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1. Die Anforderungen, die das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 27.07.2011 – 7 ABR 61/10 – für den Abbruch einer Betriebsratswahl beschrieben hat (voraussichtliche Nichtigkeit der Wahl) sind auch der Maßstab bei einem Streit über die Wirksamkeit der Bestellung des Wahlvorstandes.
2. Im einstweiligen Verfügungsverfahren ist der Antrag gerichtet auf Feststellung der Nichtigkeit eines Betriebsratsbeschlusses über die Einsetzung des Wahlvorstandes nicht zulässig (a.A. LAG Nürnberg, Beschlüsse vom 30.03.2006, 6 TaBV 19/06 und vom 15.05.2006, 2 TaBV 29/06).
Auf die Beschwerde des Betriebsrats und des Wahlvorstandes wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 18.07.2013 – 2 BVGa 2/13 – unter Zurückweisung der Beschwerde der Arbeitgeberin abgeändert und die Anträge der Arbeitgeberin abgewiesen.
Gründe
2A.
3Die Beteiligten des vorliegenden Beschlussverfahrens streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes über einen Beschluss des Beteiligten zu 2. (im Folgenden: Betriebsrat) aus Juni 2013, mit dem dieser einen 9-köpfigen Wahlvorstand, den Beteiligten zu 3. (im Folgenden: Wahlvorstand) für die Durchführung der Betriebsratswahlen im Frühjahr 2014 bestellt hat.
4Die Antragstellerin (im Folgenden: Arbeitgeberin) unterhält unter anderem in P1einen Produktionsstandort, welcher auf die Aluminiumproduktion spezialisiert ist. Sie beschäftigt dort etwa 450 Arbeitnehmer; es ist ein 11-köpfiger Betriebsrat gewählt. Die letzten Wahlen zum Betriebsrat haben am 24.03.2010 stattgefunden; die Amtszeit des Betriebsrates begann am 16.04.2010.
5Mit Beschluss vom 28.06.2013 bestellte der Betriebsrat einen Wahlvorstand für die Durchführung der Betriebsratswahlen im Jahre 2014 und teilte dem Personalleiter des Werkes diesen Beschluss im Einzelnen mit; dabei bezeichnete er die bestellten Wahlvorstandsmitglieder namentlich. Wegen dieser Nachricht wird auf die Kopie Bl. 48, 49 der Akte Bezug genommen.
6Mit Schreiben vom 02.07.2013 (Bl. 50 d.A.) wiesen die Prokuristen J1 und T1 den Betriebsrat zu Händen seines Vorsitzenden darauf hin, dass die Arbeitgeberin die Bestellung des Wahlvorstandes für verfrüht halte und im Übrigen die Erforderlichkeit eines Wahlvorstandes, bestehend aus neun Mitgliedern, nicht erforderlich sei.
7Nachdem der Betriebsrat, vertreten durch seinen Verfahrensbevollmächtigten, mit Schreiben vom 08.07.2013 (Bl. 51 d.A.) seine Auffassung mitteilte, dass er den Betriebsratsbeschluss vom 28.06.2013 über die Einsetzung des Wahlvorstandes für wirksam halte, hat die Arbeitgeberin mit Antrag vom 12.07.2013, beim Arbeitsgericht Iserlohn am selben Tage vorab per Telefax eingegangen, einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Beschlussverfahren formuliert, mit welchem sie in der Hauptsache in die Feststellung der Unwirksamkeit des Betriebsratsbeschlusses vom 28.06.2013 sowie die Untersagung der Einleitung einer Betriebsratswahl gegenüber dem Wahlvorstand durchzusetzen beabsichtigt hat.
8Sie hat vorgetragen:
9Ein Feststellungsantrag, gerichtet gegen die Wirksamkeit des Beschlusses des Betriebsrates vom 28.06.2013, sei auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchsetzbar, da ansonsten anderweitiger Rechtsschutz nicht gewährleistet werden könne. Aufgrund der Unwirksamkeit des Beschlusses zur Bestellung des Wahlvorstandes sei letzterem die Einleitung einer Betriebsratswahl zu untersagen, hilfsweise sei er abzuberufen. Jedenfalls müsse das Gericht den Betriebsrat aufgeben, nicht vor Beginn genau festgelegter Zeiträume einen nicht mehr als drei Mitglieder starken Wahlvorstand zu bestellen.
10Die Unwirksamkeit des Betriebsratsbeschlusses vom 28.06.2013 ergebe sich daraus, dass weder der Zeitpunkt zur Bestellung des Wahlvorstandes, noch die Größe des Wahlvorstandes erforderlich sei. In der Vergangenheit habe der Betriebsrat einen 3- bzw. 5-köpfigen Wahlvorstand bestellt, womit die Betriebsratswahlen reibungslos hätten durchgeführt werden können.
11Die Vorgehensweise des Betriebsrats sei im Übrigen rechtsmissbräuchlich. Hintergrund hierfür sei, dass die Arbeitgeberin den bei ihr gebildeten Wirtschaftsausschuss unter dem 20.06.2013 über geplante Reorganisationsmaßnahmen unterrichtet habe, die aller Voraussicht nach mit personellen Abbaumaßnahmen einhergehen würden. Allein diese Mitteilung habe der Betriebsrat zum Anlass genommen, zum Zeitpunkt des 28.06.2013 den Wahlvorstand in der geschehenen Größe zu bestellen, um den berufenen Arbeitnehmern besonderen Kündigungsschutz zu verschaffen.
12Die Arbeitgeberin hat beantragt,
131. es wird festgestellt, dass der Beschluss des Antragsgegners zu 1. vom 28.06.2013 über die Bestellung eines Wahlvorstandes unwirksam ist.
142. Dem Antragsgegner zu 2. wird die Einleitung einer Betriebsratswahl untersagt.
153. Hilfsweise für den Fall, dass der Antrag zu 1. zurückgewiesen wird: Der durch Beschluss des Antragsgegners zu 1. vom 28.06.2013 bestellte Wahlvorstand wird abberufen.
164. Für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. oder mit dem Antrag zu 3.:
17a) Dem Antragsgegner zu 1. wird untersagt, für die im Jahr 2014 stattfindende regelmäßige Betriebsratswahl einen Wahlvorstand
18aa) vor dem 04.02.2014
19bb) hilfsweise zu aa): vor dem 14.01.2014
20cc) hilfsweise zu bb): vor dem 24.12.2013
21dd) hilfsweise zu cc): vor dem 26.11.2013
22ee) hilfsweise zu dd): vor einem vom Gericht zu bestimmenden Zeitpunkt zu bestellen.
23und/oder
24b) dem Antragsgegner zu 1. wird untersagt, für die im Jahr 2014 stattfindende regelmäßige Betriebsratswahl einen Wahlvorstand mit mehr als drei Mitgliedern zu bestellen.
255. Für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 2. und/oder mit dem Antrag zu 4.: Den Antragsgegnern wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehenden Unterlassungspflichten ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber EUR 10.000,00 (i.W.: zehntausend und 00/100 Euro) nicht unterschreiten sollte, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, jeweils zu vollziehen an ihrem Vorsitzenden, angedroht.
26Der Betriebsrat sowie der Wahlvorstand haben beantragt,
27die Anträge abzuweisen.
28Sie haben vorgetragen:
29Der Beschluss des Betriebsrates vom 28.06.2013 sei nicht zu beanstanden. Die Größe des Wahlvorstandes sei erforderlich, weil bei der Arbeitgeberin zum Teil ein Schichtsystem gefahren werde mit der Folge, dass der oder die Wahlräume über einen Zeitraum von mehreren Schichten offengehalten werden müssten. Sofern das Wahlgeschehen sich auf mehrere Tage verteile und eingeplant werde, dass Mitglieder des Wahlvorstandes bei Beaufsichtigung der Wahl auf die Toilette gehen müssten oder erkranken könnten, ergebe sich die notwendige Zahl von neun Mitgliedern des Wahlvorstandes. Der Zeitpunkt vom 28.06.2013 sei auch nicht verfrüht gewesen, da die maßgeblichen Anmeldefristen für Schulungen von Wahlvorstandsmitgliedern, die in aller Regel im Herbst stattfinden würden, bereits jetzt zu laufen begönnen. Einen Zusammenhang mit den von der Arbeitgeberin geplanten Reorganisationsmaßnahmen gebe es nicht; insbesondere könne ein Bezug zu den vom Betriebsrat bestellten Mitgliedern des Wahlvorstandes nicht hergestellt werden.
30Im Übrigen seien die Anträge der Arbeitgeberin bereits aus Rechtsgründen zweifelhaft, da ein Feststellungsbegehren im einstweiligen Rechtsschutz nicht gestellt werden könne, eine Abberufung des Wahlvorstandes durch das Gericht nicht möglich sei und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegenüber Wahlvorstand und Betriebsrat ohnehin nicht möglich sein, da diese vermögenslos seien.
31Durch Beschluss vom 18.07.2013, den Vertretern der Beteiligten jeweils am 22.07.2013 zugestellt, hat das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit des Beschlusses des Betriebsrates vom 28.06.2013 festgestellt, dem Wahlvorstand die Einleitung einer Betriebsratswahl untersagt und letzteres mit einer Vollstreckungsandrohung versehen. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Anträge der Arbeitgeberin abgewiesen. Wegen der Einzelheiten des am 18.07.2013 verkündeten Beschlusses wird auf Bl. 63 ff. d.A. Bezug genommen.
32Mit der vorliegenden, am 06.08.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und im selben Schriftsatz begründeten Beschwerde begehren Betriebsrat und Wahlvorstand weiterhin die Abweisung der Arbeitgeberanträge. Sie halten die angegriffene Entscheidung insoweit für rechtsfehlerhaft, als das ein Eingriff in eine Betriebsratswahl nur in Betracht komme, wenn diese bei einer vorausschauenden Betrachtung offensichtlich nichtig wären. Eine mögliche Anfechtbarkeit der Wahl würde nicht ausreichen. Soweit das Arbeitsgericht in seiner Entscheidung im Wesentlichen auf die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Nürnberg in der Entscheidung vom 30.03.2006, 6 TaBV 19/06 abgestellt habe, werde diese Auffassung nicht geteilt. Im Übrigen wiederholen und vertiefen Betriebsrat und Wahlvorstand ihr erstinstanzliches Vorbringen.
33Betriebsrat und Wahlvorstand beantragen,
34den Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn 2 BVGa 2/13 vom 18.07.2013 abzuändern und die Anträge der Arbeitgeberin insgesamt abzuweisen.
35Die Arbeitgeberin beantragt,
36die Beschwerde des Betriebsrates und des Wahlvorstandeszurückzuweisen
37und im Wege der selbstständigen Beschwerde
38den Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 18.07.2013 (2 BVGa 2/13) abzuändern und auch insoweit nach den Schlussanträgen der ersten Instanz zu erkennen, wie das Arbeitsgericht die Anträge abgewiesen hat.
39Betriebsrat und Wahlvorstand beantragen,
40die selbstständige Beschwerde der Arbeitgeberin zurückzuweisen.
41Die Arbeitgeberin trägt vor:
42Mit den bereits erstinstanzlich angeführten Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 30.03.2006, 6 TaBV 19/06 und vom 15.05.2006, 2 TaBV 29/06, sei die Feststellungsverfügung zulässig, da anderweitiger effektiver Rechtsschutz nicht gewährleistet sei.
43Wegen des Zeitpunktes der Bestellung des Wahlvorstandes und dessen Größe wiederholt und vertieft die Arbeitgeberin ihr erstinstanzliches Vorbringen und kommt dabei weiterhin zu dem Ergebnis, dass das Arbeitsgericht zutreffend die Unwirksamkeit des Beschlusses erkannt und dementsprechend dem Wahlvorstand die Einleitung der Wahl untersagt habe.
44Für die Möglichkeit, in das Wahlverfahren einzugreifen, reiche im Übrigen die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer späteren Wahlanfechtung aus; auf eine voraussehbare Nichtigkeit der Betriebsratswahl komme es nicht an.
45Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Wahlvorstand bislang ein Wahlausschreiben nicht verfasst habe, also bislang keine Wahl eingeleitet habe. Ebenso sei zu bedenken, dass bis zur Durchführung der Wahl im Februar 2014 noch hinreichend Zeit verbleiben würde, unter der Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben ordnungsgemäß einen Wahlvorstand zu bestellen mit der Folge, dass bei Untersagung der Betriebsratswahl zum jetzigen Zeitpunkt ein betriebsratsloser Zustand nach Ablauf der Amtszeit des amtierenden Betriebsrates nicht zu besorgen sei.
46Schließlich habe das Arbeitsgericht die weiteren Anträge der Arbeitgeberin zu Unrecht abgewiesen. Das Arbeitsgericht wäre verpflichtet gewesen, im Wege des dem Beschlussverfahren zugrunde liegenden Amtsermittlungsgrundsatzes im Einzelnen aufzuklären, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Größe ein Wahlvorstand für die Wahlen des Jahres 2014 bestellt werden müsse und dementsprechend die Vorgabe an den Betriebsrat machen müssen.
47Die Zwangsmittelandrohung sei schließlich im Lichte der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur möglichen Haftung von Betriebsratsmitgliedern nicht zu beanstanden.
48Wegen der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Beteiligten wird ergänzend auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Terminsprotokolle Bezug genommen.
49B.
50I.
51Die Beschwerden des Betriebsrates und des Wahlvorstandes wie auch die selbstständige Beschwerde der Arbeitgeberin sind zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden gemäß § 87 Abs. 2 i.V.m. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 520 ZPO.
52II.
53Die Beschwerde des Betriebsrates und des Wahlvorstandes ist begründet, die selbstständige Beschwerde der Arbeitgeberin hingegen nicht begründet, da im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Vorfeld der Betriebsratswahl weder die Feststellung getroffen werden konnte, dass der Beschluss des Betriebsrates vom 28.06.2013 unwirksam ist, noch dem Wahlvorstand die Einleitung einer Betriebsratswahl untersagt werden konnte und ebenso wenig hilfsweise eine Abberufung des Wahlvorstandes in Betracht kam.
541.
55Die Arbeitgeberin verfolgt ihr Begehren zu Recht im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, da sämtliche Frage im Zusammenhang mit der Ordnungsgemäßheit einer Betriebsratswahl, auch im Vorfeld, nach § 19 BetrVG bzw. in entsprechender Anwendung der genannten Vorschrift eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz gemäß § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG darstellen.
56Ebenso ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren statthaft, § 85 Abs. 2 Satz 1 ArbGG.
57Die Antragsbefugnis der Arbeitgeberin folgt aus ihrem Recht, nach durchgeführter Wahl das Wahlanfechtungsverfahren i.S.d. § 19 BetrVG zu betreiben; die Beteiligtenfähigkeit des Wahlvorstandes beruht auf seiner betriebsverfassungsrechtlichen Stellung.
582.
59Der Feststellungsantrag der Arbeitgeberin (Antrag zu 1.) ist unzulässig, da der Arbeitgeberin das notwendige Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO jedenfalls im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung fehlt. Die erkennende Kammer geht allerdings mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon aus (vgl. nur Beschluss vom 03.05.2006, 1 ABR 63/04, NZA 2007, S. 285), dass auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren die Bestimmung des § 256 Abs. 1 ZPO über die Möglichkeit einer Feststellungsklage Anwendung findet. Indessen ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu bedenken, dass als Gegenstand einer einstweiligen Verfügung nur ein Anspruch in Betracht kommt, dessen Durchsetzung zur vorläufigen Regelung im Sinne der §§ 935, 940 ZPO notwendig ist. Dementsprechend ist ein Feststellungsanspruch regelmäßig ausgeschlossen (Germelmann in: Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 8. Aufl., § 62 ArbGG Rdnr. 94 und Matthes/Spinner in: Germelmann aaO, § 85 ArbGG Rdnr. 29 m.N. zur Rechtsprechung).
60Auch das durch die verfassungsrechtlich gebotene Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG beschriebene Gebot des effektiven Rechtsschutzes rechtfertigt nicht die Annahme eines Feststellungsinteresses für die beantragte Feststellungsverfügung. Zwar geht die erkennende Kammer davon aus, dass in den Fällen, in denen andere Rechtsschutzmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen, ausnahmsweise auch eine Feststellungsverfügung zulässig sein kann, wobei an eine solche Verfügung hohe Anforderungen zu stellen sind; insbesondere darf eine Feststellungsverfügung nicht ohne Wirkung bleiben (vgl. grundlegend LAG Hamm, 14 Sa 883/98, bei juris Rn. 50, AuR 1999, S. 362). Allerdings eröffnet die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die erkennende Kammer folgt, seit der Entscheidung vom 27.07.2011 (7 ABR 61/10, NZA 2012, S. 345 ff., bei juris Rn. 36 und 51) der Arbeitgeberin grundsätzlich die Möglichkeit, der Durchführung einer Betriebsratswahl – bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen, s. unten – mit einem Unterlassungsanspruch zu begegnen. Damit steht aber in geeigneten Fällen der Arbeitgeberin ein Unterlassungsanspruch zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes zur Seite, weshalb der unter dem Gesichtspunkt der Rechtsschutzgarantie subsidiäre Feststellungsausspruch nicht zulässigerweise ergehen kann.
613.
62Der Antrag der Arbeitgeberin auf Untersagung der Einleitung einer Betriebsratswahl gegenüber dem Wahlvorstand (Antrag zu Ziffer 2) ist nach den vorstehenden Ausführungen zu Ziffer 2. jedenfalls zulässig, allerdings nicht begründet.
63Die Arbeitgeberin hat keinen Anspruch auf Unterlassung der Durchführung der Betriebsratswahl, da die Wahl weder aufgrund des Zeitpunkts der Bestellung des Wahlvorstandes, noch aufgrund der Größe des Wahlvorstandes, noch vor dem Hintergrund der von der Arbeitgeberin vorgebrachten Rechtsmissbräuchlichkeit sich als voraussichtlich nichtig erweisen kann.
64a.
65Die voraussichtliche Nichtigkeit einer Betriebsratswahl ist Anspruchsvoraussetzung für einen Unterlassungsanspruch zur Durchführung einer Betriebsratswahl.
66Zu bedenken ist, dass Eingriffe in eine Betriebsratswahl durch die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes ausdrücklich nicht geregelt sind. § 19 BetrVG beschreibt die Anfechtung einer Wahl nach Verkündung des Wahlergebnisses, nicht aber Eingriffsmöglichkeiten in das Wahlverfahren als solches.
67Ob und unter welchen Voraussetzungen in das Verfahren zur Betriebsratswahl ab dem Zeitpunkt der Bestellung des Wahlvorstandes eingegriffen werden kann, war in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur lange umstritten. Die erkennende Kammer verzichtet an dieser Stelle auf eine Auseinandersetzung mit den seinerzeit vertretenen Auffassungen und folgt der bereits zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.07.2011, aaO, wonach eine Betriebsratswahl nur abgebrochen werden kann, wenn sie sich voraussichtlich als nichtig erweist. Der 7. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat ausdrücklich erkannt, dass die bloße Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl hierfür nicht ausreicht. Insoweit betrachtet die Kammer auch die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg, auf die sich das Arbeitsgericht wie auch die Arbeitgeberin im Wesentlichen gestützt haben, quasi als zeitlich überholt. Dementsprechend wird auch in der aktuellen instanzgerichtlichen Rechtsprechung in der Regel davon ausgegangen, dass der Abbruch einer Betriebsratswahl bei lediglich voraussichtlicher Anfechtbarkeit nicht in Betracht kommt (LAG Hamm, Beschluss vom 19.03.2012, 10 TaBVGa 5/12 bei juris; LAG Düsseldorf, Beschluss vom 13.03.2013, 9 TaBVGa 5/13 bei juris, jeweils m.w.N.; ArbG Aachen, Beschluss vom 10.12.2009, 7 BVGa 20/09, bestätigt vom LAG Köln, Beschluss vom 19.03.2010, 10 TaBVGa 14/09, beide bei juris).
68An der Voraussetzung der voraussichtlichen Nichtigkeit der Betriebsratswahl ist als abstraktes Tatbestandsmerkmal für Wahleingriffe nach Bestellung des Wahlvorstandes festzuhalten. Die erkennende Kammer verkennt nicht, dass ein insbesondere in der Literatur vertretenes Argument besagt, dass in den Fällen, in denen nach einem Eingriff in das Wahlverfahren ein betriebsratsloser Zustand nicht zu besorgen ist, unter Umständen auch die Anfechtbarkeit einer Wahl, verbunden mit einer hohen Sicherheit der noch erfolgenden Anfechtung, zumindest für eine Wahlunterbrechung ausreichen kann. Dies soll auch möglich sein, wenn ein evidenter Fehler im Wahlverfahren in kurzer Zeit beseitigt werden kann (Matthes/Spinner in: Germelmann aaO, § 85 ArbGG Rdnr. 38 m.w.N.).
69Es ist indessen zu bedenken, dass Eingriffsmöglichkeiten in Betriebsratswahlen außerhalb der gesetzlich geregelten Anfechtung des § 19 BetrVG (und der – hier nicht relevanten – Pflichtverletzung eines bestellten Wahlvorstandes gem. § 18 Abs. 1 BetrVG) im Wege der Rechtsfortbildung geschaffen werden müssen, da – darauf hat die Kammer bereits hingewiesen – außerhalb der Anfechtungsmöglichkeiten gesetzliche Regelungen insoweit nicht bestehen. Werden Eingriffsmöglichkeiten in Betriebsratswahlen allerdings im Wege der Rechtsfortbildung geschaffen, ist dabei wiederum zu bedenken, dass das Gericht gehalten ist, in Anwendung der Rechtsfortbildung stets den vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes zu beachten. Die gesetzgeberische Grundentscheidung ist Maßstab für den Inhalt rechtsfortbildender richterlicher Tätigkeit (so ausdrücklich: BVerfG, Beschluss vom 25.01.2011, 1 BvR 918/10, NJW 2011, S. 836 ff m.w.N.).
70Wendet man diese Grundsätze an, kann nur eine voraussichtliche Nichtigkeit einer Betriebsratswahl Eingriffe in das Wahlverfahren rechtfertigen. Denn mit dem Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 27.07.2011 aaO. ist davon auszugehen, dass die gesetzgeberische Grundentscheidung bei Anfechtung einer Wahl zugleich bedeutet, dass der durch die Wahlen hervorgegangene Betriebsrat jedenfalls bis zur rechtskräftigen Feststellung über die Anfechtbarkeit der Wahl im Amt bleibt. Würde man hingegen bei lediglich möglicher Anfechtbarkeit einer Wahl einen Unterlassungsanspruch zur Durchführung der Wahl annehmen, so würde diese gesetzliche Wertung unterlaufen werden. Damit aber muss die Nichtigkeit als Voraussetzung für Eingriffe in das Wahlverfahren als abstraktes Tatbestandsmerkmal des fortgebildeten Rechts angenommen werden, ohne dass es im Einzelfall darauf ankommen kann, ob je nach Sachverhaltskonstellation Zeit genug verbleibt, Fehler im Wahlverfahren bis zur regulären Betriebsratswahl zu korrigieren.
71Hinzu kommt noch, dass bei der Anfechtbarkeit der Wahl gemäß § 19 Abs. 1 BetrVG als maßgebliche weitere Voraussetzung hinzu kommt, dass durch den Fehler des Wahlverfahrens, der die Anfechtbarkeit begründet, eine Beeinflussung des Wahlergebnisses stattgefunden haben kann. Dies bedeutet, dass im Einzelfall im Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG zwar die Erkenntnis gewonnen werden kann, dass ein Fehler im Wahlverfahren vorliegt, indessen das Wahlergebnis nicht beeinflusst worden ist oder beeinflusst werden konnte mit der Folge, dass die Wahlanfechtung erfolglos bleibt.
72Diese Prognose indessen ist bei bloßer Anfechtbarkeit der Wahl noch im laufenden Wahlverfahren überhaupt nicht möglich, sodass ein Eingriff in das Wahlverfahren bei bloßer Anfechtbarkeit auch unter diesem Gesichtspunkt über die gesetzgeberische Grundentscheidung des § 19 Abs. 2 BetrVG hinausgehen würde.
73Damit verbleibt es dabei, dass eine voraussichtliche Nichtigkeit der Wahl Voraussetzung für die Unterlassung der Durchführung der Wahl ist.
74b.
75Eine voraussichtliche Nichtigkeit der Betriebsratswahl im Betrieb P1 der Arbeitgeberin ist nicht ersichtlich. Eine solche kann nur angenommen werden, wenn im Wahlverfahren Mängel auftreten, die jeglichen Anschein einer demokratischen Wahl vermissen lassen würden (BAG, Urteil vom 27.07.2011 aaO, LAG Düsseldorf, Beschluss vom 13.03.2013 aaO.).
76Von einer voraussichtlichen Nichtigkeit der Wahl geht auch die Arbeitgeberin selbst nicht aus; weder den unstreitigem Vorbringen beider Beteiligten noch dem sonstigen Akteninhalt sind entsprechende Anhaltspunkte zu entnehmen. Die gesetzliche Regelungen des § 16 Abs. 1 BetrVG über den Zeitpunkt der Bestellung und die Größe des Wahlvorstandes lassen schon vom Wortlaut her Spielräume zu, die vom Betriebsrat auszufüllen sind; die – mögliche – Überdehnung dieser Spielräume lässt einen Bezug zu den Grundsätzen eines demokratischen Wahlverfahrens (u.a. Wahlfreiheit, Wahlgeheimnis etc.) nicht erkennen.
77c.
78Eine andere Bewertung ergibt sich schließlich auch nicht wegen des vom Betriebsrat gewählten Zeitpunktes der Bestellung des Wahlvorstands und dem Umstand, dass der Wahlvorstand jedenfalls zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht ein Wahlausschreiben im Sinne des § 3 Abs. 1 S.2 WO BetrVG noch nicht erstellt hatte, womit grundsätzlich erst die Betriebsratswahlen eingeleitet werden. Es lässt sich unter diesem Gesichtspunkt nicht vertreten, dass eine Unterlassung die Betriebsratswahl nicht „abgebrochen" würde, da sie noch nicht eingeleitet sei. Nach Auffassung der erkennenden Kammer kann es auf die Erstellung des Wahlausschreibens im Sinne des § 3 Abs. 1 S.2 WO BetrVG nicht ankommen, da die Bestellung des Wahlvorstandes gem. § 16 Abs.1 BetrVG die Betriebsratswahl jedenfalls vorbereitet. Ob in ein Wahlverfahren dann nach oder vor Erstellung des Wahlausschreibens eingegriffen wird, rechtfertigt vor dem Hintergrund der Ausführungen zum Eingriff in Wahlverfahren daher keine andere Bewertung.
79d.
80Auch der von der Arbeitgeberin angeführte Rechtsmissbrauch im Hinblick auf den Zeitpunkt der Bestellung des Wahlvorstandes, wie auch hinsichtlich seiner Größe, bleibt für die Frage des Wahlabbruches ohne Bedeutung.
81Es scheint zum einen zunächst überhaupt fraglich, ob der Gedanke des Rechtsmissbrauchs im Verhältnis zwischen Wahlvorstand, Betriebsrat und Arbeitgeberin eine Rolle spielen kann, da es hier um die Frage geht, ob sich ein Mitglied des Wahlvorstandes auf den besonderen Kündigungsschutz des § 15 Abs. 3 KSchG berufen könnte, sofern er von Kündigung betroffen sein sollte. Eine solche Berufung auf die Mitgliedschaft in einem Wahlvorstand betrifft indessen nicht das Verhältnis von Betriebsrat und Wahlvorstand zur Arbeitgeberin, sondern das Verhältnis des Wahlvorstandsmitgliedes als Arbeitnehmer zur Arbeitgeberin (vgl. BAG, 2 AZR 299/11 bei juris Rn. 15; Thüsing in Richardi, BetrVG 13. Aufl. 2012, § 16 Rdnr. 21 unter Hinweis auf § 15 KSchG). Darüber hinaus ist zu bedenken, dass das Gesetz in § 16 Abs. 1 Satz 2 BetrVG das Kriterium für die Erhöhung der Anzahl der Wahlvorstandsmitglieder beschreibt, indem die Erhöhung erforderlich sein muss. Damit bleibt aber für die Anwendung der Grundsätze sogenannten Rechtsmissbrauchs kein Raum, da eine Erhöhung materiell rechtlich entweder erforderlich ist oder nicht.
82Das darüber hinaus der Zeitpunkt und Umfang der Bestellung des Wahlvorstandes nur gewählt worden sei, weil ein Zusammenhang mit einer geplanten Personalmaßnahme der Arbeitgeberin zu sehen sei, ist durch weder durch weiteren Tatsachenvortrag noch durch den sonstigen Akteninhalt untermauert (vgl. auch ArbG Aachen, Beschluss vom 10.12.2009 aaO.).
83Nach alledem verbleibt es dabei, dass der von der Arbeitgeberin begehrte Eingriff in die Wahlen zum Betriebsrat aufgrund des Umstandes der Bestellung des Wahlvorstandes durch Beschluss vom 28.06.2013 mit neun Mitgliedern mangels voraussichtlicher Nichtigkeit der Wahl nicht in Betracht kommt.
844.
85Unabhängig von der Frage, in welchem prozessualen Verhältnis sodann die von der Arbeitgeberin formulierten Anträge zu Ziffer 3) und 4) stehen, konnten diese aus den vorstehenden Gründen ebenfalls keinen Erfolg haben, weshalb die selbstständige Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen werden musste.