsätzlich eine abstrakte Gefährlichkeit des Betroffenen für den Straßenverkehr manifestiert hat. In diesen Fällen reduziert sich das Auswahlermessen der Fahrerlaubnisbehörde regelmäßig ‒ und so auch hier – auf Null, sodass das Führen von Fahrzeugen zu untersagen ist.
107Vgl. Beschluss der erkennenden Kammer vom 13. Februar 2018 – 7 L 3090/17 –, juris, Rn. 27, m.w.N.
108Entgegen der Auffassung des Antragstellers verstößt es auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die Behörde die Untersagung nicht befristet hat. Im Falle der mangelnden Eignung aufgrund von Alkoholmissbrauch ist nicht ohne weiteres zeitlich absehbar, wann der Betroffene den Missbrauch nachhaltig überwunden hat. Vor dem Hintergrund der Wahrung der Sicherheit des Straßenverkehrs stellt es sich insofern als angemessen dar, den Betroffenen im Falle der Wiedererlangung seiner Eignung auf das Rücknahmeverfahren nach § 48 VwVfG zu verweisen.
109Neben der Rechtmäßigkeit der Untersagung des Führens eines fahrerlaubnisfreien Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen ist auch ein besonderes öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug der Verfügung gegeben. Die hohe Bedeutung der Sicherheit des Straßenverkehrs und das erhebliche Gefährdungspotenzial des Antragstellers als ungeeigneter Verkehrsteilnehmer rechtfertigen die Anordnung der sofortigen Vollziehung. Dass das Interesse des Antragstellers, ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug wenigstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nutzen zu können, aus anderen Gründen Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug der Entziehungsverfügung genießt, ist nicht festzustellen. Zwar kann die Untersagung die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers gravierend beeinflussen. Die mit der Untersagung verbundenen persönlichen und gegebenenfalls beruflichen Schwierigkeiten muss der Antragsteller jedoch angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 des Grundgesetzes (GG) ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben hinnehmen.
110Die Kostenentscheidung ergeht nach § 154 Abs. 1 VwGO.
1112. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2 S. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Der Streitwert eines Klageverfahrens, das die Untersagung des Führens eines fahrerlaubnisfreien Fahrzeugs betrifft, ist in Orientierung an Nr. 46.14 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit nach dem Auffangwert zu bemessen. Dieser ist vorliegend aufgrund des vorläufigen Charakters des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu halbieren.
112Rechtsmittelbelehrung:
113Gegen den Beschluss zu 1. steht den Beteiligten die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zu.
114Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, einzulegen. Sie ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
115Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung ‒ VwGO ‒ und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
116Im Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss zu 1. muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
117Gegen den Beschluss zu 2. findet innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
118Die Beschwerde ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, einzulegen. Über sie entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft.
119Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung ‒ VwGO ‒ und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.