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Verwaltungsgericht Minden, 1 L 729/23

Datum:
16.08.2023
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 L 729/23
ECLI:
ECLI:DE:VGMI:2023:0816.1L729.23.00
 
Schlagworte:
Berichterstattung in eigener Sache Blog Film Gerichtsgebäude Hausrecht Internet Justizverwaltungsakt Medien, neue Mitführen von Aufnahmegeräten Presse Presseausweis Pressekodex Pressevertreter Rundfunk Verwaltungsrechtsweg Videoplattform
Normen:
GG Art 5 Abs 1 S 2 Alt 1 EGGVG § 23 Abs 1 GVG § 169 Abs 1 S 2 VwGO § 40 Abs 1
Leitsätze:

1. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG war von Anfang an auf eine umfassende Erfassung jegli-cher Medien angelegt. Seine Beschränkung auf Presse, Rundfunk und Film ist allein historisch bedingt.

2. Allen neuen Medien, die sich nicht als Rundfunk oder Film darstellen, ist zumin-dest auf der Rechtsfolgenseite ein Schutz wie der Presse zu gewähren. Dies gilt nicht nur für die digitale Transformation klassischer Zeitungsangebote im Internet ("Online-Zeitung"), sondern auch für sonstige Informationsangebote im Internet, wie z.B. Blogs oder Videoplattformen.

3. Um vom persönlichen Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG erfasst zu werden, ist eine gewisse Strukturierung der Informationsweitergabe erforderlich, so dass z.B. bloße Äußerungen in einem Chat-Room nicht unter die Presse-, sondern unter die Meinungsfreiheit fallen.

4. Ob Pressevertreter über einen Presseausweis verfügen, ist für ihre Einbeziehung in den persönlichen Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG unbeachtlich.

5. Pressevertretern ist die Mitnahme der für ihre Berichterstattung erforderlichen Ge-räte in ein Gerichtsgebäude zu gestatten.

6. Die Absicht eines Pressevertreters, über ein ihn selbst betreffendes Gerichtsverfahren zu berichten, schließt eine Berufung auf die Pressefreiheit nicht aus.

7. Weder Ziffer 6 des Pressekodex noch den übrigen Maßgaben des Pressekodex lässt sich ein "Verbot" der Berichterstattung in eigener Sache entnehmen.

8. Jedenfalls vereinzelte Verstöße gegen den Pressekodex führen nicht zu einem Verlust des Schutzes aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG.

9. Ob für einen von einem Pressevertreter beabsichtigten Beitrag ein besonderes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht, ist in Bezug auf die Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG rechtlich unerheblich.

10. Ein Pressevertreter kann nicht pauschal darauf verwiesen werden, er könne au-ßerhalb eines Gerichtsgebäudes filmen oder schriftlich über den Verlauf eines ge-richtlichen Verfahrens berichten.

VG Minden, Beschluss vom 16. August 2023 - 1 L 729/23

 
Tenor:

1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller am 18. August 2023 im Zeitraum von 15 Minuten vor Beginn der mündlichen Verhandlung im Verfahren 00000 bis 20 Minuten nach Schluss dieser mündlichen Verhandlung zu gestatten, die folgenden Gegenstände im Gebäude des Landgerichts C.         mit sich zu führen:

- zwei Smartphones mit Videoaufzeichnungsfunktion im ausgeschalteten Zustand,

- zwei Stative und

- ein Laptop im ausgeschalteten Zustand.

Sitzungspolizeiliche Maßnahmen bleiben unberührt.

Im Übrigen wird der Antrag des Antragstellers abgelehnt.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller und der Antragsgegner je zur Hälfte.

3. Der Streitwert wird auf 5.000,- € festgesetzt.

 
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