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Eine arbeitsvertragliche Klausel, die nur den BAT sowie jeweilige Änderungen zum Bestandteil des Vertrags erklärt, erfasst nicht den TV FlexAZ.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 18. Mai 2021 – 5 Ca 2575/20 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags.
3Die am 28. Oktober 19XX geborene Klägerin ist auf der Grundlage eines Dienstvertrags vom 17. Mai 1983 seit dem 6. Juni 1983 bei der Beklagten als Arztsekretärin angestellt. Die Bruttomonatsvergütung der Klägerin beträgt zuletzt knapp 3.300,00 EUR.
4Gegenstand des Unternehmens der Beklagten ist unter anderem der Betrieb von diakonischen Einrichtungen wie Krankenhäusern, medizinischen Versorgungszentren sowie die ambulante, teilstationäre und stationäre Behandlung und Pflege von Kranken nach den Grundsätzen der christlichen Krankenpflege (Amtsgericht Hagen HRB 33XX). Die Beklagte war zu keinem Zeitpunkt Mitglied eines Arbeitgeberverbands.
5Die Regelung in § 2 des Dienstvertrags der Parteien vom 17. Mai 1983 lautet auszugsweise wie folgt:
6„Das Dienstverhältnis richtet sich nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) vom 23.02.1961 und den dazu erlassenen oder noch zu erwartenden Tarifveränderungen, d.h. in der jeweils geltenden Fassung; ausgenommen ist die Zahlung von Trennungsentschädigung.“
7Diese konkrete Regelung wurde von der Beklagten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Parteien standardisiert in sämtlichen mit Arbeitnehmern abgeschlossenen Dienstverträgen vereinbart.
8Die Beklagte wendet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Regelungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) an.
9Die Regelungen des zwischen der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und den Gewerkschaften ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und dbb beamtenbund und tarifunion inhaltsgleich abgeschlossenen Tarifvertrags zu flexiblen Arbeitszeitregelungen für ältere Beschäftigte (nachfolgend: TV FlexAZ) vom 27. Februar 2010 in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 7 vom 25. Oktober 2020 lauten auszugsweise wie folgt:
10„[…]
11§ 1 Geltungsbereich
12Dieser Tarifvertrag gilt für Beschäftigte, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) […] fallen. […]
13§ 2 Inanspruchnahme von Altersteilzeit
14Auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes (AltTZG) vom 23. Juli 1996 in der jeweils geltenden Fassung ist die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis
15[…]
16b) im Übrigen im Rahmen einer Quote
17möglich.
18[…]
19§ 4 Altersteilzeit im Übrigen
20(1) Den Beschäftigten wird im Rahmen der Quote nach Absatz 2 die Möglichkeit eröffnet, Altersteilzeit im Sinne des Altersteilzeitgesetzes in Anspruch zu nehmen, wenn die persönlichen Voraussetzungen nach § 5 vorliegen.
21[…]“
22Die Beklagte schloss mit dem ehemaligen Pflegedienstleiter S. einen Altersteilzeitarbeitsvertrag ab. Auch mit der Mitarbeiterin F., die Mitglied der Mitarbeitervertretung bei der Beklagten ist und deren Dienstvertrag eine inhaltsgleiche Bezugnahmeklausel wie der der Klägerin enthält, wurde Mitte 2020 ein Altersteilzeitarbeitsvertrag abgeschlossen. Im Falle weiterer Arbeitnehmer lehnte die Beklagte den Abschluss von Altersteilzeitarbeitsverträgen ab. Teilweise enthielten die Dienstverträge dieser Arbeitnehmer die gleichen Bezugnahmeklauseln wie in § 2 des Dienstvertrags der Klägerin vereinbart. Hierzu sind weitere Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht anhängig. Teilweise handelte es sich um Arbeitnehmer, deren Dienstverträge weiter gefasste Bezugnahmeklauseln enthielten. Deren Klagen sind rechtskräftig zulasten der Beklagten entschieden.
23Nach außergerichtlicher Geltendmachung durch die Klägerin zuletzt mit Schreiben ihrer späteren Prozessbevollmächtigten vom 28. Oktober 2020 lehnte die Beklagte den Abschluss eines Altersteilzeitvertrags für die Zeit ab dem 1. Januar 2021 ab.
24Mit der am 10. November 2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage vom 6. November 2020 hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und von der Beklagten die Zustimmung zu dem von ihr begehrten Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags verlangt.
25Die Klägerin ist der Auffassung gewesen, der TV FlexAZ finde aufgrund der Vereinbarung in § 2 des zwischen den Parteien geschlossenen Dienstvertrags auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung. Bei der Regelung in § 2 des Dienstvertrags handele es sich um eine Klausel mit der dynamischen Bezugnahme auf den BAT und – nach der Tarifsukzession – auf den TVöD sowie die diesen ergänzenden Tarifverträge. Dazu gehöre auch der TV FlexAZ, welcher gemäß § 1 wiederum für Beschäftigte gelte, die unter den Geltungsbereich des TVöD fielen. Im Übrigen sei die Beklagte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags am 17. Mai 1983 noch tarifgebunden gewesen. Damit stelle die Bezugnahmeklausel eine Gleichstellungsabrede dar. Deshalb habe die Beklagte in der Vergangenheit auf das Arbeitsverhältnis der Parteien auch alle Regelungen des BAT einschließlich der Vergütungsregelungen angewandt. Es müsse außerdem berücksichtigt werden, dass die Beklagte in ihr – der Klägerin – vorliegenden Dienstverträgen anderer Arbeitnehmer aus den Jahren 1991 und 2002 jeweils „Große Verweisungsklauseln“ aufgenommen habe. Darüber hinaus sei in den vorprozessualen Ablehnungsschreiben der Beklagten die Anwendbarkeit des TV FlexAZ auch gar nicht in Abrede gestellt worden. Es seien lediglich finanzielle Gründe angegeben worden. Im Übrigen hat die Klägerin gemeint, es seien sämtliche tarifvertraglichen Voraussetzungen für den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags erfüllt. In jedem Fall bestehe ein Anspruch auf Gewährung von Altersteilzeit unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung.
26Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,
27die Beklagte zu verurteilen, ihr Angebot vom 28. Oktober 2020 auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages im Blockmodell gemäß TV FlexAZ für den Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2023, wobei der aktive Teil der Altersteilzeit im Zeitraum 1. Januar 2021 bis zum 30. Juni 2022 und der passive Teil der Altersteilzeit im Zeitraum 1. Juli 2022 bis zum 31. Dezember 2023 absolviert werden soll, anzunehmen.
28Die Beklagte hat beantragt,
29die Klage abzuweisen.
30Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, dass die Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags habe. Der TV FlexAZ finde auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Sie sei mangels Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband nicht normativ an die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes gebunden. Auch im Zeitpunkt des Abschlusses des Dienstvertrags vom 17. Mai 1983 habe sie keiner Tarifbindung unterliegen können, weil sie seinerzeit als privatrechtlicher Verein nach preußischem Recht nicht dem öffentlichen Dienst angehört habe und auch nicht Mitglied im Verband der kommunalen Arbeitgeber gewesen sei. Damit komme es allein auf die Auslegung der dienstvertraglichen Bezugnahmeklausel in § 2 des Dienstvertrags an. Die Ersetzung des BAT durch den TVöD habe zwar zur Anwendung der entsprechenden Regelungen des TVöD geführt. Hieraus lasse sich jedoch nicht ableiten, dass damit sämtliche Regelungen der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes und alle künftigen Bestimmungen im öffentlichen Dienst auf das Arbeitsverhältnis hätten Anwendung finden sollen. Dies gelte insbesondere für spätere Sonderregelungen in Spezialtarifverträgen, die bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar gewesen seien. Soweit die Klägerin darauf verwiesen habe, dass der TV FlexAZ nach § 1 für die Beschäftigten gelte, die unter den Geltungsbereich des TVöD fielen, ändere dies nichts. Diese Regelung setze nämlich eine tarifvertragliche Bindung voraus, an der es vorliegend aber fehle. Im Übrigen möge es sein, dass in Einzelfällen Altersteilzeitarbeitsverträge abgeschlossen worden seien. Hieraus erwachse jedoch kein Anspruch der Klägerin, dass ihr ebenfalls Altersteilzeit gewährt werde.
31Mit Urteil vom 18. Mai 2021 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Eine Bindung der Parteien an den TV FlexAZ sei nicht gegeben. Dies ergebe die Auslegung der Bezugnahmeklausel in § 2 des Dienstvertrags. Auch aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz ergebe sich kein Anspruch der Klägerin auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags.
32Gegen das der Klägerin 31. Mai 2021 zugestellte Urteil richtet sich deren am 9. Juni 2021 eingegangene und am 30. Juni 2021 begründete Berufung.
33Die Klägerin meint unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts hätten die Parteien das Arbeitsverhältnis seinerzeit bei Abschluss des Dienstvertrags sämtlichen Regelungen des öffentlichen Dienstes unterstellen wollen, lediglich unter Ausklammerung der Zahlung von Trennungsentschädigung. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Dienstvertrags hätten neben dem BAT keine weiteren tarifvertraglichen Regelungen in diesem Bereich existiert, so dass sämtliche Regelungen mit Ausnahme der Trennungsentschädigung einbezogen worden seien. Schließlich erfolge auch die Vergütung der Klägerin seit jeher nach den tarifvertraglichen Regelungen für den öffentlichen Dienst. Dass die Intention auch der Beklagten zum damaligen Zeitpunkt die Einbringung aller tarifvertraglicher Regelungen des öffentlichen Dienstes gewesen sei, werde auch dadurch deutlich, dass sie bei später abgeschlossenen Arbeitsverträgen eine „große Verweisungsklausel“ verwendet habe, nachdem weitere tarifvertraglichen Regelungen im Bereich des öffentlichen Dienstes hinzugetreten seien.
34Die Klägerin beantragt,
35das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 18. Mai 2021 – 5 Ca 2575/20 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, das Angebot der Klägerin vom 28. Oktober 2020 auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages im Blockmodell gemäß TV FlexAZ für den Zeitraum von 1. Januar 2021 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2023 anzunehmen, wobei der aktive Teil der Alterszeit im Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum Ablauf des 30. Juni 2022 und der passive Teil der Alterszeit im Zeitraum vom 1. Juli 2022 bis zum Ablauf des 30. Dezember 2023 absolviert werden soll.
36Die Beklagte beantragt,
37die Berufung zurückzuweisen.
38Sie ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe die Klage mangels Bindung der Parteien an den TVFlexAZ zurecht abgewiesen. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die Beklagte sich seit dem Jahr 2007 ohnehin – soweit rechtlich möglich – von der Anwendbarkeit der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes abgewendet habe. Seit dem 1. Januar 2007 würden auf sämtliche neu begründeten Dienstverhältnisse die Regelungen der AVR Diakonie angewandt.
39Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
40Entscheidungsgründe
41I. Die Berufung ist zulässig.
Sie wurde gemäß §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG am 9. Juni 2021 gegen das am 31. Mai 2021 zugestellte Urteil innerhalb der Monatsfrist form- und fristgerecht eingelegt sowie innerhalb der Frist des § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG ordnungsgemäß im Sinne der §§ 520 Abs. 3, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG am 30. Juni 2021 begründet.
44II. Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Die – mit der Begründung des Arbeitsgerichts – zulässige Klage ist unbegründet. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags im Blockmodell für den Zeitraum von 1. Januar 2021 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2023, wobei der aktive Teil der Alterszeit im Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum Ablauf des 30. Juni 2022 und der passive Teil der Alterszeit im Zeitraum vom 1. Juli 2022 bis zum Ablauf des 30. Dezember 2023 zu absolvieren wäre.
47Hierbei folgt die Kammer – ebenfalls wie das Arbeitsgericht – den durch das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 11. Dezember 2012 (9 AZR 136/11) aufgestellten rechtlichen Grundsätzen.
481. Die Klägerin hat keinen gesetzlichen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags. Eine entsprechende Anspruchsgrundlage ist nicht gegeben (ErfK/Rolfs, 21. Aufl. 2021, § 8 ATG, Rdn. 1 m.w.N.).
2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrags gemäß §§ 2 b), 4 Abs. 1 TV FlexAZ. Denn der TV FlexAZ ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht anwendbar.
51a) Die Parteien sind mangels Gewerkschafts- und Verbandsmitgliedschaft nicht gemäß § 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und normativ an den TV FlexAZ gebunden.
52Es handelt sich bei den Regelungen in §§ 2 b), 4 Abs. 1 TV FlexAZ auch nicht um Betriebsnormen (vgl. BAG 18. September 2001 – 9 AZR 397/00), so dass – ungeachtet einer ohnehin nicht vorhandenen Verbandsmitgliedschaft der Beklagten – auch eine tarifvertragliche Bindung gemäß § 3 Abs. 2 TVG ausscheidet.
53Zwar hat die Klägerin – offenbar „ins Blaue hinein“ – behauptet, die Beklagte sei zum Zeitpunkt des Abschlusses des Dienstvertrags verbandlich organisiert gewesen. Auf den Vortrag der Beklagten, sie habe seinerzeit keiner Tarifbindung unterliegen können, weil sie als privatrechtlicher Verein nach preußischem Recht nicht dem öffentlichen Dienst angehört habe und auch nicht Mitglied im Verband der kommunalen Arbeitgeber gewesen sei, ist seitens der Klägerin kein weiterer Sachvortrag erfolgt, so dass die Kammer diesen beklagtenseitigen Vortrag gemäß § 138 Abs. 2 und 3 ZPO als zugestanden betrachtet und dem ursprünglichen klägerischen Vortrag mangels Substanz nicht weiter nachgehen kann.
54b) Der TV FlexAZ findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht kraft dienstvertraglicher Inbezugnahme Anwendung.
55Gemäß § 2 des Dienstvertrags der Parteien vom 17. Mai 1983 richtet sich das Dienstverhältnis „nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den dazu erlassenen oder noch zu erwartenden Tarifveränderungen, d.h. in der jeweils geltenden Fassung.“ Ausgenommen werden die tarifvertraglichen Regelungen zur Zahlung von Trennungsentschädigung.
56Durch diese Regelung ist der TV FlexAZ nicht einbezogen worden. Dies ergibt eine Auslegung der Regelung in § 2 des Dienstvertrags, bei dem es sich erkennbar um einen Formulararbeitsvertrag im Sinne des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB handelt.
57aa) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Soweit ein Vertragspartner vom Wortlaut abweichende Regelungsziele verfolgt, können diese danach nur in die Auslegung eingehen, wenn sie für den anderen Vertragspartner mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommen (st. Rspr., statt aller: BAG 11. Dezember 2012 – 9 AZR 136/11; BAG 18. November 2009 – 4 AZR 514/08; BAG 19. März 2009 – 6 AZR 557/07).
58Klauseln in arbeitsvertraglichen Vereinbarungen, die auf kollektivrechtlich ausgehandelte Vertragsbedingungen Bezug nehmen, sind nach denselben Maßstäben auszulegen wie einseitig vom Arbeitgeber vorformulierte Klauseln. Auch sie weisen einen „Massencharakter“ auf, der eine einheitliche Auslegung erforderlich macht. Die Arbeitnehmer, die solche Verträge unterzeichnen, waren zudem an der Aushandlung der Kollektivregelung nicht beteiligt und konnten sie nicht beeinflussen. Die Gründe, die zu der später in die vertragliche Vereinbarung übernommenen Kollektivnorm geführt haben, sind ihnen unbekannt. Für die Auslegung solcher Klauseln kommt es daher nicht auf das Verständnis der an den Verhandlungen über die Kollektivregelung Beteiligten, sondern gemäß § 157 BGB auf die Verständnismöglichkeiten der Arbeitnehmer an, mit denen später die darauf Bezug nehmende arbeitsvertragliche Regelung vereinbart wird (BAG 19. März 2009 – 6 AZR 557/07; vgl. im Übrigen umfassend: ErfK/Preis, 21. Aufl. 2021, § 310 BGB, Rdn. 31 ff. m.w.N.). Da gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen keine Anwendung finden, unterliegen in einer Vielzahl von Fällen formularmäßig verwendete Klauseln in Arbeitsverträgen, die auf eine solche Kollektivregelung Bezug nehmen oder mit ihr übereinstimmen und lediglich deren gesamten Inhalt wiedergeben, allerdings keiner Inhaltskontrolle (BAG 19. März 2009 – 6 AZR 557/07; BAG 25. April 2007 – 6 AZR 622/06).
59bb) Die von der Beklagten vorformulierte Vertragsklausel in § 2 des Dienstvertrags erklärt nur den BAT sowie die dazu erlassenen oder noch zu erwartenden Tarifveränderungen zum Bestandteil des Vertrags.
60(1) Vom Wortlaut der Klausel wird der TV FlexAZ damit nicht erfasst. Der TV FlexAZ hat den BAT nicht geändert. Es handelt sich vielmehr um einen den BAT ergänzenden Tarifvertrag (vgl. zum Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit im Öffentlichen Dienst – TV ATZ: Rittweger/Petri/Schweikert, Altersteilzeit, 2. Auflage 2002, § 1 TV ATZ, Rdn. 1; vgl. so auch: BAG 11. Dezember 2012 – 9 AZR 136/11).
61(2) Gegen ein über den Wortlaut hinausgehendes, auch Ergänzungen einschließendes Verständnis der Bezugnahmeklausel spricht bereits die Abweichung von üblichen Formulierungen.
62Die typische zeitdynamische Verweisung auf die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes war die Vertragsbestimmung: „Auf das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags und der diesen ändernden, ergänzenden und ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung“ (statt aller: BeckOK TVöD, Rinck/Böhle/Pieper/Geyer, 57. Edition, Stand: 01.06.2021, Exkurs: Tarifbindung und Tarifgeltung, Rdn. 17; z.B. LAG Rheinland Pfalz 2. August 2012 – 10 Sa 86/12). Die streitgegenständliche Klausel in § 2 des Dienstvertrags der Parteien beschränkt sich hingegen auf die noch zu erwartenden Tarifveränderungen. Außerdem benennt die Klausel den in Bezug genommenen Tarifvertrag ausdrücklich, indem auf den BAT Bezug genommen wird.
63(3) Auch im Hinblick auf die Einschränkung des Regelungsgegenstands durch Herausnahme der Regelungen zur Trennungsentschädigung kann die Bezugnahmeklausel in § 2 des Dienstvertrags nicht so verstanden werden, dass von ihr im Übrigen – quasi im Umkehrschluss – jeder den BAT ergänzende Tarifvertrag erfasst wird.
64Wie das Beispiel der Altersteilzeit zeigt, können durch ergänzende Tarifverträge für Arbeitgeber zusätzliche finanzielle Belastungen begründet werden, die bei Abschluss des Arbeitsvertrags nicht absehbar waren. Die Möglichkeit der Altersteilzeit wurde erst durch das Altersteilzeitgesetz vom 23. Juli 1996, mithin 13 Jahre nach dem Abschluss des Arbeitsvertrags, geschaffen. Dabei sah und sieht das Gesetz selbst noch keinen Anspruch auf Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses vor. Diesen hat für den Bereich des öffentlichen Dienstes seinerzeit der Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit im öffentlichen Dienst (TV ATZ) begründet.
65(4) Auch die Tatsache, dass die Beklagte unstreitig die Vergütungsregelungen des öffentlichen Dienstes auf das Dienstverhältnis der Parteien anwendet, führt nicht zu dem von der Klägerin angenommenen Auslegungsergebnis. Denn der dem Grunde nach bestehende Vergütungsanspruch nebst einschlägiger Eingruppierungsgrundsätze richtet sich direkt nach dem BAT (insbesondere: § 26) und nun TVöD (insbesondere: § 15), vorliegend in Verbindung mit § 1 des Dienstvertrags vom 17. Mai 1983.
66(5) Bei der Regelung in § 2 des Dienstvertrags handelt es sich auch nicht um eine sogenannte Gleichstellungsabrede, mit der ein tarifgebundener Arbeitgeber tarifgebundene und nicht tarifgebundene Arbeitnehmer hinsichtlich der Tarifgeltung gleichstellen will (vgl. BAG 18. November 2009 – 4 AZR 514/08; BAG 18. März 2009 – 4 AZR 64/08).
67(a) Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts waren bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an die in Bezug genommenen Tarifverträge Bezugnahmeklauseln unter Umständen als sogenannte Gleichstellungsabreden auszulegen (statt aller: BAG 10. Dezember 2008 – 4 AZR 881/07; BAG 14. Dezember 2005 – 4 AZR 536/04; BAG 1. Dezember 2004 – 4 AZR 50/04; BAG 21. August 2002 – 4 AZR 263/01). Dies führt bei einem Wegfall der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers dazu, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch in der Fassung zum Zeitpunkt des Austritts anzuwenden sind. Diese Auslegungsregel wendet das Bundesarbeitsgericht aus Gründen des Vertrauensschutzes auch nach der Schuldrechtsreform weiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die – wie hier – vor dem 1. Januar 2002 vereinbart worden sind (st. Rspr., statt aller: BAG 14. Dezember 2005 – 4 AZR 536/04; BAG 19. April 2007 – 4 AZR 652/05; BAG 26. August 2009 – 4 AZR 285/08).
68(b) Die Klägerin hat – wie bereits ausgeführt – lediglich streitig „ins Blaue hinein“ behauptet, dass die Beklagte im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezüglich der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes tarifgebunden gewesen sei, ohne dass dieser Vortrag trotz substantiierten Vortrags der Beklagten hierzu für die Kammer gemäß § 138 Abs. 2 ZPO nachvollziehbar mit Tatsachen ausgefüllt worden wäre. Die Auslegung der Regelung in § 2 des Dienstvertrags als Gleichstellungsabrede scheidet mithin mangels unmittelbarer Tarifbindung der Beklagten aus.
69(6) Ohne Bedeutung ist, dass die Beklagte in zeitlich deutlich später abgeschlossenen Dienstverträgen andere und gegebenenfalls weiter gefasste Verweisungsklauseln aufgenommen haben mag. Die von der Klägerin erwähnten Dienstverträge datieren aus den Jahren 1991 und 2002, wurden mithin acht bzw. 19 Jahre nach Einstellung der Klägerin abgeschlossen und können mithin keine Auswirkung auf das Auslegungsergebnisses betreffend eine dienstvertragliche Klausel aus dem Jahr 1983 haben. Umgekehrt verhält sich dies ebenso im Hinblick auf die nach dem Vortrag der Beklagten seit dem 1. Januar 2007 bei Neubegründung von Dienstverhältnissen durchweg erfolgte Inbezugnahme diakonischer Regelungen. Auch diese wirkt sich nicht auf die Auslegung des Dienstvertrags mit der Klägerin aus.
70(7) Die Parteien haben § 2 des Dienstvertrags schließlich auch nicht übereinstimmend so verstanden, dass dadurch auch der TV FlexAZ in Bezug genommen sein sollte.
71Insoweit kann dahinstehen, inwieweit im Rahmen der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ein vom Vertragswortlaut abweichender übereinstimmender Parteiwille Berücksichtigung finden kann (auch hierzu ausdrücklich: BAG 11. Dezember 2012 – 9 AZR 136/11 m.w.N.). Die Beklagte ging zwar ausweislich der außergerichtlichen Korrespondenz zunächst von einer Anwendbarkeit des TVFlexAZ auf das Arbeitsverhältnis der Parteien aus. Tatsachen, aus denen sich die Verbindlichkeit dieser – nach dem Eindruck der Kammer offenbar eher irrtümlichen – Annahme hätten ergeben können, hat die Klägerin jedoch nicht vorgetragen. Entsprechenden Vortrags hätte es jedoch bedurft.
72c) Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin folgt nicht aus § 1 TV FlexAZ, dass der Tarifvertrag auch auf die Arbeitsverhältnisse nicht im Sinne des § 3 Abs. 1 TVG tarifgebundener Arbeitnehmer Anwendung findet, in deren Arbeitsverträgen lediglich der BAT, sodann abgelöst durch den TVöD, in Bezug genommen wurde.
73Unabhängig davon, dass die Tarifvertragsparteien des TV FlexAZ nicht die Regelungsmacht besäßen, die Geltung des Tarifvertrags für die Arbeitsverhältnisse nicht Tarifgebundener anzuordnen, beschreibt § 1 TV FlexAZ nur den Geltungsbereich des Tarifvertrags. Durch die Festlegung des Geltungsbereichs können die Tarifvertragsparteien auch zwischen beiderseits Tarifgebundenen die unmittelbare und zwingende Wirkung des Tarifvertrags durch räumliche, fachliche und persönliche Kriterien einschränken. Die Beschreibung des Geltungsbereichs dient hingegen nicht dazu, die Wirkung des Tarifvertrags auf nicht tarifgebundene Arbeitsvertragsparteien zu erstrecken (vgl. wiederum: BAG 11. Dezember 2012 – 9 AZR 136/11).
743. Der Anspruch der Klägerin folgt schließlich auch nicht aus dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte hat nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, indem sie mit dem Mitarbeiter S. und der Mitarbeiterin F. Altersteilzeitarbeitsverträge abgeschlossen hat, dies aber gegenüber der Klägerin verweigert hat.
75a) Schließt der Arbeitgeber mit Arbeitnehmern Altersteilzeitarbeitsverträge, obwohl er hierzu nicht verpflichtet ist, erbringt er eine freiwillige Leistung und hat deshalb bei der Entscheidung über den Antrag eines Arbeitnehmers auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten (BAG 13. Dezember 2016 – 9 AZR 606/15; BAG 15. November 2011 – 9 AZR 387/10; BAG 15. April 2008 – 9 AZR 111/07).
76Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gibt dem Arbeitgeber vor, Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regelung gleich zu behandeln. Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird inhaltlich durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt. Bei freiwilligen Leistungen muss der Arbeitgeber die Leistungsvoraussetzungen so abgrenzen, dass Arbeitnehmer nicht aus sachfremden oder willkürlichen Gründen ausgeschlossen werden. Verstößt der Arbeitgeber bei der Gewährung freiwilliger Leistungen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, hat der benachteiligte Arbeitnehmer Anspruch auf die vorenthaltene Leistung (st. Rspr., statt aller: BAG 15. November 2011 – 9 AZR 387/10; BAG 4. Mai 2010 – 9 AZR 155/09). Bildet der Arbeitgeber Gruppen von begünstigten und benachteiligten Arbeitnehmern, muss diese Gruppenbildung sachlichen Kriterien entsprechen. Dabei kommt es darauf an, ob sich nach dem Zweck der Leistung Gründe ergeben, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, der einen Arbeitnehmergruppe Leistungen vorzuenthalten, die der anderen Gruppe eingeräumt worden sind. Eine unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer ist dann mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, wenn die Unterscheidung gerade nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt ist (BAG 19. März 2003 – 10 AZR 365/02).
77b) Vorliegend schloss die Beklagte mit dem ehemaligen Pflegedienstleiter S. einen Altersteilzeitarbeitsvertrag ab. Auch mit der Mitarbeiterin F., die Mitglied der Mitarbeitervertretung bei der Beklagten ist, wurde Mitte 2020 ein Altersteilzeitarbeitsvertrag abgeschlossen. Im Dienstvertrag dieser Mitarbeiterin war die gleiche Bezugnahmeklausel enthalten wie im Falle der Klägerin.
78Diesem Sachvortrag kann die Kammer nicht entnehmen, dass Arbeitnehmer vor dem Hintergrund vergleichbarer Lebenssachverhalte ungleich behandelt würden. Die Kammer kennt den arbeitsrechtlichen Rahmen der Anstellung der beiden anderen Arbeitnehmer ebenso wenig wie die sonstigen Umstände ihrer Beschäftigung. Hierzu hätte die Klägerin jedoch vortragen müssen, um einen etwaigen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu begründen. Dies wäre ihr auch möglich gewesen. Da es sich um Arbeitskollegen handelte, hätte sie näher schildern können, aufgrund welcher konkreten Umstände sie nach ihrer Wahrnehmung von einer Ungleichbehandlung gegenüber vergleichbaren Kollegen ausging. Gerade hierzu hat die Klägerin jedoch nicht vorgetragen. Lediglich das Argument, dass es sich um bei der Beklagten angestellte Mitarbeiter mit zum Teil identischen dienstvertraglichen Regelungen handelt, genügt insofern nicht.
79Im Gegenzug ist es zudem so, dass nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien im Rahmen der Berufungsverhandlung am 22. September 2021 weitere Berufungsverfahren anhängig sind, in denen andere Arbeitnehmer vor dem Hintergrund der gleichen Bezugnahmeklausel im Dienstvertrag wie im Falle der Klägerin Ansprüche geltend machen, nachdem die Beklagte den Abschluss von Altersteilzeitarbeitsverträgen abgelehnt hat. Zudem hat die Beklagte danach den Abschluss von Altersteilzeitarbeitsverträgen sogar bei Arbeitnehmern mit in Dienstverträgen vereinbarten weiter gefassten Bezugnahmeklauseln abgelehnt. Sie ist insoweit jedoch im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten rechtskräftig unterlegen. Dies bedeutet, dass neben den zwei von der Klägerin angeführten Arbeitnehmern zumindest bei weiteren Arbeitnehmern der Abschluss von Altersteilzeitarbeitsverträgen mit identischer (und auch weiter gefasster) Bezugnahmeklausel im Dienstvertrag durch die Beklagte abgelehnt worden ist. Allein dieser Umstand schließt zwar einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht von vornherein aus, zeigt aber im Kontext des im Übrigen hierzu nicht ausreichend substantiierten Vortrags der Klägerin, dass es sich bei ihr zumindest um keinen Einzelfall handelt.
80III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.
IV. Ein gesetzlich begründbarer Anlass zur Zulassung der Revision liegt nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG. Keine der entscheidungserheblichen Rechtsfragen war von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG. Auch weicht das Urteil in den entscheidungserheblichen Fragen von keiner Entscheidung der in § 72 Abs. 2 Ziffer 2 ArbGG genannten Gerichte ab.
Die Kammer ist – wie bereits das Arbeitsgericht und wie vorstehend durchgehend kenntlich gemacht – vollständig den Grundsätzen der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 11. Dezember 2012 (9 AZR 136/11) gefolgt.
85RECHTSMITTELBELEHRUNG
86Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
87Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.