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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d :
2Die Kläger begehren die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel als außergewöhnliche Belastung.
3Die Klägerin leidet an einer chronischen Stoffwechselstörung. Sie nimmt aus diesem Grund Vitamine und andere Mikronährstoffe ein.
4Die Kläger machten in ihrer Einkommensteuer-Erklärung für 2010 Aufwendungen in Höhe von 9.341 € als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Beklagte erkannte von diesen Aufwendungen in dem von ihm mit Datum vom 01.09.2011 erlassenen Bescheid Aufwendungen in Höhe von 6.124 € für Arztkosten, Medikamente, Kosten für TCM-Präparate, Reiki-Behandlungen etc. an.
5Der Beklagte lehnte dagegen die Berücksichtigung von Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel in Höhe von 706,55 € als außergewöhnliche Belastung ab. Hierbei handelte es sich um Mittel, die über diverse Apotheken bezogen wurden. Es wird insoweit auf den Schriftsatz der Kläger vom 26.01.2012, Seite 1 unten und Seite 2 oben, sowie die Anlagen zu diesem Schriftsatz verwiesen. Es handelte sich um folgende Mittel:
6Milgamma
7Gelovital
8Vigantoletten
9Cefasel
10Biotin
11Vitamin B2
12Adenosylcobolamin
13Metabolic
14Calcium
15Bio-C-Vitamin
16Die Kläger legten gegen den Bescheid vom 01.09.2011 Einspruch ein. Der Beklagte berücksichtigte in der Folge mit Bescheid vom 14.09.2012 weitere Aufwendungen in Höhe von 324 € als außergewöhnliche Belastung, ließ jedoch weiterhin die vorbezeichneten Aufwendungen in Höhe von 706,55 € außer Ansatz. Die Kläger legten eine Bescheinigung eines Dr. K. vom 11.11.2011 mit folgendem Inhalt vor:
17„Bei o.g. Patientin liegt eine chronische Stoffwechselstörung vor, die kausal nicht therapierbar ist. Zur Vermeidung von weiteren gesundheitlichen Schäden ist eine laufende Einnahme von Vitaminen und anderen Mikronährstoffen erforderlich. Diese Einnahme ist lebenslang erforderlich. Medikamente sind bei dieser Stoffwechselstörung nicht indiziert.
18Im Verlauf der Jahre kam und wird es auch zu Änderungen kommen, da die Einsatzindikation der Mikronährstoffe jeweils von den Organsymptomen abhängt.
19Für das Jahr 2010 wurden folgende Präparate unsererseits verordnet:
20Benfotiamin (Milgamma)
21Gelovital (Vitamin A und D)
22Vigantoletten (Vitamin D)
23Cefasel als Selen
24Biotin
25Vitamin B2 laktosefrei
26Adenosylcobalamin (Vitamin B12 ohne Cyananteile)
27Kalzium und Vitamin D
28Vitamin C als Kalzium ascorbat und Mischpräparat Metaboli 4-B-Komplex mit Folsäure, Benfotiamin, Vitamin B12 als Adenosylcobalamin und Biotin.“
29Außerdem reichten die Kläger eine Bescheinigung vom 24.01.2012 von dem praktischen Arzt N. ein mit folgendem Inhalt:
30„Die Klägerin ... befindet sich seit dem 16.10.2007 in meiner kontinuierlichen hausärztlichen Behandlung. Eine Entbindung von der Schweigepflicht bezüglich dieses Attestes liegt mir vor.
31Die o.g. Patientin benötigt für medizinisch-bedingte und weitere Fahrten eine Begleitperson. Dies gilt auch für den Gutachtertermin bei Prof. Dr. med. H., der am 07.06.2010 in A stattfand.“
32Der Beklagte wies den Einspruch mit folgender Begründung zurück: Kosten, die durch eine Diätverpflegung entstünden, könnten nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 33 Abs. 2 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs ‑BFH‑ vom 21.06.2007 III R 48/04, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2007, 880). Unter Diät sei eine auf die Bedürfnisse des Patienten und der Therapie der Erkrankung abgestimmte Ernährung zu verstehen; sie könne in der Einschränkung der gesamten Ernährung, in der Vermeidung bestimmter Anteile oder in der Vermehrung aller oder bestimmter Nahrungsanteile bestehen (Hinweis auf: Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl. 2002, Stichwort: Krankenkost/Diät). Zu den Diätformen gehörten nicht nur kurzzeitig angewendete Einformdiäten sowie langzeitig angewandte Grunddiäten, z.B. bei Gicht und Zuckerkrankheit, sondern auch langzeitige Sonderdiäten mit Anpassung an ständige Leiden, z.B. Zöliakie (Hinweis auf: Der Gesundheitsbrockhaus, 3. Aufl. 1984, Stichwort: Diätformen). Das Abzugsverbot gelte auch dann, wenn die Diät auf Grund einer ärztlichen Verordnung unmittelbar als Therapie eingesetzt werde und damit im medizinischen Sinne Medikamentencharakter aufweise (Hinweis auf BFH-Urteil vom 21.06.2007 III R 48/04, BStBl II 2007, 880). Der Gesetzgeber habe bewusst keine Ausnahme zulassen wollen. Die streitigen Aufwendungen seien der Klägerin für zusätzliche Nährstoffe entstanden, so dass auch bei ihr Diätverpflegung gegeben sei und die Aufwendungen gemäß § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG nicht berücksichtigt werden könnten.
33Die Kläger haben hierauf Klage erhoben und tragen vor: Die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen seien als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG einzuordnen. Nach § 33 Abs. 1 EStG werde die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen, bei gleichen Einkommensverhältnissen, gleichen Vermögensverhältnissen und gleichem Familienstand erwachsen.
34In ständiger Rechtsprechung gehe der BFH davon aus, dass Krankheitskosten - ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung - dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwüchsen. Allerdings würden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel aufgewendet würden, die Krankheit erträglich zu machen. Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung würden typisierend als zwangsläufig und damit als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall einer Überprüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach bedürfe.
35Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten sei zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten. Dies gelte aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und den Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt seien und vorgenommen würden, mithin medizinisch indiziert seien. Dabei sei zu beachten, dass nicht nur das medizinisch Notwendige im Sinne einer Mindestversorgung von der Heilanzeige erfasst werde. Medizinisch indiziert sei vielmehr jedes diagnostisch oder therapeutische Verfahren, dessen Anwendung in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt sei.
36So liege der Fall hier. Der behandelnde Arzt der Klägerin, Dr. med. K., habe die hier streitbefangenen Präparate im Sinne der Rechtsprechung des BFH verordnet. Zudem befänden sich auch die Rezepte sowie eine ärztliche Stellungnahmne vom 11.11.2011 bei den Unterlagen des Beklagten.
37Zur Vermeidung von weiteren gesundheitlichen Schäden sei eine laufende Einnahme der streitigen Präparate medizinisch indiziert.
38Beweis: 1. Zeugnis des Herrn Dr. med. K.,
392. Einholung eines amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens
40Damit sei die für die Annahme der Zwangsläufigkeit gemäß § 33 Abs. 2 EStG vorausgesetzte medizinische Notwendigkeit der Maßnahme belegt; außergewöhnliche Belastungen im Sinne von § 33 EStG lägen somit vor.
41Die Kläger beantragen,
42den Einkommensteuerbescheid 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.09.2012 dahin abzuändern, dass Aufwendungen in Höhe von 706,55 € zusätzlich als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.
43Der Beklagte beantragt,
44die Klage abzuweisen.
45Er hält an der Auffassung fest, dass die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung im Sinne von § 33 EStG berücksichtigt werden könnten. Er verweist auf die von ihm erlassene Einspruchsentscheidung.
46E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
47Die Klage ist unbegründet.
48I.
49Nach § 33 Abs. 1 EStG wird, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen, auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.
50Nach § 33 Abs. 2 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Krankheitskosten erwachsen dem Steuerpflichtigen grundsätzlich zwangsläufig, weil er sich ihnen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen kann (Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 12. Auflage, § 33 Rnr. 54 „Krankheitskosten“). Nach § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG können allerdings Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.
51Der Gesetzgeber hat das Abzugsverbot für Diätkosten 1974 eingeführt, weil nach den Erfahrungen der Praxis die Steuerermäßigung vielfach ungerechtfertigt in Anspruch genommen werde, die Einhaltung der Diät im allgemeinen nicht zu einer Mehrbelastung, oft sogar zu Einsparungen führe und zwangsläufige Unterschiede in den Lebenshaltungskosten anderer Art, die viel schwerer wögen (z.B. unterschiedliche Wohnungsmieten, Mehrkosten für Kleidung wegen Übergröße) steuerlich ebenfalls nicht ausgeglichen werden könnten (Kanzler in Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG und Körperschaftsteuergesetz -KStG- , § 33 EStG, Rnr. 208 m.w.N.).
52Das Abzugsverbot für Diätverpflegung gilt auch dann, wenn diese nicht nur neben, sondern anstelle von Medikamenten zur Linderung der Krankheit benötigt wird (BFH vom 21.06.2007 III R 48/04, BStBl II 2007, 880) und auch dann, wenn die Diät auf Grund einer ärztlichen Verordnung unmittelbar als Therapie eingesetzt wird und damit Medikamentencharakter aufweist (BFH vom 21.06.2007 III R 48/04, BStBl II 2007, 880).
53Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH vom 21.06.2007 III R 48/04, BStBl II 2007, 880, Tz. 29) ist unter Diät die auf die Bedürfnisse des Patienten und der Therapie der Erkrankung abgestimmte Ernährung zu verstehen; sie kann in der Einschränkung der gesamten Ernährung, in der Vermeidung bestimmter Anteile oder in der Vermehrung aller oder bestimmter Nahrungsanteile bestehen (Hinweis des BFH auf Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Auflage 2002, Stichwort: Krankenkost/Diät). Zu den Diätformen gehörten nicht nur kurzzeitig angewendete Einformdiäten sowie langzeitig angewandte Grunddiäten, z.B., bei Gicht und Zuckerkrankheit, sondern auch langzeitige Sonderdiäten mit Anpassung an ständige Leiden, z.B. Zöliakie (Hinweis des BFH auf: Der Gesundheitsbrockhaus, 3. Aufl. 1984, Stichwort: Diätformen).
54II.
55Die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen betreffen Mittel im Sinne von § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG, mit denen bestimmte Nahrungsanteile vermehrt werden.
56Milgamma enthält Benfiotamin und gehört in die Wirkstoffgruppen Vitamin B1 und Vitamin B2 in Kombination mit B6 und B12 (vgl. www.apotheken-umschau.de).
57Gelovital enthält den Wirkstoff Lebertran, gehört zur Gruppe der sogenannten Omega-3-Fettsäuren-Vitaminpräparate und enthält die Vitamine A und D (vgl. www.apotheken-umschau.de).
58Vigantoletten enthalten den Wirkstoff Colecalceferol (Vitamin D3) und gehört zur Gruppe der Vitamine (vgl. www.apotheken-umschau.de).
59Cefasel enthält als Wirkstoff Selen, der zur Wirkstoffgruppe Mineralstoffe beziehungsweise essentielle Spurenelemente gehört (vgl. www.apotheken-umschau.de).
60Biotin - auch Vitamin B7 genannten - ist ein wasserlösliches Vitamin (vgl. www.apotheken-umschau.de).
61Adenosylcobalamin ist ein von Dr. K. gegebenes Nahrungsergänzungsmittel auf der Basis des Vitamins B12 (vgl. www.shop-vitaminwelten.de).
62Metabolic ist ein Diätprogramm zur Gewichtsreduktion ( vgl. www.apotheken-umschau.de ).
63Daneben betreffen die Aufwendungen der Klägerin Vitamin B2, Calcium und Vitamin C.
64Dass es sich bei den zugeführten Mitteln um solche zur Vermehrung bestimmter Nahrungsanteile handelt, ergibt sich auch aus der Bescheinigung des Dr. K., der ausführt, zur Vermeidung von weiteren gesundheitlichem Schaden sei eine Einnahme von Vitaminen und anderen Mikro-Nährstoffen erforderlich.
65III.
66Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.