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1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird mit der Maßgabe abgelehnt, dass der Antragsgegner sicherstellt, dass Eingänge zu Wohn- und Geschäftshäusern im videoüberwachten Bereich am Neumarkt, der Eingang des am Neumarkt gelegenen Kölner Gesundheitsamtes und die Kennzeichen der den Videobereich befahrenden Kraftfahrzeuge unkenntlich gemacht/ verpixelt werden.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
2Der Antrag,
3dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens 20 K 6708/20 zu untersagen, den Neumarkt in Köln nebst Zugangs- und Nebenstraßen, die von den installierten PTZ- und Multifocus-Kameras miterfasst werden, mittels Videokameras zu beobachten und Bildaufzeichnungen zu fertigen und zu speichern,
4hat keinen Erfolg.
5Er ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.). Der Antragsgegner hat allerdings die aus dem Tenor ersichtliche Maßgabe zu erfüllen (III.)
6I. Der Antrag ist zulässig.
71. Er ist als Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO statthaft.
8Der Antragsteller möchte mit der Klage 20 K 6708/20 und dem Eilantrag erreichen, dass der Antragsgegner die Überwachung des Neumarktes in Köln nebst Zugangs- und Nebenstraßen, die von den installierten PTZ- und Multifocus-Kameras miterfasst werden, mittels optisch-technischer Mittel ("Videokameras") unterlässt; damit wendet er sich gegen schlicht-hoheitliches Handeln des Antragsgegners. Der aktuell gültigen Behördenleiteranordnung des Kölner Polizeipräsidenten betreffend die Videoüberwachung am Neumarkt (§ 15a Abs. 3 PolG NRW) kommt keine Verwaltungsaktqualität zu, sodass vorläufiger Rechtschutz nicht vorrangig nach § 123 Abs. 5, §§ 80, 80a VwGO zu gewähren ist.
9So auch VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 07.05.2020 – 17 L 88/20 – juris, Rn. 8.
102. Der Antragsteller verfügt auch über das erforderliche Rechtschutzbedürfnis.
11Er hat dargelegt, dass er sich als Kölner Bürger regelmäßig am Neumarkt und auf dessen Zugangs- und Nebenstraßen aufhält, und zwar sowohl mit als auch ohne bestehenden Versammlungszusammenhang.
12II. Der Antrag ist unbegründet.
13Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Eine einstweilige Anordnung ist auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.
14Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
15Ein Anordnungsanspruch könnte sich hier allenfalls aus dem öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch ergeben; ein solcher dürfte jedoch nicht bestehen.
16Rechtsgrundlage für den öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch des Antragstellers wäre sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG. Die Grundrechte schützen die Bürgerinnen und Bürger vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln,
17vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.2012 – 6 C 9.11 – juris, Rn. 22.
18Bei der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung verletzt die Videoüberwachung des Neumarktes nebst Zugangs- und Nebenstraßen den Antragsteller nicht in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
19Die Regelung des § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, Abs. 2-4 PolG NRW, die die Rechtsgrundlage der Videoüberwachung am Neumarkt darstellt, dürfte mit dem Grundgesetz im Einklang stehen (1)). Auch begegnet die Videoüberwachung am Neumarkt weder formell (2)) noch materiell (3)) durchgreifenden Rechtmäßigkeitsbedenken; der Eingriff in die Grundrechte des Antragstellers, insbesondere sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, ist durch § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, Abs. 2-4 PolG NRW gedeckt.
201) § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, Abs. 2-4 PolG NRW dürfte mit dem Grundgesetz im Einklang stehen.
21a) Das Land Nordrhein-Westfalen verfügt über eine ausreichende Gesetzgebungskompetenz für die Regelung des § 15a PolG NRW.
22Zwar dient die Videoüberwachung öffentlicher Orte, wie § 15a PolG NRW sie regelt, bei objektiver Würdigung nicht nur der Verhütung von Straftaten, sondern auch der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten (= Strafverfolgungsvorsorge); letztere ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kompetenzmäßig dem "gerichtlichen Verfahren" im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG und damit der konkurrierenden Gesetzgebung zuzuordnen,
23vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 27.07.2005 – 1 BvR 668/04 – Rn. 97.
24Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil zur offenen Videoüberwachung der Hamburger Reeperbahn,
25vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.2012 – 6 C 9.11 – juris, Rn. 28 ff.,
26überzeugend dargelegt, dass der Bundesgesetzgeber im Rahmen seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet der Strafverfolgungsvorsorge keine abschließend wirkenden, einer Gesetzgebung der Landesgesetzgeber entgegenstehenden Regelungen getroffen hat; daran hat sich auch zwischenzeitlich, d.h. seit Ergehen der bundesverwaltungsgerichtlichen Entscheidung, nichts geändert. Der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber war entsprechend nicht gehindert, mit § 15a PolG NRW eine Norm zu erlassen, die neben Zwecken der Gefahrenabwehr auch Zwecke der Strafverfolgungsvorsorge verfolgt.
27b) § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, Abs. 2-4 PolG dürfte auch im Übrigen verfassungsgemäß sein.
28§ 15a Abs. 1 PolG NRW bestimmt, dass die Polizei zur Verhütung von Straftaten einzelne öffentlich zugängliche Orte mittels Bildübertragung beobachten und die übertragenen Bilder aufzeichnen kann, wenn an diesem Ort wiederholt Straftaten begangen wurden und die Beschaffenheit des Ortes die Begehung von Straftaten begünstigt, solange Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass an diesem Ort weitere Straftaten begangen werden (Nr. 1), oder wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort Straftaten von erheblicher Bedeutung nach § 8 Abs. 3 PolG NRW verabredet, vorbereitet oder begangen werden (Nr. 2), und jeweils ein unverzügliches Eingreifen der Polizei möglich ist. Die Beobachtung ist, falls nicht offenkundig, durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen.
29Gemäß § 15a Abs. 2 PolG NRW dürfen die nach § 15a Abs. 1 PolG NRW gewonnenen Daten höchstens für die Dauer von 14 Tagen gespeichert werden, es sei denn, sie werden zur Verfolgung von Straftaten benötigt oder Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass eine Person künftig Straftaten begehen wird, und die Aufbewahrung ist zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich.
30aa) § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG NRW ist in sachlich-örtlicher Hinsicht hinreichend bestimmt.
31Die Vorschrift bezieht sich nach ihrem Wortlaut auf einzelne öffentlich zugängliche Orte, soweit dort wiederholt Straftaten begangen worden sind, die Beschaffenheit des Ortes die Begehung von Straftaten begünstigt und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort weitere Straftaten begangen werden.
32Dieser Gesetzeswortlaut ist für sich genommen unergiebig. Aus der Formulierung ergibt sich weder, welche Straftaten maßgeblich sein sollen, noch, in welcher Häufigkeit und in welchem zeitlichen Rahmen es in der Vergangenheit zu Straftaten gekommen sein muss. Ebenso bleibt unklar, welche Tatsachen für die Annahme, dass dort auch künftig von der Begehung von Straftaten auszugehen ist, maßgeblich sind.
33Vgl. Hamburgisches OVG, Urteil vom 22.06.2010 – 4 Bf 276/07 – juris, Rn. 77 zu dem ähnlich formulierten § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG.
34Allerdings lässt sich die Norm anhand der Gesetzesbegründung verfassungskonform dahingehend einschränkend auslegen, dass mit der Umschreibung der Örtlichkeit ausschließlich Brennpunkte der Straßenkriminalität gemeint sind; in der Gesetzesbegründung wird klargestellt, dass die Möglichkeit der Videoüberwachung auf tatsächliche Kriminalitätsbrennpunkte beschränkt ist und dass sie dazu dient, typische Delikte an Kriminalitätsbrennpunkten wie Diebstahl, Körperverletzung und Sachbeschädigung, mithin Delikte der Straßenkriminalität, besser bekämpfen zu können,
35vgl. Landtags-Drucks. 13/2854, S. 52.
36Delikte der Straßenkriminalität sind Straftaten, die in ihrer Tatphase ausschließlich oder überwiegend auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen begangen werden und visuell wahrnehmbar sind,
37vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.07.2003 – 1 S 377/02 – juris, Rn. 78; Hamburgisches OVG, Urteil vom 22.06.2010 – 4 Bf 276/07 – juris, Rn. 79.
38bb) § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, Abs. 2-4 PolG NRW verfolgt einen legitimen Zweck.
39Wie bereits dargestellt, dient die Vorschrift bei objektiver Würdigung zwei Zwecken: Der Verhütung von Straftaten einschließlich der Vorbereitung ihrer Abwehr und der Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten. Der Landesgesetzgeber stellt in der Gesetzesbegründung schwerpunktmäßig auf erstgenannten Zweck ab,
40vgl. Landtags-Drucks. 13/2854, S. 51 f.
41cc) Die Videoüberwachung von Brennpunkten der Straßenkriminalität ist geeignet, die mit der Norm verfolgten Zwecke der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgungsvorsorge zu erreichen bzw. jedenfalls zu fördern.
42Dem Gesetzgeber steht bei der Geeignetheitsprognose ein Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu; dieser wird erst dann überschritten, wenn sich die Maßnahme als objektiv und evident untauglich erweist, mithin dem verfolgten Zweck bzw. den verfolgten Zwecken in keiner Weise förderlich ist,
43vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 14.07.1999 – 1 BvR 2226/94, 1 BvR 2420/95, 1 BvR 2437/95 –, Rn. 212; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.07.2003 – 1 S 377/02 –, juris, Rn. 51.
44Die offene Videobeobachtung von Brennpunkten der Straßenkriminalität nach dem Kamera-Monitor-Prinzip ist geeignet, die Begehung von Straftaten der Straßenkriminalität bzw. deren Vollendung zu verhindern.
45Ihr kommt zunächst eine abschreckende Wirkung zu; es ist davon auszugehen, dass bei für Passantinnen und Passanten und damit auch für potentielle Straftäterinnen und Straftäter erkennbarer Live-Videobeobachtung eine gewisse Anzahl an Straftaten der Straßenkriminalität gar nicht erst begangen wird.
46So auch BVerwG, Urteil vom 25.01.2012 – 6 C 9.11 – juris, Rn. 45.
47Die Videobeobachtung ermöglicht es der Polizei außerdem, im Falle der Beobachtung von Straftaten bzw. von Situationen, in denen eine Straftatenbegehung droht, Einsatzkräfte kurzfristig an die betreffende Örtlichkeit heranzuführen und flüchtige Straftäterinnen und Straftäter zu verorten.
48Die Videoaufzeichnung und -speicherung ist geeignet, für die Verfolgung von Straftaten vorzusorgen, d. h. Straftäterinnen und Straftäter im Nachgang einer Tat zu ermitteln und potentielle Beweise für im Videobereich begangene Straßenkriminalitätsdelikte zu sichern,
49vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25.01.2012 – 6 C 9.11 – juris, Rn. 45.
50Ob ihr auch ein Abschreckungseffekt zukommt, der über den Abschreckungseffekt der Videobeobachtung hinausgeht, kann offenbleiben; dies dürfte im Einzelfall davon abhängen, inwieweit die Speicherung des Videomaterials für potentielle Straftäterinnen und Straftäter erkennbar ist.
51Der Einwand des Antragstellers, dass das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. (KFN) in seinem im Juni 2018 zur polizeilichen Videobeobachtung in Nordrhein-Westfalen veröffentlichten Bericht zu dem Ergebnis gekommen sei, dass der wissenschaftliche Nachweis eines allgemein kriminalitätsreduzierenden Effekts der Videoüberwachung bisher nicht überzeugend habe geführt werden können, führt nicht dazu, dass die Videoüberwachung als ungeeignet einzustufen wäre. Ein „wissenschaftlicher Nachweis“ des kriminalitätsreduzierenden Effekts ist nicht erforderlich; ausreichend für die Geeignetheitsprognose ist vielmehr, dass sich die Maßnahme nicht als objektiv und evident untauglich erweist. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Das KFN stellt in seinem Bericht ausdrücklich fest, dass in den videobeobachteten Gebieten der untersuchten Städte durchschnittlich eine höhere Kriminalitätsminderung zu verzeichnen ist als in den nicht-videobeobachteten Gebieten und dass in allen untersuchten Städten die Aufklärungsquote mit Einführung der Videobeobachtung in den entsprechenden Stadtgebieten verbessert wurde. Es weist zwar gleichzeitig darauf hin, dass die Kausalität der Videoüberwachung für die festgestellten positiven Entwicklungen nicht sicher festgestellt werden kann; dies steht der Geeignetheitsprognose jedoch nicht grundsätzlich entgegen. Allerdings dürfte eine Obliegenheit des Antragsgegners bestehen, zeitnah einen weiteren wissenschaftlichen Bericht zu den Effekten der Videoüberwachung in Auftrag zu geben.
52Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil zur Videoüberwachung ausgeführt, dass es „auf der Hand“ liege, dass eine Videoüberwachung dazu geeignet sei, die Abwehr drohender Straftaten der Straßenkriminalität vorzubereiten. Durch das aufgezeichnete und gespeicherte Bildmaterial könnten Straftaten außerdem erkannt und ggf. Täter ermittelt werden. Durch die offene Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahme könnten potentielle Straftäter wirksam abgeschreckt werden. Keinesfalls seien Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Videoüberwachung zur Erreichung dieser Ziele evident ungeeignet sein könnte,
53vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.2012 – 6 C 9.11 – juris, Rn. 45.
54dd) Die Videoüberwachung von Örtlichkeiten nach § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG NRW ist auch erforderlich, um die Zwecke der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgungsvorsorge zu erreichen; die Einschätzung des Landesgesetzgebers, dass ein gleich wirksames, die Grundrechtsträgerinnen und Grundrechtsträger aber weniger beeinträchtigendes Mittel nicht zur Verfügung steht, ist nicht zu beanstanden.
55Was die Videobeobachtung angeht, so ist nicht davon auszugehen, dass ein verstärkter Einsatz von Polizeikräften vor Ort – unabhängig davon, ob sich ein solcher personell und finanziell überhaupt verwirklichen ließe – gleich wirksam wäre. Die Videobeobachtung einer Örtlichkeit aus der „Vogelperspektive“ erleichtert es der Polizei, straftatengeneigte Situationen zu erkennen und kurzfristig einzuschreiten sowie flüchtende Straftäterinnen und Straftäter zu verorten. Mithilfe der Videobeobachtung können Einsatzkräfte an den Ort des Geschehens herangeführt bzw. Täterinnen und Täter im unmittelbaren zeitlich-örtlichen Zusammenhang mit der Tat gefasst werden. Die bei Maßnahmen nach § 15a Abs. 1 PolG NRW regelmäßig eingesetzten Videokameras bieten außerdem die Möglichkeit des Zoomens; sie übersteigen damit die Wahrnehmungsfähigkeiten des menschlichen Auges bei Weitem.
56Die Videoaufzeichnung einerseits und die (anlasslose) Videospeicherung für bis zu 14 Tage andererseits (§ 15a Abs. 1 und Abs. 2 Halbsatz 1 PolG NRW) sind ebenfalls erforderlich, um die mit § 15a PolG NRW verfolgten Zwecke zu erreichen.
57Die anlasslose Speicherung von nach § 15a Abs. 1 PolG NRW gewonnenen Videodaten für bis zu 14 Tage dient vornehmlich dem Zweck, Straftäterinnen und Straftäter im Nachgang einer Tat identifizieren und Beweise für ein späteres Ermittlungs- bzw. Strafverfahren sichern zu können (= Strafverfolgungsvorsorge). Die Polizei hat in jedem Einzelfall, d.h. bei jeder Videoüberwachungsmaßnahme nach § 15a Abs. 1 PolG NRW, zu entscheiden, welche Speicherdauer erforderlich ist, um eine spätere Identifizierung von Straftäterinnen und Straftätern und die Sicherung von Beweismitteln zu gewährleisten. Die im Einzelfall notwendige Speicherdauer dürfte sich danach richten, welche Art von Straßenkriminalität an der zu überwachenden Örtlichkeit vornehmlich auftritt; wird dort eine nicht unerhebliche Zahl an Straßenkriminalitätsdelikten begangen, die regelmäßig erst mit deutlicher Verzögerung zur Anzeige gebracht werden (z.B. Sexualdelikte), rechtfertigt dies eine längere anlasslose Speicherung der Videodaten; bis zu 14 Tage können im Einzelfall erforderlich sein.
58Die Regelung, dass Videodaten, die zur Verfolgung von Straftaten benötigt werden, länger als 14 Tage gespeichert werden dürfen (§ 15a Abs. 2 Halbsatz 2 Alt. 1 PolG NRW), ist unter Erforderlichkeitsgesichtspunkten ebenfalls nicht zu beanstanden. Besteht in Bezug auf einen videoüberwachten Platz ein konkreter Tatverdacht, z.. aufgrund einer zwischenzeitlich eingegangenen Strafanzeige, ist ein milderes, aber gleich effizientes Mittel zur Täteridentifizierung und Beweissicherung nicht ersichtlich.
59Ob die Regelung in § 15a Abs. 2 Halbsatz 2 Alt. 2 PolG NRW im Hinblick auf die mit § 15a PolG NRW verfolgten Zwecke ebenfalls (noch) erforderlich ist, ist fraglich. Nach dieser Vorschrift dürfen Videodaten auch dann länger als 14 Tage aufbewahrt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person künftig Straftaten begehen wird und die Aufbewahrung zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist. Letztlich kann diese Frage hier aber offenbleiben. Denn es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller von dieser Regelung individuell betroffen ist oder künftig individuell betroffen sein wird und die Verfassungsmäßigkeit des § 15a PolG NRW dürfte auch nicht mit der Verfassungsmäßigkeit der Regelung in § 15a Abs. 2 Halbsatz 2 Alt. 2 PolG NRW stehen und fallen.
60ee) Die Videoüberwachung gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, Abs. 2-4 PolG NRW ist bei summarischer Prüfung auch im engeren Sinne verhältnismäßig.
61Einbußen an grundrechtlich geschützter Freiheit dürfen nicht in unangemessenem Verhältnis zu den Zwecken stehen, denen die Grundrechtsbeschränkung dient. Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person führen zwar dazu, dass der Einzelne Einschränkungen seiner Grundrechte hinzunehmen hat, wenn überwiegende Allgemeininteressen dies rechtfertigen. Der Gesetzgeber muss aber zwischen Allgemein- und Individualinteressen einen angemessenen Ausgleich herstellen. Dabei spielt auf grundrechtlicher Seite eine Rolle, unter welchen Voraussetzungen welche und wie viele Grundrechtsträger wie intensiven Beeinträchtigungen ausgesetzt sind. Maßgebend sind also insbesondere die Gestaltung der Einschreitschwellen, die Zahl der Betroffenen und die Intensität der Beeinträchtigungen.
62Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.2012 – 6 C 9.11 – juris, Rn. 47.
63Die durch § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, Abs. 2-4 PolG NRW ermöglichte Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Straßen, Wege und Plätze stellt – insbesondere in der Form der Videoaufzeichnung und -speicherung – einen erheblichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG dar. Zusätzliches Gewicht erhält der Eingriff dadurch, dass er nicht an ein störendes Verhalten der Betroffenen anknüpft, sondern anlasslos im Vorfeld der Begehung von Straftaten stattfindet und eine Vielzahl von Personen betrifft. Von der Videoüberwachung werden unterschiedslos alle Personen erfasst, die sich im überwachten Bereich aufhalten. Jedoch stehen diesen Beeinträchtigungen die öffentlichen Interessen an der Verhütung und Abwehr von Straftaten der Straßenkriminalität sowie an deren wirksamer Verfolgung gegenüber. Diesen öffentlichen Interessen kommt eine hohe Bedeutung zu.
64Vgl. Hamburgisches OVG, Urteil vom 22.06.2010 – 4 Bf 276/07 – juris, Rn. 101.
65§ 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, Abs. 2-4 PolG NRW wird mit der Bestimmung der Eingriffsvoraussetzungen, unter denen eine Videoüberwachung (nur) zulässig ist, dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung noch hinreichend gerecht.
66Der Norm kommt ein Ausnahmecharakter zu. Sie erlaubt die Videoüberwachung gemäß der bereits dargestellten vorzunehmenden einschränkenden Auslegung ihres Wortlauts nur an Brennpunkten der Straßenkriminalität; dies verhindert eine grenzenlose Ausdehnung der Überwachung und somit ein andernfalls drohendes Übermaß an Überwachung. Gemildert wird das Gewicht des staatlichen Eingriffs außerdem durch die Offenheit seiner Durchführung und die Begrenzung der Beobachtungen auf das Verhalten von Menschen in der Öffentlichkeit,
67vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.2012 – 6 C 9.11 –, juris, Rn. 48.
68Auch die in § 15a Abs. 2 Halbsatz 1 PolG NRW vorgesehene Höchstspeicherfrist von 14 Tagen ist noch als verhältnismäßig anzusehen; wie dargestellt, hat die Polizei in jedem Einzelfall, d.h. bei jeder Maßnahme nach § 15a PolG NRW, zu prüfen, ob die Ausschöpfung der Höchstfrist im Hinblick auf die widerstreitenden Interessen verhältnismäßig oder ob eine kürzere Speicherfrist festzulegen ist.
69Die Regelung, dass Videodaten, die zur Verfolgung von Straftaten benötigt werden, länger als 14 Tage aufbewahrt werden dürfen (§ 15a Abs. 2 Halbsatz 2 Alt. 1 PolG NRW), dürfte ebenfalls verhältnismäßig sein. Hinsichtlich der Regelung in § 15a Abs. 2 Halbsatz 2 Alt. 2 PolG NRW wird auf die Ausführungen zur Erforderlichkeit Bezug genommen.
702) Die Videoüberwachung des Neumarktes ist formell rechtmäßig.
71Nach § 15a Abs. 3 PolG NRW entscheidet über die Videoüberwachung die Behördenleiterin oder der Behördenleiter. Nach § 15a Abs. 4 Sätze 2-4 PolG NRW ist sie jeweils auf ein Jahr befristet. Rechtzeitig vor Fristablauf ist zu überprüfen, ob die Voraussetzungen gemäß § 15a Abs. 1 PolG NRW weiterhin vorliegen. Eine Verlängerung um jeweils ein Jahr ist in der Folge zulässig.
72Der Kölner Polizeipräsident hat die Videoüberwachung des Neumarktes, die am 11.11.2019 aufgenommen wurde, mit Behördenleiteranordnung vom 07.11.2019 für ein Jahr angeordnet und mit Behördenleiteranordnung vom 02.11.2020 um ein weiteres Jahr verlängert; die Verlängerung erfolgte dabei unter Verweis auf den (dem Gericht vorgelegten) Evaluationsbericht des Polizeipräsidiums Köln vom 03.04.2020.
73Die Tatsache, dass die Behördenleiteranordnungen nur mit „Datenerhebung durch den offenen Einsatz optisch-technischer Mittel“ und nicht mit „Datenerhebung und -speicherung durch den offenen Einsatz optisch-technischer Mittel“ überschrieben sind, ist unschädlich; aus den Begründungen der Behördenleiteranordnungen geht hinreichend hervor, dass sowohl die Videobeobachtung als auch die Aufzeichnung und Speicherung der Videodaten angeordnet wird.
74Die Videoüberwachung des Neumarktes wird auf der Homepage des Polizeipräsidiums Köln auch im Einzelnen begründet,
75vgl. https://koeln.polizei.nrw/artikel/polizeiliche-videobeobachtung-in-koeln, zuletzt abgerufen am 08.02.2021.
76Dort wird sowohl erläutert, aus welchem Anlass und zu welchem Zweck die Videoüberwachung erfolgt, als auch, welche Einsatz- und Kriminalitätszahlen der Überwachung der einzelnen videoüberwachten Bereiche (insbesondere) zugrunde liegen. Die vom Antragsteller aufgeworfene Frage, ob wegen der Grundrechtsrelevanz der Videoüberwachung gemäß § 15a PolG NRW trotz Nichtanwendbarkeit des § 39 VwVfG NRW ein ungeschriebenes Begründungserfordernis besteht, bedarf vor diesem Hintergrund keiner weiteren Erörterung.
77Soweit der Antragsteller meint, die Videoüberwachung des Neumarktes sei rechtswidrig, weil der Antragsgegner seiner Dokumentationspflicht nicht hinreichend gerecht werde, ist dem – unabhängig davon, ob dies zutrifft oder nicht – nicht zu folgen. Bei der in § 15a Abs. 4 Satz 1 PolG NRW geregelten Dokumentationspflicht handelt es sich nicht um eine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Videoüberwachung nach § 15a Abs. 1 PolG NRW, sondern „nur“ um eine Obliegenheit, deren Verletzung seitens der Polizei das Risiko birgt, dass das Gericht die polizeiliche Einschätzung, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15a PolG NRW in Bezug auf einen bestimmten Ort – hier den Neumarkt – vorliegen, nicht nachvollziehen kann und die Videoüberwachung daher als rechtswidrig ansieht,
78vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.07.2003 – 1 S 377/02 –, juris, Rn. 66.
79Schließlich ist es für die Frage der formellen Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung nach § 15a PolG NRW auch unerheblich, ob die Polizei vor Beginn der Videoüberwachungsmaßnahme eine (ordnungsgemäße) Datenschutzfolgenabwägung nach § 56 DSG NRW durchgeführt hat, ob sie über ein funktionierendes Datenschutzkonzept verfügt und ob sie ihren sonstigen datenschutzrechtlichen Verpflichtungen, insbesondere der allgemeinen Informationspflicht zur Datenverarbeitung (§ 47 DSG NRW), der Auskunftserteilungspflicht (§ 49 DSG NRW) und der Pflicht zum Führen eines Verarbeitungsverzeichnisses (§ 53 DSG NRW) gerecht wird. Bestehen Anhaltspunkte für einen unsachgemäßen Umgang der Polizei mit den im Zusammenhang mit einer Maßnahme nach § 15a PolG NRW erlangten und gespeicherten Daten, kommt allein ein Tätigwerden der Aufsichtsbehörde in Betracht,
80so zur sog. Vorabkontrolle bereits VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.07.2003 – 1 S 377/02 –, juris, Rn. 91; siehe auch § 59 DSG NRW.
813) Die Videoüberwachung des Neumarktes ist auf Grundlage der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung auch materiell rechtmäßig.
82a) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 PolG NRW liegen in Bezug auf den Neumarkt vor.
83Bei dem Neumarkt nebst Zugangs- und Nebenstraßen handelt es sich um einen Brennpunkt der Straßenkriminalität nach § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG NRW.
84Ein Brennpunkt der Straßenkriminalität ist ein Ort, an dem eine signifikante Häufung von Straftaten aus dem – optisch wahrnehmbaren – Bereich der Straßenkriminalität zu beobachten ist.
85So bereits VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 07.05.2020 – 17 L 88/20 – juris, Rn. 36 f. m.w.N.; siehe auch BVerwG, Urteil vom 25.01.2012 – 6 C 9.11 – juris, Rn. 41; Hamburgisches OVG, Urteil vom 22.06.2010 – 4 Bf 276/07 – juris, Rn. 79 ff.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.07.2013 – 1 S 377/02 – juris, Rn. 46 f.
86Ob eine solche signifikante Häufung von Straftaten aus dem Bereich der Straßenkriminalität gegeben ist, ist durch einen Vergleich der Straßenkriminalität an dem zu überwachenden Ort mit der Straßenkriminalität im übrigen Stadtgebiet festzustellen; ein darüber hinausgehender Vergleich der Straßenkriminalität an dem zu überwachenden Ort mit der Straßenkriminalität an städtebaulich und sozial vergleichbaren Referenzörtlichkeiten im Stadtgebiet ist nach Auffassung der Kammer nicht erforderlich.
87So im Ergebnis auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.07.2013 – 1 S 377/02 – juris, Rn. 46 f.
88Bei dem Neumarkt nebst Zugangs- und Nebenstraßen handelt es sich um einen Brennpunkt der Straßenkriminalität; dort lässt sich sowohl im Vergleich zum gesamten Kölner Stadtgebiet als auch in absoluten Zahlen eine signifikante Häufung von Straftaten aus dem Bereich der Straßenkriminalität feststellen.
89In der Behördenleiteranordnung vom 07.11.2019 hat der Kölner Polizeipräsident die Einstufung des Neumarkes als Kriminalitätsbrennpunkt damit begründet, dass er einer der größten Verkehrsknotenpunkte in der Stadtmitte mit ober- und unterirdischen Anbindungen an den öffentlichen Personennahverkehr sowie direkter Nähe zu den Hauptgeschäftsstraßen der Innenstadt sei. Er werde daher von einer Vielzahl von Personen genutzt. Gemäß der Auswertung der Kriminalitäts- und Einsatzzahlen der letzten Jahre stelle sich der Neumarkt als zentraler Kriminalitätsschwerpunkt im Kölner Stadtgebiet dar, an dem in der Vergangenheit wiederholt Straftaten insbesondere aus dem Bereich der Gewalt-, Eigentums-, Sexual- und BTM-Delikte begangen worden seien. 2016 habe es 2.628 Einsätze und 2.262 Delikte am Neumarkt gegeben, 2017 2.912 Einsätze und 2.265 Delikte und 2018 2.898 Einsätze und 2.143 Delikte. Die Beschaffenheit des Platzes begünstige die Begehung von Straftaten; er werde aufgrund der unmittelbaren Nähe zu Geschäften, Einkaufsstraßen und Büros, der zentralen Lage sowie der ober- als auch unterirdischen Anbindung an den Personennahverkehr durch Berufspendler, Anwohner, Touristen, Passanten, Bahn- und Geschäftskunden sowie Veranstaltungsbesucher stark frequentiert. Der Bereich um den auf der Platzfläche ansässigen Kiosk mit Außengastronomie sowie das westliche Umfeld des Neumarktes würden durch die dortige Drogen- und Trinkerszene als Verkaufs-, Umschlags- und Konsumraum offen genutzt. Innerhalb der als auch durch die benannte Szene komme es immer wieder zu Streitigkeiten und Straftaten, was wiederholt Anlass zu polizeilichem Einschreiten gebe. Auf der Platzfläche fänden diverse Veranstaltungen mit großer Besucherzahl statt. Insgesamt ergebe sich dadurch eine Vielzahl an Tatgelegenheiten mit potentiellen Opfern. Die zahlreichen Bäume im westlichen Platzbereich, das Kioskgebäude, die stark frequentierten Haltestellenbereiche, die nahegelegenen Einkaufsstraßen und Passagen, die zahlreichen Zu- und Abgänge zur U-Bahnhaltestelle sowie die Seitenstraßen böten optimale örtliche Gegebenheiten mit entsprechenden Vorbereitungs-, Flucht- und Rückzugsmöglichkeiten für die Straftäter. Auch rechtfertigten Tatsachen die Annahme, dass am Neumarkt zukünftig weitere Straftaten begangen würden; die Kriminalitäts- und Einsatzentwicklung zeige trotz ständiger Präsenz- und Kontrollmaßnahmen durch die Landes- und Bundespolizei weiterhin eine hohe Belastung auf. Dies bestätigten auch die Erkenntnisse der Einsatzkräfte vor Ort.
90In der Verlängerung der vorgenannten Behördenleiteranordnung, der aktuell gültigen Behördenleiteranordnung vom 02.11.2020, hat der Polizeipräsident ergänzend ausgeführt, dass am Neumarkt wiederholt Straftaten der Straßenkriminalität nach dem Deliktsschlüssel der Anlage 2 des Erlasses des Innenministeriums NRW vom 08.05.2019, 412-57.03.45/25.09.09, (Erlass des Innenministeriums vom 08.05.2019) begangen worden seien. Die Auswertung des 1. Halbjahres 2020 bestätige weiterhin das hohe Niveau der Einsatz- und Kriminalitätsbelastung auch unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Trotz des zu verzeichnenden Rückgangs der Einsatz- und Kriminalitätszahlen hebe sich die Belastung des Neumarktes im Vergleich zum Kölner Stadtgebiet deutlich ab. Dies werde zudem durch das Dichteverhältnis der Straftaten in diesem Bereich zum gesamten Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Köln deutlich. 2017 habe es bezüglich der Deliktskategorien des Erlasses des Innenministeriums vom 08.05.2019 am Neumarkt 2.912 Einsätze und 2.265 Delikte gegeben, 2018 2.898 Einsätze und 2.147 Delikte, 2019 2.499 Einsätze und 1.876 Delikte und im 1. Halbjahr 2020 1.027 Einsätze und 706 Delikte. Im Bewertungszeitraum 2019 seien im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Köln 2,04 Delikte (gemäß dem Erlass des Innenministeriums vom 08.05.2019) pro Hektar begangen worden; für den Videobereich Neumarkt betrage die Kriminalitätsdichte 181 Delikte pro Hektar. Die Beschaffenheit des Neumarktes begünstige aufgrund der baulichen Strukturen, seiner verkehrlichen Anbindung und seiner sozialen Bedeutung die Begehung von Straftaten. Ganztägiger Alkohol- und Drogenkonsum beeinflussten das Täter- und Opferverhalten in negativer Weise. An Wochenenden und weiteren besucherstarken Tagen wie Karneval, Silvester und zur Weihnachtsmarktzeit erhöhe sich die Zahl der Besucher nochmals deutlich. Tatsachen rechtfertigten die Annahme, dass im Videobereich Neumarkt auch zukünftig weitere Straftaten begangen würden. Die Belastung sei im Vergleich zu den Vorjahren im Videobereich leicht rückgängig und korreliere mit der sinkenden Tendenz für das gesamte Kölner Stadtgebiet. Die absoluten Zahlen befänden sich jedoch weiterhin auf einem hohen Niveau.
91Aus der in der Behördenleiteranordnung vom 02.11.2020 in Bezug genommenen Anlage 2 des Erlasses des Innenministeriums vom 08.05.2019 ergibt sich, dass die Daten zu den Einsätzen und Delikten aus der Eingangsstatistik des Polizeipräsidiums Köln stammen und dass die erfassten Einsätze und Delikte den folgenden Deliktskategorien zuzuordnen sind: Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung; Raub, räuberische Erpressung und räuberischer Angriff auf Kraftfahrer; Körperverletzungsdelikte; Nötigung; Bedrohung; Widerstand gegen die Staatsgewalt; Sachbeschädigungsdelikte; Rauschgiftdelikte; Diebstahlsdelikte (= Delikte der Straßenkriminalität).
92Im hiesigen Verfahren hat der Antragsgegner weitere Einsatz- und Kriminalitätszahlen vorgelegt.
93Für das Jahr 2019 ergibt sich aus dem mit Schriftsatz vom 15.07.2020 eingereichten Evaluationsbericht des Polizeipräsidiums Köln vom 03.04.2020, dass den 2.499 Einsätzen im Zusammenhang mit Straßenkriminalitätsdelikten am Neumarkt 177.815 Einsätze im Zusammenhang mit Straßenkriminalitätsdelikten im gesamten Kölner Stadtgebiet gegenüberstehen; damit entsprechen die 2.499 Einsätze knapp 1,5 % aller Einsätze. Weiter ergibt sich aus dem Bericht, dass den 1.876 Straßenkriminalitätsdelikten am Neumarkt im Jahr 2019 95.477 Straßenkriminalitätsdelikte im gesamten Kölner Stadtgebiet gegenüberstehen; damit werden ca. 2 % aller Straßenkriminalitätsdelikte in Köln am Neumarkt begangen.
94Für das Jahr 2020 lässt sich der mit Schriftsatz vom 17.11.2020 vorgelegten „Übersicht der Kriminalitätszahlen für die videobeobachteten Bereiche“ vom 10.07.2020 entnehmen, dass es am Neumarkt im 1. Halbjahr 2020 zu 706 Delikten aus dem Bereich der Straßenkriminalität gekommen ist; dies entspricht einem Anteil von knapp 2 % aller im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Köln begangenen Straßenkriminalitätsdelikte im 1. Halbjahr 2020 (40.323 Delikte).
95Hervorzuheben ist, dass am Neumarkt nicht nur „leichte“, sondern auch schwerwiegende Straßenkriminalitätsdelikte begangen werden; so wurden im 1. Halbjahr 2020 am Neumarkt 13 Raubdelikte, 63 Delikte aus dem Bereich Handel mit/ Schmuggel von Betäubungsmitteln und 70 Diebstahlsdelikte nach den §§ 243-244a StGB festgestellt.
96Die Polizei hat auch nachvollziehbar dargelegt, dass die Kriminalitätsdichte am Neumarkt besonders hoch ist. Während im Bewertungszeitraum 2019 im gesamten Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Köln 2,04 Straßenkriminalitätsdelikte pro Hektar begangen wurden, betrug die Straßenkriminalitätsdichte für den Videobereich Neumarkt 181 Delikte pro Hektar.
97In absoluten Zahlen wurden am Neumarkt 2019 und im 1. Halbjahr 2020, wie dargestellt, 1.876 bzw. 706 Delikte aus dem Bereich der Straßenkriminalität festgestellt, d.h. durchschnittlich 5 bzw. 4 Delikte pro Tag. Am Chlodwigplatz und am Barbarossaplatz wurde im Vergleich dazu 2019 jeweils weniger als 1 Delikt pro Tag festgestellt (Chlodwigplatz: 0,8 Delikte/ Tag; Barbarossaplatz: 0,6 Delikte/Tag).
98Dies zugrunde gelegt, ist die Einstufung des Neumarktes als Brennpunkt der Straßenkriminalität nicht zu beanstanden.
99An dieser Stelle ist auch ein Vergleich mit dem Breslauer Platz in Köln, dessen weitere Videoüberwachung die Kammer mit Eilbeschluss vom 18.01.2021 (20 L 2340/19) vorläufig untersagt hat, anzustellen. Während, wie dargestellt, in den letzten zwei Jahren immerhin jedes 50. Straßenkriminalitätsdelikt in Köln am Neumarkt begangen wurde, wurde am Breslauer Platz nur jedes 500. Straßenkriminalitätsdelikt begangen. Die Straßenkriminalitätsbelastung des Neumarktes hebt sich damit deutlich von derjenigen des Breslauer Platzes ab.
100Der Antragsgegner hat auch aufgezeigt, dass es sich bei dem Neumarkt um einen Ort handelt, dessen Beschaffenheit die Begehung von Straftaten begünstigt.
101Nach Punkt 15a.13 der Verwaltungsvorschrift zum Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen (Verwaltungsvorschrift zum PolG NRW) muss die Beschaffenheit der Örtlichkeit günstige Tatgelegenheiten bieten und somit für potentielle Straftäterinnen und Straftäter als attraktiver Tatort nicht ohne Weiteres austauschbar sein. Das kann neben den baulichen Gegebenheiten der Fall sein durch die Tätererwartung eines erhöhten Aufkommens geeigneter Opfer, eine schwach ausgeprägte Anzeigebereitschaft der Opfer, eine verspätete Erstattung der Strafanzeigen oder ein geringes Entdeckungsrisiko. Das Kriterium soll die Videoüberwachung von Orten verhindern, an denen ausschließlich mit Verdrängungseffekten zu rechnen ist.
102Die Polizei hat in den Behördenleiteranordnungen vom 07.11.2019 und vom 02.11.2020 ausführlich begründet, dass und warum es sich bei dem Neumarkt um einen Ort handelt, dessen Beschaffenheit die Begehung von Straftaten begünstigt; auf die entsprechenden Ausführungen wird Bezug genommen. Aufgrund der Lage des Neumarktes, der baulichen Gegebenheiten und des erhöhten Aufkommens potentieller Tatopfer ist mit einem Verdrängungseffekt nicht zu rechnen; eine von den Grundgegebenheiten vergleichbare Örtlichkeit im räumlichen Zusammenhang mit dem Neumarkt existiert nicht.
103Es rechtfertigen schließlich Tatsachen die Annahme, dass am Neumarkt zukünftig weitere Straftaten aus dem Bereich der Straßenkriminalität begangen werden.
104Auf der Grundlage des vorgelegten Zahlenmaterials, das für den Bereich Neumarkt über einen Zeitraum von mehreren Jahren (2016-2020) auf hohem Niveau ein überproportionales Aufkommen von Delikten der Straßenkriminalität ausweist, und mit Blick darauf, dass Anhaltspunkte für eine gravierende Veränderung dieser Entwicklung weder vorgetragen noch ersichtlich sind, ist die entsprechende Einschätzung des Polizeipräsidiums Köln nicht zu beanstanden.
105In diesem Zusammenhang weist die Kammer darauf hin, dass die Videoüberwachung eines Ortes, der die Voraussetzungen des § 15a Abs. 1 Satz 1 PolG NRW grundsätzlich erfüllt, nicht vorzeitig, d.h. vor Ablauf der Frist des § 15a Abs. 4 Satz 2 PolG NRW, beendet werden muss, weil die Kriminalität dort vorübergehend zurückgeht. Die Polizei darf die Überwachung an einem solchen Ort vielmehr so lange fortsetzen, bis nicht mehr damit zu rechnen ist, dass an dem Ort erneut ein Kriminalitätsbrennpunkt entstehen wird,
106vgl. Ogorek in: Möstl/ Kugelmann, BeckOK Polizei- und Ordnungsrecht Nordrhein-Westfalen, 16. Edition Stand: 01.12.2020, § 15a PolG Rn. 13; Tegt-meyer/Vahle, Polizeigesetz NRW, 12. Auflage 2018, § 15a PolG Rn. 4.
107Die Frage, ob die Straßenkriminalität am Neumarkt wegen des zweiten „Corona-Lockdowns“ aktuell, d.h. zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, geringer ist als üblich, ist damit nicht klärungsbedürftig; denn selbst wenn dies der Fall wäre, wäre aufgrund der am Neumarkt festgestellten hohen Straßenkriminalitätsraten und des beschriebenen Platzcharakters davon auszugehen, dass nach Beendigung des Corona-Lockdowns dort erneut ein Kriminalitätsbrennpunkt entstünde.
108Soweit der Antragsteller die Auffassung vertritt, die Zugangs- und Nebenstraßen des Neumarktes dürften nicht mitüberwacht werden, weil der Antragsgegner nicht dargelegt habe, dass auch diese die Voraussetzungen des § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG NRW erfüllten, überzeugt dies nicht. Zutreffend ist, dass die Videoüberwachung am Neumarkt nicht nur den Platzbereich erfasst, sondern auch Teile der Cäcilienstraße in Richtung Kronengasse, der Fleischmengergasse in Richtung Lungengasse, der Thieboldgasse in Richtung Lungengasse, der Straße Im Laach in Richtung Lungengasse, der Hahnenstraße in Richtung Mauritiussteinweg, der Apostelnstraße in Richtung Gertrudenstraße, der Richmondstraße in Richtung Am Alten Posthof, der Zeppelinstraße in Richtung Am Alten Posthof und der Schildergasse in Richtung Krebsgasse. Dies ist jedoch unschädlich. Würde die Polizei die Videoüberwachung strikt auf den Platzbereich begrenzen, würde es mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu nicht gewollten Verdrängungseffekten kommen. Die Straßenkriminalität des Neumarktes würde sich in die Anfangsbereiche der Zugangs- und Nebenstraßen verlagern, da ein erhöhtes Aufkommen potentieller Tatopfer (Touristinnen und Touristen, Reisende, Veranstaltungsteilnehmerinnen und -teilnehmer etc.) wegen der unmittelbaren Nähe zum Neumarkt dort ebenfalls gegeben ist und potentielle Täterinnen und Täter auch bei Tatbegehung in den Zugangs- und Nebenstraßen die Möglichkeit hätten, die Flucht- und Rückzugsmöglichkeiten des Neumarktes, insbesondere die zahlreichen Zu- und Abgänge zur U-Bahnhaltestelle, zu nutzen.
109Bezogen auf den Videobereich Neumarkt ist auch ein unverzügliches Eingreifen der Polizei möglich, § 15a Abs. 1 Satz 1 a.E. PolG NRW.
110Der Polizeipräsident hat in der aktuell gültigen Behördenleiteranordnung dargelegt, dass durch den Einsatz ausgebildeter Videobeobachterinnen und Videobeobachter eine unmittelbare Entsendung und Koordinierung von Einsatzkräften nach entsprechenden Feststellungen im Rahmen der Live-Beobachtung sichergestellt ist; unterstützt wird dies durch regelmäßige Präsenz- und Kontrollmaßnahmen sowie den zusätzlichen Einsatz von Kräften des Präsenzteams. Die Einsatzreaktionszeit im Videobereich Neumarkt betrug im 1. Halbjahr 2020 07:30 Minuten; von einer unverzüglichen Eingriffsmöglichkeit der Polizei ist damit auszugehen.
111Die Videoüberwachung des Neumarktes nebst Zugangs- und Nebenstraßen ist für die betroffenen Passantinnen und Passanten auch hinreichend erkennbar.
112§ 15a Abs. 1 Satz 2 PolG NRW bestimmt, dass die Beobachtung, falls nicht offenkundig, durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen ist.
113Die Videobeobachtung am Neumarkt ist zwar nicht offenkundig; die Polizei dürfte sie durch die aufgestellten 57 Hinweisschilder aber insgesamt hinreichend erkennbar gemacht haben.
114Eine Videoüberwachung ist offenkundig, wenn die Personen, die den überwachten Ort betreten, die eingesetzten optisch-technischen Mittel mit einem beiläufigen Blick erfassen können. Sind sie hierzu nicht in der Lage, so muss die Polizei die Beobachtung durch geeignete Maßnahmen erkennbar machen.
115Vgl. Ogorek in: Möstl/Kugelmann, BeckOK Polizei- und Ordnungsrecht Nordrhein-Westfalen, 16. Edition Stand: 01.12.2020, § 15a PolG Rn. 18.
116Die Videoüberwachung am Neumarkt ist nicht offenkundig. Die 11 dort errichteten Videokameras (5 PTZ-, 6 Panomera-Kameras) können von Personen, die den Neumarkt betreten, nicht mit einem beiläufigen Blick erfasst werden. Dies wird bereits dadurch bedingt, dass die Kameras sehr hoch angebracht sind; sie befinden sich deutlich oberhalb des natürlichen Sichtfeldes der den Platz betretenden Personen.
117Das Polizeipräsidium Köln dürfte die Videoüberwachung aber insgesamt hinreichend erkennbar gemacht haben.
118Es hat am Neumarkt und auf den von den Videokameras miterfassten Zugangs- und Nebenstraßen insgesamt 57 Hinweisschilder in verschiedenen Größen aufgestellt.
119Die Standorte der Hinweisschilder, die sich aus dem mit Schriftsatz vom 11.01.2021 vorgelegten Plan ergeben und gerichtsbekannt sind, sind grundsätzlich so gewählt, dass sowohl Personen, die den Neumarkt aus den umliegenden Straßen betreten/ befahren, als auch Personen, die den Neumarkt mit der U-Bahn, dem Bus oder der Straßenbahn erreichen, die Schilder wahrnehmen können. Das Gericht weist allerdings darauf hin, dass eine Ausweitung der Beschilderung speziell auf den Zugangsstraßen zum Neumarkt die Erkennbarkeit der Videoüberwachung noch deutlich erhöhen würde; es sollte insbesondere sichergestellt sein, dass die Hinweisschilder sich auf beiden Straßenseiten der Zugangsstraßen und in räumlicher Nähe zum Beginn des Ausleuchtungsbereiches befinden.
120Die Hinweisschilder sind grundsätzlich gut sichtbar angebracht; lediglich einzelne Schilder – insbesondere auf dem inneren Platzbereich – sollten zur besseren Wahrnehmbarkeit etwas niedriger aufgehängt werden.
121Der Inhalt der Hinweisschilder wird § 15a Abs. 1 Satz 2 PolG NRW ebenfalls gerecht. Den auf den Schildern abgebildeten Piktogrammen lässt sich ohne Weiteres entnehmen, dass eine Videobeobachtung erfolgt, sofern nicht eine Versammlung stattfindet. Darüber hinaus heißt es auf den Schildern textlich: „Videobeobachtung/ Bildaufzeichnung gem. § 15a PolG NRW; Bei Versammlungen: Keine Videobeobachtung/ Bildaufzeichnung; Verantwortlicher/ Datenschutzbeauftragter: Polizeipräsidium Köln; Polizeipräsidium Köln, Walter-Pauli-Ring 2-6, 51103 Köln, Tel. 0221 229-0, Fax 0221 229-2002, Poststelle.koeln@polizei.nrw.de, Datenschutz.koeln@polizei.nrw.de; Weitere Hinweise unter koeln.polizei.nrw.“ Die Schilder haben damit einen hinreichenden Informationsgehalt. Dem Einwand des Antragstellers, dass sich den Hinweisschildern weitere Informationen, insbesondere die Begründung der Videoüberwachungsmaßnahme, entnehmen lassen müssten, hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 12.12.2019 zu Recht entgegengehalten, dass § 15a Abs. 1 Satz 2 PolG NRW davon ausgeht, dass bereits das offensichtliche Vorhandensein von Videokameras ausreichend über den Umstand der Beobachtung informiert; die Annahme, dass Hinweisschilder entsprechend nur einen vergleichbaren Informationsgehalt wie visuell wahrnehmbare Videokameras vermitteln müssen, ist nicht zu beanstanden. Im Übrigen enthalten die Schilder einen Hinweis auf die Homepage des Polizeipräsidiums Köln; dort können interessierte Passantinnen und Passanten weitere Informationen zur Begründung der Videoüberwachung einholen. Soweit der Antragsteller moniert, dass man bei Eingabe der Web-Adresse „koeln.polizei.nrw“ nicht unmittelbar auf die Seiten zur Videoüberwachung gelange, sondern zunächst auf die Startseite des Polizeipräsidiums Köln, trifft dies zwar zu. Allerdings ist auf der Startseite – an oberster Stelle – eine „Slide Show“ eingerichtet, die ca. alle 7 Sekunden zwischen 5 Themen wechselt. Eines dieser Themen ist die „Polizeiliche Videobeobachtung in Köln – Informationen der Polizei Köln zur Videobeobachtung auf Plätzen im Kölner Stadtgebiet“ mit einem Link auf die zugehörigen Seiten. Damit sind die Informationen zur Videoüberwachung leicht einzusehen.
122Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass das Polizeipräsidium Köln die Videoüberwachung am Neumarkt in Pressemitteilungen publik gemacht hat und die Standorte der Videokameras auf der Homepage des Polizeipräsidiums eingesehen werden können, sowie, dass die Kölner Lokalpresse über die Videoüberwachung berichtet hat und bei aktuellen Anlässen weiterhin darüber berichtet,
123vgl. z.B. Kölner Stadtanzeiger, „Kölner hat geklagt, Überwachungskameras am Breslauer Platz müssen abgeschaltet werden“, Artikel vom 19.01.2021, https://www.ksta.de/koeln/innenstadt/koelner-hat-geklagt-ueberwachungskameras-am-breslauer-platz-muessen-abgeschaltet-werden-37949604, zuletzt aufgerufen am 08.02.2021.
124b) Die Videoüberwachung des Neumarktes nebst Zugangs- und Nebenstraßen ist auch verhältnismäßig.
125Sie ist geeignet, Straßenkriminalitätsdelikte bzw. deren Vollendung am Neumarkt zu verhindern und die spätere Verfolgung von Straftaten abzusichern.
126Die Videobeobachtung erfolgt gemäß den Erläuterungen in den Behördenleiter-anordnungen vom 07.11.2019 und vom 02.11.2020 sowie dem Evaluationsbericht vom 03.04.2020 durch ausgebildete Leitstellenmitarbeiterinnen und Leitstellenmitarbeiter. Die Videobeobachtungsplätze sind dauerhaft besetzt und stellen eine unmittelbare Entsendung und Koordinierung von Einsatzkräften nach entsprechenden Feststellungen im Rahmen der Live-Beobachtung sicher. Die Besetzung der Videobeobachtungsplätze wird stetig an die Einsatzintensivität und die Kriminalitätsbelastung an dem zu überwachenden Ort angepasst; zu einsatzintensiveren und stärker kriminalitätsbelasteten Zeiten sind mehr Videobeobachtungsplätze besetzt als zu einsatzschwächeren und weniger kriminalitätsbelasteten Zeiten.
127Im Videobereich Neumarkt wurden zwischen dem 11.11.2019 – der Inbetriebnahme der Videoanlage – und dem 31.12.2019 insgesamt 146 Einsätze und Maßnahmen im Zusammenhang mit der Videobeobachtung dokumentiert. Von den 2.408 in allen Videobereichen in Köln im Jahr 2019 dokumentierten Einsätzen und Maßnahmen im Zusammenhang mit der Videobeobachtung wurden 546 Einsätze ausschließlich durch Videobeobachterinnen und Videobeobachter eigenveranlasst. Im 1. Halbjahr 2020 wurden durch die Videobeobachterinnen und Videobeobachter für den Bereich Neumarkt 407 Einsätze und Maßnahmen in Zusammenhang mit der Videobeobachtung dokumentiert.
128Ein unverzügliches Eingreifen der Polizei nach einer Videobeobachtung ist möglich; die Einsatzreaktionszeit im Videobereich Neumarkt betrug im 1. Halbjahr 2020 durchschnittlich 07:30 Minuten.
129Soweit der Antragsteller meint, die Videobeobachtung des Neumarktes sei zur Gefahrenabwehr nicht geeignet, weil dort eine verhältnismäßig hohe Anzahl an Betäubungsmitteldelikten begangen werde und es bei diesen Delikten ausschließlich zu Verdrängungseffekten komme, ist dem nicht zu folgen. Unabhängig davon, dass dieser Einwand in Bezug auf das 1. Halbjahr 2020 nur 1/4 der am Neumarkt begangenen Straßenkriminalitätsdelikte betrifft, ist davon auszugehen, dass gerade die „Betäubungsmittelszene“ an festen Örtlichkeiten des Neumarktes etabliert ist, und zwar deshalb, weil der Neumarkt aufgrund seiner Lage und seiner baulichen Gegebenheiten, insbesondere der diversen Rückzugsmöglichkeiten, günstige Voraussetzungen für den Handel mit und den Konsum von Betäubungsmitteln bietet. Dafür spricht auch, dass am Neumarkt im 1. Halbjahr 2020 – d.h. nach der Inbetriebnahme der Videoanlage – weiter eine hohe Zahl an Betäubungsmitteldelikten festgestellt wurde (186).
130Die Videoaufzeichnung und -speicherung am Neumarkt ist ebenfalls geeignet, die Zwecke des § 15a PolG NRW zu fördern.
131In der aktuell gültigen Behördenleiteranordnung heißt es, die durchgehende Aufzeichnung und vierzehntägige Speicherung der Videodaten ermögliche eine Strafverfolgung von nicht direkt erkannten oder nachträglich angezeigten Straftaten. Die hohe Qualität der Videodaten unterstütze hierbei die Sachverhaltsklärung und Ermittlungsarbeit und diene als aussagekräftiges Beweismittel im Strafverfahren. Das Risiko, nach Tatbegehung infolge der hohen Beweiskraft der Aufzeichnung identifiziert und Beschuldigter eines Strafverfahrens zu werden, erhöhe sich dadurch deutlich. Die Aufzeichnungen leisteten damit nicht nur bei der Aufklärung der Straftaten einen wichtigen Dienst, sondern förderten auch das Ziel der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten. Durch die offene Videobeobachtung und dauerhafte Aufzeichnung könnten potentielle Täter abgeschreckt werden, da sie selbst nach zunächst unerkannter Tatbegehung mit ihrer Identifizierung und einer Strafverfolgung rechnen müssten. Im 1. Halbjahr 2020 seien für den Bereich Neumarkt 158 Archivierungsaufträge dokumentiert und für die anhängigen Ermittlungsverfahren weiter bearbeitet worden.
132Ergänzend ist in dem Evaluationsbericht des Polizeipräsidiums Köln vom 03.04.2020 festgehalten, dass nach Auswertung der Videobilder durch Videobeobachter und Mitarbeiter der zentralen Auswertestelle vermehrt beweiskräftige Videodaten in Strafverfahren eingebracht und damit bei der täglichen Ermittlungsarbeit und Beweisführung in den Kommissariaten helfen würden; die Archivierungsaufträge hätten sich im Berichtszeitraum verdoppelt.
133Die Videoüberwachung des Neumarktes nebst Zugangs- und Nebenstraßen ist auch erforderlich, um die Zwecke der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgungsvorsorge zu erreichen.
134Zur Erforderlichkeit der Videobeobachtung führt das Polizeipräsidium Köln in der Behördenleiteranordnung vom 02.11.2020 aus, dass kein anderes polizeiliches Mittel es bei ähnlichem Personalansatz ermögliche, die gewählten Videobereiche präventiv durch Beobachtung in diesem Maße „zu bestreifen", sich anbahnende Straftaten oder Täter frühzeitig zu erkennen und die Einsatzkräfte entsprechend heranzuführen und deren Einsatz zu optimieren und zu steuern. Die Leistungsfähigkeit des Video-beobachtungssystems gehe über das hinaus, was Einsatzkräfte vor Ort leisten könnten, zumal ein weiterer verstärkter Einsatz von Präsenz- und Interventionskräften in den Videobereichen an personelle und finanzielle Grenzen stoße. Die offene Video-beobachtung ermögliche eine breitere und ganzheitliche Übersicht der Videobereiche zur Einschätzung des Gesamtgeschehens, aber auch den detailreichen Ausschnitt zur Feststellung der Tathandlung und Einordnung von Täter und Opfer. Nach Erkennen einer Straftat oder Gefahrensituation könnten Einsatzkräfte zielgenau eingesetzt werden.
135Diese Ausführungen zeigen die Erforderlichkeit der Videobeobachtung hinreichend auf; unabhängig von personalpolitischen und fiskalischen Erwägungen ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Videokameras einen Überblick über das Gesamtgeschehen auf dem Neumarkt ermöglichen, den Präsenzkräfte nicht vergleichbar erreichen könnten („Vogelperspektive“ der Videokameras/ Zoommöglichkeiten).
136Zur Erforderlichkeit der Videoaufzeichnung und -speicherung heißt es in der Behördenleiteranordnung vom 02.11.2020, dass die Aufzeichnung der Beobachtung nicht durch ein milderes, aber gleich wirksames Mittel ersetzt werden könne. Die Aufzeichnungen seien ein aussagekräftiges Beweismittel und ermöglichten die Identifizierung von Straftätern und die Aufklärung von Straftaten. Sie seien oft ein verlässlicheres und sichereres Beweismittel als Zeugenaussagen. Zudem gehe die Aufzeichnung über das hinaus, was Einsatzkräfte und Zeugen vor Ort visuell erfassen könnten. Durch die hohe Beweiskraft der Aufzeichnungen müssten Täter damit rechnen, alleine anhand der Aufzeichnung überführt zu werden. Dieser Umstand könne potentielle Täter von der Tatbegehung abschrecken. Eine Verkürzung der Speicherdauer auf 14 Tage (gemeint wohl: auf weniger als 14 Tage) scheide als milderer Eingriff aus, da aufgrund eines oft verspäteten Anzeigeverhaltens insbesondere durch Opfer von Sexualstraftaten, auswärtigen oder alkoholisierten Geschädigten die benötigten Videodaten zur Beweisführung nicht mehr vorhanden wären. Die abschreckende Wirkung der Maßnahme wäre bei einer verkürzten Aufzeichnungsdauer eingeschränkt.
137Der Antragsgegner hatte bereits mit Schriftsatz vom 12.12.2019 vorgetragen, dass Auswertungen gezeigt hätten, dass ein wesentlicher Teil der Anzeigen, insbesondere von Opfern von Sexualstraftaten, nicht zeitnah, sondern zu einem erheblichen Teil mit mehr als einer Woche Verspätung eingehe; zum Nachweis hatte er eine Auswertung zum verzögerten Anzeigeverhalten aus dem Jahr 2018 vorgelegt. Aus dieser Auswertung ergibt sich für die hier interessierenden Deliktstypen, dass in den Jahren 2014 bis 2018 in den Monaten Januar bis August durchschnittlich ca. 20 % der Sexualdelikte, ca. 14 % der einfachen Diebstähle, ca. 12,5 % der BTM-Delikte, ca. 11 % der Taschendiebstähle, je ca. 10 % der Sachbeschädigungsdelikte und der Delikte gegen die persönliche Freiheit, je ca. 6 % der Körperverletzungen und der schweren Diebstähle, ca. 5 % der Raubdelikte, ca. 2,6 % der Diebstähle an und aus Kraftfahrzeugen und ca. 2 % der Widerstandsdelikte mit mehr als einer Woche Verzögerung angezeigt wurden.
138Dies zugrunde gelegt, dürfte die anlasslose Speicherung der am Neumarkt erlangten Videodaten für 14 Tage noch erforderlich sein. Zwar handelt es sich bei den Anzeigen, die in den Jahren 2014 bis 2018 erst nach über einer Woche eingegangen sind, entgegen der Darstellung des Antragsgegners nicht um einen „wesentlichen“ oder „erheblichen“ Teil aller Anzeigen; der Anteil ist aber dennoch groß genug, um eine anlasslose Speicherung der Videodaten für 14 Tagen als erforderlich anzusehen. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich das Anzeigeverhalten, wie es sich aus der Statistik ergibt, in den letzten zwei Jahren deutlich verändert hätte oder dass der Anteil an erst verzögert eingehenden Anzeigen am Neumarkt erheblich geringer wäre als im übrigen Stadtgebiet.
139Der Antragsteller hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Videoüberwachung am Neumarkt in zeitlicher Hinsicht (24/7) gegen das Übermaßverbot verstößt. Nach der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich die Straßenkriminalität am Neumarkt vorwiegend auf feste Tages- und/ oder Nachtzeiten konzentriert; eine Überwachung rund um die Uhr, d.h. 24 Stunden an 7 Tagen die Woche, dürfte damit gerechtfertigt sein. Im Hauptsacheverfahren wird das Polizeipräsidium Köln allerdings weitere statistische Daten zu diesem Punkt vorzulegen haben.
140Die Videoüberwachung des Neumarktes dürfte auch im engeren Sinne verhältnismäßig sein.
141Sie greift zwar erheblich in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) des Antragstellers und der übrigen Passantinnen und Passanten ein; letztlich ist dieser Eingriff im Hinblick auf die öffentlichen Interessen an der Verhütung und Abwehr von Straftaten der Straßenkriminalität sowie an deren wirksamer Verfolgung aber gerechtfertigt. Diesbezüglich wird vollumfänglich auf die Ausführungen unter 1. b) verwiesen.
142Den Grundrechten der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) und der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) trägt der Antragsgegner bei der Videoüberwachung des Neumarktes ebenfalls hinreichend Rechnung.
143Von einer Verletzung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) durch die Videoüberwachung des Neumarktes ist nicht auszugehen. Der Antragsgegner hat zugesichert, die Videokameras bei Versammlungen abzuschalten, sofern nicht die Voraussetzungen der §§ 12a, 19a VersG NRW vorliegen; von der Belastbarkeit dieser Zusicherung ist vor dem Hintergrund, dass der Antragsgegner an Gesetz und Recht gebunden ist, auszugehen. Die Abschaltung der Videokameras erfolgt auch sichtbar, sodass Abschreckungseffekte vermieden werden; bei den Panomera-Kameras werden mechanische Blenden heruntergefahren, die PTZ-Kameras, die nunmehr über sichtbare Objektive verfügen, werden so weggeschwenkt und ausgerichtet, dass sie die Versammlung erkennbar nicht erfassen. Soweit in der Vergangenheit bei einzelnen Versammlungen auf videoüberwachten Plätzen wegen einer fehlerhaften Einschätzung der zur Videobeobachtung eingesetzten Personen kurzzeitig Videokameras aufgeschaltet waren, ist davon auszugehen, dass der Antragsgegner nunmehr hinreichende Vorkehrungen getroffen hat, um entsprechende Vorfälle zu vermeiden. So müssen nach der aktuell gültigen Behördenleiteranordnung alle im Zusammenhang mit Versammlungen getroffenen Maßnahmen im Einsatzleitsystem eCebius dokumentiert werden. Darüber hinaus erfolgt eine automatisierte Dokumentation der Einstellung der Beobachtung und des Aufzeichnungsstopps durch die systemseitigen Protokolleinträge. Zudem findet eine enge Abstimmung zwischen dem zuständigen Polizeiführer der Versammlungslage und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Videobeobachtung und der Leitstelle statt, um sowohl die rechtzeitige Einstellung der Videobeobachtung als auch die Fortführung der Beobachtung und Aufzeichnung nach Beendigung der Versammlungslage sicherzustellen. Beobachtung und Aufzeichnung dürfen erst nach Freigabe durch den zuständigen Polizeiführer vor Ort fortgesetzt werden. Bei erkannten Spontan- und Eilversammlungen erfolgen die Einstellung der Beobachtung und das Stoppen der Aufzeichnung eigenständig durch die Videobeobachter der Leitstelle. Auch hier erfolgt eine enge Abstimmung mit dem Polizeiführer.
144Von einer Verletzung des Grundrechts der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) durch die Videoüberwachung am Neumarkt ist ebenfalls nicht auszugehen; hierzu fehlen bereits jegliche weiteren Ausführungen des Antragstellers.
145Die Videoüberwachung ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil sie neben dem Neumarkt auch weitere Bereiche des erweiterten Innenstadtgebiets betrifft; von einer flächendeckenden Überwachung der Kölner Innenstadt, wie der Antragsteller sie suggeriert, kann keine Rede sein.
146Die Videoüberwachung ist auch Teil eines aus mehreren Elementen bestehenden Gesamtkonzepts im Sinne von Punkt 15a.O der Verwaltungsvorschrift zum PolG NRW. Der Antragsgegner hat zur Ergänzung der Videoüberwachungsmaßnahme in den Videobereichen insbesondere die Präsenz seiner Einsatzkräfte deutlich erhöht.
147Schließlich ist, anders als der Antragsteller meint, nicht zu befürchten, dass der Antragsgegner mittels der Videoüberwachung des Neumarktes und der weiteren Innenstadtbereiche ein Persönlichkeitsprofil des Antragstellers erstellt. Personen, die den Neumarkt und die weiteren videoüberwachten Bereiche in Köln betreten, werden grundsätzlich nicht in individualisierbarer Weise beobachtet/ gespeichert; sie sind erst einmal nur „Teil einer grundsätzlich anonymen Menge von Passanten“,
148siehe BVerwG, Urteil vom 25.01.2012 – 6 C 9.11 – juris, Rn. 50.
149Es ist weder davon auszugehen, dass die Polizei an Passantinnen und Passanten anlasslos „heranzoomt“, noch, dass das gespeicherte Videomaterial ohne gefahrenabwehrrechtlichen oder strafverfahrensrechtlichen Anlass in Bezug auf einzelne Passantinnen und Passanten ausgewertet wird. Kommt es wegen einer potentiell beweiserheblichen Szene zur Auswertung und längeren Speicherung einer Videosequenz, wird diese, wie der Antragsgegner nachvollziehbar dargestellt hat, unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen Unbeteiligter bearbeitet.
150In Köln werden aktuell auch keine „intelligenten“ Videoüberwachungssysteme eingesetzt, d.h. solche, die Aufzeichnungen automatisch auswerten und Verhaltensmuster, die auf die Begehung von Straftaten hindeuten, erkennen; die Frage, ob solche Überwachungssysteme noch grundrechtskonform sind, bedarf daher keiner Entscheidung.
151c) Die Entscheidung des Antragsgegners, den Neumarkt mit Videokameras zu überwachen, ist auch im Übrigen frei von Ermessensfehlern (§ 114 Satz 1 VwGO).
152Der Kölner Polizeipräsident führt in der Behördenleiteranordnung vom 02.11.2020 diesbezüglich aus, dass eine gesetzliche Verpflichtung zur Anordnung der offenen Videobeobachtung und zur Aufzeichnung nicht bestehe. Die offene Beobachtung stelle eine sinnvolle Ergänzung der herkömmlichen polizeilichen Methoden beim Umgang mit Schwerpunkten der Straßenkriminalität dar. Ihre Leistungsfähigkeit gehe zugleich über das hinaus, was eine herkömmliche Bestreifung der Beobachtungsbereiche leisten könne. Zu berücksichtigen seien ferner die erhöhten Sicherheitsbedürfnisse der Bevölkerung, denen eine offene Videobeobachtung Rechnung tragen könne. Dem stehe gegenüber, dass bei der Beobachtung und Aufzeichnung eine Vielzahl unbeteiligter Personen erfasst werde. Dieser Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung beruhe aber nicht auf einer zielgerichteten Beobachtung von einzelnen Individuen, sondern sei nicht-intendierte Nebenfolge der Beobachtung. Eine Identifikation von Personen erfolge nur aus konkretem Anlass (Gefahrenabwehr, Strafverfolgung). Aufzeichnungen würden grundsätzlich nach 14 Tagen gelöscht, sofern nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für eine weitere Speicherung vorlägen. Die Beobachtung sei zudem offensichtlich und werde durch zahlreiche Hinweisschilder kenntlich gemacht. Den Belangen der Betroffenen werde zudem durch weiterführende Hinweise und Informationen auf den Internetseiten der Behörde Rechnung getragen. Eine Korrelation zwischen der Zahl der begangenen Delikte und der offenen Beobachtung lasse sich bisher nicht mit Sicherheit feststellen. Die bauliche Beschaffenheit, die verkehrliche Anbindung, die hohe Frequenz von Besuchern, die eine besondere Eignung des Neumarktes für die Begehung von Straftaten begründeten, blieben weiter vorhanden. Die Einstellung der offenen Beobachtung und der damit verbundene Verlust der Steuerung des Einsatzgeschehens in Verbindung mit den polizeilichen Einsatzkonzepten würden unter diesen Umständen einen deutlichen Rückschritt bei der Erreichung der polizeilichen Ziele in einem Brennpunktbereich der Straßenkriminalität bedeuten. Unter Abwägung aller dieser Umstände sowie insbesondere der besonderen Eignung der offenen Beobachtung für die operative Unterstützung der Einsatzkräfte vor Ort und der deutlichen Reduzierung der Einsatzreaktionszeiten in den Beobachtungsbereichen werde die Maßnahme fortgeführt.
153Diese Erwägungen lassen Ermessensfehler nicht erkennen; sie verdeutlichen, dass der Antragsgegner sich seines Entscheidungsspielraums bewusst war und im Rahmen seiner Entscheidung die für und gegen eine Videoüberwachung des Neumarktes sprechenden Faktoren gegeneinander abgewogen hat.
154III. § 15a PolG NRW ermächtigt allerdings weder zur Videoüberwachung privater und/oder sensibler Bereiche noch zur KFZ-Kennzeichenerfassung. Entsprechend hat der Antragsgegner sicherzustellen, dass Privatbereiche, d.h. Wohn- und Geschäftshauseingänge im Videobereich Neumarkt, der Eingangsbereich des Gesundheitsamtes und die KFZ-Kennzeichen der den Videobereich befahrenden Straßenverkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer unkenntlich gemacht/ verpixelt werden.
155IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.
156Rechtsmittelbelehrung
157Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
158Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
159Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
160Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
161Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
162Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
163Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
164Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
165Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.