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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen
G r ü n d e :
2Die Beteiligten streiten über die Besteuerung einer Einmalzahlung, die die Kläger als Gesamtrechtsnachfolger ihres am 08.09.2012 verstorbenen Sohnes erhalten haben, nach § 22 des Einkommensteuergesetzes –EStG-.
3Der ehemalige Arbeitgeber des Sohnes der Kläger hatte, beginnend am 01.03.2004, bei der A Pensionskasse eine betriebliche Altersversorgung abgeschlossen; Versicherter war der Sohn. Nach einem Arbeitgeberwechsel hatte der Sohn die Versicherung, zu der die Beiträge nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei eingezahlt wurden, auf sich selbst als Versicherungsnehmer umschreiben lassen. Bezugsberechtigt waren lt. Versicherungsschein im Überlebensfall der Sohn und im Todesfall die Hinterbliebenen i. S. des BetrAVG, d.h. der überlebende Ehepartner bzw. die Kinder bzw. der Lebensgefährte. Nach dem Tod des Sohnes, der weder Ehegatten, Lebenspartner, Lebensgefährtin noch Kinder hinterließ, zahlte die A die Leistung begrenzt auf ein Sterbegeld von 8.000 EUR an die Kläger als Erben aus und teilte dies dem Beklagten mit.
4Der Beklagte erfasste den Bezug des Betrages von 8.000 EUR mit nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung geändertem Bescheid zur Einkommensteuer 2012 vom 19.12.2017 als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies er mit Einspruchsentscheidung vom 15.08.2018 als unbegründet zurück. Die Norm erfasse jegliche Auszahlung aus Altersvorsorgeverträgen. Ob die Zahlung an die im Vertrag benannten Begünstigten oder an die Erben erfolge, sei nicht maßgeblich; entscheidend sei allein die Grundlage nicht des Erbfalls, sondern des Vorsorgevertrages. Ob wegen gleichzeitiger Erfassung bei der Erbschaftsteuer eine Doppelbesteuerung erfolge, könne ebenfalls dahinstehen; ausweislich der Ermäßigungsvorschrift des § 35b EStG lasse sich dies nicht immer vermeiden.
5Mit der Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren, den Betrag von der Einkommensbesteuerung auszunehmen, weiter. Die Vorschrift des § 22 EStG gelte nur für Vertragspartner des Versicherungsvertrages, nicht aber für bloße Gesamtrechtsnachfolger. Für diese seien allein die Vorschriften des Erbschaftsteuergesetzes maßgebend. Die Kläger hätten keine Einkünfte bezogen, sondern einen Nachlass erhalten.
6Die Kläger beantragen,
7den Einkommensteuerbescheid 2016 vom 19.12.2017 und die Einspruchsentscheidung vom 15.08.2018 aufzuheben.
8Der Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der dem Gericht vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.
11Die Klage ist unbegründet.
12Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO); der Beklagte hat das Sterbegeld zutreffend der Besteuerung unterworfen.
13Nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG sind sonstige Einkünfte „Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen“.
14Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesbestimmung ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist. Der Wille des Gesetzgebers kann bei der Auslegung des Gesetzes nur insoweit berücksichtigt werden, als er in dem Gesetz selbst einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden hat (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH- vom 23.10.2013 X R 3/12, Bundessteuerblatt –BStBl- II 2014, 58; bestätigt durch BFH-Urteil vom 23.11.2016 X R 13/14, Sammlung nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH –BFH/NV- 2017, 445).
15Der Wortlaut des Gesetzes ist mit der Formulierung „Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen“ umfassend. Er erstreckt sich auf sämtliche Leistungen, die ihre Grundlage in derartigen Verträgen haben. Eine Differenzierung danach, welche Qualität bzw. welche juristische Einordnung dieser Grundlage inne ist, nimmt der Wortlaut ausdrücklich nicht vor.
16In der betrieblichen Altersversorgung wird – so auch die vorliegende Vertragsregelung - eine Hinterbliebenenversorgung (Kapital, Beitragsrückgewähr oder Rente) nur an den Ehepartner, den eingetragenen Lebenspartner, den namentlich benannten Lebensgefährten oder die waisenrentenberechtigten Kinder ausgezahlt. Sind keine der genannten Hinterbliebenen vorhanden, wird ein sog. Sterbegeld an die Erben geleistet, das auf einen bestimmten Betrag – vorliegend 8.000 EUR – begrenzt ist. Ungeachtet der Frage, welche der Fallgruppen zum Tragen kommt, erfolgen derartige Zahlungen „aus der Versicherung“ – ob von vorneherein auf einen bestimmten Höchstbetrag begrenzt oder nicht. Diesen Umstand hat vorliegend auch die A in ihren Schreiben zutreffend zum Ausdruck gebracht, nämlich als „Leistung aus dieser Versicherung“ (22.02.2018) und „Versicherungsleistung“ (10.12.2012). Nur und gerade der Altersvorsorgevertrag hat die Versicherung veranlasst, das Sterbegeld auszuzahlen – wie auch die Kläger einräumen, zumal eine Versicherungsleistung ohne (Vertrags-)Grund erkennbar nicht in Betracht kommt.
17Mit obigem Urteil X R 3/12 hat der BFH (sogar) den Wortlaut des § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG „Leibrenten und sonstige Leistungen“ dahin ausgelegt, dass der dortige Begriff „sonstige Leistungen“ autonom zu erfassen sei – mit der Folge, dass sich die Besteuerung nicht etwa auf wiederkehrende Leistungen beschränke. Der hier streitige Wortlaut des § 22 Nr. 5 EStG gebietet eine derartige autonome Erfassung des Begriffs der „Leistung“ erst recht, weil er außerhalb sonstiger Merkmale steht und allein durch die Herkunft bzw. Ursache „aus Altersvorsorgeverträgen“ näher beschrieben wird. (Die dortigen weiteren höchstrichterlichen Ausführungen, insbesondere zum Willen des Gesetzgebers, können hier nicht für Auslegungszwecke herangezogen werden, weil vorliegend nicht die Frage der Basisversorgung streitgegenständlich ist, sondern die Frage der sog. zweiten Schicht der Zusatzversorgung.)
18Die Kläger können auch nicht – entgegen ihrem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung – erfolgreich einwenden, die Besteuerung des Sterbegeldes hätte allenfalls bei dem Erblasser erfolgen dürfen. In dessen Person war der Zufluss des Geldes, an den die Besteuerung anknüpft (§ 11 EStG), nicht erfüllt; bei Zufluss an die Rechtsnachfolger gilt § 24 Nr. 2 EStG. Dieser betrifft die im Bereich der Überschusseinkünfte regelungsbedürftige Fallgestaltung, dass der Einkommensteuertatbestand - zurechenbare Verwirklichung der im Steuertatbestand umschriebenen Erwerbshandlung einerseits und Zufluss andererseits - nacheinander durch zwei verschiedene Personen verwirklicht wird, nämlich der Rechtsvorgänger zwar durch seine Tätigkeit die Grundlage für einen Zufluss von Einkünften gelegt hat, indes der vom Steuertatbestand vorausgesetzte Zufluss von Einnahmen zu seinen Lebzeiten - vor Beendigung der persönlichen Steuerpflicht - noch nicht verwirklicht war. Dem Rechtsnachfolger zufließende nachträgliche Einkünfte sind ihm als "dem Steuerpflichtigen" zuzurechnen; die vom Rechtsvorgänger - vom Erblasser - erzielten Einkünfte werden nicht nachträglich erhöht. Dies wird bestätigt durch die Steuerermäßigung des § 35b EStG, der die Beseitigung einer Doppelbelastung des Rechtsnachfolgers mit Einkommen- und Erbschaftsteuer bezweckt (BFH-Urteil vom 24.01.1996 X R 14/94, BStBl II 1996, 287).
19Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
20Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zuzulassen. Die hier streitige Frage der Besteuerung des Sterbegeldes an Erben, die nicht zugleich Hinterbliebene i. S. der Altersvorsorgeversicherung sind, ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden.