Seite drucken Entscheidung als PDF runterladen
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.10.2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
2Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 25.10.2012 ist zulässig, in der Sache indes nicht begründet.
31. Das SG Düsseldorf hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgewiesen.
4a) Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -, BVerfGK 5, 237 = NVwZ 2005, Seite 927).
5b) Diese Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind nicht erfüllt. Die Antragstellerin hat weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht.
6aa) Zwischen den Beteiligten steht nicht im Streit, dass die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner einen Anspruch auf Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 6 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und damit gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 und § 54 Abs. 1 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) als Leistung der Eingliederungshilfe hat. Gemäß § 57 SGB XII können die Leistungen der Eingliederungshilfe auf Antrag auch als Teil eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets erbracht werden. Auch dies steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit; denn der Antragsgegner ist unverändert bereit, der Antragstellerin das Persönliche Budget bei Beauftragung eines vom Antragsgegner zertifizierten BeWO-Anbieters (weiterhin) zu bewilligen. Das SG hat zu Recht ausgeführt, dass die Eingliederungshilfe unter diesen Umständen nahtlos fortgesetzt werden könnte.
7bb) Die Beteiligten streiten allein darüber, ob die Antragstellerin insoweit eine weitere Betreuung ausschließlich durch Frau I beanspruchen kann.
8Zwar muss bei der zu treffenden Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch und bei der Auslegung der einschlägigen Rechtsgrundlagen die dem persönlichen Budget zugrundeliegende Zielsetzung berücksichtigt werden, dem Leistungsberechtigten ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen (§ 57 Satz 2 SGB IX i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 SGB IX) und dem bereits in § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ausdrücklich geregelten Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten zu entsprechen (BSG, Urteil vom 30.11.2011, B 11 AL 7/10 R, Juris Rn. 17). Das Budget muss den Betroffenen befähigen, eine vollwertige Alternative zur Sachleistung zu realisieren. Es begründet aber keinen Anspruch auf neue Formen der Teilhabeleistung, sondern lediglich die Möglichkeit, anstelle der Inanspruchnahme der durch den Rehabilitationsträger bereitgestellten Sachleistung sich selbst die erforderlichen Hilfen zu organisieren. Am Charakter und der Zielrichtung der zugrundeliegenden Teilhabeleistungen ändert sich durch das persönliche Budget nichts; auch bei dessen Gewährung muss es sich mithin um finale, auf ein bestimmtes Rehabilitationsziel gerichtete Leistungen handeln. Das bedeutet, dass die selbstbeschafften Hilfen den allgemeinen Anforderungen an Teilhabeleistungen in gleicher Weise entsprechen müssen wie die von Seiten der Rehabilitationsträger erbrachten Leistungen (zum Vorstehenden: LSG Hessen, Beschluss vom 22.06.2012, B 4 SO 121/12 B ER, L 4 SO 122/12 B, Juris Rn. 7 m.w.N.).
9Zu diesen grundlegenden allgemeinen Anforderungen an Teilhabeleistungen gehört, dass diese durch fachlich ausreichend qualifiziertes Personal erbracht werden. Normativ ergibt sich dies u. a. aus §§ 20, 21 SGB IX. Danach sind die Leistungserbringer verpflichtet, u.a. ein Qualitätsmanagement zu betreiben, das durch zielgerichtete und systematische Verfahren und Maßnahmen die Qualität der Versorgung gewährleistet und kontinuierlich verbessert (§ 20 Abs. 2 SGB IX). Verträge über die Ausführung von Leistungen durch Rehabilitationsdienste und -einrichtungen, die nicht in der Trägerschaft eines Rehabilitationsträgers stehen, enthalten insbesondere Regelungen über die Qualitätsanforderungen an die Ausführung der Leistungen, das beteiligte Personal und die begleitenden Fachdienste (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX). Verträge mit fachlich nicht geeigneten Diensten oder Einrichtungen sind zu kündigen (§ 21 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Entsprechend schreibt § 4 Abs. 1 Nr. 3 der Budgetverordnung (§ 20a SGB IX) für die Zielvereinbarung vor, dass in dieser Regelungen zur Qualitätssicherung zu treffen sind (zum Vorstehenden: LSG Hessen, a.a.O., Rn. 8).
10Ob Frau I als bisherige Betreuungsperson der Antragstellerin ausreichend qualifiziert und geeignet in diesem Sinn ist, vermochte der Senat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren aus zeitlichen Gründen nicht zu klären. Der Antragsgegnerin ist der Qualifikation und Eignung mit dem substantiierten Vortrag entgegengetreten, die inhaltliche Ausrichtung der Ausbildung von Frau I sei nicht so angelegt, dass diese sie in ihren wesentlichen Schwerpunkten für die fragliche Funktion oder Tätigkeit in der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen in der Eingliederungshilfe qualifiziere. Ferner sei seit der Betreuung der Antragstellerin durch Frau I bislang keines der in den jeweiligen Hilfeplänen ausgewiesenen Ziele erreicht worden. So habe der Ortstermin am 29.05.2012 gezeigt, dass das Ziel einer selbständigen Haushaltsführung nicht erreicht worden sei. Das eigentliche Ziel eines Persönlichen Budgets, dem Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, werde durch Frau I damit nicht gefördert. Auch lasse sie im Verhältnis zur Antragstellerin die notwendige professionelle Distanz vermissen und lege eine "Überbehütung" gegenüber der Antragstellerin an den Tag. Die Antragstellerin ist dem entgegengetreten; Frau I wirke auf sie gerade stabilisierend.
11Die Antragstellerin hat vor diesem Hintergrund der derzeit umstrittenen Qualifikation und Eignung von Frau I nicht glaubhaft gemacht, dass sie gegenwärtig von dem Antragsgegner Hilfe zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten als Leistung der Eingliederungshilfe in der Weise mit Erfolg beanspruchen kann, dass die weitere Betreuung ausschließlich durch Frau I zu erfolgen hat.
12Weder hat die Antragstellerin hinreichend glaubhaft gemacht noch ist zu erkennen, dass es für sie unzumutbar wäre, wenn der Antragsgegner die von ihm wiederholt angebotene Hilfe zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten (jedenfalls) bis zu einer Klärung der Qualifikation und Eignung von Frau I durch eine andere Betreuungsperson erbringt. Es ist zur Überzeugung des Senates derzeit nicht zu ersehen, dass dies schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen für die Antragstellerin zur Folge haben könnte, die durch ein Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Der Senat nimmt insoweit auf die in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Beschluss Bezug und macht sich diese nach Prüfung zu eigen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
13Das Vorbringen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren rechtfertigt keine andere rechtliche Bewertung. Der Senat hat von dem die Antragstellerin behandelnden Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B eine ergänzende Stellungnahme zu seinem im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Attest vom 22.10.2012 eingeholt. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 07.01.2013 hat Dr. B ausgeführt, bei der Antragstellerin könne "nicht ausgeschlossen werden, dass bei einem Wechsel der betreutes Wohnen anbietenden Person eine Verschlechterung der Psyche eintritt, da nicht sicher ist, dass eine interpersonelle Beziehung gleicher Art hergestellt werden kann". Bei der Antragstellerin sei "bekannt, dass sie bei Wechsel von Bezugspersonen mit einer Verschlechterung der psychischen Gesundheit reagieren kann". Zur Überzeugung des Senates ist eine Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustandes der Antragstellerin bei einem Wechsel der Betreuungsperson damit weder sicher noch wahrscheinlich, sondern allein möglich ("kann").
14Etwas anderes folgt auch nicht aus der von der Antragstellerin vorgelegten Stellungnahme des Diplom-Psychologen Herrn E vom 28.12.2012. Nach dessen Einschätzung wäre ein Betreuungswechsel zwar "sicherlich erneut traumatisierend". Er hat dies aber damit begründet, dass die Antragstellerin "ihre Symptomatik entwickeln könnte". Dass mit einer Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustandes der Antragstellerin zu rechnen oder eine solche auch nur wahrscheinlich sei, hat damit auch Herr E nicht festgestellt, sondern eine solche ebenso wie Dr. B ausschließlich für möglich gehalten ("könnte") und im Falle einer möglichen Verschlechterung eine stationäre Behandlung "nicht ausgeschlossen".
15Auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung sah sich der Senat deshalb nicht veranlasst, die Antragsgegnerin einstweilen zu verpflichten, der Antragstellerin Hilfe zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten durch eine Betreuung ausschließlich durch Frau I zu erbringen. Hierbei hat der Senat maßgeblich auch berücksichtigt, dass die Antragstellerin die Möglichkeit hat, bei dem Antragsgegner auf eine Veränderung der Betreuungsperson hinzuwirken sowie ggf. einen neuen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu stellen, sofern sich im Umgang mit der neuen Betreuungsperson tatsächlich erweisen sollte, dass erstens eine interpersonelle Beziehung gleicher Art nicht aufgebaut werden kann und zweitens dies zu einer Destabilisierung der psychischen Verfassung der Antragstellerin führen würde. Dies erscheint auch deshalb als zumutbar, weil in der Vergangenheit bei der Antragstellerin bereits die Betreuungsperson wechselte, ohne dass es hierbei, soweit nach Aktenlage erkennbar, zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Antragstellerin gekommen wäre.
162. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.
173. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).