Seite drucken Entscheidung als PDF runterladen
Zur Zuständigkeit der Einigungsstelle für die Ausgestaltung mobiler Arbeit.
Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 05.03.2021 – 21 BV 29/21 – unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen teilweise abgeändert.
1. Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Aufstellung einer Betriebsvereinbarung, die die Bedingungen des mobilen Arbeitens unter den Aspekten des Arbeitsschutzes, der Arbeitszeitfestlegung, des Einsatzes von Überwachungs-technik, der betrieblichen Berufsbildung und der Aufstellung von Beurteilungsbedingungen regeln soll, soweit keine anderen geltenden, nicht gekündigten und nicht auslaufenden betrieblichen Vereinbarungen hierzu existieren, wird Herr R L bestellt.
2. Die Zahl der Beisitzer wird für jede Seite auf drei festgesetzt.
Gründe
2I.
3Die Beteiligten streiten über die Einsetzung einer Einigungsstelle im Zusammenhang mit mobilem Arbeiten.
4Die Arbeitgeberin, ein Postunternehmen, unterhält einen eigenen Renten-Service, der mit ca. 650 Arbeitnehmern als Dienstleister für die Rentenzahlung, die Rentenanpassung, die Bestandspflege, die Betriebsrentenverwaltung, die Zulagenverwaltung und für die Erstellung von Statistiken zuständig ist.
5Jedenfalls seit Beginn der aktuellen Corona-Pandemie arbeiten verschiedene Beschäftigte ganz oder teilweise außerhalb der Betriebsstätte. Die Arbeitgeberin und der für den Renten Service gebildete Betriebsrat hatten Verhandlungen über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zum mobilen Arbeiten aufgenommen. Der Betriebsrat hat hierzu den Entwurf einer entsprechenden Betriebsvereinbarung vorgelegt, die Bestimmungen zum Geltungsbereich (§ 1), zur Definition des mobilen Arbeitens (§ 2), zur Beantragung von mobiler Arbeit und der Entscheidung darüber(§ 3), zur Arbeitszeit (§ 4), zu weiteren Grundsätzen (§ 5), zur Erreichbarkeit der Arbeitnehmer (§ 6), zu den vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellenden Arbeits- und Kommunikationsmitteln (§ 7), zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle (§ 8), zum Arbeitsschutz (§ 9), zum Unfallschutz (§ 10), zu Datenschutzbestimmungen (§ 11), zur Haftung des Arbeitgebers (§ 12) zur Streitschlichtung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber (§ 13) sowie eine salvatorische Klausel (§ 14) und Schlussbestimmungen § 15) enthält.
6Am 07.12.2020 stellte der Betriebsrat das Scheitern der Verhandlungen fest. Ausweislich des von ihm vorgelegten Protokolls beschloss er am 03.02.2021, „gerichtlich eine Einigungsstelle zur Aufstellung einer Betriebsvereinbarung 'Mobiles Arbeiten' zu betreiben“ und damit seine jetzigen Verfahrensbevollmächtigten zu beauftragen.
7Mit dem vorliegenden, am 18.02.2021 beim Arbeitsgericht Köln anhängig gemachten Antrag, verfolgt der Betriebsrat dieses Ansinnen weiter.
8Der Betriebsrat hat beantragt,
9zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Aufstellung einer Betriebsvereinbarung über „mobiles Arbeiten“, die insbesondere die Aspekte „Arbeitsschutz“ und „Arbeitszeit“ bei dieser Arbeitsformen regeln soll, wird der ehemalige Richter am Arbeitsgericht F R L bestellt. Die Zahl der Beisitzer wird auf drei festgesetzt.
10Die Arbeitgeberin hat beantragt,
11den Antrag zurückzuweisen.
12Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Antrag unzulässig sei, weil der Einleitung des Verfahrens keine ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats zu Grunde liege und weil der Antrag zu unbestimmt sei. Zudem seien die betriebsinternen Verhandlungen noch nicht gescheitert.
13Das Arbeitsgericht hat den Antrag mit einem am 05.03.2021 verkündeten Beschluss als unzulässig zurückgewiesen und dies damit begründet, dass der Antrag nicht hinreichend bestimmt sei. Anhand des der Antragsschrift beigefügten Entwurfs einer Betriebsvereinbarung zeige sich, dass mehrere Mitbestimmungstatbestände des § 87 BetrVG berührt seien. Es sei jedoch unklar, zu welchen Aspekten eine Regelung getroffen werden solle, sowie ob und inwieweit diesbezüglich Meinungsverschiedenheiten zwischen den Betriebsparteien bestünden. Bei dem vom Betriebsrat benannten Regelungsgegenstand könne nicht bestimmt werden, ob und wann die Einigungsstelle ihrem Regelungsauftrag ausreichend nachgekommen sei.
14Der Beschluss ist dem Betriebsrat am 17.03.2021 zugestellt worden. Seine dagegen gerichtete Beschwerde ist am 22.03.2021 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen und mit dem Beschwerdeschriftsatz zugleich begründet worden.
15Der Betriebsrat meint, dass der Antrag entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht unbestimmt sei. Das Arbeitsgericht hätte ohne weitere Fragen durch einen Blick in den von ihm eingereichten Entwurf der Betriebsvereinbarung sehen können, zu welchen Themen er Regelungen anstrebe.
16Das Gericht gehe zudem fehl in seiner Annahme, dass es für die Bestellung maßgeblich sei, welche einzelnen Regelungsthemen zwischen den Beteiligten umstritten seien und welche nicht. Darin liege gerade eines der Probleme, das die Einrichtung der Einigungsstelle erforderlich mache: Die Arbeitgeberin habe sich den Verhandlungen bislang schlicht nicht gestellt, sondern ihn, den Betriebsrat, immer wieder vertröstet. Nur aus äußerster Vorsicht stelle er daher die mit Schriftsatz vom 12.04.2021 angekündigten Hilfsanträge.
17Der Betriebsrat beantragt,
18den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 05.03.2021- 21 BV 29/21 abzuändern und zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Aufstellung einer Betriebsvereinbarung über „mobiles Arbeiten“, die insbesondere die Aspekte „Arbeitsschutz“ und „Arbeitszeit“ bei dieser Arbeitsform regeln soll, den ehemaligen Richter am Arbeitsgericht F R L zu bestellen und die Zahl der Beisitzer auf drei festzusetzen;
19hilfsweise in der Reihenfolge der Nummerierung
201. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Aufstellung einer Betriebsvereinbarung, die die Bedingungen des mobilen Arbeitens unter den Aspekten des Arbeitsschutzes, der Arbeitszeitfestlegung, des Einsatzes von Überwachungs-technik, der betrieblichen Berufsbildung und Aufstellung von Beurteilungsbedingungen regeln soll, soweit keine anderen geltenden, nicht gekündigten und nicht auslaufenden betrieblichen Vereinbarungen hierzu existieren, den ehemaligen Richter am Arbeitsgericht F R L zu bestellen und die Zahl der Beisitzer auf drei festzusetzen;
212. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Aufstellung einer Betriebsvereinbarung, die die Sachverhalte „Arbeitsschutz in Bezug auf Ergonomie der Ausstattung des Arbeitsplatzes, der eingesetzten Hard- und Software, der Raumgestaltung in Bezug auf Grundfläche, Höhe, Licht und Luft“, „Beginn, Ende und Verteilung der Arbeitszeit einschließlich deren Verlängerung und Verkürzung sowie Lage der Pausen“, „technische Überwachung der Arbeitnehmer/innen“, „betriebliche Berufsbildung“ und „Beurteilungsgrundsätze“, beim mobilen Arbeiten regeln soll, soweit keine anderen geltenden, nicht gekündigten und nicht auslaufenden betrieblichen Vereinbarungen hierzu existieren, den ehemaligen Richter am Arbeitsgericht F R L zu bestellen und die Zahl der Beisitzer auf drei festzusetzen;
223. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Aufstellung einer Betriebsvereinbarung, die alle im Zusammenhang mit der Arbeitsform „mobiles Arbeiten“ der erzwingbaren Mitbestimmung unterliegenden Sachverhalte, soweit noch nicht in anderen geltenden, nicht gekündigten und nicht auslaufenden betrieblichen Vereinbarungen geregelt, regeln sollen, den ehemaligen Richter am Arbeitsgericht F R L zu bestellen und die Zahl der Beisitzer auf drei festzusetzen;
234. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Aufstellung einer Betriebsvereinbarung, die alle im Zusammenhang mit der Arbeitsform „mobiles Arbeiten“ der erzwingbaren Mitbestimmung unterliegenden Sachverhalte, „z.B. Arbeitsschutz in Bezug auf Ergonomie der Ausstattung des Arbeitsplatzes, der eingesetzten Hard- und Software, der Raumgestaltung in Bezug auf Grundfläche, Höhe, Licht und Luft“, „Beginn, Ende und Verteilung der Arbeitszeit einschließlich deren Verlängerung und Verkürzung sowie Lage der Pausen“, „technische Überwachung der Arbeitnehmer/innen“, „betriebliche Berufsbildung“ und „Beurteilungsgrundsätze“, soweit nicht in anderen geltenden, nicht gekündigten und nicht auslaufenden betrieblichen Vereinbarungen geregelt, regeln soll, den ehemaligen Richter am Arbeitsgericht F R L zu bestellen und die Zahl der Beisitzer auf drei festzusetzen;
245. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Aufstellung einer Betriebsvereinbarung, die die folgenden im Zusammenhang mit der Arbeitsform „mobiles Arbeiten“ Sachverhalte, „Arbeitsschutz in Bezug auf Ergonomie der Ausstattung des Arbeitsplatzes, der eingesetzten Hard- und Software, der Raumgestaltung in Bezug auf Grundfläche, Höhe, Licht und Luft“, „Beginn, Ende und Verteilung der Arbeitszeit einschließlich deren Verlängerung und Verkürzung sowie Lage der Pausen“, „technische Überwachung der Arbeitnehmer/innen“, „betriebliche Berufsbildung“ und „Beurteilungsgrundsätze“ regeln soll, soweit noch nicht in anderen geltenden, nicht gekündigten und nicht auslaufenden betrieblichen Vereinbarungen geregelt, den ehemaligen Richter am Arbeitsgericht F R L zu bestellen und die Zahl der Beisitzer auf drei festzusetzen.
25Die Arbeitgeberin beantragt,
26die Beschwerde zurückzuweisen.
27Sie trägt vor, es einigen Arbeitnehmergruppen gegenwärtig zu erlauben, ihre Arbeitsleistung außerhalb des Betriebs zu erbringen. Eine dauerhafte und regelmäßige Ermöglichung der Erbringung der Arbeitsleistung außerhalb der Betriebsstätten sei jedoch nicht beabsichtigt. Mitbestimmungspflichtige Regelungen könnten daher gegenwärtig nicht verhandelt werden. Der Betriebsrat habe aus eigener Initiative den Entwurf einer Betriebsvereinbarung erstellt. Noch am 01.02.2021 habe er sich an den Vorstand gewandt und den Wunsch geäußert, vermehrt Home Office für die Arbeitnehmer anzubieten. Sie, die Arbeitgeberin, habe dann in einem Schreiben vom 08.02.2021 eine Terminabstimmung angeboten. Von daher befremde es außerordentlich, dass der Betriebsrat am 03.02.2021 den Beschluss über die Einleitung des vorliegenden Verfahrens beschlossen haben soll. Dies erscheine jedenfalls mutwillig. Ein Initiativrecht des Betriebsrats zur Einführung mobiler Arbeit oder von Home Office – so ihre Ansicht - bestehe nicht. Im Betrieb bestünden im Übrigen bereits Betriebsvereinbarungen zu wesentlichen Regelungsthemen. Sowohl das Thema Gefährdungsbeurteilung als auch die Arbeitszeit seien abschließend geregelt. In ihrem Betrieb gebe es Gleitzeit im Rahmen der tariflichen und betrieblichen Regelungen. Die entsprechende Betriebsvereinbarung enthalte Vorgaben zur Buchung und Verteilung der Arbeitszeit, die ortsunabhängig seien. Dasselbe gelte für die Betriebsvereinbarung zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung hinsichtlich psychischer Belastungen.
28Die Arbeitgeberin widerspricht der zweitinstanzlich vorgenommenen Kumulierung von Hilfsanträgen und hält sie für nicht sachdienlich. Zudem seien sie ebenso wie der Hauptantrag mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig. Jedenfalls seien die Hilfsanträge unbegründet. Mit diesen Anträgen trage der Betriebsrat neuen und bisher nicht ansatzweise thematisierten Sachverhalt in die Beschwerdeinstanz. Ohne jegliche tatsächliche Anhaltspunkte berufe sich der Betriebsrat in den ohne klaren Kontext zueinanderstehen Hilfsanträgen auf vermeintlich regelungsbedürftige Punkte anlässlich der Berufsbildung oder zu Beurteilungsgrundsätzen. Diese Regelungsthemen fänden sich noch nicht einmal in seinem Entwurf einer Betriebsvereinbarung. Eine Einigungsstelle könne aber nicht für beliebige Themen eingesetzt werden, hinsichtlich derer aus Sicht des Betriebsrats ein gewisser Regelungswunsch bestehe.
29Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses, die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
30II.
31Die form- und fristgerecht eingelegte sowie insgesamt zulässige Beschwerde des Betriebsrats hat mit dem zuvörderst gestellten Hilfsantrag auch in der Sache Erfolg.
321.) Unzulässig ist hingegen der Hauptantrag. Zu Recht hat das Arbeitsgericht diesen Antrag wegen fehlender Bestimmtheit zurückgewiesen.
33a) Denn das Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gilt im Beschlussverfahren gleichermaßen wie im Urteilsverfahren und auch für einen Antrag auf Bestellung einer Einigungsstelle. Im Verfahren nach § 100 ArbGG wird nicht nur die Person des Vorsitzenden und erforderlichenfalls die Zahl der Beisitzer festgelegt, sondern auch der Kompetenzrahmen der Einigungsstelle bestimmt. Die gerichtliche Vorgabe des Regelungsgegenstands aus dem Bestellungsverfahren kann nicht durch eine streitige Entscheidung der Einigungsstelle, sondern nur von beiden Betriebspartnern einvernehmlich abgeändert werden. Dementsprechend muss der Antragsteller im Bestellungsverfahren zwar nicht den Inhalt der von ihm angestrebten Regelung darlegen, wohl aber hinreichend konkret angeben, über welchen Gegenstand in der Einigungsstelle verhandelt werden soll. Stets muss hinreichend klar sein, über welchen Gegenstand die Einigungsstelle überhaupt verhandeln und ggf. durch Spruch befinden soll. Das ist schon deshalb unerlässlich, weil mit dem Regelungsgegenstand der Zuständigkeitsrahmen der Einigungsstelle abgesteckt wird und nur so der gesetzgeberischen Konzeption genügt werden kann, eine regelungsbedürftige Angelegenheit im Rahmen der gestellten Anträge vollständig zu lösen. Ein Mangel in der notwendigen Bestimmung des Regelungsauftrags der Einigungsstelle bewirkt die Unwirksamkeit der gesamten von der Einigungsstelle beschlossenen Betriebsvereinbarung (BAG, Beschluss vom 28. März 2017 – 1 ABR 25/15 –, BAGE 159, 12-24, Rn. 11, 15).
34b) Der in dem Hauptantrag des Betriebsrats angegebene Regelungsgegenstand „Betriebsvereinbarung über „mobiles Arbeiten“, die insbesondere die Aspekte „Arbeitsschutz“ und „Arbeitszeit“ bei dieser Arbeitsform regeln soll“, zieht keine klare Grenze der sich im Zusammenhang mit dem mobilen Arbeiten stellenden Regelungsfragen, sondern umfasst alle Themen, die sich in diesem Zusammenhang stellen können, unabhängig davon, ob es für sie bereits eine Regelung gibt. Auch die Verwendung des Begriffs „insbesondere“ lässt nicht hinreichend erkennen, ob damit ein Mindestregelungsumfang oder eine Schwerpunktbildung gemeint sein soll. Für die Einigungsstelle wäre nicht klar, wann sie ihrem Regelungsauftrag ausreichend nachkommgekommen ist und eine abschließende Regelung getroffen hat (im Ergebnis aA., ohne jedoch die Frage der Zulässigkeit zu thematisieren LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 25. Februar 2020 – 5 TaBV 1/20 –, Rn. 37, juris; dazu Dahl, jurisPR-ArbR 6/2021 Anm. 6).
352.) Der im Wege der Antragsänderung in der Beschwerdeinstanz gestellte erste Hilfsantrag ist zulässig und begründet.
36a) Der Antrag ist zulässig.
37aa) Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach §§ 80 ff. ArbGG hängt die Zulässigkeit eines im Wege der Antragsänderung anhängig gemachten Hilfsantrags bei verweigerter Zustimmung der übrigen Beteiligten zur Antragsänderung von der Sachdienlichkeit des mit den neuen Antrags ab. Für die Beurteilung dieser Frage kommt es darauf an, ob und inwieweit die Zulassung der Änderung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängenden Rechtsstreits ausräumt und einem andernfalls zu gewärtigenden weiteren Verfahren vorbeugt. Maßgebend ist der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit. Eine Antragsänderung kann selbst dann zulässig sein, wenn aufgrund ihrer Zulassung neue Parteierklärungen und Beweiserhebungen nötig werden und dadurch die Erledigung des Prozesses verzögert wird. Eine geänderte Antragstellung ist nur dann nicht mehr als sachdienlich anzusehen, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann (BAG, Beschluss vom 15. März 2011 - 1 ABR 112/09 -, Rn. 32, juris; BGH, Urteil vom 10. Januar 1985 - III ZR 93/83 -, Rn. 22-25, juris zur Klageänderung im Zivilprozess). Die Zulässigkeit einer Antragserweiterung im besonderen Beschlussverfahren auf Bildung einer Einigungsstelle nach § 100 ArbGG hängt ebenfalls davon ab, ob die anderen Beteiligten einwilligen oder die Antragserweiterung sachdienlich ist. Letzteres ist allerdings nicht der Fall, wenn durch die begehrte Erweiterung der Zuständigkeit ein völlig neuer Streitstoff zur Beurteilung ansteht und dies wegen der Erforderlichkeit einer weiteren Sachaufklärung zu einer verzögerten Erledigung des Verfahrens führen würde (vgl. LAG Hessen, Beschluss vom 12. November 1991 - 4 TaBV 148/91 -, NZA 1992, 853). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Der Betriebsrat hat in der Beschwerdeinstanz weder einen neuen Sachvortrag noch einen neuen Verfahrensgegenstand eingeführt, sondern mit dem vorrangig gestellten ersten Hilfsantrag sein Regelungsbegehren lediglich präzisiert.
38bb) Mit diesem Inhalt ist der Antrag hinreichend bestimmt.
39(1) Der Begriff „mobiles Arbeiten“ hat sich mittlerweile unabhängig von dem der Antragsschrift beigefügten Entwurf einer Betriebsvereinbarung und der in ihr enthaltenen Regelungsgegenstände zu einem juristisch hinreichend klar umrissenen Terminus entwickelt. Er umfasst nicht nur die Tätigkeit im Homeoffice. Ein Arbeitnehmer arbeitet vielmehr immer dann mobil, wenn er oder sie die geschuldete Arbeitsleistung unter Verwendung von Informationstechnologie außerhalb der Betriebsstätte von einem Ort oder von Orten seiner oder von einem mit dem Arbeitgeber vereinbarten Ort bzw. von mit dem Arbeitgeber vereinbarten Orten erbringt (vgl. Artikel 1 Abs. 1 des Referentenentwurfs eines Gesetzes zur mobilen Arbeit des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales).
40(2) Zudem wird der Regelungsgegenstand durch die abschließende Aufzählung der Punkte „Arbeitsschutz", „Arbeitszeitfestlegung", „Einsatz von Überwachungstechnik", „betriebliche Berufsbildung" und „Aufstellung von Beurteilungsbedingungen" weiter eingegrenzt. Zwar umfasst der Hilfsantrag immer noch eine Vielzahl komplexer Themen. Die Einigungsstelle weiß jedoch, zu welchen Themen sie eine abschließende Regelung treffen muss.
41cc) Der in der Beschwerdeinstanz erstmals gestellte Hilfsantrag ist von der Beschlussfassung des Betriebsrats gedeckt. Ein solcher Beschluss ist notwendig, weil ein von einem Verfahrensbevollmächtigten namens des Betriebsrats gestellter Antrag in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren einer ordnungsgemäßen Entscheidung des Kollegialorgans über die Einleitung des Verfahrens bedarf. Fehlt es hieran, ist der Antrag als unzulässig abzuweisen. Der Betriebsratsbeschluss, „gerichtlich eine Einigungsstelle zur Aufstellung einer Betriebsvereinbarung 'Mobiles Arbeiten' zu betreiben“, ist durch das Protokoll der Sitzung vom 03.02.2021, an dessen Richtigkeit keine durchgreifenden Zweifel bestehen, gedeckt. Der Beschluss ist zwar recht allgemein gehalten. Jedoch müssen die in dem Beschlussverfahren zu stellenden Anträge nicht bereits im Einzelnen formuliert sein. Vielmehr ist es ausreichend, wenn, wie hier, der Gegenstand, über den in dem Beschlussverfahren eine Klärung herbeigeführt werden soll, und das angestrebte Ergebnis bezeichnet sind (BAG, Beschluss vom 29. April 2004 – 1 ABR 30/02 –, BAGE 110, 252-276, Rn. 90; BAG, Beschluss vom 04. November 2015 – 7 ABR 61/13 –, Rn. 29, juris). Innerhalb des so abgesteckten Rahmens verfügen der Betriebsratsvorsitzende und der von ihm beauftrage Verfahrensbevollmächtigte bei der Antragstellung über den Handlungsspielraum, den sie benötigen um unmittelbar auf gerichtliche Hinweise zu reagieren, Anträge zu präzisieren, zu ändern, zu erweitern oder auch zurückzunehmen, ohne hierzu jeweils einen Beschluss des Betriebsratsgremiums herbeiführen zu müssen (BAG, Beschluss vom 04. November 2015 – 7 ABR 61/13 –, Rn. 29, juris).
42dd) Dem Antrag fehlt nicht das notwendige Rechtsschutzbedürfnis. Die Arbeitgeberin hat zuletzt im Anhörungstermin vom 23.04.2021 deutlich gemacht, dass sie keine betriebliche Regelung zu dem Themenkomplex wünscht und auf die bestehenden Betriebsvereinbarungen, tariflichen Regelungen sowie auf die Homeofficepflicht nach § 28b Abs. 7 Satz 1 InfSchG als ihrer Ansicht nach abschließende gesetzliche Regelung verwiesen.
43b) Für die im ersten Hilfsantrag aufgeführten Regelungsgegenstände ist die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig iSd. § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Denn diese Regelungsgegenstände unterliegen der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats.
44aa) Insoweit kommt es nicht darauf an, dass ein Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales aus Oktober 2020, wonach § 87 Abs. 1 BetrVG um eine zusätzliche Nummer 14 („Ausgestaltung von mobiler Arbeit") ergänzt werden sollte, nicht realisiert wurde. Denn bereits jetzt stehen Betriebsräten umfassende Beteiligungsrechte zu, die auch bei mobiler Arbeit greifen (näher dazu Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473, 476 ff.). Für den Bereich „Arbeitsschutz" ergibt sich ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Die Festlegung der Arbeitszeit unterliegt nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG der Mitbestimmung. Der Einsatz von Überwachungstechnik ist gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Gemäß § 97 Abs. 2 BetrVG hat der Betriebsrat ferner mitzubestimmen, wenn ein Arbeitgeber Maßnahmen plant oder durchführt, die dazu führen, dass sich die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer ändert und ihre beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr ausreichen, was bei mobilem Arbeiten der Fall sein kann. Schließlich unterliegt die Aufstellung von Beurteilungsbedingungen nach § 94 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats.
45bb) Ob und inwieweit bestehende betriebliche und tarifliche Regelungen dem Regelungswunsch des Betriebsrats entgegenstehen, wird die Einigungsstelle in eigener Zuständigkeit als Vorfrage selbst prüfen müssen, bevor sie eine Regelung in der Sache trifft (sog. Vorfragenkompetenz, dazu BAG, Beschluss vom 22. Oktober 1981 - 6 ABR 69/79 -, BAGE 36, 385-392, Rn. 19). Aufgrund des durch § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG vorgegebenen großzügigen Prüfungsmaßstabs der „offensichtlichen“ Unzuständigkeit ist dies nicht abschließend im Bestellungsverfahren zu entscheiden, wenn nicht eindeutig ersichtlich ist, dass bereits bestehende Regelungen abschließend auf die Besonderheiten der mobilen Arbeit zugeschnitten sind. Letzteres ist hier nicht erkennbar. § 28b Abs. 7 Satz 1 InfSchG sperrt die vom Betriebsrat gewünschten Regelungen ebenfalls nicht, da sich die Vorschrift nur auf das sog. Homeoffice bezieht und sich zu den hier streitgegenständlichen Regelungspunkten überhaupt nicht verhält.
46cc) Schließlich kann die Arbeitgeberin gegenüber dem Hilfsantrag nicht einwenden, dass dem Betriebsrat in Bezug auf mobile Arbeit kein Initiativrecht zustehe.
47(1) Grundsätzlich begründen erzwingbare Mitbestimmungsrechte Initiativrechte des Betriebsrats, so dass er von sich aus die Regelung einer Angelegenheit anstreben und ggf. die Einigungsstelle anrufen kann, soweit das Mitbestimmungsrecht nicht nur eine abwehrende Funktion hat (BAG, Beschluss vom 28. November 1989 – 1 ABR 97/88 –, BAGE 63, 283-292, Rn. 21 - 23). Mitbestimmung bedeutet gleiche Rechte für beide Teile mit der Folge, dass sowohl der Arbeitgeber als auch der Betriebsrat die Initiative für eine erstrebte Regelung ergreifen und zu deren Herbeiführung erforderlichenfalls die Einigungsstelle anrufen kann, soweit das Mitbestimmungsrecht nicht nur eine abwehrende Funktion hat (BAG, Beschluss vom 28. November 1989 – 1 ABR 97/88 –, BAGE 63, 283-292, Rn. 21; BAG, Beschluss vom 31. August 1982 – 1 ABR 27/80 –, BAGE 40, 107-126, Rn. 53; BAG, Beschluss vom 14. November 1974 – 1 ABR 65/73 –, Rn. 9, juris).
48(2) Zwar darf ein Arbeitgeber grundsätzlich alleine entscheiden, ob er die Möglichkeit der mobilen Arbeit eröffnet. Sofern ein Arbeitsort vertraglich nicht bestimmt wurde, ist dessen Konkretisierung originärer Bestandteil des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts nach § 106 Satz 1 GewO (Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473, 478). Dieses Recht will der Betriebsrat der Arbeitgeberin mit seinem Hilfsantrag jedoch nicht streitig machen, da Regelungsgegenstand nicht die Einführung mobilen Arbeitens, sondern dessen Bedingungen unter den Aspekten des Arbeitsschutzes, der Arbeitszeitfestlegung, des Einsatzes von Überwachungstechnik, der betrieblichen Berufsbildung und Aufstellung von Beurteilungsbedingungen sein soll. Von Bedeutung ist insofern nur, dass die Arbeitgeberin bereits von sich aus bestimmten Arbeitnehmern eine Tätigkeit außerhalb der Betriebsstätte gestattet hat. Selbst wenn ihre Entscheidung darüber, wer außerhalb der Betriebsstätte arbeiten darf, individuellen Besonderheiten Rechnung getragen haben mag, begründet die Gestaltung dieser Arbeitsplätze und Einbindung dieser Arbeitnehmer in die Betriebsabläufe den notwendigen kollektiven Bezug für das Entstehen der Mitbestimmungsrechte einschließlich des Mitbestimmungsrechts bei ihrer technischen Überwachung.
49c) Gegen den vom Betriebsrat vorgeschlagenen Vorsitzenden hat die Arbeitgeberin weder Einwendungen erhoben, noch sind sie sonst wie ersichtlich. Auch die vom Betriebsrat für erforderlich gehaltene Zahl der Beisitzer begegnet angesichts der komplexen Regelungsmaterie keinen Bedenken.
503.) Die weiteren Hilfsanträge des Betriebsrats sind nicht zur Entscheidung angefallen, da die Beschwerde bereits mit dem ersten Hilfsantrag Erfolg hat.