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Enthält zum einen ein Sozialplan die Regelung, dass ausscheidende Arbeitnehmer im Jahr des Ausscheidens ein Bonus „gemäß der jeweils gültigen Bonusregelung“ anteilig gezahlt wird, und wird zum anderen in der diese Bonusregelung betreffenden Konzernbetriebsvereinbarung normiert, dass Mitarbeiter einen Bonus erhalten, „sofern das Unternehmen bzw. Unternehmenseinheit … eine Bonusgewährung vorsieht“, besteht kein Anspruch des ausscheidenden Arbeitnehmers, wenn aufgrund einer Entscheidung im Konzern auch im Unternehmen des Arbeitgebers kein Bonus für das Jahr des Ausscheidens gewährt werden wird
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 8. Juni 2021 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin einen anteiligen Jahresbonus für das Jahr ihres Ausscheidens zu zahlen.
3Bei der Beklagten handelt es sich um ein dem A-Konzern angehöriges Unternehmen. Sie ist eine von mehreren Tochtergesellschaften der A Europa SE.
4Die Klägerin war bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen seit dem 1. Januar 1992 als AT-Mitarbeiterin in der Abteilung Ethik und Compliance beschäftigt. Sie schied auf der Grundlage eines Aufhebungsvertrages vom 22. August 2018 mit dem Ablauf des 30. Juni 2020 aus dem Arbeitsverhältnis aus. § 11 des Aufhebungsvertrages lautet wie folgt:
5Anspruchsabgeltung
6Soweit sich aus dieser Vereinbarung nichts anderes ergibt, sind mit deren Zustandekommen alle Ansprüche des Arbeitnehmers aus dem Rahmensozialplan vom 08.12.2014 sowie den ihn ergänzenden Regelungen erledigt und abgegolten. Von dieser Abgeltungsklausel nicht erfasst sind (etwaige) Ansprüche des Arbeitnehmers gemäß § 12 des vorerwähnten Sozialplans auf den (anteiligen) Jahresbonus und auf Aktienzuteilungen. ...
7Weitere Regelungen zum Jahresbonus befinden sich nicht im Aufhebungsvertrag (vgl. Anlage K1 zur Klageschrift, Bl. 11 ff. d. A.). Der vorgenannte Rahmensozialplan vom 8. Dezember 2014 (wegen der Einzelheiten vgl. Anlage K2 zur Klageschrift, Bl. 15 ff. d. A.) enthält in § 12 folgende Regelung:
8§ 12 Bonus; Aktienprogramme
91. Im Austrittsjahr erhalten Mitarbeiter einen Bonus gemäß der jeweils gültigen Bonusregelung zeitanteilig, sofern das Arbeitsverhältnis im Austrittsjahr mindestens drei Monate bestanden hat, mit anderen Worten der Austrittstermin des Arbeitsverhältnisses nicht vor dem 31.03. des jeweiligen Kalenderjahres liegt. Sollte das Austrittsdatum vor dem 01.07. liegen, wird der Bonus pauschal mit einem Gesamtfaktor 1,0 (Group-, SPU, - und persönliche Zielerreichung) berechnet.
10Für Austritte ab dem 01.07. eines Jahres muss ein ausgefüllter und abgeschlossener „My Plan“ vorliegen. Liegt zum Austrittstermin noch kein Group- bzw. SPU-Faktor zur Berechnung vor, wird der Bonus für diese beiden Komponenten auf der Basis „DE – 1,0“ ermittelt; der individuelle Faktor wird im Zielerreichungsgespräch zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter vereinbart. …
11Bezüglich der Zahlung von Boni gilt bei der A Europa SE und ihren Tochtergesellschaften eine „Konzernbetriebsvereinbarung über das Bonussystem ACB (Annual Cash Bonus)“ vom 13. Juni 2012 (wegen der Einzelheiten vgl. Anlage K3 zur Klageschrift, Bl. 29 ff. d. A.). In deren Präambel heißt es u. a.:
12Im Rahmen des weltweit geltenden Bonussystems zahlen die oben aufgeführten Gesellschaften der A Europa SE ihren Mitarbeitern jährlich einen Bonus, sofern das Unternehmen bzw. die Unternehmenseinheit (R&M) eine Bonusgewährung vorsieht. Die Bonuszahlung dient der Würdigung der erbrachten Leistungen, aber auch als Motivation für die Zukunft. Diese Betriebsvereinbarung regelt das Verfahren zur Ermittlung der Höhe des Individualbonus aller Mitarbeiter, die einer individuellen Zielerreichung/-beurteilung im Rahmen des Performance Management Systems „My Plan“ unterliegen.
13Die abschließende Bewertung, ob es einen Bonustopf gibt, erfolgt nie im Geschäftsjahr (Performancejahr), weil die Höhe des Budgets abhängig vom Jahresabschluss bzw. verschiedenen Kennzahlen (Scorecard) ist, welche immer erst im Januar des Folgejahres abschließend durch das Remumeration Committee bewertet werden können.
14Unter dem 18. Juni 2020 vereinbarten die Konzernbetriebspartner „Änderungen zum Annual Cash Bonus (ACB)“ für die Zeit ab dem Geschäftsjahr 2020, welche vor allem die Zahl der für die Berechnung des Bonus zu berücksichtigenden Faktoren reduzierten (wegen der Einzelheiten vgl. Anlage K6 zur Klageschrift, Bl. 36 ff. d. A.).
15Zuvor hatte der CEO des A Konzerns Bernard Looney in einer Mail vom 8. Juni 2020 an die Mitarbeiter aller A-Gesellschaften mitgeteilt, dass das Cash-Boni im Rahmen des jährlichen Cash-Bonus-Plans (ACB) sehr unwahrscheinlich in diesem Jahr seien und die Mitarbeiter bei ihren finanziellen Planungen keine ACB-Zahlung für 2020 einplanen sollten (vgl. näher Anlage B2 (Original) und B3 (Übersetzung) zum Schriftsatz der Beklagten vom 31. Mai 2021).
16Die Klägerin erhielt für das Kalenderjahr 2020 keinen Bonus. Mitarbeitern, die bis zum 31. Mai 2020 ausgeschieden waren, hatte die Beklagte einen (anteiligen) Bonus für dieses Jahr gezahlt. Mit Schreiben vom 14. September 2020 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis Ende September 2020 auf, einen anteiligen Bonus von rechnerisch unstreitig 7.222,00 Euro zu zahlen. Nachdem eine Zahlung weiterhin nicht erfolgte, erhob sie unter dem 7. Dezember 2020 Klage.
17Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass ihr der Anspruch aufgrund von § 12 Nr. 1 Rahmensozialplan zustehe. Die Beklagte weigere sich zu zahlen, weil der CEO des A Konzerns Looney am 8. Juni 2020 verkündet habe, dass im Geschäftsjahr 2020 kein Bonus gezahlt werde. Gleichzeitig sei aber im AT-Bereich eine Entgelterhöhung von 2 % zur Verfügung gestellt worden. In der aktuellen Konzernbetriebsvereinbarung zwischen dem Konzernbetriebsrat und der durch den Vorstand vertretenen A Europa SE über die Änderung des ACB-Bonus für das Geschäftsjahr 2020 sei von einer Nichtauszahlung des Bonus nicht die Rede. Dem Grunde nach bestehe ein Anspruch auf den Jahresbonus ohne Berücksichtigung der jährlich neu zu treffenden Entscheidung über die Gewährung an sich. Während sie zunächst vorgetragen hatte, dieser ergebe sich zum einen aus § 11 Aufhebungsvertrag, der Ansprüche des Arbeitnehmers aus § 12 Rahmensozialplan von der Abgeltungsklausel ausnehme, hat sie später ausgeführt, dass § 11 Aufhebungsvertrag keine Anspruchsgrundlage ergeben könne. Unmittelbar ergebe sich ein Zahlungsanspruch aus der genannten Bestimmung des Rahmensozialplans. Er werde pauschal berechnet, wenn das Austrittsdatum vor dem 1. Juli eines Kalenderjahres liege, und sei zum Zeitpunkt des Austritts gemäß § 4 Abs. 3 Rahmensozialplan fällig. Der Rahmensozialplan stelle eine eigene Anspruchsgrundlage neben der Konzernbetriebsvereinbarung ACB für den Fall des Ausscheidens aus dem Unternehmen dar und gehe als speziellere Regelung der Konzernbetriebsvereinbarung ACB vor. Die Beklagte könne eine Zahlung nicht aufgrund einer einzelnen Entscheidung unter Berufung auf die wirtschaftliche Situation des Unternehmens verweigern. In der Konzernbetriebsvereinbarung ACB sei ein Freiwilligkeitsvorbehalt oder ein Vorbehalt auf ein begrenztes Budget nicht vorgesehen. In ihr sei die Ermittlung des jährlichen Budgets detailliert festgelegt. Diese Berechnung mit der Würdigung der Komponenten erbrachte Leistungen, Ergebnis der Geschäftseinheit und individuelle Zielerreichung würde sonst obsolet, wenn die Gesellschaft sich frei entscheiden könne, ob sie aus wirtschaftlichen Gründen einen Jahresbonus gewährt oder nicht. Selbst wenn das Unternehmensergebnis nicht den Erwartungen der Konzernleitung entspreche, würden nach der Konzernbetriebsvereinbarung ACB wegen erbrachter Leistungen Zahlungen ausgelöst. Schließlich habe die Beklagte unter Missachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nur den bis zum 30. Mai 2020 ausgeschiedenen Mitarbeitern einen Bonus nach den Regelungen des Rahmensozialplans gewährt.
18Die Klägerin hat beantragt
19die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7.222,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2020 zu zahlen.
20Die Beklagte hat beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, aus der Formulierung des § 12 Nr. 1 Rahmensozialplan – „jeweils gültige Bonusregelung“ – gehe hervor, dass ein Bonus nur gezahlt werde, wenn es eine anderweitig bestehende Bonusregelung gebe. Diese sei die Konzernbetriebsvereinbarung ACB. Dort werde laut Präambel die Gewährung eines Bonus von der jährlich neu zu treffenden Entscheidung abhängig gemacht, dass überhaupt ein Bonustopf zur Verfügung gestellt werde. Der Rahmensozialplan schaffe keine neue von der allgemeinen Regelung abweichende Rechtsgrundlage, sondern betreffe lediglich die Ermittlung der Anspruchshöhe. Bernard Looney, oberster A‑Chef weltweit, habe am 8. Juni 2020 kommuniziert, dass kein Mitarbeiter sich darauf einstellen solle, für 2020 einen ACB-Bonus zu erhalten. Für Arbeitnehmer, die nach dem 31. Mai 2020 ausgeschieden seien, sei deshalb kein Bonus mehr gezahlt worden. Die vorherigen Zahlungen hätten auf der Annahme beruht, dass ein Bonustopf zur Verfügung gestellt werde. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor.
23Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Der Klägerin stehe aus § 12 Nr. 1 Rahmensozialplan der geltend gemachte Bonus zu. Die Annahme der Beklagten, es handele sich hierbei um eine Rechtsgrundverweisung auf eine anderweitig bestehende Bonusregelung, finde im Wortlaut keine Stütze. Dass es grundsätzlich immer eine Bonusregelung gebe, werde dem Wortsinn nach mit „jeweils gültig“ unterstellt. Daraus gehe insbesondere nicht ein Vorbehalt des Inhalts hervor, dass der Vorstandsvorsitzende mit einer Bonusregelung einverstanden sein müsse oder der Anspruch auflösend bedingt sei durch eine Entscheidung des Konzernvorstands, noch dazu in der Mitte oder am Ende des Bonuszeitraums. Ebenso wenig entspreche es dem Wortlaut der Konzernbetriebsvereinbarung ACB, dass erst einmal aktiv ein Bonustopf zur Verfügung gestellt werden müsse, damit eine Bonusgewährung vorgesehen sei. Im Falle der Beklagten sei die Bonusgewährung durch die Konzernbetriebsvereinbarung vorgesehen. Ein Vorbehalt, dass ein Bonus überhaupt gewährt wird, hätte von den Betriebsparteien im Rahmensozialplan eindeutig formuliert werden müssen. Es wäre auch unüblich, dass der Betriebsrat mit einem solchen Vorbehalt einverstanden gewesen wäre. Wegen der weiteren Einzelheiten zu der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (Seite 5 ff. des Urteils, Bl. 100 ff. d. A.) verwiesen.
24Das Urteil wurde der Beklagten am 17. Juni 2021 zugestellt. Hiergegen richtet sich ihre am 25. Juni 2021 eingelegte und mit dem am 28. Juli 2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung.
25Unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrags zur Sach- und Rechtslage trägt die Beklagte ergänzend vor, das Arbeitsgericht nehme eine dem eindeutigen Wortlaut des § 12 Nr. 1 Rahmensozialplan widersprechende Auslegung vor. Es habe erkennen müssen, dass der Bonusanspruch abhängig von einer anderweitigen „jeweils gültigen Bonusregelung“ sei. Mit keinem Wort ergebe sich aus der Bestimmung, dass er dem Grunde nach geregelt und lediglich hinsichtlich der Berechnung auf eine anderweitig bestehende Bonusregelung verwiesen werde. Von Letzterer hänge der Bonusanspruch nach § 12 Nr. 1 Rahmensozialplan vielmehr ab. Diese anderweitige Regelung sei die Konzernbetriebsvereinbarung ACB. Aus deren Präambel ergebe sich, dass die Gewährung eines Bonus von der jährlich neu zu treffenden Entscheidung abhängig sei, ob überhaupt ein Bonustopf zur Verfügung gestellt wird. Nur die Modalitäten seiner Verteilung würden durch die Konzernbetriebsvereinbarung ACB geregelt. Es sei zudem im Hinblick auf die Grenzen der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht unüblich, dass dieser damit einverstanden sei, dass der Arbeitgeber über das „Ob“ der Bonusgewährung nach freiem Ermessen entscheiden könne, um damit überhaupt eine solche Zahlung zu ermöglichen. Gegen eine Begründung eines Anspruchs unmittelbar aus § 12 Rahmensozialplan spreche auch, dass dann – von den Betriebsparteien nicht beabsichtigt – ausscheidende Mitarbeiter eine Zahlung erhielten, aktive Arbeitnehmer dagegen nicht.
26Die Beklagte beantragt,
27das Urteils des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 8. Juni 2021 (4 Ca 1684/20) zu ändern und die Klage abzuweisen.
28Die Klägerin beantragt,
29die Berufung zurückzuweisen.
30Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags zur Sach- und Rechtslage als zutreffend. Bei Anwendung der allgemeinen Grundsätze für die Auslegung von Sozialplänen bestehe ein Anspruch auf anteiligen Jahresbonus nach § 12 Nr. 1 Rahmensozialplan, der schon nach seinem Wortlaut offenkundig von der Konzernbetriebsvereinbarung ACB abweiche. Nirgendwo im Text sei von irgendwelchen Vorbehalten auf Konzernebene die Rede. Die Bestimmung sei keine Rechtsgrundverweisung, sondern nehme lediglich zur Berechnung der Höhe auf ein anderes Regelwerk Bezug. Die Festsetzung eines des Bonusanspruches für ausscheidende Mitarbeiter werde durch die ausdrücklich von der ACB-Regelung abweichende Berechnung vorgenommen. Auch bei einer positiveren Geschäftsentwicklung wäre es für den Bonus bei der Berechnung nach dem Rahmensozialplan geblieben. Zwischen aktiven und ausscheidenden Mitarbeitern hierbei zu differenzieren, stelle einen sachlichen Grund dar. Dagegen bestehe kein sachlicher Grund, zwischen Mitarbeitern bei der Gewährung der Leistung nach § 12 Rahmensozialplan zu differenzieren, die von oder nach Ende Mai 2020 ausgeschieden seien. Dass nach der Präambel der Konzernbetriebsvereinbarung ACB ein Bonus nur zu gewähren sei, sofern das Unternehmen bzw. die Unternehmenseinheit eine Bonusgewährung vorsehen, bedeute nicht, dass im vorliegenden Fall eine jährlich neu zu treffende Entscheidung für die Gewährung des Bonus zu treffen sei. Die Konzernbetriebsvereinbarung bewerte nicht nur das Geschäftsergebnis, sondern auch die Gruppenleistung und die individuelle Leistung. Eine pauschale Kürzung des Bonus in der Mitte oder am Ende des Bezugszeitraumes nach bereits erbrachten individuellen Leistungen greife unmittelbar und damit unwirksam in das Synallagma des Arbeitsverhältnisses ein. Bei den auf Grundlage des Rahmensozialplans ausscheidenden Mitarbeitern sei dies offensichtlich nicht gewollt gewesen. Insoweit sei die Ansicht des Arbeitsgerichts zutreffend, dass ein entsprechender Vorbehalt im Rahmensozialplan von den Betriebsparteien hätte zum Ausdruck gebracht werden müssen. Der Hinweis auf die Grenzen der Mitbestimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gehe fehl, weil der Anspruch auf einem Sozialplan beruhe und dieser dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch hinsichtlich seines Volumens unterliege, was auch Sonderregelungen für Ansprüche rechtfertige.
31Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den von ihnen in Bezug genommenen Inhalt der in beiden Instanzen zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der Sitzungen des Arbeitsgerichts am 18. März 2021 und 8. Juni 2021 sowie des Landesarbeitsgerichts am 30. November 2021 Bezug genommen.
32Entscheidungsgründe
33Die zulässige Berufung ist begründet.
34Die Klägerin besitzt keinen Anspruch auf Zahlung eines anteiligen Jahresbonus nach § 12 Nr. 1 Rahmensozialplan gegen die Beklagte. Er ergibt sich nicht aus der Konzernbetriebsvereinbarung ACB. Ebenso wenig verstößt die Nichtgewährung gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
351. § 12 Rahmensozialplan stellt keine eigenständige Anspruchsgrundlage für die Zahlung eines Bonus bei Ausscheiden aus dem Unternehmen der Beklagten dar. Er setzt vielmehr eine bestehende Bonusregelung für das jeweilige Kalenderjahr voraus. Der darin liegende Verweis auf die Konzernbetriebsvereinbarung ACB führt nach deren Regelungsinhalt nur dann zu einem Bonusanspruch, wenn für das betreffende Kalenderjahr überhaupt seitens des Arbeitgebers eine Bonusgewährung vorgesehen ist. Das ist aber für das Jahr 2020 nicht der Fall.
36a) Eine Betriebsvereinbarung ist nach den für Tarifverträge und für Gesetze geltenden Grundsätzen auszulegen. Dabei ist vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn auszugehen. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang der Regelungen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Betriebsparteien geben kann. Soweit kein eindeutiges Auslegungsergebnis möglich ist, kommen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Auslegungskriterien wie etwa eine regelmäßige Anwendungspraxis oder die Normengeschichte in Betracht. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (vgl. BAG 18. März 2020 – 5 AZR 36/19 – juris, Rn. 22; 21. Januar 2020 – 3 AZR 565/18 – juris, Rn. 15; 15. Mai 2018 – 1 AZR 37/17 – juris, Rn. 15).
37b) Gemäß § 12 Nr. 1 Satz 1 Halbs. 1 Rahmensozialplan erhalten ausscheidende Mitarbeiter einen zeitanteiligen Bonus „gemäß der jeweils gültigen Bonusregelung“. Diese gültige Bonusregelung ist ausschließlich die Konzernbetriebsvereinbarung ACB. Nachfolgend werden abhängig von Zeitpunkt des Ausscheidens unterschiedliche Voraussetzungen zum Ob eines Bezuges (Mindestdauer des Arbeitsverhältnisses) und zur Bestimmung der Faktoren für die Berechnung der Höhe des Bonus geregelt, welche von der Regelung in der Konzernbetriebsvereinbarung ACB abweichen. Diese Bestimmungen dienen einer Anpassung der Bonusgewährung an die Situation der ausscheidenden Mitarbeiter. Die Gesamtregelung in § 12 Rahmensozialplan schafft aber keinen von der allgemein gültigen Bonusregelung nach der Konzernbetriebsvereinbarung ACB unabhängigen Anspruch. Ein von der Klägerin behaupteter angeblicher Wille der Betriebsparteien hat im Wortlaut der Bestimmung keinen Anhaltspunkt gefunden.
38Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Betriebsparteien eine solche Regelung schaffen wollten, so dass ausscheidende Mitarbeiter unabhängig davon, ob die aktiven Mitarbeiter einen Bonus erhalten, in jedem Fall durch einen selbständigen Anspruch aufgrund des Rahmensozialplans privilegiert werden sollten. Zwar ist es richtig, dass der Betriebsrat im Rahmen der Grenzen des § 112 Abs. 5 Nr. 3 BetrVG mittelbar das Volumen der Leistungen mit bestimmen kann. Das führt jedoch nicht dazu, dass deswegen ein Bonus unabhängig von seiner in Bezug genommenen generellen Regelung im Unternehmen in einen Anspruch auf eine Sonderzahlung (nur) aus dem Sozialplan umgewandelt werden soll.
39Ebenso wenig kann aus der bloßen Existenz der Konzernbetriebsvereinbarung ACB ein Anspruch nach § 12 Nr. 1 Rahmensozialplan hergeleitet werden. Abgesehen davon, dass es an einer gültige Bonusregelung fehlen kann, ist es ebenso denkbar, dass aufgrund der jeweils gültigen Bonusregelung kein Zahlungsanspruch für Arbeitnehmer besteht.
402. Eine gültige Bonusregelung für das Jahr 2020 besteht nicht. Dies schließt einen Anspruch nach § 12 Nr. 1 Rahmensozialplan aus.
41a) Nach der Präambel der Konzernbetriebsvereinbarung ACB gilt, das im Rahmen des weltweit geltenden Bonussystems die Beklagte ihren Mitarbeitern einen Bonus gewährt, „sofern das Unternehmen bzw. die Unternehmenseinheit eine Bonusgewährung vorsieht“. Damit haben die Betriebsparteien eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass – dem Umfang des Mitbestimmungsrechtes des Konzernbetriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG entsprechend – die Verteilungsgrundsätze für die Bonusgewährung festgelegt werden (Wie), jedoch der jeweilige Konzernarbeitgeber sich nicht verpflichtet, jedes Jahr einen Bonus zu gewähren (Ob). Dementsprechend heißt in der Konzernbetriebsvereinbarung auch ausdrücklich im zweiten Absatz der Präambel, dass sie das Verfahren zur Ermittlung der Höhe des Individualbonus aller Mitarbeiter regelt, diesen also gerade nicht dem Grunde nach bereits festlegt.
42Ein Anspruch auf jährliche Bonuszahlung lässt sich daraus nicht ableiten. Insbesondere ist in den Regelungen der Konzernbetriebsvereinbarung gerade nicht das Geschäftsergebnis der Beklagten Grundlage für die Berechnung der Bonushöhe. Maßgeblich hierfür sind gemäß Nr. 5 Konzernbetriebsvereinbarung ACB a) Jahresgehalt, b) Bonusopportunität, c) Group-, Entity- (SPU-/FU-), Individual Performance und d) Individuelles Rating und Faktoren. Daran wird deutlich, dass die Beurteilung, ob das Geschäftsergebnis für das Geschäftsjahr eine Bonusgewährung zulässt, gerade nicht von der Konzernbetriebsvereinbarung ACB geregelt wird, sondern beim Arbeitgeber verbleibt. Ein Budget wird gerade nicht durch die Regelung der Faktoren der Bonusberechnung festgelegt.
43Hieran ändert die Änderungsvereinbarung der Konzernbetriebsparteien vom 18. Juni 2020 zur Konzernbetriebsvereinbarung ACB nichts. Diese befasst sich ebenfalls nur mit der Regelung der Höhe der Boni, sieht aber keine entsprechende Verpflichtung zur Gewährung für den Arbeitgeber vor.
44b) Es ist in der Sache unstreitig, dass weder die Beklagte noch der A Europa SE als Konzernmutter für das Jahr 2020 eine Bonusgewährung vorsehen. Abgesehen von der Ankündigung des CEO Bernard Looney vom 8. Juni 2020, dass die Mitarbeiter des A Konzerns weltweit sich darauf einstellen sollten, für dieses Jahr keinen Bonus zu erhalten, ist seitens der Klägerin nicht vorgetragen, dass auf der hier maßgeblichen Konzern- und Unternehmensebene doch noch Mittel für die Gewährung eines Bonus zur Verfügung und damit zur Verteilung gestellt wurden.
453. Entgegen der Auffassung der Klägerin und des Arbeitsgerichts musste weder im Rahmensozialplan noch in der Konzernbetriebsvereinbarung ACB ein ausdrücklicher Vorbehalt formuliert werden, dass der Arbeitgeber sich jährlich die Entscheidung vorbehält, ob ein Bonus gewährt wird. Die Betriebsparteien haben wie ausgeführt keinen unbedingten Anspruch in dem Sinne geregelt, dass unabhängig von einer solchen Entscheidung in jedem Fall jährlich ein Bonus zu zahlen ist.
464. Aus den von der Klägerin zur Begründung ihrer Auffassung herangezogenen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts ergibt sich kein anderes Ergebnis.
47a) Grundlage der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. März 2012 (10 AZR 8/12, mit Anm. Henssen, jurisPR-ArbR 40/2013, Anm. 2) war die im Arbeitsvertrag ausdrücklich getroffene Regelung, dass der Mitarbeiter einen Leistungsbonus erhält, welcher sich nach der individuellen Zielerreichung, dem Teamverhalten sowie dem Erfolg des Unternehmens richtet. Eine solche, gegenüber der Konzernbetriebsvereinbarung ACB günstigere individualvertragliche Regelung besteht im Falle der Klägerin nicht. Dementsprechend greifen hier nicht die Grundsätze für das Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers nach § 315 Abs. 1 BGB, welche das Bundesarbeitsgericht in diesem Fall aufstellt.
48b) Soweit die Klägerin auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 11. Dezember 2013 (10 AZR 364/13) verweist, stand dies und damit die Gewährung eines Bonus außer Streit. Stattdessen wurde die in der Betriebsvereinbarung festgelegte Art und Weise der Ermittlung für eines vereinbarten Ziele aufgrund einer Konzernentscheidung einseitig durch den Arbeitgeber verändert. Eine solche einseitige Änderung wurde vom Bundesarbeitsgericht für unzulässig erklärt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Arbeitgeber frei über das Ob der Bonusgewährung – und sei es auf der Grundlage von Konzernvorgaben – entscheiden kann. Im vorliegenden Fall geht es um die der Anwendbarkeit einer Betriebsvereinbarung über eine Bonusgewährung vorausgehende Entscheidung des Arbeitgebers, ob überhaupt ein finanzielles Volumen für Bonuszahlungen zur Verfügung gestellt wird.
495. Ein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz liegt nicht vor.
50a) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbstgegebenen Regelung gleich zu behandeln. Bei freiwilligen Leistungen muss der Arbeitgeber die Leistungsvoraussetzungen so abgrenzen, dass Arbeitnehmer nicht aus sachfremden oder willkürlichen Gründen ausgeschlossen werden. Bildet der Arbeitgeber Gruppen von begünstigten und benachteiligten Arbeitnehmern, muss diese Gruppenbildung sachlichen Kriterien entsprechen. Dabei kommt es darauf an, ob sich nach dem Zweck der Leistung Gründe ergeben, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, der einen Arbeitnehmergruppe Leistungen vorzuenthalten, die der anderen Gruppe eingeräumt worden sind. Eine unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer ist dann mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, wenn die Unterscheidung gerade nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt ist (vgl. BAG 13. Dezember 2016 – 9 AZR 606/15 – juris, Rn. 27).
51b) Für die Ungleichbehandlung (Bonusgewährung an alle bis zum 31. Mai 2020 ausgeschiedenen Mitarbeiter, keine Bonusgewährung für alle danach ausscheidenden Mitarbeiter) besteht ein sachlicher Grund. Mit der Mitteilung der Konzernleitung vom 8. Juni 2020 stand fest, dass für das Jahr 2020 ein Bonus nicht mehr sicher war. Die vorherige Zahlung beruhte auf der Annahme, dass es wie in den Vorjahren zu einer erneuten Bonuszahlung kommen wird. Dies traf jedoch nicht mehr zu. Das rechtfertigt die Differenzierung. Aus der im Vorgriff auf die erwartete endgültige Regelung an ausscheidende Mitarbeiter bis zum 31. Mai 2020 erfolgten Zahlung kann die Klägerin keine Rechte herleiten. Nachdem nunmehr endgültig kein Bonus für 2020 gewährt wird, ist ein Zahlungsanspruch nicht gegeben.
526. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
53Die Revision war wegen grundsätzlichen Bedeutung zuzulassen, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
54RECHTSMITTELBELEHRUNG
55Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
56REVISION
57eingelegt werden.
58Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben.
59Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
60Bundesarbeitsgericht
61Hugo-Preuß-Platz 1
6299084 Erfurt
63Fax: 0361 2636-2000
64eingelegt werden.
65Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
66Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
671. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
72Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
73Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts www.bundesarbeitsgericht.de.
74* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.