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1. Der Antrag wird abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
2I.
3Die Antragstellerin wendet sich gegen die Untersagungsverfügung des früheren Antragsgegners, des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt, mit der der Antragstellerin untersagt wird, selbst, durch Dritte oder durch verbundene Unternehmen im Internet, insbesondere auf der Internetseite https://www.X. .de (nachfolgend X. .de) unerlaubtes öffentliches Glücksspiel in Deutschland zu veranstalten, zu vermitteln, zu unterstützen oder zu bewerben.
4Die Antragstellerin ist eine Tochterfirma der S. H. S.A. Sie bietet - nach ihren Angaben seit Januar 2016 - auf der Internetseite X. .de die Teilnahme an „Gewinnspielen“ verschiedener Fernsehsender (u.a. S. , W. ) gegen Entgelt an. Die Gewinnspiele, die in den Fernsehsendungen kostenpflichtig angeboten werden, werden auch auf X. .de kostenpflichtig angeboten. Das Spiel trägt den Namen der zugehörigen Sendung, z.B. „[...]-Gewinnspiel“. Um an den jeweiligen Spielen teilzunehmen, wird teilweise die bloße Übermittlung eines Kennworts oder die Beantwortung einer Frage gefordert. Einige Spiele sind an das Liveformat im Fernsehen gekoppelt, in denen die Teilnehmenden zusätzlich angerufen werden und zusätzlich die Möglichkeit eines Jackpot-Gewinns haben. Sog. Mega-Gehalt-Gewinnspiele laufen über einen längeren Zeitraum in mehreren Formaten; bei Voting- Gewinnspielen stimmen die Teilnehmenden für ihren Favoriten ab, z.B. bei „[...]“. Die Teilnahme an den Spielen ist über die Internetseite auch zeitversetzt, einige Tage vorher, möglich. Die Gewinnspielrunde endet gleichzeitig mit Ende der Ausstrahlung im Fernsehprogramm. Für die Online-Teilnahme an den kostenpflichtigen Spielen ist analog zur Telefon- und SMS-Teilnahme ein Betrag von 0,50 EUR zu entrichten. Zudem bestand die Möglichkeit des Abschlusses eines Monatsabos für monatlich 4,99 EUR und - nach Angaben der Antragstellerin bis zum 7. Juni 2022 - eines Jahresabos für 49,99 EUR. Im Rahmen des Monatsabos können die Nutzer einmalig an jeder Gewinnspielrunde (mind. 60 Spiele im Monat) teilnehmen, weitere Teilnahmen an einem Spiel kosten jeweils 0,50 EUR. Auf Wunsch des Nutzers kann die automatische (einmalige) Teilnahme an allen kostenpflichtigen Gewinnspielen aktiviert werden. Daneben werden auf der Website kostenlose Spiele angeboten. Auch die erste Teilnahme an einem kostenpflichtigen Spiel nach Neuregistrierung ist kostenlos. Für Neukunden eines Monats-Abos ist in den ersten 30 Tagen die einmalige Teilnahme an allen in diesem Zeitraum angebotenen Gewinnspielen kostenlos möglich.
5Im Rahmen der Anhörung vom 1. März 2022 zur beabsichtigten Untersagung trug die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass es sich bei dem Angebot auf ihrer Internetseite nicht um Glücksspiel handele. Zum einen gebe es auch kostenlose Teilnahmemöglichkeiten, zum anderen werde die Erheblichkeitsschwelle nicht erreicht, die aufgrund des einheitlichen Entgeltbegriffs im strafrechtlichen und ordnungsrechtlichen Sinne auch im Rahmen des § 3 Abs. 1 des Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) 2021 zu beachten sei. Dies gelte sowohl für die Einzel- als auch die Mehrfachteilnahme. Der Bundesgerichtshof habe entschieden, dass erst ab einer Schwelle eines Verlustes von 10,00 EUR in einer Stunde von einem nicht ganz unbeträchtlichen Betrag ausgegangen werden könne. Es dürften zudem dabei nicht mehrere Spiele zusammen betrachtet werden, sondern es müsse auf eine Einzelbetrachtung jedes einzelnen Spiels ankommen. Auch werde nicht zu einer wiederholten Teilnahme aufgefordert. Dadurch, dass bei den „Lostopf“-Spielen das Ergebnis nicht sofort feststehe, könnten gerade keine eventuellen Verluste ausgeglichen oder größere Gewinne erzielt werden. Weiter bestünden Zweifel an der Zuständigkeit der Antragsgegnerin wegen der Polizeifestigkeit des Rundfunks und der Telemedien. Gewinnspiele im Rundfunk bzw. in Telemedien unterfielen nicht der Glückspielregulierung; es gelte nur der Medienstaatsvertrag. Letztlich wäre eine Untersagung zu unbestimmt bzw. unverhältnismäßig.
6Das unter dem 30. Mai 2022 beteiligte Glücksspielkollegium erteilte im Umlaufverfahren einstimmig die Zustimmung zu der beabsichtigten Untersagungsverfügung.
7Nach erneuter Kontrolle des aktuellen Angebots auf der Internetseite untersagte das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt der Antragstellerin mit Bescheid vom 15. Juni 2022, der Antragstellerin zugestellt am 20. Juni 2022, selbst, durch Dritte oder durch verbundene Unternehmen - insbesondere durch Tochterunternehmen oder deren Tochterunternehmen - im Internet, insbesondere auf der Internetseite https://www.X. .de, unerlaubtes öffentliches Glücksspiel in Deutschland zu veranstalten, zu vermitteln, zu unterstützen oder zu bewerben (Ziff. 1). Die Anordnung zu Ziffer 1 sei innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe dieses Bescheides zu erfüllen; die Umsetzung sei dem Landesverwaltungsamt zeitgleich schriftlich mitzuteilen (fristwahrend ggfs., vorab per E-Mail) (Ziff. 2). Für den Fall einer Zuwiderhandlung gegen die Anordnung nach Ziffer 1 nach Ablauf der Frist gemäß Ziffer 2 wurde der Antragstellerin ein Zwangsgeld in Höhe von 30.000,00 Euro angedroht (Ziff. 3). Ferner wurde eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 2.120,50 Euro für die Untersagungsverfügung erhoben (Ziff. 4).
8Zur Begründung führte das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt im Wesentlichen aus, dass der Betrieb der Internetseite X. .de und damit die Ermöglichung der Online-Teilnahme an verschiedenen TV-Gewinnspielen eine Veranstaltung öffentlichen Glücksspiels im Internet sei. Beispielhaft führte es unter Nennung der konkreten TV-Sendungen und Spiele aus, an welchen fünf TV-Gewinnspielen am Nachmittag des 18. Mai 2022 insgesamt habe teilgenommen werden können. Der Betrieb der Internetseite gehe deutlich über die Eröffnung eines bloßen weiteren Teilnahmeweges an den TV-Gewinnspielen hinaus und stelle eine zusätzliche Veranstaltung dar, für die die Antragstellerin auch werbe.
9Das Landesverwaltungsamt sei übergangsweise sachlich und örtlich zuständig. Der Grundsatz der Polizeifestigkeit vermöge daran nichts zu ändern. § 11 Medienstaatsvertrag (MStV) entspreche dem bisherigen § 8a Rundfunkstaatsvertrag (RStV), für den entschieden sei, dass er die Regelung des Glückspielstaatsvertrages unberührt lasse. Dies werde auch durch § 1 Abs. 2 der Gewinnspielsatzung bekräftigt. Nach § 17 Satz 3 MStV seien bei dem Angebot von Telemedien die Vorschriften der allgemeinen Gesetze einzuhalten. In § 109 Abs. 1 Satz 1 MStV sei § 17 MStV jedoch ausgeschlossen, weshalb keine Grundlage für die Untersagung unerlaubten öffentlichen Glücksspiels in Telemedien durch die Landesmedienanstalten bestehe. Daher hätte die von der Antragstellerin angenommene ausschließliche Zuständigkeit der Landesmedienanstalten zur Folge, dass ein verwaltungsrechtliches Vorgehen gegen unerlaubtes öffentliches Glücksspiel im Internet nicht möglich wäre.
10Der Anwendungsbereich des Glückspielstaatsvertrages und damit der Glücksspielregulierung sei eröffnet. Es handele sich bei dem Angebot um kein Gewinnspiel im Rundfunk; es gehe nicht um Ausstrahlung eines Gewinnspiels in den einschlägigen Fernsehsendungen. Der Betrieb der Internetseite gehe über die Eröffnung eines weiteren Teilnahmeweges neben einem Anruf, einer SMS oder Postkarte deutlich hinaus, da die Gewinnspiele im Unterschied dazu auf der Internetseite X. .de direkt angeboten, beschrieben und beworben würden. Der Spielteilnehmer könne mithin wählen, ob er sich im Rundfunk die Fernsehsendung anschaue und währenddessen an dem Gewinnspiel teilnehme oder ohne jeglichen Bezug zu der Fernsehsendung die Internetseite aufrufe und dort an dem Gewinnspiel teilnehme. Die Erfassung letzterer Variante durch § 2 Abs. 11 GlüStV 2021 widerspräche dem Sinn und Zweck der Norm. Denn der Ausnahmetatbestand ermögliche Gewinnspiele im Rundfunk, die durch ihren Show- und Unterhaltungscharakter geprägt seien und damit dem Rundfunkprogramm eine zusätzliche Attraktivität verliehen.
11Da Telemedien von dem Ausnahmetatbestand des § 2 Abs. 11 GlüStV nicht erfasst seien, könne dahinstehen, ob es sich bei den angebotenen Spielen gemäß § 22 Abs. 3 MStV um Gewinnspiele in Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten nach § 19 Abs. 1 MStV handele.
12Auch die Vermittlung von unerlaubtem öffentlichem Glücksspiel sei zu untersagen, um zu verhindern, dass die Verfügung durch Änderung der Vertriebsform in Vermittlung unterlaufen werde. Die Unterstützungstätigkeit sei zu untersagen, da mit diesem Verbot sämtliche Beiträge erfasst seien, durch die die Antragstellerin die ihr in dieser Verfügung untersagten Tätigkeiten als Tätigkeiten Dritter fördere (z.B. Bereitstellen einer Domain oder Ressourcen). Es solle verhindert werden, die Untersagung durch Auswechslung eines Unternehmens mit Veranstalter- oder Vermittlereigenschaft oder durch eine wirtschaftliche oder technische Neustrukturierung zu unterlaufen. Die Untersagung der Veranstaltung unerlaubten öffentlichen Glücksspiels im Internet umfasse auch das Verbot, abgeschlossene Verträge zu erfüllen, insbesondere an die Spielinteressenten bzw. Spieler Gewinne auszuzahlen.
13Es handele sich um Glücksspiele im Sinne von § 3 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GlüStV 2021. Die Spiele würden insbesondere gegen Entgelt (Einsatz) angeboten. Neben kostenpflichtigen All-Inclusive-Paketen (4,99 EUR pro Monat bzw. 49,99 EUR pro Jahr), die eine automatische Teilnahme an mind. 60 Gewinnspielen pro Monat ermöglichten, bestehe auch die Möglichkeit der Einzelteilnahme für 0,50 EUR. § 3 GlüStV 2021 verlange auch in der Fassung des neuen Glücksspielstaatsvertrages 2021 im Unterschied zum strafrechtlichen Glücksspielbegriff weder nach dem Wortlaut noch der Gesetzessystematik eine Erheblichkeitsschwelle, da ansonsten die Bereichsausnahme in § 2 Abs. 11 GlüStV 2021 für Gewinnspiele im Rundfunk mit einem Teilnahmeentgelt von höchstens 0,50 EUR hinfällig wäre. Zudem sprächen der Sinn und Zweck des Glücksspielstaatsvertrages, der primär auf eine präventive Verhinderung von Gefahren ausgerichtet sei, wegen der Effektivität der Gefahrenabwehr gegen eine Erheblichkeitsschwelle.
14Den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts aus den Jahren 2013 und 2014 sei keine Aussage zum Erfordernis einer Erheblichkeitsschwelle zu entnehmen. Die unterschiedliche Behandlung zum strafrechtlichen Glücksspielbegriff stehe im Einklang mit der Gesetzgebungskompetenz. Glücksspiel sei besonderes Gefahrenabwehrrecht, das der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder nach Art. 70 Grundgesetz (GG) unterliege. Im Übrigen bestehe eine Gesetzgebungskompetenz der Länder nach Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG. Denn der Bund habe von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Glücksspielrechts, die nicht das Recht der Spielhallen und das Gaststättenrecht umfasse, mit Ausnahme der Vorschriften der Gewerbeordnung für das stationäre gewerbliche Spiel und des Rennwett- und Lotteriegesetztes, keinen Gebrauch gemacht.
15Jedenfalls sei aufgrund der Möglichkeit einer Mehrfachteilnahme eine etwaige Erheblichkeitsschwelle von 0,50 EUR überschritten. Nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes könnten auch Höchsteinsätze von 0,50 EUR die Glücksspieleigenschaft begründen, wenn nicht davon ausgegangen werden könne, dass sich der Spieler auf ein einzelnes Spiel beschränke. Insbesondere, wenn das Geschäftsmodell auf eine Summierung des Einsatzes angelegt sei.
16Vorsorglich sei das Angebot auch nach neueren von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien als erheblich im Sinne von § 284 Strafgesetzbuch (StGB) einzustufen. Bei der Beschränkung auf täglich 20 Einzelteilnahmen sei hier ein Verlust von 10,00 EUR möglich. Der Bundesgerichtshof sei in seiner Entscheidung zu Glücksspielautomaten selbstverständlich davon ausgegangen, dass ein Einsatz von weniger als 0,50 EUR pro Spiel eine Glücksspieleigenschaft zu begründen vermöge, wenn typischerweise eine Mehrfachteilnahme erfolge. Auch bei dem Betrieb von Spielhallen werde eine Strafbarkeit bejaht.
17Von der Untersagungsverfügung ausdrücklich nicht erfasst seien Spiele, die ohne Spieleinsatz gespielt werden könnten.
18Die Glücksspiele seien öffentlich und würden ohne Erlaubnis nach § 4 GlüStV 2021 veranstaltet. Einen Erlaubnisantrag habe die Antragstellerin nicht gestellt.
19Die Untersagung sei verhältnismäßig. Sie sei geeignet, erforderlich und angemessen. Es sei der Antragstellerin überlassen, wie sie die Untersagung befolge. Das Entschließungsermessen sei dahingehend reduziert, dass eine Untersagungsverfügung hier zwingend geboten sei. Hinsichtlich der Störerauswahl hätte das Landesverwaltungsamt auch gegen die Muttergesellschaft (S. H. S.A.) vorgehen können, aber nach pflichtgemäßen Ermessen entschieden, nur gegen die Antragstellerin vorzugehen, da diese die Internetseite X. .de betreibe, den Vertrieb übernehme und Vertragspartner der Spieler sei.
20Die Verfügung beziehe sich auf einen konkreten Lebenssachverhalt, weshalb sie hinreichend bestimmt sei. Zwei Wochen erschienen zur Abwicklung ausreichend.
21Die Höhe des Zwangsgeldes von 30.000 EUR sei erforderlich und angemessen und berücksichtige das wirtschaftliche Interesse an der Nichtbefolgung.
22Am 28. Juni 2022 hat die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid erhoben (24 K 3859/22) und zugleich das Gericht um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Dem gleichzeitig gestellten Antrag auf Erlass eines sog. Hängebeschlusses hat das Gericht mit Beschluss vom 1. Juli 2022 insoweit stattgegeben, als dem Antragsgegner bis einschließlich zum 17. Juli 2022 untersagt wurde, die Untersagungsverfügung zu vollstrecken; im Übrigen ist der Antrag abgelehnt worden. Die dagegen eingelegte Beschwerde seitens der Antragstellerin ist erfolglos geblieben (Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. August 2022 - 13 B 851/22 -).
23Die Antragstellerin verweist darauf, dass seit dem 8. Juni 2022 der Neuabschluss eines Jahresabos für 49,90 EUR nicht mehr angeboten werde und der tägliche Einsatz auf zehn kostenpflichtige Einzelteilnahmen pro Tag begrenzt sei. Bei einem Einzelpreis von 0,50 EUR könne der Spieler pro Tag maximal 5,00 EUR einsetzen.
24Ergänzend zu ihrer Stellungnahme im Verwaltungsverfahren trägt sie im Wesentlichen weiter vor, die Untersagungsverfügung sei formell rechtswidrig, da das Organ des Glücksspielkollegiums und dessen Einbindung von mehreren Gerichten als rechts- und verfassungswidrig beurteilt worden sei.
25Darüber hinaus sei die Verfügung zu unbestimmt. Durch den „insbesondere“-Einschub der Internetseite X. .de werde keine bestimmte, konkrete Einzelfallregelung getroffen, sondern lediglich die abstrakt-generelle gesetzliche Regelung wiederholt, was nicht genüge. Ihr würden nach dem Wortlaut des Tenors in Ziffer 1 nicht nur die auf der Internetseite X. .de angebotenen Spiele untersagt, sondern weitere öffentliche (unerlaubte) Glücksspiele, obwohl nicht ersichtlich sei, dass sie weitere Glücksspiele angeboten habe oder dies beabsichtige. Die beispielhafte Nennung der TV-Gewinnspiele genüge nicht. Es fehle an der positiven Konkretisierung der Spiel- bzw. Glücksspielarten. Für die mit dem Vollzug der Untersagungsverfügung befassten Mitarbeiter der Antragsgegnerin sei nicht erkennbar, ob es sich bei möglicherweise zukünftig angebotenen Spielen um unerlaubte öffentliche Glücksspiele handele. Jedenfalls bestehe die Gefahr, dass die Untersagung auch in Bezug auf künftige, unterstellt angebotene Glücksspielarten (z.B. Online-Sportwetten) und damit nicht kerngleich zu den auf der Internetseite X. .de angebotenen Spielen vollstreckt werde.
26Zudem sei das Angebot auf X. .de kein Glücksspiel. Es werde nur ein unerhebliches Entgelt von maximal 0,50 Euro verlangt, das nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung glücksspielrechtlich nicht relevant sei. Insofern stimme der glücksspielregulatorische Entgeltbegriff mit dem strafrechtlichen Begriff des Einsatzes überein. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes unterlägen Gewinnspiele mit unerheblichen - höchstens 0,50 EUR - Teilnahmeentgelten nicht den Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrages. Das Bundesverwaltungsgericht habe wiederholt entschieden, dass der glücksspielrechtliche Entgeltbegriff, der im Glücksspielstaatsvertrag nicht definiert und daher als unbestimmter Rechtsbegriff ausfüllungsbedürftig sei, dem strafrechtlichen Einsatzbegriff entspreche, und deutlich gemacht, dass der ordnungsrechtliche Glücksspielbegriff „jedenfalls nicht weiter“ gefasst werden dürfe als der strafrechtliche Glücksspielbegriff des § 284 StGB. In der Gesetzesbegründung zu § 3 GlüStV werde ebenfalls ausdrücklich auf die bestehende Rechtsprechung zu § 284 StGB abgestellt.
27Die Bereichsausnahme in § 2 Abs. 11 GlüStV sei nur deklaratorisch. Bereits zuvor sei in der Rechtsprechung geklärt gewesen, dass Gewinnspiele mit einem Entgelt von höchstens 0,50 Euro nicht dem Glücksspielrecht unterlägen. Der Schwerpunkt der Regelung des § 11 MStV liege im Verbraucherschutz, weshalb die staatliche Glücksspielaufsicht wegen des Gebots der Staatsferne ohnehin nicht zur Aufsicht über die Medien bzw. Rundfunkanbieter befugt sei.
28Der Sinn und Zweck des Glücksspielstaatsvertrages werde durch die Erheblichkeitsschwelle nicht eingeschränkt. Bei § 284 StGB handele es sich um eine verwaltungsakzessorische Vorschrift, die auf das Fehlen einer behördlichen Erlaubnis abstelle. Daher könne nicht angenommen werden, dass die Landesgesetzgeber bezweckt hätten, die Erlaubnispflicht weiter auszudehnen als der Bundesetzgeber in § 284 StGB voraussetze.
29Das Begriffsverständnis des Antragsgegners stehe nicht mit der Gesetzgebungskompetenz der Länder im Einklang. Das Bundesverwaltungsgericht habe mehrfach betont, dass den Ländern die Gesetzgebungskompetenz dafür fehle, den Glücksspielbegriff im Ordnungsrecht weiter als im Strafrecht auszulegen.
30Die nach aktueller Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes relevante Erheblichkeitsschwelle von mehr als 10 Euro pro Stunde - unerheblich, ob mittels Einzel- oder Mehrfachteilnahme bezahlt - sei nicht überschritten. Eine Einzelteilnahme koste nicht mehr als 0,50 EUR, im Fall des Monatsabos bezogen auf die einzelnen Teilnahmemöglichkeiten deutlich weniger. Auch die Möglichkeit der Mehrfachteilnahme führe nicht zur Überschreitung einer Erheblichkeitsschwelle. Dies könne auch lediglich eine Untersagung der Möglichkeit der Mehrfachteilnahme rechtfertigen, nicht aber eine umfassende Untersagung des Spielangebotes. Wegen der Begrenzung auf zehn kostenpflichtige Einzelteilnahmen pro Tag bei einem Einzelpreis von 0,50 Euro pro Teilnahme könne der Spieler in einer Stunde und an einem Tag maximal 5,00 Euro einsetzen. Habe der Spieler dann nach den zehn kostenpflichtigen Einzelteilnahmen ein Monatsabo für 4,99 Euro abgeschlossen, beschränke sich der Verlust auf maximal 9,99 Euro am Tag.
31Für das Abstellen auf Mehrfachteilnahme und die Addition der Entgelte fehle es an einem gesetzlichen Anknüpfungspunkt. Nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 GlüStV 2021 komme es auf eine Einzelbetrachtung jedes einzelnen Spiels und nicht eine gemeinsame Betrachtung mehrerer Spielteilnahmen zusammen an. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei im konkreten Fall nicht von einer Addition aufgrund einer Mehrfachteilnahme auszugehen. Es könnten vorliegend keine eventuellen Verluste ausgeglichen oder größere Gewinne erzielt werden. Dies folge bei den „Lostopf“-Spielen daraus, dass das Ergebnis des Spiels nicht sofort feststehe, sondern das Gewinner-Los erst am Ende des Teilnahmezeitraums gezogen werde. Dann sei es jedoch zu spät, um wiederholt an diesem Spiel teilzunehmen. Die Teilnehmer würden vom Veranstalter auch nicht zur wiederholten Teilnahme aufgefordert. Diese Möglichkeit werde lediglich ohne Aufforderungscharakter eröffnet, zugleich werde aber auch angeboten, das Spiel zu verlassen.
32Ferner unterliege das Angebot der Antragstellerin als Gewinnspiel im Rundfunk bzw. in Telemedien den Regelungen des MStV und damit der Aufsicht durch die Landesmedienanstalten. Es gebe ein TV-Gewinnspiel mit einem Gewinnmodus und mit drei Teilnahmewegen (SMS, Anruf, Online). Nach § 11 MStV sei unerheblich, ob ein Zuschauer die Sendung verfolge. Die zeitversetzte Teilnahmemöglichkeit sei zum einen unschädlich, zum anderen sei allenfalls die Untersagung der zeitversetzten Teilnahmemöglichkeit nach Argumentation der Antragsgegnerin gerechtfertigt.
33Jedenfalls sei auch für Gewinnspiele in Telemedien i.S.v. § 19 Abs. 1 MStV - wie die hier streitgegenständlichen - § 11 MStV entsprechend anwendbar, § 22 Abs. 3 MStV. Unzutreffend sei, dass Telemedien von § 2 Abs. 11 GlüStV 2021 nicht erfasst seien, denn es wäre widersprüchlich, wenn nach § 11 MStV (i.V.m. § 22 Abs. 3 bzw. § 74 Satz 1 MStV) grundsätzlich erlaubtes Tun nach § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV unerlaubt sein soll.
34Die Antragsgegnerin sei zudem wegen des Grundsatzes der Polizeifestigkeit des Rundfunks bzw. der Medienaufsicht nicht zuständig. Telemedien fielen in den Schutzbereich der Rundfunkfreiheit. Jedenfalls sei die sachnähere und staatsferne Rundfunkaufsicht zuständig, um bei einem Verstoß gegen die Voraussetzungen des § 11 MStV die nach § 109 MStV notwendigen Maßnahmen zu treffen.
35Darüber hinaus sei die Untersagung unverhältnismäßig, weil die in Ziffer 2 gesetzte Frist zu kurz bemessen sei. Folge man einem Hilfsargument der Antragsgegnerin, seien auch mildere Mittel ersichtlich wie die Untersagung der Möglichkeit der Mehrfachteilnahme und der zeitversetzten oder automatischen Teilnahmemöglichkeit. Schließlich sei die Androhung eines Zwangsgeldes aufgrund unangemessener Fristsetzung rechtswidrig.
36Die Antragstellerin beantragt,
37die aufschiebende Wirkung ihrer Klage - 24 K 3859/22 - gegen den Bescheid des damalig zuständigen Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 15. Juni 2022 anzuordnen.
38Die Antragsgegnerin beantragt,
39den Antrag abzulehnen.
40Sie ist der Ansicht, es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes. Ergänzend zu den Ausführungen in ihrem Bescheid trägt sie vor, dass das Glücksspielkollegium verfassungsgemäß sei. Die Glücksspielaufsicht könne gegen Angebot und Bewerben unerlaubten Glücksspiels im Internet vorgehen, wenn wie hier ein Medienunternehmen betroffen sei. Daran ändere auch der Grundsatz der Polizeifestigkeit nichts. Dies gelte umso mehr, als mit der ländereinheitlichen Zuständigkeit nach § 9a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GlüStV 2021 ein effektiver und schlagkräftiger Vollzug gegen unerlaubte Glücksspiele im Internet bezweckt werde. Im Übrigen hätte die von der Antragstellerin vertretene Auffassung, dass eine ausschließliche Zuständigkeit der Landesmedienanstalten für Maßnahmen bestehe, die sich gegen den Inhalt eines Telemedienangebotes richteten, zur Folge, dass die Glücksspielaufsicht trotz ihrer ausdrücklich in § 9a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GlüStV 2021 geregelten Zuständigkeit nicht wegen unerlaubten öffentlichen Glücksspiels und der Werbung hierfür im Internet vorgehen könne. Zudem entstehe ein Vollzugsdefizit wegen § 109 Abs. 1, § 17 MStV. Der Einwand der Antragstellerin, dass bei einem Verstoß des § 11 MStV die Landesmedienanstalten die nach § 109 MStV notwendigen Maßnahmen treffen könnten, überzeuge nicht, da § 11 nur bei rundfunkähnlichen Telemedien und Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten zur Anwendung gelange, nicht bei sonstigen Telemedienangeboten.
41Bei den auf der Internetseite angebotenen Spielen handele es sich um Glücksspiele und nicht um Gewinnspiele im Rundfunk. Aufgrund des erhöhten Suchtgefährdungspotentials sei in besonderem Maße eine Regulierung durch die Glücksspielaufsicht sicherzustellen.
42Ferner beinhalte § 3 Abs. 1 GlüStV nach dem Wortlaut und der Gesetzessystematik keine Erheblichkeitsschwelle. Andernfalls wäre die Bereichsausnahme für Gewinnspiele im Rundfunk mit einem Teilnahmeentgelt von höchstens 0,50 EUR hinfällig. Die Bereichsausnahme in § 2 Abs. 11 GlüStV sei nicht lediglich deklaratorischer Natur. Vielmehr habe der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen, den Ausnahmetatbestand auf vergleichbare Telemedien zu erstrecken. Auch aus der erstmaligen Gesetzesbegründung zu § 3 GlüStV aus dem Jahr 2007 ergebe sich nichts Gegenteiliges. Die Bezugnahme auf die Rechtsprechung zu § 284 StGB beziehe sich nur auf § 3 Abs. 4 GlüStV. Wegen der unterschiedlichen Zwecksetzungen sei es nicht angezeigt, eine teleologische Reduktion des Tatbestandes vorzunehmen. Im Strafrecht werde an eine in der Vergangenheit liegende Rechtsgutverletzung angeknüpft, wohingegen im Glücksspielstaatsvertrag ein präventiv orientiertes Handeln im Vordergrund stehe. Letztlich spreche der ordnungsrechtliche Regelungszweck des Glücksspielstaatsvertrages gegen die Annahme einer Erheblichkeitsschwelle.
43Im Übrigen sei eine Erheblichkeitsschwelle erreicht, denn es sei zur Bestimmung der Erheblichkeit nicht ausschließlich auf das einzelne Spiel abzustellen. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes könne - etwa im Fall einer Mehrfachteilnahme - ein Teilnahmeentgelt von höchstens 0,50 EUR erheblich im Sinne von § 284 StGB sein. Ansonsten könne ein materiell den Anforderungen der Spielverordnung entsprechendes Gerät niemals Gegenstand unerlaubten Glücksspiels sein, da der Einsatz nach § 13 Nr. 2 Spielverordnung 0,20 EUR pro Spiel nicht übersteigen dürfe. Es stehe zu befürchten, dass Spieler nach Ablauf des Teilnahmezeitraums durch weitere und mehrfache Teilnahme an neuen Spielen versuchten, in der Vergangenheit erlittene Verluste auszugleichen. Folge man der Auffassung der Antragstellerin, könnten Anbieter virtueller Automatenspiele durch den Maximaleinsatz von 0,50 EUR sämtlichen Regulierungen des Glücksspielstaatsvertrages umgehen. Anders als von der Antragstellerin angenommen, gelte nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes keine Erheblichkeitsschwelle ab 10,00 EUR pro Stunde für eine Einzelteilnahme, vielmehr werde auf den Verlust in einer Stunde abgestellt.
44Auch der Umstand, dass der tägliche Einsatz seit dem 8. Juni 2022 auf maximal zehn kostenpflichtige Teilnahmen begrenzt sei, was bei einem Einzelpreis von 0,50 Euro einen Betrag in Höhe von 5,00 Euro ergebe, führe nicht dazu, dass von einem Unterhaltungsspiel auszugehen sei. Der Gesamtbetrag von 5,00 EUR könne innerhalb von 15 Minuten verspielt werden. Damit bestehe keine Vergleichbarkeit zu einem Unterhaltungsspiel, welches anteilig 2,50 EUR je 15 Minuten Spieldauer koste.
45Die Untersagungsverfügung sei auch hinreichend bestimmt. Eine konkretere Bezeichnung des Glücksspielangebots im Tenor sei nicht angezeigt, da eine Änderung des Angebotes und damit ein Unterlaufen möglich seien. Gleiches gelte für die Internetdomain. Schließlich habe eine Vollziehung für die Antragstellerin keine unbillige Härte zur Folge, sondern sei durch überwiegende öffentliche Interessen geboten. Durch die Umstellung auf ein kostenloses Angebot könne die Antragstellerin ihren Kundenstamm aufrechterhalten. Den Umsatzverlust und Verwaltungsaufwand müsse sie hinnehmen.
46Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte in diesem sowie in dem Verfahren 24 K 3859/22 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt Bezug genommen.
47II.
48Das Gericht hat das Rubrum auf Antragsgegnerseite aufgrund eines gesetzlichen Parteiwechsels infolge geänderter Zuständigkeit von Amts wegen geändert. Die Antragsgegnerin ist nach Ablauf der Übergangsregelung des § 27p Abs. 2 des Staatsvertrages zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland vom 29. Oktober 2020, in Kraft getreten am 1. Juli 2021, (Glücksspielstaatsvertrag 2021 – GlüStV 2021) ab dem 1. Juli 2022 nach § 27a, § 27f Abs. 2, § 9a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GlüStV 2021 die zuständige Behörde für Glücksspielaufsicht wegen unerlaubten öffentlichen Glücksspiels und der Werbung hierfür, welches im Internet in mehr als einem Land angeboten wird. Ein solcher Zuständigkeitswechsel, der in Abgrenzung zur Rechtsnachfolge als „Funktionsnachfolge" bezeichnet wird, bewirkt im Falle eines Dauerverwaltungsaktes, dass die nunmehr zuständige Behörde die Verfügung unter Kontrolle halten muss und gegebenenfalls für deren Aufhebung zuständig ist. Daraus folgt, dass bei einer im Zeitpunkt der Funktionsnachfolge bereits anhängigen Anfechtungsklage ein gesetzlicher Parteiwechsel stattfindet, den das Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen hat, ohne dass es auf die Voraussetzungen einer Klageänderung ankäme,
49vgl. Verwaltungsgericht (VG) Köln, Urteil vom 3. März 2005 - 6 K 7603/02 -, juris Rn. 23.
501. Der gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der fristgerecht erhobenen Klage (24 K 3859/22) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. Juni 2022 anzuordnen, ist zulässig, aber unbegründet.
51a. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist statthaft, da die Klage gegen die unter Ziffern 1. und 2. des Bescheides getroffenen Anordnungen gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 1 GlüStV 2021 kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung hat. Hinsichtlich der unter Ziffer 3. des Bescheides ausgesprochenen Zwangsgeldandrohung entfällt gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 9 des sachsen-anhaltinischen Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung und des Bundesdisziplinargesetzes (AG VwGO LSA) die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage.
52b. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
53Das Gericht der Hauptsache kann in Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung einer Maßnahme vorläufig verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Das Gewicht der gegenläufigen Interessen wird vor allem durch die summarisch zu prüfenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache bestimmt. Das Suspensivinteresse hat umso stärkeres Gewicht, je größer die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs sind. Dem Vollzugsinteresse ist hingegen umso größeres Gewicht beizumessen, je weniger Aussicht auf Erfolg der Rechtsbehelf hat. In den Fällen der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit überwiegt - entsprechend der Wertung des Gesetzgebers - in der Regel das Vollzugsinteresse, wenn sich nach summarischer Prüfung nicht feststellen lässt, dass der Rechtsbehelf wahrscheinlich erfolgreich sein wird, es sei denn, dem Betroffenen drohen irreparable Schäden oder unzumutbare Folgen. Demgegenüber besteht an der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes, an dessen Rechtmäßigkeit ernstliche Zweifel bestehen, in der Regel kein öffentliches Interesse,
54vgl. Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 4. November 2013 - 4 BS 332/03 -, juris Rn. 2; VG Karlsruhe, Beschluss vom 7. Februar 2022 - 2 K 1838/21 -, juris Rn. 51 f. m.w.N.
55Gemessen daran überwiegt hier das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der angefochtenen Untersagungsverfügung gegenüber dem privaten Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, da nach der gebotenen summarischer Prüfung die Klage gegen die Untersagungsverfügung voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird.
56(1.) Nach der Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 1 GlüStV hat die Glücksspielaufsicht die Aufgabe, die Erfüllung der nach diesem Staatsvertrag bestehenden oder auf Grund dieses Staatsvertrages begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen sowie darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben. Die für alle Länder oder in dem jeweiligen Land zuständige Behörde kann nach § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen. Insbesondere kann sie nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen.
57(2.) Das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt war zum Erlass der Untersagungsverfügung befugt. Gemäß § 9a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 27p Abs. 2 GlüStV 2021 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2, Abs. 6a Nr. 4 Glücksspielgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (Glücksspielgesetz - GlüG LSA) war das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt bis zum 30. Juni 2022 und damit zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides zuständige Behörde für die Untersagung des Veranstaltens, Durchführens und Vermittelns unerlaubten öffentlichen Glücksspiels und der Werbung hierfür, welches im Internet in mehr als einem Land angeboten wird.
58Die Untersagungsverfügung ist auch im Übrigen in formeller Hinsicht nach summarischer Prüfung im Eilverfahren nicht zu beanstanden. Insbesondere hat das Glücksspielkollegium im Sinne von § 27p Abs. 6 GlüStV 2021 der Untersagung gemäß § 27p Abs. 6 und 9 GlüStV 2021 einstimmig zugestimmt. Die Kammer hat keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Glücksspielkollegiums. Dessen Einrichtung widerspricht voraussichtlich weder der bundestaatlichen Ordnung des Grundgesetzes noch mangelt es ihm an einer hinreichenden demokratischen Legitimation,
59vgl. dazu Oberverwaltungsgericht für das Land Niedersachsen (OVG Nds.), Beschluss vom 8. Februar 2018 - 11 ME 130/17 -, juris Rn. 12 m.w.N.
60Die von der Antragstellerin zitierten Entscheidungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (Hess. VGH) und des Verwaltungsgerichts Darmstadt,
61Hess. VGH, Beschluss vom 16. Oktober 2015 - 8 B 1028/15 -, juris; VG Darmstadt, Beschluss vom 1. April 2020 - 3 L 446/20 -, juris,
62betrafen die Konzessionsvergabe im Bereich der Sportwetten und damit einen mit dem hiesigen nicht vergleichbaren Sachverhalt.
63(3.) Die Untersagungsverfügung ist nach summarischer Prüfung auch materiell rechtmäßig.
64Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV kann die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele sowie die Werbung hierfür untersagt werden. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
65Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 GlüStV 2021 dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) sowie die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel sind verboten.
66(a.) Es handelt sich bei den von der Antragstellerin im Internet auf der in dem Bescheid genannten Internetseite https://www.X. .de (nachfolgend X. .de) gegen Zahlung eines Betrages angebotenen „TV-Gewinnspielen“ um öffentliche Glücksspiele im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages.
67Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 GlüStV 2021 liegt ein Glücksspiel vor, wenn - wie hier - im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Die Entscheidung über den Gewinn hängt in jedem Fall vom Zufall ab, wenn dafür der ungewisse Eintritt oder Ausgang zukünftiger Ereignisse maßgeblich ist.
68Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 GlüStV 2021 ist eine sog. Lotterie als Sonderform des Glücksspiels im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 gegeben, bei dem einer Mehrzahl von Personen die Möglichkeit eröffnet wird, nach einem bestimmten Plan gegen ein bestimmtes Entgelt die Chance auf einen Geldgewinn zu erlangen. Nach Satz 2 gelten die Vorschriften über Lotterien auch, wenn anstelle von Geld Sachen oder andere geldwerte Vorteile gewonnen werden können (Ausspielung). Auf Lotterien finden gemäß § 2 Abs. 10 GlüStV 2021 u.a. die §§ 1 bis 4, 5 bis 10 GlüStV 2021 Anwendung.
69Diesen Begriffsbestimmungen entsprechen die von der Antragstellerin auf ihrer Internetseite entgeltlich vertriebenen Spiele.
70Zunächst bestreitet auch die Antragstellerin nicht, dass das Ergebnis der Gewinnerziehung am Ende einer TV-Sendung nicht vorausgesagt werden kann, sondern ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Ebenso unstreitig ist, dass das angebotene Spiel öffentlich veranstaltet wird, nachdem es im Internet für einen größeren, nicht geschlossenen Personenkreis angeboten wird, § 3 Abs. 2 GlüStV.
71Auch die weitere Voraussetzung, dass „für den „Erwerb einer Gewinnchance“ ein „Entgelt“ verlangt wird, ist bei der konkreten Ausgestaltung der bis zum Erlass der streitgegenständlichen Verfügung angebotenen und von der Untersagung erfassten Spiele nach summarischer Prüfung erfüllt. Für die Einzelteilnahme an einem Spiel ist ein Betrag in Höhe von 0,50 EUR zu entrichten. Daneben können kostenpflichtige All-Inclusive-Pakete (monatlich 4,99 EUR) gebucht werden, die eine automatische Teilnahme an jeder Gewinnspielrunde (mindestens 60 Gewinnspielen im Monat) ermöglichen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob und zu welchem Zeitpunkt das zunächst vertriebene und nach der dem Bescheid zugrunde liegenden Recherche vom 15. Juni 2022 auf der Internetseite noch benannte Jahresabonnement für 49,99 EUR - wie die Antragstellerin vorträgt - nicht mehr angeboten wird oder ob zukünftig ein solches Abonnement (erneut) beabsichtigt ist. Unerheblich ist ferner, dass die erste Teilnahme an einem kostenpflichtigen Gewinnspiel nach Neuregistrierung sowie der erste Monat bei der Buchung eines Abonnements nach den Ausführungen der Antragstellerin kostenlos sind. Denn die Untersagungsverfügung bezieht sich ausdrücklich nicht auf das kostenlose Angebot der Antragstellerin.
72Der geforderte unmittelbare Zusammenhang zwischen Entgelt und Gewinnchance besteht ebenfalls. Die Gewinnchance ergibt sich, in Abgrenzung zu einer bloßen Teilnahmegebühr,
73vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 16. Oktober 2013 - 8 C 21.12 -, juris,
74hier gerade aus der Entgeltzahlung selbst. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zahlen auf der Internetseite der Antragstellerin für die Einzelteilnahme jeweils 0,50 EUR und erlangen dafür unmittelbar eine Gewinnchance. Gleiches gilt auch für das Angebot der Abonnements. Die Gewinnchance ergibt sich durch die automatische Teilnahme an allen angebotenen Gewinnspielen oder durch individuelle Teilnahme an ausgewählten Spielen,
75vgl. auch VG Hannover, Urteil vom 29. August 2016 - 10 A 2815/16 -, juris Rn. 40.
76Entgegen der Auffassung der Antragstellerin entfällt die Glücksspieleigenschaft der auf der Internetseite angebotenen Spiele auch nicht deshalb, weil der Einsatz für eine Einzelteilnahme maximal 0,50 EUR pro Spiel, bei Abschluss eines Monatsabos auf das einzelne Spiel gerechnet 9 Cent betrage und die tägliche Teilnahme derzeit auf zehn Spiele und damit 5,00 EUR begrenzt sei. Ihr Einwand, der ordnungsrechtliche Begriff des Glücksspiels könne nicht weitergehen als der Glücksspielbegriff des § 284 Strafgesetzbuch (StGB), weshalb wie im Strafrecht hinsichtlich des verlangten Entgelts von einer Unerheblichkeitsschwelle ausgegangen werden müsse, greift nach summarischer Prüfung nicht durch.
77(aa.) Zunächst lässt sich dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 keinerlei „Bagatellgrenze“ bzw. „Erheblichkeitsschwelle“ entnehmen. Danach liegt ein Glücksspiel vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt.
78Mit der Legaldefinition in § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV haben die Landesgesetzgeber des Glücksspielstaatsvertrages eine eigene Definition normiert und dabei von der Aufnahme einer Erheblichkeitsschwelle abgesehen. Der Wortlaut umfasst „jegliches“ Entgelt, das für den Erwerb einer Gewinnchance verlangt wird. Der Gesetzgeber des Glücksspielstaatsvertrages hat auch ansonsten den Begriff des „Entgelts“ selbst nicht definiert. Nach allgemeiner Bedeutung des Begriffs ist unter einem „Entgelt“ grundsätzlich jede Gegenleistung zu verstehen.
79Etwas anderes folgt auch nicht nach einer weiteren Auslegung.
80(bb.) Aus der amtlichen Erläuterung zum Glückspielstaatsvertrag,
81vgl. Bayrischer Landtag, LT-Drucks. 15/8486, Seite 13,
82ergibt sich ebenfalls nicht, dass für die Entgeltlichkeit ein Mindestbetrag erforderlich wäre. Dort heißt es vielmehr, dass ein Glücksspiel (nur) dann nicht vorliege, wenn ein Entgelt nicht verlangt werde. Weiter heißt es dort: „Ein solches Verlangen ist nicht gegeben, wenn neben einer entgeltlichen Teilnahmemöglichkeit (z.B. Mehrwertdienst) eine gleichwertige, praktikable und unentgeltliche Alternative - z.B. durch Postkarte, E-Mail oder via Internet - zur Teilnahme an demselben Spiel angeboten wird“. Dadurch hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er eine Spielteilnahme bei Gewinnspielen über Telefonmehrwertdienste - und zwar unabhängig von der Höhe der Mehrwertdienstgebühren - bei überwiegendem Zufallselement als Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages ansieht. Kein Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages ist somit nur dann gegeben, wenn ausschließlich für die Übermittlung der Erklärung des Spielteilnehmers Beförderungskosten, aber nicht darüber hinaus Kosten für den Telefonmehrwertdienst anfallen, oder eine unentgeltliche Alternative im oben beschriebenen Sinne angeboten wird,
83vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 7. März 2012 - 10 CS 10.1347 -, juris Rn. 23.
84Eine solche Konstellation ist hier indes nicht gegeben, da das Entgelt von 0,50 EUR für die Teilnahme an einem auf der Internetseite X. .de angebotenen Spiel der Antragstellerin als Veranstalterin zufließt.
85Auch die Vorgängervorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV, § 3 Abs. 1 Satz 2 des Lotteriestaatsvertrages sah keine entgeltbezogene Erheblichkeitsschwelle vor.
86Vor diesem Hintergrund ist in der Zusammenschau mit den oben dargelegten Feststellungen in der amtlichen Begründung zum Glücksspielstaatsvertrag davon auszugehen, dass der Gesetzgeber - in Kenntnis der (strafrechtlichen) Diskussion über Schwellenwerte oder Geringfügigkeitsgrenzen - an der Entscheidung, keine entgeltbezogene Erheblichkeitsschwelle einzuführen, auch im Rahmen des Glücksspielstaatsvertrages festhalten wollte,
87vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 15. Juni 2010 - 4 S 10.00573 -, juris Rn. 24
88(cc.) Dem steht nicht entgegen, dass ein Glücksspiel im Sinne von § 284 StGB nur dann vorliegt, wenn der Spieler, um an der Gewinnchance teilzuhaben, als „Einsatz“ ein „nicht ganz unerhebliches“ Vermögensopfer erbringt. Anders als im Strafgesetzbuch, hat der Landesgesetzgeber zunächst im Lotteriestaatsvertrag und anschließend im Glücksspielstaatsvertrag eine Legaldefinition des Glücksspielbegriffs geschaffen. Dass der Straftatbestand im Hinblick auf das Entgelt eine Erheblichkeitsschwelle enthält und somit höhere Anforderungen stellt als das ordnungsrechtliche Verbot im Rahmen des Glücksspielstaatsvertrages, ist kein Systembruch, sondern die Folge des ordnungsrechtlichen Charakters des Glücksspielstaatsvertrages und dessen in § 1 GlüStV festgelegter Zielsetzung,
89vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 15. Juni 2010 - 4 S 10.00573 -, juris Rn. 25.
90Der Landesgesetzgeber war auch nicht gehindert, im Rahmen der ihm zustehenden Gesetzgebungskompetenz einen insoweit weitergehenden ordnungsrechtlichen, eigenständigen Glücksspielbegriff in § 3 GlüStV zu definieren.
91Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 33h Gewerbeordnung (GewO) folgt nichts anderes. § 33h GewO normiert das Verhältnis der gewerberechtlichen Vorschriften, die Gewinnspiele betreffen, zu den landesrechtlichen, ordnungsrechtlichen Glücksspielregelungen. Im Rahmen seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Wirtschaft gemäß Art. 74 Nr. 11 GG hat der Bundesgesetzgeber u.a. das gewerbliche Spiel anderer Spiele mit Gewinnmöglichkeit (§ 33d GewO) unter Erlaubnisvorbehalt gestellt. Nach § 33h Nr. 3 GewO finden die §§ 33c bis 33g hingegen keine Anwendung auf die Veranstaltung anderer Spiele im Sinne des § 33d Abs. 1 Satz 1, die Glücksspiele im Sinne des § 284 des Strafgesetzbuches sind. Für diese ist der Landesgesetzgeber zuständig.
92Bereits die Anwendbarkeit der Regelungen der §§ 33c ff. GewO auf hier vorliegende Online-Spiele und damit eine Ausübung der Regelungskompetenz des Bundesgesetzgebers ist zweifelhaft, da diese jedenfalls originär und vorrangig das stationäre Spiel betreffen dürften.
93Für den Fall, dass das Angebot der Antragstellerin als ein Unterfall des Glücksspiels in Form der Lotterie/ Ausspielung im Sinne des § 3 Abs. 3 GlüStV eingeordnet werden könnte, dürfte der Landesgesetzgeber schon wegen § 33h Nr. 2 GewO zuständig sein.
94Aber auch der Verweis in § 33h Nr. 3 GewO auf den strafrechtlichen Glücksspielbegriff steht der Annahme, dass der ordnungsrechtliche Glücksspielbegriff jedenfalls insoweit von der strafrechtlichen Definition abweichen kann, als dass keine Erheblichkeitsschwelle für das Entgelt verlangt wird, nicht entgegen. Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 33h aus dem Jahr 1978 „stellt die Vorschrift klar, dass andere Spiele im Sinne des § 33d Abs. 1 Satz 1 – nach dem für Ausspielungen schon eine selbständige Regelung in § 33h Nr. 2 besteht – in Abgrenzung von den Glücksspielen, die der Gesetzgebungskompetenz der Länder unterstehen, Geschicklichkeitsspiele sein müssen“,
95vgl. BT-Drucks. 8/1863, Seite 10; Marcks, in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 86. EL Februar 2021, § 33h Rn. 19, § 33d Rn. 4.
96Demnach besteht für Glücksspiel die landesrechtliche Kompetenz. Eine etwaige Erheblichkeitsschwelle als Abgrenzungskriterium war hingegen von dem Verweis nicht erfasst.
97Damit geht es um den Kern dessen, was die Glücksspieldefinition ausmacht.
98Letztlich ergibt sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
99Urteile vom 16. Oktober 2013 - 8 C 21.12 - und vom 9. Juli 2014 - 8 C 7.13 -, jeweils juris,
100entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht, dass in jedem Fall eine Erheblichkeitsschwelle zu fordern wäre.
101Das Bundesverwaltungsgericht hat bislang lediglich entschieden, dass sich das Tatbestandsmerkmal der Definition nach § 3 GlüStV des „Entgelts für den Erwerb einer Gewinnchance“ mit dem des „Einsatzes“ für ein Glücksspiel im Sinne des § 284 StGB insoweit deckt, als verlangt wird, dass die Gewinnchance gerade aus dem Entgelt erwächst. Der ordnungsrechtliche Glücksspielbegriff dürfe nicht weiter gehen, als der Glücksspielbegriff des § 284 StGB.
102Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass sich die Begriffe auch insoweit decken, als auch beim ordnungsrechtlichen Glücksspielbegriff für das verlangte Entgelt eine Erheblichkeitsschwelle zu fordern wäre. Denn im Gegensatz zum Begriff des „Entgelts für den Erwerb einer Gewinnchance“ und dem geforderten Unmittelbarkeitszusammenhang, ist die Höhe des Einsatzes aufgrund der vielschichtigen (strafrechtlichen) Rechtsprechung zur Erheblichkeit eines Einsatzes derart unübersichtlich und schnelllebig, dass eine generelle Übertragbarkeit einer Erheblichkeitsschwelle auf den Bereich der Gefahrenabwehr ausgeschlossen ist. Der ordnungsrechtliche Glücksspielbegriff kann dementsprechend nicht von der strafrechtlichen, Entwicklung unterliegenden, Erheblichkeitsschwelle abhängig gemacht werden,
103vgl. auch VG Regensburg, Urteil vom 10. November 2016 - 5 K 16.853 -, juris Rn. 64.
104(dd.) Darüber hinaus sprechen der Sinn und Zweck des Glückspielstaatsvertrages ebenfalls dafür, auch Kleinstbeträge nicht von dessen Anwendungsbereich auszunehmen, denn dieser ist auf eine präventive Verhinderung von Gefahren ausgerichtet und damit dem Gefahrenabwehrrecht zuzuordnen. Deshalb werden die öffentlichen entgeltlichen Glücksspielangebote einem Erlaubnisvorbehalt unterstellt, vgl. § 4 Abs. 1 GlüStV 2021. Hierdurch kann etwa bereits im Vorfeld unterbunden werden, dass das Veranstalten des Glücksspiels den Zielen des § 1 GlüStV 2021 zuwider läuft. Demgegenüber lässt sich die strafrechtliche Erheblichkeitsschwelle mit der Ultima Ratio des Strafrechts begründen. Im Strafrecht wird stets an eine in der Vergangenheit liegende Rechtsgutverletzung angeknüpft, wobei nur ausgewählte Verhaltensweisen pönalisiert werden. Aus diesen unterschiedlichen Zwecksetzungen heraus ist es nicht angezeigt, eine teleologische Reduktion des Tatbestands vorzunehmen, die in einschränkender Weise ein Einschreiten verhindern soll, da entscheidend die präventive Verhinderung von Gefahren ist. Damit bleibt vor dem Hintergrund der Effektivität der Gefahrenabwehr kein Raum für eine Erheblichkeitsschwelle,
105so VG Regensburg, Urteil vom 10. November 2016 - 5 K 16.853 -, juris Rn. 64.
106Vor dem Hintergrund der Zielsetzung nach § 1 GlüStV 2021, die Spielsucht zu bekämpfen, den Jugendschutz zu gewährleisten und vor Begleitkriminalität zu schützen, würde es dem Sinn und Zweck des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 zuwider laufen, von einer - wie auch immer gearteten - Erheblichkeitsschwelle auszugehen.
107Dass eine teleologische Reduktion des Wortlauts betreffend die Erheblichkeit des Entgelts nicht geboten ist, zeigt sich gerade in dem Spielangebot der Antragstellerin. Nach dessen konkreter Ausgestaltung besteht die potenziell zur Spielsucht führende Versuchung, die Gewinnchancen durch Erhöhen des Einsatzes zu steigern und erlittene Verluste mit weiteren Einsätzen wettmachen zu wollen. Auch wenn die Gewinner und Gewinnerinnen jeweils erst am Ende des Teilnahmezeitraums feststehen, so werden die Teilnehmenden dennoch bei erlittenem Verlust einer Gewinnrunde dazu animiert, bei der nächsten Gewinnrunde von vornherein mehrmals teilzunehmen, um ihre Gewinnchancen zu erhöhen und Verluste auszugleichen. Darauf ist auch das breite Angebot der Antragstellerin, die eine Vielzahl von Spielen vertreibt, angelegt. Selbst für den Fall, dass ein Abonnement abgeschlossen wurde, kann ausweislich der „Häufigen Fragen“ (FAQ) auf der Internetseite X. .de zusätzlich gegen Zahlung von 0,50 EUR über die von dem Abonnement erfassten (automatischen) Teilnahmen hinaus an weiteren Spielen teilgenommen werden.
108Letztlich kann zwar die seitens der Antragstellerin behauptete Beschränkung auf maximal zehn Teilnahmen pro Tag zu einer Eindämmung der Erhöhung des Einsatzes in Bezug auf ein konkretes Nutzerkonto führen. Sie führt aber nicht dazu, dass von dem Angebot keine Gefahren mit Blick auf eine Spielsucht ausgingen. Zum einen scheint es nicht ausgeschlossen, dass auch eine mehrfache Registrierung derselben Person mangels einer Identifizierung bei der Registrierung möglich ist und damit jedenfalls die Anlegung mehrere Accounts nicht wirksam unterbunden wird. Zur Registrierung auf der Internetseite sind derzeit lediglich die Eingabe einer E-Mail-Adresse sowie eines Passwortes (Ziffer 2.2.1 der AGB) notwendig. Etwas anderes folgt auch nicht aus der in Ziffer 2.2.2 der AGB bezeichneten Verpflichtung, sämtliche Anmeldeformulare wahrheitsgemäß auszufüllen, deren Richtigkeit (lediglich) im Einzelfall überprüft werde. Dies hindert die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht wirkungsvoll im Vorfeld daran, überhaupt an den Spielen teilzunehmen. Jedenfalls in den „Häufigen Fragen“ und Ziffer 2.1 der AGB von X. .de findet sich zudem der Verweis auf die Möglichkeit einer kostenpflichtigen „Gastteilnahme“. Zum anderen reizt die konkrete Ausgestaltung der Spiele auf X. .de zum Spiel an. So wird in einem Countdown unter den jeweiligen Spielen angegeben, wann das nächste Spiel freigeschaltet wird. Darüber hinaus ist auch aus dem Vortrag der Antragstellerin nicht ersichtlich, ob diese dauerhaft die täglichen Teilnahmen auf maximal zehn begrenzen wird oder nur im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens. Gerade der niedrige Einzeleinsatz bei schneller Gewinnspielfolge und breit gefächertem Angebot kann jedoch dazu anreizen, weiteres Geld zu investieren,
109vgl. VG Wiesbaden, Urteil vom 4. Dezember 2012 - 5 K 1267/09 -, juris Rn. 49.
110(ee.) Die Beschränkungen durch den Glücksspielstaatsvertrag sind mit Blick auf das Gebot der Verhältnismäßigkeit auch in dem Fall gerechtfertigt, in dem nur ein geringes Entgelt verlangt wird. Die glücksspielrechtlichen Anforderungen sind geeignet und erforderlich zur Bekämpfung der genannten Gefahren, die Spielangebote, wie das der Antragstellerin, mit sich bringen. Insbesondere gehen sie nicht über das zur Suchtbekämpfung erforderliche Maß hinaus. Die mit einem Erlaubnisvorbehalt einhergehenden Belastungen stehen auch nicht außer Verhältnis zu dem mit dem Glücksspielstaatsvertrag verfolgten Zweck. Das hohe Gewicht der Spielsuchtprävention und des Spielerschutzes - auch bei Spielen mit geringen Entgelten - überwiegt gegenüber den wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin. Denn es wird von der Antragstellerin zunächst lediglich verlangt, das aus überragenden Gründen des Gemeinwohls eingeführte Erlaubnisverfahren für Glücksspiele zu durchlaufen.
111(b.) Die Anwendbarkeit des Glücksspielstaatsvertrages wird auch nicht durch die Regelung in § 11 des Staatsvertrages zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland (Medienstaatsvertrag - MStV) ausgeschlossen. Nach § 2 Abs. 11 GlüStV 2021 gilt für Gewinnspiele im Rundfunk (§ 2 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Medienstaatsvertrages) nur § 11 des Medienstaatsvertrages. § 11 MStV bestimmt, dass Gewinnspielsendungen und Gewinnspiele zulässig sind, wobei nach Satz 6 der Vorschrift für die Teilnahme nur ein Entgelt bis zu 0,50 Euro verlangt werden darf.
112Entgegen der von der Antragstellerin vertretenen Auffassung stellen die von ihr auf der Internetseite X. .de angebotenen Spiele keine Gewinnspiele im Rundfunk im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 MStV dar. Unabhängig von der Frage, ob eine etwaige Überschreitung der 0,50 EUR-Grenze dazu führte, dass aus einem nach dem Medienstaatsvertrag zulässigen Gewinnspiel ein dem Glücksspielstaatsvertrag unterliegendes Glücksspiel würde, liegt bereits kein Spiel „im Rundfunk“ vor, zu dem nur eine weitere Teilnahmemöglichkeit angeboten würde.
113Es handelt sich nicht deshalb um Gewinnspiele „im Rundfunk“, weil die Antragstellerin auf ihrer Internetseite die Teilnahme an kostenpflichtigen Gewinnspielen anbietet, die ihrer Ausgestaltung nach an das TV-Format anknüpfen. Vielmehr geht das Angebot - wie die Antragsgegnerin zutreffend ausführt - über die Eröffnung eines weiteren Teilnahmeweges neben einem Anruf, einer SMS oder einer Postkarte hinaus, weshalb eine zusätzliche Veranstaltung vorliegt. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung des § 11 MStV sollten Gewinnspiele im Rundfunk, die durch ihren Show- und Unterhaltungscharakter geprägt sind, ermöglicht werden,
114vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 93/10 -, juris Rn. 66.
115Gemessen daran handelt sich vorliegend nicht lediglich um einen weiteren Teilnahmeweg, mit dem die Zuschauer und Zuschauerinnen an die Sendung gebunden werden würden.
116Das Angebot auf der Internetseite ist insofern losgelöst von der TV-Sendung, als diese nicht einmal eingeschaltet werden muss. So erfolgt die Nennung der Frage, des Kennworts o.ä. auch auf der Internetseite. Zudem ist eine Teilnahme schon wenige Tage vor Ausstrahlung der TV-Sendung möglich. Der Umstand allein, dass die Gewinnerziehung in der Sendung erfolgt, macht das Internetangebot nicht zu einem Gewinnspiel im Rundfunk. Zudem wird der Gewinner seitens der Antragstellerin je nach Ausgestaltung des konkreten Gewinnspiels zusätzlich benachrichtigt. Auch bei Voting-Gewinnspielen ist nach den Teilnahmebedingungen eine automatische Teilnahme im Rahmen des Monats-Abos möglich. Selbst bei diesen Formaten muss demnach die TV-Sendung nicht einmal eingeschaltet werden. Dadurch wird dem Rundfunkprogramm keine zusätzliche Attraktivität verliehen.
117Dahinstehen kann, ob es sich bei den angebotenen Spielen gemäß § 22 Abs. 3 MStV um Gewinnspiele in Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, in denen insbesondere vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben werden, nach § 19 Abs. 1 MStV handelt bzw. um rundfunkähnliche Telemedien (= audiovisueller fernsehähnlicher Abruf, Mediathek/Streaming, § 74 MStV), wofür bei der konkreten Ausgestaltung derzeit wenig spricht. Denn Telemedien sind - anders als von der Antragstellerin angenommen - schon nicht von der Bereichsausnahme des § 2 Abs. 11 GlüStV 2021 erfasst. Dies ergibt sich zum einen aus dem eindeutigen Wortlaut, der auf die Definition des Rundfunks in § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 MStV Bezug nimmt, nicht aber auf die Definition der Telemedien in § 2 Abs. 1 Satz 3 MStV. Zum anderen spricht auch die Gesetzesbegründung zur Vorgängerreglung in § 2 Abs. 6 Erster Glücksspieländerungsstaatsvertrag 2012, wonach es für Gewinnspiele in vergleichbaren Medien aufgrund in der Vergangenheit festzustellender Umgehungsversuche der glücksspielrechtlichen Verbote im Internet bei der Anwendbarkeit des Glücksspielrechts bleibe,
118vgl. Bayerischer Landtag, Drucks. 16/11995, S. 21; Atamanczuk, in BeckOK, Informations- und Medienrecht, 1.5.2022, § 11 MStV Rn. 10,
119für ein solches Verständnis.
120(c.) Die Teilnahme über die Internetseite X. .de ist auch Personen möglich, die sich zum Zeitpunkt der Spielteilnahme in Deutschland aufhalten, § 3 Abs. 4 GlüStV 2021.
121(d.) Das Internetangebot der Antragstellerin stellt darüber hinaus unerlaubtes Glücksspiel dar, weil die Antragstellerin nicht über die nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 GlüStV 2021 erforderliche Erlaubnis verfügt. Sie hat die Erteilung einer solchen Erlaubnis auch nicht beantragt.
122(e.) Ermessensfehler sind nach summarischer Prüfung nicht ersichtlich. § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV stellt es in das pflichtgemäße Ermessen der Glücksspielaufsicht, ob, wie und gegen wen sie bei Verstößen gegen den Glücksspielstaatsvertrag einschreitet. Die hier in Streit stehenden Anordnungen lassen nach summarischer Prüfung Rechtsfehler nicht erkennen.
123Auch das Verhältnismäßigkeitsgebot verpflichtet die Antragsgegnerin nicht, eine formell illegale Tätigkeit zu dulden. Etwas anderes wäre anzunehmen, wenn die formell illegale Tätigkeit die materiellen Erlaubnisvoraussetzungen erfüllte und dies offensichtlich wäre, d.h. ohne weitere Prüfung erkennbar ist, so dass die Untersagung nicht mehr zur Gefahrenabwehr erforderlich ist. Verbleibende Unklarheiten oder Zweifel an der Erfüllung der Erlaubnisvoraussetzungen rechtfertigen dagegen ein Einschreiten. In diesem Fall war und ist nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung die Untersagung notwendig, um die Klärung im Erlaubnisverfahren zu sichern und so zu verhindern, dass durch die unerlaubte Tätigkeit vollendete Tatsachen geschaffen und ungeprüfte Gefahren verwirklicht werden,
124vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Februar 2015 - 8 B 36.14 -, juris Rn. 13 m.w.N.
125Das Angebot der Antragstellerin ist nach summarischer Prüfung jedenfalls materiell nicht offensichtlich erlaubnisfähig. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Antragstellerin bislang keinen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis mit entsprechenden Unterlagen gestellt hat bzw. nicht dargelegt hat, dass die nach § 4 GlüStV 2021 zu erfüllenden Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis vorlägen. Jedenfalls stünden das Totalverbot des § 4 Abs. 3 GlüStV, wonach die Teilnahme von Minderjährigen unzulässig ist, bzw. das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Nr. 1 GlüStV voraussichtlich der Erlaubnisfähigkeit entgegen. Zwar ist nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Nutzung von X. .de (AGB) (Ziffer 2.2.3.) Minderjährigen unter 18 Jahren die Teilnahme nicht gestattet. Es ist jedoch nicht ersichtlich, ob und wie eine Kontrolle durch Identifizierung gewährleistet ist. Zu den zur Registrierung erforderlichen Angaben und der vorbehaltenen Kontrolle der Richtigkeit der weiteren Angaben gilt das bereits Gesagte. Gerade im Hinblick auf das gesetzliche Ziel, Jugendliche vor den Gefahren des Glücksspielrechts zu bewahren (§ 1 GlüStV), ist es nicht ausreichend, nur die Auszahlung des Gewinns, nicht jedoch in jedem Fall die - zudem entgeltpflichtige - Teilnahme an dem Glücksspiel von dem Nachweis der Volljährigkeit abhängig zu machen,
126vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 16. Oktober 2009 - 23 CS 19.2009 -, juris Rn. 20 f.
127Zudem ist derzeit weder ersichtlich noch vorgetragen, ob und inwieweit eine Kontrolle gesperrter Spieler durch die Antragstellerin sichergestellt ist - bzw. mangels Identitätskontrolle bei der Registrierung stattfinden könnte.
128Die getroffenen Anordnungen sind auch erforderlich, um den Erlaubnisvorbehalt durchzusetzen. Die Antragsgegnerin geht zutreffend davon aus, dass ein milderes Mittel, welches den Verstoß des konkreten Angebots gegen die glücksspielrechtlichen Regelungen in gleich geeigneter Weise beseitigen würde, nicht besteht. Die Angemessenheit der Ordnungsverfügung wird ferner nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Antragstellerin möglicherweise finanzielle Verluste hinnehmen muss und sich Rückforderungen der bereits registrierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern ausgesetzt sieht. Das Betreiben des Spielangebotes erfolgte allein auf Initiative der Antragstellerin, für die sie allein auch das wirtschaftliche Risiko trägt,
129vgl. VG Münster, Beschluss vom 14. Juni 2010 - 1 L 155/10 -, juris Rn. 64.
130Die von der Antragsgegnerin gesetzte Frist zur Einstellung des auf der Internetseite der Antragstellerin angebotenen Gewinnspiels innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Bescheides begegnet keinen Bedenken. Zum einen wusste die Antragstellerin seit ihrer Anhörung vom 1. März 2022 von den rechtlichen Bedenken des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt. Am 25. Mai 2022 wurde ihr zudem der beabsichtigte Zeitpunkt des Erlasses der Untersagungsverfügung sowie die beabsichtigte Umsetzungsfrist von zwei Wochen mitgeteilt. Zum anderen war ihr - wie sich im weitere Verlauf des Verfahrens herausgestellt hat - auch die technische Umsetzung - jedenfalls auf eine kostenlose Variante - innerhalb zwei Wochen ab Bekanntgabe möglich. Ausweislich der Ausführungen der Antragsgegnerin stellt die Antragstellerin zumindest ab dem 4. Juli 2022 ihr Angebot kostenlos zur Verfügung.
131(f.) Nach summarischer Prüfung erweist sich die Untersagungsverfügung auch als hinreichend bestimmt im Sinne des § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), § 1 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz Sachsen-Anhalt (VwVfG LSA). Dem Bestimmtheitsgrundsatz wird Genüge getan, wenn der Adressat auf Grund des Tenors und der Begründung des Verwaltungsakts sowie der sonst erkennbaren Umstände ersehen kann, was durch diesen gefordert wird. Zudem muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können,
132vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2013 - 8 C 21.12 -, juris Rn. 13f. m.w.N.
133Dadurch, dass die Bestimmtheit nach § 37 Abs. 1 VwVfG lediglich „hinreichend“ sein muss, wird klargestellt, dass die Bestimmbarkeit des Regelungsinhaltes genügt. Dabei ist auch die Verwendung generalisierender Begriffe möglich, wenn sie eine Bestimmbarkeit im konkreten Fall gestatten, etwa durch Beifügung von Beispielen in Fällen, in denen ein engerer Oberbegriff nicht mehr vorhanden ist. Für die Bestimmtheit einer glücksspielrechtlichen Untersagungsverfügung ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn in der Begründung detailliert beschrieben wird, welche bisherigen Glücksspiele auf welcher Internetseite eines Glücksspielveranstalters nicht mehr veranstaltet werden dürfen,
134vgl. OVG Nds., Beschluss vom 18. Juni 2018 - 11 LA 237/16 -, juris Rn. 12 m.w.N.
135Gemessen daran genügt die Untersagungsverfügung den Bestimmtheitsanforderungen. Der Tenor der Verfügung, mit dem der Antragstellerin untersagt wird, selbst, durch Dritte oder durch verbundene Unternehmen - insbesondere durch Tochterunternehmen oder deren Tochterunternehmen - im Internet, insbesondere auf der Internetseite https://www.X. .de, unerlaubtes öffentliches Glücksspiel in Deutschland zu veranstalten, zu vermitteln, zu unterstützen oder zu bewerben, ist über die namentlichen Erwähnung des Internetportals hinaus dadurch hinreichend konkretisiert, dass in der Begründung der Verfügung die untersagten Glücksspiele näher beschrieben werden. Als sachkundige Adressatin kann die Antragstellerin ersehen, welche Angebote ihr untersagt werden. Zu Beginn der Begründung der Verfügung nimmt die Antragsgegnerin Bezug auf die auf der Internetseite veranstalteten kostenpflichtigen Spiele, deren Angebot - für die Antragstellerin erkennbar - Anlass für das Einschreiten der Antragsgegnerin waren. Dadurch sind sowohl Zweifel bei dem Angebot künftiger Spiele als auch hinsichtlich des Vollzugs der Verfügung ausgeräumt. Es kann davon ausgegangen werden, dass die mit dem Vollzug der Verfügung befassten Mitarbeiter über die erforderliche Sachkunde verfügen, um festzustellen, welche Spielangebote davon erfasst werden. Dem steht nicht der Zuständigkeitsübergang vom Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt auf die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder entgegen. Eine abschließende Aufzählung der Spiele ist schon aufgrund des wechselnden Angebots nicht möglich.
136(g.) Aus den genannten Gründen ist neben der Untersagung der Veranstaltung unerlaubten öffentlichen Glücksspiels in Deutschland auch gegen die Untersagung der Vermittlung und Unterstützung unerlaubter Glücksspiele sowie der Werbung hierfür nichts zu erinnern.
137(4.) Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich des angedrohten Zwangsgeldes (Ziffer 3 des Bescheides) hat ebenfalls keinen Erfolg. Die Zwangsgeldandrohung, die ihre Grundlage in den § 53 Abs. 1, 3 Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA), § 54 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SOG LSA, § 59, 84 Abs. 1 Nr. 3 SOG LSA findet, ist nach summarischer Prüfung weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden. Insbesondere berücksichtigt das Zwangsgeld das wirtschaftliche Interesse, dass die Pflichtige an der Vornahme oder an dem Unterbleiben der Handlung hat, § 9 Abs. 2 Satz 2 GlüStV 2021. Auf die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung bezogene Bedenken werden von der Antragstellerin auch lediglich hinsichtlich der Zwei-Wochen-Frist geltend gemacht. Diese ist nach den obigen Ausführungen angemessen.
138(5.) Das besondere Vollzugsinteresse, das bereits durch die in § 9 Abs. 2 Satz 1 GlüStV 2021 gesetzlich angeordnete sofortige Vollziehung indiziert ist, entfällt entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht deshalb, weil sowohl die damals zuständige Glücksspielaufsicht des Landes Sachsen als auch das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt selbst im Jahr 2017 Kenntnis von ihrem Angebot erlangt hätten und nicht eingeschritten seien. Nach dem Vortrag der Antragsgegnerin und ausweislich des Verwaltungsvorgangs hat das Referat 208 des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt mit seiner länderübergreifenden Zuständigkeit erstmals im Januar 2022 von X. .de erfahren und unverzüglich ein Verfahren eingeleitet. Es besteht auch kein höheres besonderes Suspensivinteresse der Antragstellerin. Diese ist bereits deshalb deutlich geringer einzuschätzen, weil sie mit der Aufnahme des Betriebs der Internetseite ohne die erforderliche Erlaubnis und jedenfalls in fahrlässiger Unkenntnis, dass ihr Angebot unter den Glücksspielbegriff fällt, das Risiko einer Untersagung in Kauf genommen hat.
139Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
1402. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und entspricht der Höhe des angedrohten Zwangsgeldes. Da dieses höher ist als der für die Untersagungsverfügung selbst zu bemessende Streitwert (15.000,00 Euro), ist dieser höhere Wert anzusetzen (vgl. 1.7.2 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit). Aufgrund der Vorläufigkeit des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist dieser Wert zu halbieren, vgl. ebd., Ziffer 1.5.
141Rechtsmittelbelehrung
142Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
143Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
144Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
145Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
146Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
147Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
148Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
149Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
150Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.